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Ministeriums-Erlass reicht nicht für Videoüberwachung

Das BVerfG meldet gerade (Pressemitteilung Nr. 97/2009 vom 20. August 2009) zum Beschl. v. 11. August 2009 – 2 BvR 941/08, dass allein der Erlass eines Ministeriums keine ausreichende Grundlage für den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist.

Nach dem Sachverhalt wurde im Januar 2006 auf der BAB 19 in Fahrtrichtung Rostock von der Ordnungsbehörde eine Geschwindigkeitsmessung durchgeführt. Die Videoaufzeichnung erfolgte mit dem Verkehrskontrollsystem Typ VKS. Dem Beschwerdeführer, der an diesem Tag mit seinem Pkw auf dieser Strecke fuhr, wird vorgeworfen, er habe bei km 98,6 fahrlässig die zulässige Höchstgeschwindigkeit (100 km/h) außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h überschritten. Deshalb wurde gegen ihn ein Bußgeld in Höhe von 50 Euro festgesetzt. Die eingelegten Rechtsmittel gegen den Bußgeldbescheid, mit denen der Beschwerdeführer insbesondere rügte, dass die Video-Aufzeichnung des Verkehrsverstoßes mangels konkreten Tatverdachts ohne ausreichende Rechtsgrundlage angefertigt worden sei, hatten keinen Erfolg. Als ausreichende Rechtsgrundlage für die vorgenommene Geschwindigkeitsmessung wurde von den Gerichten der Erlass zur Überwachung des Sicherheitsabstandes nach § 4 StVO des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern vom 1. Juli 1999 angesehen.

Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers, soweit sie zulässig ist, zur Entscheidung angenommen, das Urteil des Amtsgerichts Güstrow und den Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Güstrow zurückverwiesen. Die Rechtsauffassung der Gerichte, die den Erlass des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern als Rechtsgrundlage für den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung herangezogen haben, ist unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar. Sie ist insofern willkürlich und verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG.

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung kann zwar im überwiegenden Allgemeininteresse eingeschränkt werden. Eine solche Einschränkung bedarf aber einer gesetzlichen Grundlage, die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht und verhältnismäßig ist. Der als Rechtsgrundlage herangezogene Erlass des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern, stellt aber keine geeignete Rechtsgrundlage für Eingriffe in dieses Recht dar. Bei dem Erlass handelt es sich um eine Verwaltungsvorschrift und damit um eine verwaltungsinterne Anweisung. Mit Verwaltungsvorschriften wirken vorgesetzte Behörden auf ein einheitliches Verfahren oder eine einheitliche Gesetzesanwendung der untergeordneten Behörden hin. Sie sind kein Gesetz im Sinn des Art. 20 Abs. 3 sowie des Art. 97 Abs. 1 GG und können nur Gegenstand, nicht Maßstab der richterlichen Kontrolle sein.

Nach Auffassung des BVerfG erscheint die Annahme eines Beweisverwertungsverbotes möglich. Da werden sich die Bußgelbehörden aber freuen 🙂

Handyverbot auf dem Prüfstand beim BVerfG?

Das AG Gummersbach will es jetzt genau wissen. Es hat mit Beschluss vom 08.07.2009 (85 OWi 196/09) dem BVerfg die Frage der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs. 1a StVO vorgelegt. Das AG sieht die Vorschrift als verfassungswidrig an, und zwar wegen eines Verstoßes gegen Art 3 GG.

Wer Zeit und Lust hat: Einfach mal nachlesen, wo das BVerfG da alles Verstöße sieht. Besonders interessant ist der:

während eines Gesprächs mit einer einwilligungsfähigen Beifahrerin an dieser – mit ihrem Einverständnis – sexuelle Handlungen von einiger Erheblichkeit über oder unter ihrer Bekleidung vorzunehmen.

Man fragt sich, wenn man den Beschluss liest, ob es das AG die Anfrage ernst meint. Zumal: Bereits das OLG Stuttgart hat sich mit der Frage eines Verstoßes gegen Art. 3 GG auseinandergesetzt und ihn verneint. Und das BVerfG hatte im vergangenen Jahr schon mit dem § 23 Abs. 1a StVO zu tun und auf die Frage der Verfassungsmäßgikeit kein Wort verschwendet.

BVerfG: Beweismittel können auch nach rechtswidriger Wohnungsdurchsuchung verwertet werden

Das Amtsgericht München ordnete die Durchsuchung der Wohnungen des Beschwerdeführers im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen eines Verstoßes gegen das Markenrecht zum Zwecke der Beschlagnahme von Rechneranlagen sowie von weiteren Unterlagen an. Bei den Durchsuchungen fand die Polizei keine Beweismittel, die im Zusammenhang mit diesem Tatvorwurf standen. Das Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Markenrecht wurde daher eingestellt. Der zugrundeliegende Durchsuchungsbeschluss wurde durch die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluss vom 13. November 2005 – 2 BvR 728/05 u.a. – deswegen aufgehoben, weil der mit der Durchsuchung verbundene Grundrechtseingriff außer Verhältnis zu dem allenfalls geringen Tatverdacht gestanden habe.

Bei der Durchsuchung einer der Wohnungen des Beschwerdeführers, die dieser gemeinsam mit anderen Personen bewohnte, fanden die Ermittlungspersonen in einem dem Beschwerdeführer zugeordneten Zimmer Haschisch in nicht geringer Menge sowie zwei Feinwaagen. Der Beschwerdeführer wurde deswegen vom Amtsgericht wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt. Dieses Urteil wurde auf die Revision des Beschwerdeführers hin vom Oberlandesgericht wegen lückenhafter Beweiswürdigung insoweit aufgehoben, als es um die Zuordnung des Haschischs zum Besitz des Beschwerdeführers ging. Die bei der Durchsuchung gewonnenen Beweismittel sah das Gericht aber als verwertbar an. Der Beschwerdeführer legte gegen diesen Beschluss Verfassungsbeschwerde ein, die nicht zur Entscheidung angenommen wurde.

Nach Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht sprach dieses den Beschwerdeführer vom Tatvorwurf des § 29a BtMG frei. Es bejahte ein Verwertungsverbot bzgl. der gewonnenen Beweismittel im Hinblick auf den mit der Wohnungsdurchsuchung verbundenen schwerwiegenden Grundrechtsverstoß. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hob das Landgericht wiederum das amtsgerichtliche Urteil auf und verurteilte den Beschwerdeführer wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Landgericht verneinte ein Verwertungsverbot mit der Begründung, dass dieses nur aus übergeordneten Gründen im Einzelfall anzunehmen sei. Die Revision des Beschwerdeführers blieb ohne Erfolg.

Die erneute Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Entscheidung angenommen. Die Verwertung der bei dieser Durchsuchung gewonnenen Beweismittel im Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Verstoß gegen das BtmG verstößt nicht gegen Art. 13 Abs. 1 GG. Zwar verletzte die Anordnung und Durchführung der Durchsuchung den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG, wie die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 13. November 2005 festgestellt hat. Es besteht aber kein Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnenen Beweise stets unzulässig wäre. Für die Beurteilung der Frage, welche Folgen ein möglicher Verstoß gegen strafprozessuale Verfahrensvorschriften hat und ob hierzu insbesondere ein Beweisverwertungsverbot zählt, sind in erster Linie die Fachgerichte zuständig. Diese gehen in gefestigter, willkürfreier Rechtsprechung davon aus, dass dem Strafverfahrensrecht ein allgemein geltender Grundsatz, dass jeder Verstoß bei der Beweisgewinnung ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd ist, und dass die Frage jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden ist. Ein Beweisverwertungsverbot bedeutet eine Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist. Insbesondere die willkürliche Annahme von Gefahr im Verzug oder das Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Fehlers können – müssen indes nicht in jedem Fall – danach ein Verwertungsverbot nach sich ziehen. Die Gerichte haben im vorliegenden Fall die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze ausreichend beachtet. Insbesondere wurde die Schwere der Grundrechtsverletzung bei der Durchsuchung in ihrer Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Strafverfolgung und der Wahrheitsermittlung im Strafverfahren wegen des Verbrechenstatbestandes des § 29a Abs. 1 BtMG angemessen berücksichtigt.

Es liegt auch kein Verstoß gegen das Recht des Beschwerdeführers auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren nach Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 20 Abs. 3 GG vor. Denn es liegen keine Anhaltspunkte für eine willkürliche, den Fairnessgrundsatz ignorierende Handhabung der strafprozessualen Grundsätze über Beweisverwertungsverbote vor.

BverfG, Beschl. v. 02.07.2009 – 2 BvR 2225/08

Quelle: Pressemitteilung des BVerfG Nr. 85/2009 vom 28. Juli 2009

BVerfG zur Beschlagnahme von E-Mails

Seit heute ist auf der Homepage des BVerfG der Volltext des Beschlusses vom 16.06.2009 in der Sache 2 BvR 902/06 veröffentlicht. Auf diese Entscheidung ist lange gewartet worden. Seit Anhängigkeit des Verfahrens hatte das BVerfG eine erlassene einstweilige Anordnung immer wieder verlängert.

Im Verfahren geht es um die Rechtmäßigkeit der Sicherstellung und Beschlagnahme von E-Mails auf dem Mailserver des Providers. Das BVerfG räumt diesen den Schutz des Art. 10 GG ein, sieht § 94 StPO als Eingriffgrundlage an, betont dann jedoch die Frage der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs. So viel nach dem ersten Überfliegen des Beschlusses, der immerhin 17 Seiten lang ist. Ich weiß noch nicht, ob ich mich über ihn freuen soll, da der dann jetzt auch noch in die Neuauflagen der Handbücher einzuarbeiten ist. Und das alles dann noch neben Abspracheregelung, 2. OpferRRG und Untersuchungshaftänderung.

Manchmal geht`s auch flott…..

Manchmal geht es auch schnell in Karlsruhe. Das BVerfG hat jetzt in einem Beschluss vom 08.06.2009 – 2 BvR 847/09 – über eine Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse der Instanzen von Anfang 01/09 bzw. 02/09 entschieden. Lag aber wohl daran, dass der Fall glasklar war. Das AG hatte nämlich den Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung entgegen § 56g Abs. 2 Satz 2 StGB noch mehr als ein Jahr nach Ablauf der Bewährungszeit als zulässig angesehen und in der Zurückstellung von einer Entscheidung eine Verlängerung der Bewährungszeit gesehen.

Das BVerfG meint: Die gesetzliche Systematik spricht „klar gegen eine solche Annahme“. Schade, dass das erst das BVerfG richten muss. Das LG hatte die Beschwerde aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung verworfen.

Update:
Der Beschluss ist jetzt im Volltext bei LexisNexis® Strafrecht zu finden!