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OWi III: Kein Absehen vom Fahrverbot beim Rentner, oder: „In keinster Weise“ „Rentner*innen“ oder so

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Und zum Tagesschluss dann noch das AG Dortmund Urt. v. 11.10.2022 – 729 OWi-262 Js 1751/22-110/22.

Das AG hat eine Rentnerin wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt. Der Bußgeldkatalog sieht für den vom AG festgestellten Verstoß in 11.3.7 eine Regelgeldbuße von 320,00 EUR und ein Fahrverbot von 1 Monat vor.

Das AG hat „angesichts der beengten wirtschaftlichen Verhältnisse und von der Betroffenen dargestellter erheblicher Erhöhungen der derzeitigen Lebenshaltungskosten, insbesondere der Energiekosten“ die Geldbuße auf 200,00 EUR abgesenkt.

Es hat aber das Regelfahrverbot festgesetzt und führt dazu aus:

„Umstände, die ein Absehen vom Regelfahrverbot hätten nahelegen können, waren nicht erkennbar und wurden auch nicht weiter geltend gemacht. Der Verteidiger regte zwar im Rahmen der Hauptverhandlung die Verdopplung der Geldbuße gegen ein Absehen vom Fahrverbot an. Die Betroffene erklärte jedoch darauf, dass sie dann lieber für die Zeit eines Fahrverbotes laufe aber nicht so viel für einen derartigen Verstoß zahlen wolle. Die Anwendung des § 4 Abs. 4 BKatV hat das Gericht daher dem Betroffenenwillen entsprechend ausgeschlossen. Etwaige Härten wurden seitens der Betroffenen nicht geltend gemacht. Insbesondere schieden diese auch deshalb aus, weil der Ehemann der Betroffenen selbst Führerscheininhaber ist und die Betroffene erklärte, bei Bedarf könne er sie fahren. Überdies sind Rentner*innen ebenso wie etwa Arbeitslose und natürlich auch Beamt*innen grundsätzlich in keinster Weise auf die Existenz einer Fahrerlaubnis zwingend angewiesen.“

Dazu: Die Fahrverbotsentscheidung lässt sich so vertreten, sie ist zumindest von OLG-Rechtsprechung gedeckt. Zwingend ist sie nicht, zumindest dürfte es auf den Einzelfall ankommen – wie immer.

Aber – schon wieder Mecker 🙂 – bei dem letzten Satz in o.a. Zitat habe ich dann doch Bauchschmerzen. Zunächst die Formulierung: „in keinster Weise“. „Kein“ kann man nicht steigern, „Null“ bleibt „Null“. Weniger geht m.E. nicht.

Und: Was sollen die „*“ bei „Rentner*innen“ und bei „Beamt*innen“? Muss das sein? Wenn man damit anfängt, sind die Urteile bald unlesbar. Zudem: Hätte es dann nicht auch „Arbeitslos*innen“ oder „Personen ohne Arbeit“ heißen müssen? Wenn schon, denn schon.

Ich habe mir übrigens erlaubt, beim Einstellen der Entscheidung auf meiner Homepage den entsprechenden amtlichen Leitsatz zu „begradigen“.

Verkehrsrecht II: Nochmals Fahrverbot nach § 44 StGB, oder: Nebenstrafe als „gerechter Schuldausgleich“

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Als zweite Entscheidung des Tages stelle ich den OLG Dresden, Beschl. v. 07.07. 2022 – 2 OLG 22 Ss 299/22 – zum Fahrverbot nach § 44 StGB vor, und zwar eine Fortführung vom OLG Dresden, Beschl. v. 16.04.2021 – 2 OLG 22 Ss 195/21.

Das OLG nimmt noch einmal zum Sinn und Zweck des Fahrverbotes nach § 44 StGB Stellung:

„Der Revisionsführer beanstandet zu Unrecht, dass sich das Tatgericht mit den Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 2 StGB nicht auseinandergesetzt habe. Die Revision unterliegt diesbezüglich einem Missverständnis dieser Vorschrift, die keinen Zeitfaktor enthält und nunmehr auch Nicht-Verkehrsstraftaten erfasst.

Wie der Senat bereits ausgeführt hat (Beschluss vom 16. April 2021 – 2 OLG 22 Ss 195/21 – juris), wurde der Anwendungsbereich des Fahrverbots nach § 44 StGB mit der Gesetzesnovellierung 2017 wesentlich erweitert (BT-Drs 18/11272, Seite 14 ff.). Seine bis dahin allgemein anerkannte, auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Fahrverbot nach § 25 StVG zurückgehende Bedeutung als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme für Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 1969 – 2 BvL 11/69 –, juris Rdnr. 15) hat an Gewicht verloren. Statt dessen wurde den Tatgerichten mit der Erweiterung des Anwendungsbereichs ein „zielgenaueres“ (vgl. BT-Drs a.a.O., Seite 17) Mittel bereitgestellt, welches einerseits auch außerhalb von Verkehrsdelikten Anwendung finden kann und andererseits eine besser dosierte Gesamtsanktion aus Kombination und in Wechselwirkung mit der Hauptstrafe ermöglicht (BT-Drs a.a.O.).

Im Lichte des Zwecks dieser Novellierung ist die Gesetzesformulierung „zur Einwirkung auf den Täter erforderlich“ (§ 44 Abs. 1 Satz 2 StGB) daher nicht im Sinne der Denkzettelfunktion auszulegen (“noch“ erforderlich), sondern – korrespondierend mit der gesetzgeberischen Betonung der Pönalisierungsfunktion – als eine auf die Angemessenheit des Gesamtübels bezogenen Strafzumessungsrichtlinie. Die Rechtsfolge, bestehend aus Haupt- und/oder Nebenstrafe, soll im Verhältnis zum begangenen Unrecht gerechter Schuldausgleich sein. Die Nebenstrafe ist deshalb – losgelöst von einem präventiven Aspekt – „zur Einwirkung auf den Täter erforderlich“, wenn die Hauptstrafe allein nicht als gerechter Schuldausgleich ausreicht.

Der Senat vermag aus den genannten Gründen auch nicht den Überlegungen von Staudinger (jurisPR-StrafR 14/2021 Anm. 5 zum Senatsbeschluss vom 16. April 2021 (a.a.O.) zu folgen, der mit Blick auf die sich zum Fahrverbot nach § 25 StVG verhaltende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) das Fahrverbot nicht als Kriminalstrafe verstanden wissen will. Seine Bezugnahme auf diese zum Ordnungswidrigkeitenrecht ergangene Rechtsprechung erscheint angesichts der amtlichen Begründung zur Gesetzesnovellierung 2017 (BT-Drs 18/11272, Seite 14 ff.) für eine Qualifizierung der hiervon zu unterscheidenden Kriminalsanktion nach StGB nicht überzeugend. Vielmehr wurde gerade die Pönalisierungsfunktion (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 03. Juni 2004 – Az.: 2 Ss 112/04 –, [juris Rdnr. 14] mit Verweis auf BT-Drs IV/651, Seite 12) dieser „echten“ (Neben-)Strafe stärker betont (BT-Drs  a.a.O. Seite 17).

Gemessen hieran werden die Urteilsgründe den an sie zu stellenden Anforderungen gerecht. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache allein des Tatgerichts, dessen Aufgabe es ist, aufgrund der Hauptverhandlung die wesentlichen belastenden und entlastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Sie lässt vorliegend noch hinreichend erkennen, dass sich die Kammer der untrennbaren Wechselwirkung zwischen Haupt- und Nebenstrafe bewusst war, zumal sie „mit Blick auf die Höhe“ (UA S. 5) der wegen § 331 StPO begrenzten Geldstrafe (UA a.a.O.) ein zusätzliches Fahrverbot – ebenso wie bereits die Vorinstanzen – für erforderlich erachtet hat.“

OWi I: Absehen vom Fahrverbot nach zwei Jahren?, oder: Ja, aber nicht automatisch

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Heute dann ein Tag mit OWi-Entscheidungen. In dem Bereich ist es derzeit aber recht „ruhig“. Ich habe wenig neue Entscheidungen.

Hier dann zunächst etwas zum Fahrverbot, und zwar zwei Entscheidungen des OLG Brandenburg zum Absehen/Entfallen des Fahrverbots bei langer Verfahrensdauer.

Zunächst hier der OLG Brandenburg, Beschl. v.  04.07.2022 – 2 OLG 53 Ss-OWi 260/22 – mit folgendem Leitsatz – der bei dieser Entscsheidung genügt:

Bei einem Zeitablauf von über zwei Jahren zwischen Tat und Urteil bedarf es besonderer Umstände für die Annahme, dass ein Fahrverbot noch unbedingt notwendig ist. Hierbei ist u.a. zu berücksichtigen, worauf die lange Verfahrensdauer zurückzuführen ist, insbesondere ob hierfür maßgebliche Umstände im Einflussbereich des Betroffenen liegen oder Folge gerichtlicher oder behördlicher Abläufe sind.

Und als zweite Entscheidung dann der OLG Brandenburg, Beschl. v. 08.07.2022 – 1 OLG 53 Ss-Owi 241/22. In dem hat das OLG nicht vom Fahrverbot abgesehen. Abgesehen davon, dass der Zeitraum von zwei Jahren noch nicht erreicht war, sieht das OLG auch aus anderen Gründen nicht vom Fahrverbot ab, wobei sich mir nicht so ganz erschließt, warum man die Ausführungen macht:

„Dieser Zeitrahmen führt jedoch nicht automatisch zu einem Absehen von einem Fahrverbot, sondern ist lediglich ein Anhaltspunkt dafür, dass eine tatrichterliche Prüfung, ob das Fahrverbot seinen erzieherischen Zweck im Hinblick auf den Zeitablauf noch erfüllen kann, geboten ist.

Bei einem Zeitablauf von über zwei Jahren zwischen Tat und Urteil – der hier nicht gegeben ist – bedarf es auch nach Auffassung des Senats besonderer Umstände für die Annahme, dass ein Fahrverbot noch unbedingt notwendig ist (s.a. OLG Düsseldorf MDR 2000, 829; zum Ganzen: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl., StVG, § 25, Rn. 24 m.w.N.). Diese Zwei-Jahres-Frist war bei der Entscheidung des Amtsgerichts jedoch noch nicht annähernd abgelaufen. Dessen ungeachtet ist bei der Abwägung der Umstände des konkreten Einzelfalls zu berücksichtigen, worauf die lange Verfahrensdauer zurückzuführen ist, insbesondere ob hierfür maßgebliche Umstände im Einflussbereich des Betroffenen liegen oder Folge gerichtlicher oder behördlicher Abläufe sind (BayObLG NZV 2004, 210). Dabei kann die Ausschöpfung von Rechtsmitteln und der Gebrauch der in der StPO und dem OWiG eingeräumten Rechte dem Betroffenen nicht als eine von ihm zu vertretende Verfahrensverzögerung entgegen gehalten werden (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 2006, 25). Anderes gilt dann, wenn die lange Dauer des Verfahrens (auch) auf Gründe beruht, die in der Spähe des Betroffenen liegen (vgl. dazu KG VRS 102, 127; OLG Köln NZV 2000, 430; OLG Rostock DAR 2001, 421; OLG Celle VRS 108, 118; OLG Karlsruhe DAR 2005, 168). Auch bei einer Verfahrensdauer von insgesamt mehr als 2 Jahren – die hier, wie oben erwähnt, im Zeitpunkt der zu überprüfenden Entscheidung noch nicht gegeben war – kann die Anordnung eines Fahrverbots dann noch in Betracht kommen, wenn sich der Betroffene in der Zwischenzeit weitere Ordnungswidrigkeiten hat zuschulden kommen lassen (vgl. BayObLG NStZ-RR 2004, 57).

Auch ein solcher Fall ist hier gegeben. Denn der Betroffene hatte sich ausweislich der Urteilsgründe nach der hier streitgegenständlichen Ordnungswidrigkeit vom 21. Oktober 2020 erneut des erheblichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 30 km/h schuldig gemacht, weshalb gegen ihn durch Bußgeldbescheid der Bußgeldbehörde ZBS Viechtach vom 7. September 2021, rechtskräftig seit dem 29. September 2021, auf eine Geldbuße in Höhe von 120,00 € erkannt wurde. Zwar wird – worauf die Verteidigung zutreffend hinweist – in den Urteilsgründen rechtsfehlerhaft nicht der Tattag der dem Bußgeldbescheid vom 7. September 2021 zugrunde liegenden Verkehrsordnungswidrigkeit mitgeteilt, infolge der Verjährungsfrist des § 26 Abs. 3 StVG ist jedoch davon auszugehen, dass die einschlägige Ordnungswidrigkeit jedenfalls nach der hiesigen Ordnungswidrigkeit begangen worden ist. Dasselbe gilt für den Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums Kassel vom 12. Dezember 2019, rechtskräftig seit dem 31. Dezember 2019, wobei § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV nicht auf das Datum der Tat, sondern auf das Datum der Rechtskraft der voraufgegangenen Entscheidung abstellt.

Das Amtsgericht hat nach alledem zutreffend gegen den Betroffenen auf ein Fahrverbot erkannt; Gründe für ein Absehen von dem Regelfahrverbot sind nicht ersichtlich und von dem Betroffenen auch nicht vorgetragen worden.“

 

OWi II: Rechtsfolgen der StVG-Trunkenheitsfahrt, oder: Begründung für Geldbuße und Fahrverbot

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Und dann als zweite Entscheidung hier der KG, Beschl. v. 16.02.2022 – 3 Ws (B) 24/22 –zu den  Anforderungen an die Rechtsfolgenentscheidung bei einem Verstoß gegen § 24a StVG bei einer einschlägigen Voreintragung.

Das AG hat den Betroffenen – nach Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen – wegen einer Trunkenheitsfahrt verurteilt (§ 24a Abs. 1 StVG). Dagegen die Rechtsbeschwerde, die beim KG keinen Erfolg hatte:

„Die Bemessung der Rechtsfolgen liegt grundsätzlich im Ermessen des Tatgerichts, so dass sich die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht darauf beschränkt, ob das Tatgericht von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist und von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat (vgl. Senat, Beschluss vom 12. März 2019 – 3 Ws (B) 53/19 -, juris m.w.N.).

Es weisen weder die Festsetzung einer Geldbuße in Höhe von 1.000,00 Euro noch die Anordnung des dreimonatigen Regelfahrverbots mit der Wirksamkeitsbestimmung des § 25 Abs. 2 a StVG einen Rechtsfehler zu Lasten des Betroffenen auf.

a) Zutreffend hat das Amtsgericht seiner Rechtsfolgenentscheidung den für den fahrlässigen Verstoß gegen § 24a StVG bei einer einschlägigen Voreintragung vorgesehenen Bußgeldtatbestand nach §§ 1, 4 Abs. 3 BKatV in Verbindung mit Nr. 241.1 der Anlage (BKat) zu § 1 Abs. 1 BKatV zugrunde gelegt.

Das Tatgericht hat auch mitgeteilt, welche im Fahreignungsregister nach § 24a StVG oder §§ 316, 315c Abs. 1a StGB eingetragene Entscheidung es verwerten und zum Anlass der Rechtsfolgenbemessung nehmen will (vgl. Senat, Beschluss vom 23. April 2021 – 3 Ws (B) 87/21 -, juris): Es wird ausdrücklich auf die einschlägige – gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b) StVG i.V.m. Nr. 2.2.1 der Anlage 13 zu § 40 FeV i.V.m. Nr. 241.1 der Tabelle 1 des Anhangs BKat nicht tilgungsreife – Voreintragung Bezug genommen, wonach der Polizeipräsident in Berlin mit Bescheid vom 24. Juli 2018, rechtskräftig seit dem 27. Dezember 2018, mit einem Bußgeld von 530,00 Euro und einem einmonatigem Fahrverbot geahndet hat, dass der Betroffene am 2. Juni 2018 fahrlässig ein Kraftfahrzeug, mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,33 mg/l geführt hat (UA, S. 3).

b) Rechtsfehlerfrei hat sich das Amtsgericht bei der Bemessung der Geldbuße an dem Regelsatz von 1.000,00 Euro der einschlägigen 241.1 der Anlage (BKat) zu § 1 Abs. 1 BKatV orientiert.

aa) Da die vom Tatgericht angeführte Eintragung im Fahreignungsregister in 241.1 BKat berücksichtigt ist, § 3 Abs. 1 BKatV, scheidet eine Erhöhung der Regelbuße wegen eben dieser Vorbelastung aufgrund des im Ordnungswidrigkeitenverfahrens entsprechend anzuwendenden Doppelverwertungsverbotes nach § 46 Abs. 3 StGB aus (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 21. Oktober 2013 – 5 Ss 337/13 -, juris; Gürtler/Thoma in Göhler, OWiG 18. Aufl., § 17 Rn. 17). Auch wenn die Urteilsgründe insofern missverstanden werden könnten („Von der Möglichkeit der Erhöhung des Bußgeldes angesichts der einschlägigen Voreintragung […] hat das Gericht keinen Gebrauch gemacht“, UA, S. 3), hat dies vorliegend keine Auswirkungen, da eine Erhöhung der Regelbuße ersichtlich nicht erfolgt ist.

bb) Nach Maßgabe von § 17 Abs. 3 Satz 2, 1. Hs. OWiG hat das Tatgericht auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen bei der Zumessung der Geldbuße ausreichend berücksichtigt und ihnen durch Zahlungserleichterungen in Form der bewilligten Ratenzahlung gemäß § 18 OWiG Rechnung getragen.

Nach den auf der Grundlage der Angaben des anwesenden Betroffenen getroffenen Urteilsfeststellungen bestehen keine konkreten Anhaltspunkte für außergewöhnlich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen: Mit einem monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von 2.100,00 Euro verfügt er über ein auskömmliches Einkommen, auch wenn er monatlich nahezu 900,00 Euro wegen diverser rückzuzahlender Verbindlichkeiten abzuleisten hat (UA, S. 2, 3).

Etwaige Zahlungsschwierigkeiten, die sich im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Betroffenen ergeben, sind im Übrigen kein Grund für eine Herabsetzung einer der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und des Schuldvorwurfs angemessenen Geldbuße. Der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Betroffenen ist dann vielmehr durch Zahlungsaufschub oder Ratenzahlung Rechnung zu tragen. Allerdings darf sich das Gericht mit einem pauschalen Rückgriff auf Zahlungserleichterungen nach § 18 OWiG nicht dem Gebot entziehen, die Leistungsfähigkeit des Betroffenen zu berücksichtigen (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Januar 2022 – 3 Ws (B) 1/22 -; OLG Koblenz, Beschluss vom 10. März 2010 – 2 SsBs 20/10 -, juris; Gürtler/Thoma in Göhler, OWiG 18. Aufl., § 17 Rn. 21).

Zwar wird den Betroffenen die Geldbuße hart treffen. Das gibt jedoch zu einer Minderung des Betrags keinen Anlass. Das Gebot, bei nicht geringfügigen Ordnungswidrigkeiten auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters zu berücksichtigen, ist nicht dahin misszuverstehen, dass nur solche Geldbußen festzusetzen seien, die sich für den Betroffenen nicht belastend auswirken (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Januar 2022 und OLG Koblenz, Beschluss vom 10. März 2010, jeweils a.a.O.).

Der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Betroffenen hat das Tatgericht rechtsfehlerfrei durch Zahlungserleichterungen in Form der bewilligten Ratenzahlung gemäß § 18 OWiG Rechnung getragen. Denn in Anbetracht der im amtsgerichtlichen Urteil festgestellten wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen ist nicht davon auszugehen ist, dass er die Geldbuße von 1.000,00 Euro in voller Höhe aus seinem laufenden Einkommen oder aus liquiden Rücklagen zahlen kann.

c) Die Verhängung des dreimonatigen Fahrverbots begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Anders als in den Fällen des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG normiert § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG, dass in den in §§ 24a StVG, 4 Abs. 3 BKatV, Nr. 241.1 BKat genannten Fällen ein Fahrverbot in der Regel anzuordnen ist. Hier versteht sich das Vorliegen eines groben Pflichtenverstoßes und in der Folge die Angemessenheit des angeordneten Fahrverbots von selbst (vgl. BGHSt 38, 125; Senat, Beschlüsse vom 23. August 2021 – 3 Ws (B) 206/21 -; vom 14. Januar 2021 – 3 Ws (B) 321/20 -; vom 22. Oktober 2020 – 3 Ws (B) 222/20 -; OLG Bamberg NStZ-RR 2018, 325), weswegen nähere Erörterungen nur in besonderen Ausnahmefällen erforderlich sind. Da in den Fällen des § 24a StVG nur Härten ganz außergewöhnlicher Art oder sonstige, das äußere und innere Tatbild beherrschende außergewöhnliche Umstände ein Absehen rechtfertigen (vgl. BGHSt 38 a.a.O.; OLG Koblenz, Beschluss vom 23. April 2014 – 2 SsBs 14/14 –, juris), besteht für das Tatgericht erst dann Anlass, die Möglichkeit des Absehens vom Fahrverbot zu erwägen und dies in den Urteilsgründen zu erörtern, wenn sich dafür sprechende Umstände aus der Beweisaufnahme oder der Einlassung des Betroffenen ergeben (vgl. Senat, Beschlüsse vom 23. August 2021 und vom 14. Januar 2021, jeweils a.a.O.).

Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe gerecht.

aa) Dafür, dass die Anordnung des Fahrverbots für den Betroffenen eine ganz außergewöhnliche Härte darstellen würde, die sich auch nicht durch ihm zumutbare Maßnahmen abfedern lassen kann (vgl. Senat NJW 2016, 1110 m.w.N.), gab es nach den allein maßgeblichen Urteilsgründen unter Berücksichtigung der dem Betroffenen gewährten Wirksamkeitsbestimmung gemäß § 25 Abs. 2a StVG keine Anhaltspunkte.

Dass der Betroffene Tankwagenfahrer ist, hat das Amtsgericht berücksichtigt (UA S. 2, 4) und die dafür geltenden Rechtsgrundsätze zutreffend angewandt. Dem Betroffenen war die Bedeutung des Führerscheins für seine Berufstätigkeit bekannt, dennoch hat er ihn leichtfertig infolge mangelnder Verkehrsdisziplin riskiert. In einem solchen Fall kann er sich nicht erfolgreich darauf berufen, aus beruflichen Gründen auf die Fahrerlaubnis angewiesen zu sein (vgl. Senat, Beschluss vom 26. August 2020 a.a.O.). Ausnahmen können sich allenfalls ergeben, wenn dem Betroffenen infolge des Fahrverbots der Verlust seines Arbeitsplatzes oder seiner sonstigen Existenz droht (vgl. Senat NJW 2016, 1110) und diese Konsequenz nicht durch zumutbare Vorkehrungen abgewendet oder vermieden werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 26. August 2020 a.a.O.).

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts enthält der Arbeitsvertrag des Betroffenen ausdrücklich die Ermächtigung des Arbeitsgebers, den Betroffenen auch andere als Kraftfahrertätigkeiten zuzuweisen. Dies sei bei dem Arbeitgeber des Betroffenen, einem Speditionsbetrieb mit 350 Mitarbeitenden, „auch typischerweise jederzeit möglich […] und – als verhältnismäßig kurzzeitige – Alternative zu einer Kündigung auch arbeitsrechtlich vorzuziehen“ (UA, S. 4). Im Übrigen stellt das Amtsgericht heraus, dass der Betroffene gerade keine Bescheinigung seines Arbeitsgebers beibringen konnte, dass im Falle eines dreimonatigen Fahrverbotes eine Kündigung erfolgen werde (UA, S. 4).

Zudem führt das Amtsgericht aus, dass es dem Betroffenen – insbesondere unter Berücksichtigung der Wirksamkeitsbestimmung gemäß § 25 Abs. 2a StVG – auch zuzumuten ist, durch eine Kombination von verschiedenen Maßnahmen (z.B. Jahresurlaube zur Jahreswende, UA, S. 4) die Zeit eines Fahrverbotes zu überbrücken (vgl. Senat, Beschluss vom 30. November 2012 – 3 Ws (B) 664/12 -).

bb) Ein Absehen vom Fahrverbot war auch nicht wegen außergewöhnlicher Tatumstände geboten.

Dies kommt nur dann in Betracht, wenn die Tatumstände so aus dem Rahmen üblicher Begehungsweise fallen, dass die Vorschrift über das Regelfahrverbot offensichtlich nicht darauf zugeschnitten ist (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 46. Aufl., § 25 StVG Rn. 18).

Das Amtsgericht hat die nach der Einlassung des Betroffenen „besondere[…] Verquickung widriger Umstände“ (UA, S. 4)  im Hinblick auf den Alkoholkonsum im Rahmen einer weiblichen Chat-Bekanntschaft und einer möglichen Fehlfunktion oder Fehlwahrnehmung des Weckers angeführt, jedoch zutreffend nicht aufgrund dessen von der Verhängung des Fahrverbots abgesehen.

Soweit der Betroffene rügt, seine – diesbezüglichen – Ausführungen seien nicht ausreichend bzw. richtig beachtet worden (Rechtsmittelbegründung, S. 1), handelt es sich um urteilsfremdes Vorbringen. Dies findet, da im Rahmen der auf die Sachrüge veranlassten Prüfung des Rechtsbeschwerdesenates nur die Urteilsgründe maßgeblich sind, keine Berücksichtigung (vgl. Senat, Beschlüsse vom 24. Juni 2021 – 3 Ws (B) 131/21 -, juris; vom 4. Juni 2021 – 3 Ws (B) 125/21 -).

cc) Schließlich hat sich das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil in ausreichender Weise mit der Möglichkeit auseinandergesetzt, gemäß § 4 Abs. 4 BKatV von einer Anordnung eines Fahrverbots abzusehen, und darauf hingewiesen, sich darüber bewusst gewesen zu sein, unter bestimmten Voraussetzungen nach Maßgabe von § 4 Abs. 4 BKatV auf die Verhängung eines Fahrverbots verzichten zu können (UA, S. 4). Näherer Feststellungen, dass der durch das Fahrverbot angestrebte Erfolg auch mit einer erhöhten Geldbuße nicht zu erreichen gewesen wäre, bedurfte es nicht (vgl. BGHSt 38 a.a.O.).“

OWi II: Kein Fahrverbot wegen besonderer Härte?, oder: Urteilsgründe bei drohendem Arbeitsplatzverlust

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Im zweiten Posting dann mal wieder etwas zum Fahrverbot nach § 25 StVG, und zwar der OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 26.04.2022 – 3 Ss-OWi 415722. Der Betroffene ist wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt worden. Das AG hatte kein Fahrverbot verhängt und dazu ausgeführt:

„Der Bußgeldkatalog sieht für Verstöße wie den vorliegenden eine Regelgeldbuße von 160 € und ein einmonatiges Regelfahrverbot vor. Wird von der Anordnung eines Fahrverbots ausnahmsweise abgesehen, so soll das für den betreffenden Tatbestand als Regelsatz vorgesehene Bußgeld angemessen erhöht werden, § 4 Abs. 4 BKatV. Von vorstehend genannter Möglichkeit wurde vorliegend Gebrauch gemacht. Statt ein Fahrverbot zu verhängen, wurde die Regelgeldbuße vorliegend auf 320 € erhöht und somit verdoppelt. Das ausnahmsweise Absehen vom Fahrverbot beruht auf den unter I. aufgeführten Erwägungen zur beruflichen Tätigkeit des Betroffenen und zu seiner in diesem Zusammenhang noch bestehenden Probezeit. Da der Betroffene in der derzeit laufenden Probezeit ohne nähere Begründung des Arbeitgebers und ohne wesentliche rechtliche Hürden entlassen werden kann und in der Probezeit in der Regel kein Urlaub genommen werden darf, stellt das vorliegend grundsätzlich vorgesehene Regelfahrverbot eine besondere Härte für den Betroffenen dar, die insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem Betroffenen um einen Ersttäter handelt, unverhältnismäßig ist.“

Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde der StA hatte Erfolg. Dem OLG genügen die Ausführungen des AG nicht:

„b) Diesen Anforderungen genügt die angefochtene Entscheidung nicht.

aa) Für die festgestellte Ordnungswidrigkeit nach §§ 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2, 49 StVO, § 41 Nr. 1 i.V.m. Nr. 11.3.7 BKatV, §§ 24, 25 StVG ist eine Regelgeldbuße von 160,00 Euro sowie ein Regelfahrverbot von einem Monat nach Nr. 11.3.7 BKatV vorgesehen. Bei dieser Zuwiderhandlung ist ein grober bzw. beharrlicher Pflichtverstoß indiziert, dessen Ahndung, abgesehen von besonderen Ausnahmefällen, eines Fahrverbotes als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme bedarf (BGHSt 38, 125, 134 = NJW 1992, 446; BGHNJW 2016, 1188, 1190; König, in: Hentschel aaO., § 25 StVG Rn.19 m.w.N.). Zeichnet sich der Sachverhalt zugunsten des Betroffenen durch wesentliche Besonderheiten aus, so kann der Tatrichter dennoch die Überzeugung gewinnen, dass trotz eines Regelfalls die Verhängung eines Fahrverbots unangemessen ist und der notwendige Warneffekt unter angemessener Erhöhung der Regelgeldbuße erreicht werden kann, wobei das Absehen vom Fahrverbot stets näher zu begründen ist (BGHSt 38, 231, 237 = NJW 1992, 1397; Senat, Beschl. v. 31.01.2022 – 3 Ss-OWi 41/22, BeckRS 2022, 2657 Tz. 12 f.; König, in: Hentschel aaO., § 25 StVG Rn. 26 m.w.N.).

Grundsätzlich ist anerkannt, dass die Verhängung eines Fahrverbots unter Anwendung der Regelbeispielstechnik des Bußgeldkatalogs nach Maßgabe des § 25 Abs. 1 S.1 StVG dann ungemessen erscheint und daher von der Verhängung abgesehen werden kann, wenn dem Betroffenen infolge des Fahrverbots der Verlust seines Arbeitsplatzes oder zum Existenzverlust bei einem Selbstständigen führen würde und dies nicht durch zumutbare Vorkehrungen vermieden werden kann (OLG Frankfurt, Beschl. v. 25.07.2006 – 2 Ss-OWi 246/06, BeckRS 2014, 477; OLG Hamm, Beschl. v. 03.03.2022 – 5 RBs 48/22, BeckRS 2022, 5633 Tz.30 m.w.N.).

bb) Im Grundsatz zu Recht ist das Amtsgericht in seiner Begründung davon ausgegangen, dass ein Fahrverbot während der Probezeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als Berufskraftfahrer grundsätzlich die Besorgnis der Auflösung des Arbeitsverhältnisses begründen kann. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass die Maßstäbe der Besorgnis einer drohenden Kündigung in einem nicht gesicherten Arbeitsverhältnis nicht zu hoch angesetzt werden dürfen. Zudem ist es dem Tatrichter bei der Beurteilung der Frage, ob für den Betroffenen eine solche unbillige Härte aufgrund eines konkret drohenden Verlustes des Arbeitsplatzes anzunehmen ist, nicht verwehrt, der Behauptung bzw. Besorgnis des Betroffenen zu glauben.

Das Amtsgericht hat ausgeführt, das ausnahmsweise Absehen vom Fahrverbot beruhe insbesondere auf der beruflichen Tätigkeit des Betroffenen und der in diesem Zusammenhang bestehenden Probezeit. Da der Betroffene in der derzeit laufenden Probezeit ohne nähere Begründung des Arbeitgebers und ohne wesentliche Hürden entlassen werden und in der Probezeit in der Regel kein Urlaub genommen werden könne, stelle das Regelfahrverbot eine besondere Härte für den Betroffenen dar.

Die Urteilsfeststellungen über den einen Härtefall begründenden Arbeitsplatzverlust beruhen indes ausschließlich auf den Angaben des Betroffenen und lassen dabei eine Auseinandersetzung mit der Frage vermissen, ob eine Kündigung durch den Arbeitgeber tatsächlich konkret zu befürchten ist. Der Tatrichter hat jedoch im Urteil darzulegen, aus welchen Gründen er diese Angaben für glaubhaft erachtet, um Missbrauch auszuschließen und dem Rechtsbeschwerdegericht eine Entscheidung auf fundierter Tatsachengrundlage zu ermöglichen (OLG Bamberg, Beschl. v. 22.01.2009 – 2 Ss OWi 5/09, NZV 2010, 46; OLG Hamm, Beschl. v. 03.03.2022 – 5 RBs 48/22, BeckRS 2022, 5633 Tz. 31; König, in: Hentschel aaO., § 25 StVG Rn. 26 m.w.N.). Die Aufklärungspflicht des Tatrichters bestimmt sich dabei nach § 77 Abs. 1 OWiG. Dementsprechend darf sich die Begründung im Urteil nicht in einer unkritischen Wiedergabe der Einlassung des Betroffenen erschöpfen.

Die angefochtene Entscheidung enthält jedoch keine tragfähigen Erwägungen zu der Glaubhaftigkeit der Angaben des Betroffenen. Das Tatgericht führt allein aus, dass die Annahme der Voraussetzungen für das Absehen eines Fahrverbotes auf den Angaben des Betroffenen beruhen. Die daran anschließenden Urteilserwägungen, ob Zweifel am Zutreffen der Angaben des Betroffenen aufgekommen seien, beziehen sich lediglich auf die Einlassung des Betroffenen hinsichtlich des ihm vorgeworfenen Geschwindigkeitsverstoßes. Auch die vom Tatgericht gewählte Formulierung, wonach „in der Regel kein Urlaub genommen werden darf“ indiziert, dass sich diese vom Tatgericht gezogene Schlussfolgerung nur als eine Annahme bzw. bloße Vermutung erweist.

Gleichzeitig hat sich das Amtsgericht im Rahmen der Begründung des Rechtsfolgenausspruches nur auf einen möglichen Arbeitsplatzverlust und auf seine Eigenschaft als Ersttäter beschränkt. Jedoch dürfen sämtliche konkreten Umstände des Einzelfalles in objektiver und subjektiver Hinsicht in der Entscheidung nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.03.1996 – 2 BvR 616/91, NZV 1996, 284, 285).“