Schlagwort-Archive: Ermittlungsverfahren

Dinglicher Arrest im Steuerstrafverfahren – kein Automatismus

Anfang des Jahres hat das OLG Köln in seinem Beschl. v. 06.01.2010 – 2 Ws 636/09 zum dinglichen Arrest Stellung genommen. Danach begründet der Vorwurf der Steuerhinterziehung für sich genommen noch keinen Arrestgrund. Etwas anderes könne gelten, wenn besondere Umstände der Tatbegehung vorliegen oder die gesamte Lebensführung des Beschuldigten auf Verschleierung oder Verschiebung von Vermögen durch manipulatives und betrügerisches Verhalten ausgerichtet ist.

Das ist zutreffend. Denn würde man allein vom Verdacht einer Steuerhinterziehung auf den Arrestgrund schließen können, dann wäre mit der Bejahung des Verdachts immer zugleich auch der Arrestgrund bejaht. Diesen Automatismus sieht das Gesetz aber nicht vor. Die Argumentation läuft also ähnlich wie beim Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nach § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO. Auch da kann nach h.M. nicht allein mit dem Vorliegen eines auf Verschleierung angelegten Delikts der Haftgrund bejaht werden (vgl. dazu Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 5. Aufl., 2010, Rn. 1707 m.w.N.).

Fahrtkosten auch für den auswärtigen Wahlverteidiger – so zutreffend das AG Witten

Ich hatte bereits in StRR 2010, 117 darauf hingewiesen, dass nach der Änderung des § 142 Abs. 1 StPO zum 01.10.2009 durch das 2. Opferrechtsreformgesetz dem auswärtigen Wahlverteidiger bei der Erstattung seiner Fahrtkosten nicht mehr entgegengehalten werden kann/darf, wenn er nicht „ortsansässig“ war. Denn das ist auch für die Bestellung des Pflichtverteidigers kein Kriterium mehr (vgl. dazu Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 5. Aufl., 2010, Rn. 1196 m.w.N.).

Die andere Argumentation würde, worauf jetzt das AG Witten in seinem zutreffenden Beschluss v. 21.04.2010 – 9 Ds-63 Js 63/09-44/09 – hingewiesen hat, den Wahlverteidiger schlechter stellen. Bis sich die zutreffende Ansicht des AG Witten durchgesetzt hat, sollte in den Kostenfestsetzungsanträgen auf diese Argumentation und die „richtige“ Entscheidung des AG Witten hingewiesen werden.

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Biene Maja/Schwarz/Gelb: Was ist denn nun an dem Vorhaben liberal? Aussagepflicht vor der Polizei?

Liest man den Koalitionsvertrag – Überschrift „Wachstum.Bildung.Zusammenhalt – dann ist man, wenn sich dem Bereich der Rechtspolitik nähert, schon erstaunt. Da hat man doch zwischen Änderungen im Wiederaufnahmerecht (zu Lasten des Angeklagten/Verurteilten) und Änderungen im Transsexuellenrecht eine m.E. weit reichende Änderung „versteckt“. Lapidar heißt es dort: „Wir werden eine gesetzliche Verpflichtung schaffen, wonach Zeugen im Ermittlungsverfahren nicht nur vor dem Richter und dem Staatsanwalt, sondern auch vor der Polizei erscheinen und – unbeschadet gesetzlicher Zeugenrechte – zur Sache aussagen müssen.“ Da kann man Frau Leutheuser-Schnarrenberger ja gleich mal fragen, was das soll und wie man das regeln will? Mit einer vorherigen Ladung oder sollen die Zeugen auch ohne Ladung – „vor Ort/auf Zuruf“ zur Aussage verpflichtet sein. Und was ist, wenn sich der Zeuge weigert. Kann die Polizei dann Zwangsmittel festsetzen? Oder soll das so laufen wie bei der Beiordnung des Vernehmungsbeistandes, dass darüber dann die StA oder der Ermittlungsrichter entscheidet? Können die Polizeibeamten überhaupt die Frage eines Zeugnisverweigerungsrechts oder – noch besser – eines Auskunftsverweigerungsrechts abschätzen/beurteilen. Es werden sicherlich wunderbare Vernehmungen bei der Polizei werden, wenn man das wirklich umsetzt.

Das Ganze ist allerdings übrigens nicht so ganz neu. Denn ein entsprechender Vorschlag war schon im Entwurf eines Gesetzes zur Effektivierung des Strafverfahrens“ (BR-Drucks. 660/06) als Ergänzung zu § 163a Abs. 6 StPO-E enthalten; übrigens ein wunderbarer Name für ein Gesetz, das ua. Rechte abbaut. Gegen dieses Gesetz hat sich das BMJ allerdings als nicht genügend „rechtsstaatlich“ ausgesprochen (vgl. BT-Drucks. 16/3659).

Jetzt sind wir aber „liberal“ .

zu allem auch: http://www.lawblog.de/index.php/archives/2009/10/25/von-der-polizeiwache-in-die-ordnungshaft/

Schauen wir doch mal ins Rechtspflegerforum – oder: Erstaunen macht sich breit.

Wir hatten neulich den Beitrag: „Bestimmt der Rechtspfleger über das Wann und Wie der anwaltlichen Tätigkeit“. In einem der Kommentare ist auf das Rechtspflegerforum hingewiesen worden. Da habe ich inzwischen mal ein wenig gestöbert, natürlich im strafrechtlichen Bereich. Ist ja schon interessant, was man da so findet. „Sehr schön“ fand ich diesen Beitrag zu Gebühren im Ermittlungsverfahren. Da hat man sehr lange gebraucht, bis man gemerkt hat, dass die vom Rechtspfleger gefundene Sparlösung schlicht falsch ist. Aber zuvor war die Freude „natürlich“ groß, weil ja immerhin 4.000 € gespart worden sind, die dem Rechtsanwalt/Verteidiger nicht gezahlt werden mussten. Na ja, mich erstaunt es …… gelinde gesagt, dass weder der/die Rechtspfleger die einschlägige Rechtsprechung der OLG kennen/kannten, aber auch der Rechtsanwalt mit § 48 Abs. 5 RVG offenbar nichts anfangen konnte (obwohl es hier wohl auf die Vorschrift nicht ankam; vgl. die zitierte OLG Hamm-Entscheidung). Denn sonst hätte er seinen Antrag nicht zurückgenommen. Was lernt man daraus: Standhaft bleiben.