Das Thema ist der verfahrensrechtliche Dauerbrenner der letzten Jahre: Beweisverwertungsverbot bei Missachtung des Richtervorbehalts bei der Entnahme einer Blutprobe, ja oder nein? Nun hat sich in der Diskussion auch noch einmal das OLG Köln zu Wort gemeldet. Es vertritt in seinem Beschluss vom – 15.01.2010 – 83 Ss 100/09 – die Auffassung, dass die Nichteinrichtung eines (erforderlichen) nächtlichen richterlichen Eildienstes nicht per se zur Annahme eines Beweisverwertungsverbotes führe und grenzt sich darin vom 3. Strafsenat des OLG Hamm ab. Das OLG Köln ist zudem der Auffassung, dass bei der Frage nach der Erforderlichkeit des Eildienstes nicht auch auf nächtliche Blutentnahmen abgestellt werden müsse, denn die Rechtsprechung des BVerfG betreffe Durchsuchungen mit einem vefassungsrechtlichen Richtervorbehalt. Na ja, kann man auch anders sehen. Jedenfalls: Die Karawane zieht weiter…..
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Richtervorbehalt/Blutprobe/Beweisverwertungsverbot – Schlacht ggf. gewonnen, aber noch nicht den Krieg…
Das OVG Niedersachsen hat jetzt noch einmal Stellung genommen zur Verwertbarkeit einer ggf. unter Verstoß gegen § 81a StPO gewonnenen Blutprobe im Verfahren über die Entziehung der Fahrerlaubnis und dazu in seinem Beschl. v. 16.12.2009 – 12 ME 234/09 seine frühere Rechtsprechung bestätigt. Im Beschluss heißt es:
„Selbst wenn man indes ein strafprozessuales Verwertungsverbot annehmen wollte, bedeutete das nicht, dass im vorliegenden Zusammenhang eine entsprechende Beurteilung geboten wäre. Zwar muss die Behörde auch im Verwaltungsverfahren bei ihrer Ermittlungstätigkeit die sich aus Gesetzen, allgemeinen Verfahrensgrundsätzen und Grundrechten ergebenden Grenzen beachten (vgl. Bader/Ronellenfitsch, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 24 Rn 30). Für den Bereich des Fahrerlaubnisrechts ist aber weder im Straßenverkehrsgesetz noch in der Fahrerlaubnis-Verordnung ein ausdrückliches Verwertungsverbot für nicht richterlich angeordnete körperliche Untersuchungen bestimmt. Ebenso wie im Strafprozessrecht kann daher ein solches Verbot nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der gegenläufigen Interessen angenommen werden, wobei jedoch in Verwaltungsverfahren, die wie das Fahrerlaubnisrecht der Gefahrenabwehr dienen, nicht ohne Weiteres dieselben Maßstäbe wie im repressiven Bereich des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts gelten (vgl. bereits Senat, Beschl. v. 14.8.2008 – 12 ME 183/08 -, VD 2008, 242-244 unter Bezugnahme auf OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 20.3. 2008 – 1 M 12/08 -, juris; zuletzt Beschl. v. 5.11.2009 – 12 ME 237/09 -; ferner VG Osnabrück, Urt. v. 20.2.2009 – 6 A 65/08 -, juris und VG Braunschweig, Beschl. v. 29.1.2008 – 6 B 214/07 -, juris). Denn im Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis hat die Behörde maßgeblich und mit besonderem Gewicht weitere Rechtsgüter Drittbetroffener und das öffentliche Interesse am Schutz der Allgemeinheit vor Fahrerlaubnisinhabern, die sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen haben, zu beachten. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es, ein von der Fahrerlaubnisbehörde rechtswidrig angeordnetes Gutachten über die Fahreignung bei der Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis zu berücksichtigen, wenn das Gutachten ein eindeutig negatives Ergebnis ausweist (vgl. bereits Senatsbeschl. v. 14.8.2008 – 12 ME 183/08 -, a.a.O.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 20.3. 2008 – 1 M 12/08 -, a.a.O.). Dieser Gedanke gilt umso mehr, wenn der Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften nicht von der Fahrerlaubnisbehörde selbst zu verantworten ist. Da der Verstoß gegen die strafprozessuale Beweiserhebungsvorschrift des § 81a StPO in Konstellationen wie vorliegend nicht von der für das Verwaltungsverfahren zuständigen Fahrerlaubnisbehörde ausgeht, kann die für das Strafverfahren gültige Überlegung, dass das Interesse des Einzelnen an der Bewahrung seiner Rechtsgüter zu Lasten des staatlichen Strafverfolgungsinteresses bei groben Verstößen durch die für die Strafverfolgung zuständigen Behörden unter dem Gesichtspunkt einer fairen Verfahrensgestaltung überwiegt, auf das Fahrerlaubnisentziehungsverfahren nicht übertragen werden. Die Fahrerlaubnisbehörde darf daher im überwiegenden Interesse an dem Schutz hochrangiger Rechtsgüter einer großen Zahl von Verkehrsteilnehmern in einem auf Entziehung der Fahrerlaubnis gerichteten Verwaltungsverfahren auch ein unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81a StPO gewonnenes Ergebnis einer Blutprobenuntersuchung berücksichtigen, wenn aus diesem ohne Weiteres eine fehlende Kraftfahreignung des Betroffenen hervorgeht. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass weder das Straßenverkehrsgesetz noch die Fahrerlaubnis-Verordnung für die Anordnung von ärztlichen Untersuchungen und Begutachtungen einen Richtervorbehalt vorsehen und es einen Wertungswiderspruch bedeutete, wenn Fälle, die ihren Ausgang in einem straf- oder bußgeldrechtlich ahndungsfähigen Verkehrsverstoß nehmen, anders behandelt würden als solche, in denen die Behörde nach § 11 Abs. 2 FeV aufgrund ihr bekannt gewordener Tatsachen selbst Zweifeln an der Kraftfahreignung eines Betroffenen nachgeht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 3.11.2009 – 1 S 205.09 -, juris).“
OLG Bamberg greift beim Beweisverwertungsverbot zu kurz?
Das OLG Bamberg hat in seinem Beschluss vom 20. 11. 2009 – 2 Ss OWi 1283/09 ein Beweisverwertungsverbot nach einer Blutentnahme unter Missachtung des Richtervorbehalts (§ 81a Abs. 2 StPO) (erneut) abgelehnt. Es hat ausgeführt:
Der Verwertung eines Sachverständigengutachtens über die Blutalkoholkonzentration des Betroffenen steht nicht entgegen, wenn im Zeitpunkt der polizeilich angeordneten Blutentnahme wegen Gefährdung des Untersuchungserfolges ein Ermittlungsrichter schon deshalb unerreichbar ist, weil in dem betreffenden Bundesland (hier: Bayern) ein richterlicher Bereitschaftsdienst lediglich im Zeitraum zwischen 6.00 Uhr und 21.00 Uhr eingerichtet ist.
Ob das so zutreffend ist, ist m.E. zweifelhaft, lässt sich aber nicht abschließend beurteilen. Das OLG teilt nämlich nicht mit, wo der Betroffene gefahren ist. Die Angabe des Tatortes ist aber von erheblicher Bedeutung, um die Frage beurteilen zu können, ob nicht auf der Grundlage der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BVerfG NJW 2001, 1121; 2005, 1637) auch zur Nachtzeit ein richterlicher Bereitschaftsdienst hätte eingerichtet sein müssen. Davon geht das BVerfG aus, wenn „Bedarf besteht“ (BVerfG, a.a.O.). Ist dann ein richterlicher Bereitschaftsdienst nicht eingerichtet, kann sich daraus die Willkür und das Beweisverwertungsverbot ergeben (vgl. dazu – allerdings für die Durchsuchung – der 3. Strafsenat des OLG Hamm (3. Strafsenat) StRR 2009, 386 = NJW 2009, 3109 = VRR 2009, 435). Einfach zu sagen: In Bayern gibt es nachts keinen, ist nicht ausreichend.
OLG Schleswig: Auch 2. Bußgeldsenat kommt zum Beweisverwertungsverbot bei der Missachtung des Richtervorbehalts
Da flattert mir gerade eine weitere Entscheidung zum Richtervorbehalt und zum Beweisverwertungsverbot bei dessen Missachtung bei der Entnahme einer Blutprobe auf den Tisch; übersandt von einem Kollegen aus Kiel. Nun hat auch der 2. Senat für Bußgeldsachen des OLG Schleswig am 23.12.2009 – 2 Ss OWi 153/09 in diesen Fällen ein Beweisverwertungsverbot angenommen. M.E. eine lesenswerte Entscheidung, da sie die Probleme/Fragen schön zusammenfasst. Mit der Entscheidung liegt dann aber jetzt ein deutliches Nord-Süd-Gefälle vor. Bisher hat noch kein süddeutsches OLG ein Beweisverwertungsverbot angenommen. Vielleicht kommt das ja noch.
Weg mit dem Richtervorbehalt… Die Rufe werden lauter
Nun wird es sicherlich nicht mehr lange dauern, bis die Politik sich an eine Änderung des § 81a Abs. 2 StPO machen wird. Denn jetzt hat auch die Presse (immerhin die SZ) das Thema „entdeckt“ und widmet ihm heute eine Meldung (vgl. SZ v. 18.01.2010), worauf mich gerade ein Kollege im Forum bei LexisNexis Strafrecht hingewiesen hat. Die Rufe nach der Abschaffung des Richtervorbehalts werden lauter/häufiger/heftiger. Nach dem Niedersächsischen JM nun auch Töne aus Hamburg und (natürlich) aus Bayern. Offen ist aber immer noch die Frage, warum man sich nicht einfach an die bestehende Gesetzeslage hält und die Polizei entsprechend schult.
Ich habe auch erhebliche Bedenken, den Richtervorbehalt ggf. zu beschränken. Wie soll das gehen? Für Verstöße gegen §§ 316, 315c StGB, 24a Abs. 2 StVG gilt er nicht, sonst aber doch. Was ist aber, wenn ich in einem Verfahren wegen Verstoßes gegen §§ 316, 315c StGB, 24a Abs. 2 StVG eine Blutprobe entnommen habe, sich dieses dann aber ausweitet: § 315b StGB mit einem Vorwurf auch nach den §§ 212, 211 StGB. Darf dann dort verwertet werden? Das Ganze wird keine Erleichterung bringen, sondern nur noch mehr Wirrwarr.