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Entfernung eines Polizeibeamten aus dem Dienst, oder: Das war ein wenig reichlich an Dienstvergehen

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Vor einiger Zeit ist die Nachricht zum OVG Niedersachsen, Urt. v. 16.04.2021 – 6 LD 4/19 – über die Ticker gelaufen. In dem Verfahren ging es um die Entlassung eines Bundespolizisten aus dem Dienst. Inzwischen liegt der Volltext zu der Entscheidung vor, so dass ich – ein wenig verspätet – darüber berichten kann.

Ich mache es mir einfach und beziehe mich auf die zu der Entscheidung ergangene PM des OVG. In der heißt es:

 

Berufung eines Bundespolizeibeamten gegen seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erfolglos

Der für das Disziplinarrecht der Bundesbeamten zuständige 6. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit Urteil vom 16. April 2021 die Berufung eines Bundespolizeibeamten gegen ein am 23. Oktober 2019 ergangenes Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover zurückgewiesen (Az.: 6 LD 4/19). Mit dem von dem beklagten Polizeiobermeister angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht der auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gerichteten Klage der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundespolizeidirektion Hannover, stattgegeben. Der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat das Urteil des Verwaltungsgerichts bestätigt, so dass es bei der Entfernung des Polizeiobermeisters aus dem Beamtenverhältnis bleibt.

Der Entscheidung liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:

Der Polizeiobermeister wurde seit Juni 2009 bei der Bundespolizeidirektion Hannover verwendet. Nachdem im Februar 2015 gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden war, wurde ihm im Mai 2015 zunächst die Führung der Dienstgeschäfte verboten. Ende Juli 2015 wurde er vorläufig des Dienstes enthoben; seine Dienstbezüge wurden ab November 2015 gekürzt. Das Disziplinarverfahren wurde mehrfach ausgeweitet.

Mit der im Januar 2019 erhobenen Disziplinarklage hat die Bundespolizeidirektion Hannover dem Polizeiobermeister zahlreiche inner- und außerdienstliche Pflichtenverstöße vorgeworfen. Dazu haben neben etlichen anderen Vorwürfen die strafrechtlich geahndeten Vorwürfe des Verleumdens und des unberechtigten Fotografierens eines in Gewahrsam genommenen marokkanischen Staatsangehörigen, des Verbreitens des von dem marokkanischen Staatsangehörigen gefertigten Fotos, des unerlaubten Besitzes von Munition und einer Schusswaffe sowie des unerlaubten Besitzes von 120 kinder- und 188 jugendpornographischen Schriften gehört. Insoweit war der Polizeiobermeister zuvor bereits zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten und drei Wochen, die zur Bewährung ausgesetzt worden war, verurteilt worden. Der Disziplinarklage hat ferner der Vorwurf des unaufgeforderten Versendens eines pornographischen Fotos an eine 14jährige zugrunde gelegen. Insoweit war gegen den Polizeiobermeister strafrechtlich eine Geldstrafe verhängt worden.

Mit Urteil vom 23. Oktober 2019 hat das Verwaltungsgericht Hannover gegen den Polizeiobermeister die disziplinarische Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis verhängt.

Der 6. Senat des Nds. Oberverwaltungsgerichts hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Berufungsverfahren als richtig bestätigt und deshalb die Berufung des Polizeiobermeisters zurückgewiesen. Er ist zu der Einschätzung gelangt, dass der Polizeiobermeister in der Zeit von 2010 bis 2015 zahlreiche gravierende Dienstpflichtverletzungen und damit ein sehr schwerwiegendes Dienstvergehen begangen habe. Der Polizeiobermeister habe schon allein mit den strafrechtlich geahndeten Taten in ganz erheblicher Weise gegen die ihm als Polizeibeamten obliegenden Pflichten verstoßen. Er habe darüber hinaus mehrere weitere gravierende Dienstpflichtverletzungen begangen. Es sei als erwiesen anzusehen, dass er einem Kollegen eine WhatsApp-Nachricht mit herabwürdigenden Äußerungen über einen Ausländer übersandt habe. Er habe außerdem mit seinem Handy ein Foto von einem in Gewahrsam Genommenen, der in wehrloser Position auf dem Boden eines Dienstfahrzeugs gelegen habe, gefertigt. Er habe ferner sowohl eine Polizeianwärterin als auch einen Polizeianwärter während des Dienstes sexuell belästigt. Dabei habe er dem Polizeianwärter während der Verfehlung seine Dienstwaffe an den Kopf gehalten und ihn zu einer sexuellen Handlung aufgefordert. Er habe zudem während des Dienstes im hinteren Teil seines Dienstfahrzeugs einvernehmlich mit einer Bekannten sexuelle Handlungen vollzogen, während ein Kollege vorn im Fahrzeug gesessen habe. Er habe schließlich vertrauliche Informationen, die er in seiner Eigenschaft als Suchthelfer der Bundespolizeiinspektion Hannover erlangt habe, unbefugt weitergegeben.

Das von dem Polizeiobermeister begangene Dienstvergehen erfordert nach Auffassung des 6. Senats den Ausspruch der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Die von dem Polizeiobermeister begangenen Straftaten seien angesichts der Vorbildfunktion eines Polizeibeamten nicht hinnehmbar. Dies gelte auch für die weiteren Pflichtverletzungen, die nicht strafrechtlich geahndet worden seien. Entlastende Gesichtspunkte, die es rechtfertigen könnten, von der disziplinarischen Höchstmaßnahme abzusehen, bestünden nicht. Insbesondere der von dem Polizeiobermeister geltend gemachte Milderungsgrund einer „Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase“ liege nicht vor. Selbst wenn das Vorbringen des Polizeiobermeisters dazu als wahr unterstellt würde, habe es bereits an einer zugespitzten negativen Lebensphase gefehlt, die für die Begehung der Taten unmittelbar ursächlich gewesen wäre. Denn die von ihm vorgetragenen belastenden Umstände seien fortdauernd während einer langen Zeitspanne von etwa fünf Jahren aufgetreten. Gegen die Annahme, dass den Polizeiobermeister im Tatzeitraum außergewöhnliche Umstände „zeitweilig aus der Bahn geworfen“ hätten, spreche zudem auch, dass er während der gesamten Zeit in der Lage gewesen sei, seinen Dienst zu verrichten, eine Nebentätigkeit als „Leiter einer Selbsthilfegruppe für Suchtkranke im Diakonischen Werk“ auszuüben und als Sucht- und Sozialhelfer bei der Bundespolizeidirektion Hannover tätig zu sein.

Die Gesamtwürdigung der den Polizeiobermeister belastenden Umstände und der zu seinen Gunsten sprechenden entlastenden Gesichtspunkte ergebe, dass sich der Polizeiobermeister im Hinblick auf die Erfüllung seiner Dienstpflichten als Polizeibeamter in einem so hohen Maße als unzuverlässig erwiesen habe, dass er das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren habe. Der durch die gravierenden Dienstpflichtverletzungen eingetretene Autoritäts- und Ansehensverlust könne nach der Überzeugung des 6. Senats nicht mehr rückgängig gemacht werden.

Die Revision gegen das Urteil hat der 6. Senat nicht zugelassen, weil keiner der gesetzlich geregelten Zulassungsgründe gegeben ist. Der Polizeiobermeister kann gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde einlegen.“

Begleitetes Fahren, oder: Widerruf der (eingeschränkten) Fahrerlaubnis auch noch nach Eintritt der Volljährigkeit?

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Die zweite Entscheidung kommt heute aus dem Bereich des Verkehrsverwaltungsrecht. Im OVG Niedersachen, Beschl. v. 11.08.2017 – 12 ME 169/17 – geht es um „Begleitetes Fahren“. Der am pp. März 1999 geborene Antragsteller ist Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klasse B (sowie der darin eingeschlossenen Klassen AM und L), die ihm am 3. Mai 2016 nach § 48a FeV erteilt worden war. Dementsprechend musste er bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres während des Führens eines Kraftfahrzeuges von mindestens einer namentlich benannten Person begleitet werden (§ 48a Abs. 2 FeV). Als Begleitperson war sein Vater benannt worden, der jedoch bereits im Juni 2016 verstorben ist. Am 15. Februar 2017 fuhr der Antragsteller dann zweimal – gegen 15.00 und gegen 16.30 Uhr – – getreu dem Motto: „Was kostet die Welt, ich kaufe sie“ – unbegleitet einen PKW. Der Fahrerlaubnisbehörde hat deshalb die Fahrerlaubnis widerrufen die sofortige Vollziehung angeordnet. Vorläufigen Rechtsschutz hat es dagegen beim OVG nicht gegeben, das VG hatte noch anders entschieden.

„Dem hiergegen gerichteten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Verwaltungsgericht mit dem aus dem Tenor ersichtlichen Beschluss entsprochen. Es könne offen bleiben, ob der Widerrufsbescheid materiell rechtmäßig sei. Bedenken bestünden insoweit, weil fraglich sei, ob der Widerruf nach § 6e Abs. 2 Satz 1 StVG auch noch – wie hier – nach der Vollendung des 18. Lebensjahres des Betroffenen erfolgen dürfe. Jedenfalls sei zusätzlich ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung erforderlich, an dem es hier mangele. Für die Anordnung des Sofortvollzuges müssten Anhaltspunkte für einen Eignungsmangel des Betroffenen und eine hieran anknüpfende aktuelle Gefahr für die Verkehrssicherheit bestehen. Der Verstoß gegen die gesetzliche Auflage, nur in Begleitung einer namentlich genannten Person mit einem PKW zu fahren, stelle hingegen nach den allgemeinen straßenverkehrsrechtlichen Regelungen noch keinen für die Entziehung der Fahrerlaubnis ausreichenden Eignungsmangel dar und trage damit nicht die Anordnung der sofortigen Vollziehung.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg. Aus den von ihm fristgerecht dargelegten Gründen ist der Beschluss zu ändern; der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist abzulehnen.

Der Senat beantwortet die vom Verwaltungsgericht offen gelassene Frage nach der Rechtmäßigkeit des Widerrufes der Fahrerlaubnis dahin, dass sich dieser Widerruf aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen wird.

Rechtsgrundlage hierfür ist § 6e Abs. 2 Satz 1 StVG. Danach ist eine auf der Grundlage der Rechtsverordnung nach § 6e Abs. 1 StVG, d.h. des § 48a FeV – wie hier -, erteilte Fahrerlaubnis u. a. der Klasse B (mit den darin eingeschlossen Klassen) zu widerrufen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber entgegen einer vollziehbaren Auflage nach § 6e Abs. 1 Nr. 2 StVG ein Kraftfahrzeug ohne Begleitung durch eine namentlich benannte Person führt. Bei dem Widerruf handelt es sich eindeutig um eine zwingende Entscheidung, d.h. der Fahrerlaubnisbehörde steht beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen kein Ermessen zu. Allerdings regelt § 6e Abs. 2 Satz 1 StVG nicht eindeutig, ob danach ein Widerruf nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres – mit dem nach § 48a Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 10 Abs. 1 Nr. 5a (Satz 2) FeV diese Auflage entfällt – des betroffenen Fahranfängers zugelassen ist.

Dass der Wortlaut eine so lautende Einschränkung nicht enthält, spricht aber bereits gegen ein dahingehendes einschränkendes Verständnis. Systematische sowie teleologische Überlegungen sowie die Motive des Normgebers sprechen ebenfalls gegen eine so verstandene zeitliche Befristung des Widerrufs. Danach (vgl. die Wiedergabe der Begründung bei Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 6a StVG, Rn. 4) schreibt die Vorschrift den zwingenden Widerruf bei einem Auflagenverstoß vor, ohne dass insoweit zeitliche Grenzen benannt werden. Der Anwendungsbereich der Norm würde jedoch in zahlreichen, wenn nicht sogar in der überwiegenden Zahl von Fällen gar nicht eröffnet, wenn der Widerruf nach der Vollendung des 18. Lebensjahres des Betroffenen ausschiede. Denn die Fahrerlaubnisbehörde wird von einem entsprechenden Verstoß regelmäßig – wie hier – erst durch eine Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes aus dem Fahreignungsregister nach § 30 StVG erfahren, nachdem in diesem Register gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG i. V. m. Nr. 3.3.2 Anlage 13 FeV die rechtskräftige Entscheidung wegen der in dem Auflagenverstoß liegenden Ordnungswidrigkeit gespeichert worden ist. Nach Kenntnis der Fahrerlaubnisbehörde von dem Verstoß ist der betroffene Fahrerlaubnisinhaber gemäß 28 VwVfG grundsätzlich noch anzuhören. Da eine Auflage nach § 48a Abs. 2 FeV maximal für zwölf Monate, bei erstmaliger Erteilung der Fahrerlaubnis erst nach der Vollendung des 17. Lebensjahres – wie hier – für noch weniger Monate gilt, zwischen einem Auflagenverstoß und dem möglichen Widerruf nach § 6e Abs. 2 Satz 1 StVG aus den vorgenannten Gründen jedoch regelmäßig mehrere Monate vergehen, bliebe bei einer Begrenzung des Widerrufs nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Betroffenen nur ein enger zeitlicher Anwendungsbereich der Norm. Dass dies gewollt ist, kann nicht angenommen werden und widerspräche außerdem ihrem Sinn und Zweck.

Denn durch den Auflagenverstoß hat der Fahrerlaubnisinhaber ein Fehlverhalten gezeigt, das seine Ursache in einer mangelhaften Einstellung zum erforderlichen Verhalten im Straßenverkehr findet (vgl. VG Aachen, Beschl. v. 23.4.2010 – 3 L 121/10 -, juris). Diese mangelhafte Einstellung erledigt sich nicht gleichsam automatisch mit der Vollendung des 18. Lebensjahres, mit dem die Auflage durch Zeitablauf erlischt, sondern besteht darüber hinaus fort und rechtfertigt demnach auch danach noch den Widerruf der Fahrerlaubnis. Unterstrichen wird diese Zweckbestimmung dadurch, dass die Wiederteilung der Fahrerlaubnis von der Teilnahme an einem Aufbauseminar für Fahranfänger gemäß § 2a Abs. 2 Nr. 1 StVG abhängig ist; so soll der Teilnehmer nach § 2b Abs. 1 Satz 1 StVG insbesondere eine risikobewusstere Einstellung zum Straßenverkehr entwickeln.

Schließlich verweist § 6e Abs. 2 Satz 2 StVG ausdrücklich auf § 2a Abs. 2 StVG, wonach die Fahrerlaubnisbehörde auch dann noch die Teilnahme an einem Aufbauseminar anzuordnen hat, wenn die Probezeit zwar zwischenzeitlich abgelaufen ist, die im Gesetz aufgeführten Zuwiderhandlungen aber noch innerhalb der Probezeit begangen worden waren. Diese Regelung findet ihre Rechtfertigung darin, dass zwischen der Begehung der Zuwiderhandlung und deren rechtskräftiger Ahndung bei Ausschöpfung aller Rechtsmittel so viel Zeit vergehen kann, dass inzwischen die Probezeit abgelaufen ist. Bei – wie dargelegt mindestens – gleicher Ausgangslage gilt für den Widerruf der Fahrerlaubnis nach § 6e Abs. 2 Satz 1 StVG wegen eines Auflagenverstoßes nichts anderes.

Der Widerruf ist demnach nicht mit Vollendung des 18. Lebensjahres des Fahranfängers ausgeschlossen (ebenso VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 6.9.2016 – 10 S 1404/16 – juris, Rn. 11; Hentschel/König/Dauer, a. a. O., § 48a FeV, Rn. 22, m. w. N.; Trésoret, in: Freymann/Wellner, jurisPK-StrVerkR, 1. Aufl. 2016, § 48a FeV, Rn. 57).

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Widerrufs liegen demnach aller Voraussicht nach vor……….

Als Polizeikommissar sollte man nicht „saufen“/trinken….und dann fahren

© ExQuisine - Fotolia.com

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Zunächst mal mit einem „blauen Auge“ davon gekommen ist ein angehender Polizeikommissar beim OVG Lüneburg. Der Polizeikommissar hatte auf einer Feier in erheblichem Umfang alkoholische Getränke konsumiert und war dann mit seinem PKW nach Hause gefahren. Auf der Fahrt wurde er von Kollegen angehalten. Der Polizeikommissar in spe weigerte sich, denen die Fahrzeugpapiere auszuhändigen. Er gab Vollgas. Ein Polizeibeamter musste zur Seite springen, damit er nicht von dem Fahrzeug des Kollegen erfasst wurde. Der angehende Polizeikommissar setzte seine Fahrt dann mit ca. 150 km/h fort, kam mehrfach von der Fahrbahn ab, überfuhr eine Verkehrsinsel, ein Verkehrsschild sowie eine Straßenlaterne. Schließlich landete er mit seinem Fahrzeug in einem Grabe. Als Kollegen ihn aus dem Fahrzeug ziehen wollten, versuchte er, sich dem zu entziehen. Folge: Er musste fixiert werden. Eine Blutentnahme ergab dann einen BAK von von 2,03 o/oo.

Der angehende Polizeikommissar wurde aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entlassen. Sein Dienstherr ordnete die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an. Dagegen ging der Polizeibeamte mit einem Antrag an das VG vor, der dann jetzt beim OVG Erfolg hatte. Das OVG Lüneburg führt im OVG Niedersachsen, Beschl. v. 12.11.2014 – 5 ME 153/14 aus, dass grds. aus einem Trunkenheitsdelikt auf mangelnde charakterliche Eignung für den Beruf des Polizeibeamten geschlossen werden kann. Aber: Es können noch nicht abschließend bewertet werden, ob die dem Antragsteller vorgeworfenen Verhaltensweisen gleichwohl deshalb nicht als Indiz für eine mangelnde charakterliche Eignung angesehen werden können, weil er sich möglicherweise bei Begehung der Taten im Zustand der Schuldunfähigkeit im Sinne von § 20 StGB befunden hat.

„Denn der Antragsteller hat im Beschwerdeverfahren ein im Strafverfahren eingeholtes psychiatrisches Gutachten des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. F. vom 26. August 2014 (Bl. 146 ff., 167 ff. GA) vorgelegt, das dem Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung noch nicht bekannt war. In diesem Gutachten kommt Prof. Dr. F. zu dem Ergebnis, dass betreffend das dem Antragsteller vorgeworfene Verhalten am 16. Dezember 2012 die Voraussetzungen des § 21 StGB sicher gegeben waren und dass die Voraussetzungen für die Anwendung des § 20 StGB nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden können (Seiten 24 und 25 des Gutachtens, Bl. 164, 165 GA).

Die von der Antragsgegnerin vorgetragenen Bedenken gegen das Gutachten vermögen bei der im vorliegenden Verfahren nur gebotenen summarischen Prüfung letztendlich noch nicht durchzugreifen. Dass Prof. Dr. F. die Aussagen des Antragstellers gewürdigt hat, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Zutreffend trägt die Antragsgegnerin allerdings im Beschwerdeverfahren vor und hat auch das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass eine Blutalkoholkonzentration ab 1,6 Promille auf deutlich abweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Giftfestigkeit hinweist (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.5.2008 – BVerwG 3 C 32.07 -, juris; siehe auch Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach, gültig ab 1. Mai 2014, Seite 72). Prof. Dr. F. setzt sich hiermit in seinem Gutachten nicht auseinander. Er hat ausgeführt (Seite 23 des Gutachtens, Bl. 163 GA), dass bei Verwendung der üblichen Rückrechnungsmethode für die Zeit von etwa 1.15 Uhr von einer Blutalkoholkonzentration von 2,6 Promille auszugehen sei. Dabei handele es sich um einen Wert, der bei nicht alkoholtoleranten Menschen (und hierzu sei der Antragsteller zu zählen) bereits zu erheblichen Ausfallerscheinungen führen könne. Dem lässt sich zumindest entnehmen, dass der Gutachter davon ausgeht, dass derartig hohe Promillewerte auch von nicht alkoholgewöhnten Personen erreicht werden können. Angesichts dessen, dass die oben genannten Begutachtungsleitlinien lediglich Grundsätze für Fahreignungsbegutachtungen vorgeben, hält der Senat die Einschätzung des Gutachters im Rahmen der Prüfung der Frage der Schuldfähigkeit im vorliegenden Einzelfall jedenfalls nicht von vornherein für unrichtig, die der Gutachter damit erklärt (Seite 20 des Gutachtens, Bl. 171 GA), dass „die biografische Entwicklung des Antragstellers keinerlei Hinweise auf das Vorliegen einer psychischen Störung einschließlich einer Alkohol- oder Drogenabhängigkeit bzw. auch nicht im Hinblick auf einen sogenannten schädlichen Gebrauch (von Alkohol)“ aufweise. Ein Widerspruch zu dieser Einschätzung lässt sich auch nicht von vornherein der Aussage des Antragstellers gegenüber dem Gutachter entnehmen, wonach er seit April 2013 regelmäßig zu einem Beratungsinstitut gehe und sich dort in kritischer Weise mit seinem persönlichen Alkoholkonsum auseinandersetze (Seite 16 des Gutachtens, Bl. 167 GA). Die Antragsgegnerin trägt selbst vor, hierbei handele es sich vermutlich um eine sog. „Verkehrstherapie“, die regelmäßig empfohlen werde, um sich auf die Medizinisch-Psychologische Untersuchung vorzubereiten, die immer dann angeordnet werde, wenn eine Alkoholfahrt mit mehr als 1,6 Promille vorliege. Auf eine Alkoholgewöhnung lässt die Teilnahme an einer solchen „Verkehrstherapie“ demnach nicht ohne weiteres schließen.“

Na ja, ob es letztlich helfen wird, wage ich zu bezweifeln. Und 2,03 bzw. 2,6 o/oo ist ja schon was.

„Darf es etwas mehr sein?“ oder: Die Fahrtenbuchauflage beim Motorradfahrer

entnommen wikimedia.org BackeDL - Own work

Wer kennt entnommen wikimedia.org
BackeDL – Own work

Wer kennt sie nicht vom Einkauf, die Frage: Darf es etwas mehr sein. Sie passt ganz gut zu dem OVG Lüneburg, Urt. v. 08.07.2014 – 12 LB 76/14 -, das eine bislang in der obergerichtlichen Rechtsprechung noch nicht behandelte Frage zum Gegenstand hat. Nämlich die, ob bei Motorrädern aufgrund der regelmäßig zeitlich eingeschränkten Nutzung eines Motorrads im Verhältnis zu einem Pkw eine Verlängerung der Fahrtenbuchauflage zulässig ist oder nicht. Der im Verfahren beklagte Landkreis Stade verhängt(e) nämlich für Motorräder in der Regel eine im Vergleich zu Pkw um drei bis sechs Monate länger wirkende Fahrtenbuchauflage. Das OVG hat das „abgesegnet“, und zwar wie folgt:

„Der Beklagte hat zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung von Motorrädern im Verhältnis zu Pkw auf die Besonderheiten der Motorradhaltung verwiesen, die darin lägen, dass Motorräder anders als Pkw in der Regel von den jeweiligen Haltern nicht ganzjährig genutzt würden, sondern eine Nutzung in den Wintermonaten regelmäßig unterbleibe oder nur eingeschränkt erfolge. Dies ist nicht zu beanstanden.

Am 1. Januar 2013 – wie auch sonst – verfügte fast ein Drittel aller zugelassenen Krafträder über ein Saisonkennzeichen, vorzugsweise für den Zeitraum April bis Oktober (vgl. http://www.kba.de/DE/Statistik/Fahrzeuge/Bestand/Saisonkennzeichen/2013_b_saison_kurzbericht.html?nn=645902) mit der Folge, dass sie nur in einem begrenzten Zeitraum des Jahres überhaupt genutzt werden können. Dazu kommen die Motorräder, die jedes Jahr – wie im Fall des Klägers – im Winter abgemeldet werden. Ob und in welchem Umfang die übrigen – dauerhaft angemeldeten – Motorräder während der Wintermonate gefahren werden können, hängt von den jeweiligen Witterungsbedingungen ab. Typisierend ist jedoch davon auszugehen, dass eine Nutzung auch dieser Motorräder in der Regel im Winter nicht oder jedenfalls nur deutlich eingeschränkt stattfindet. Vor diesem Hintergrund geht die an den Halter eines Motorrads gerichtete Auflage, für sein Fahrzeug etwa ab Oktober sechs Monate ein Fahrtenbuch zu führen, u. U. ins Leere, wenn das Fahrzeug in diesem Zeitraum gar nicht oder nur zum Teil betrieben wird.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschl. v. 17.5.1995 – 11 C 12.94 -, BVerwGE 98, 227), der der Senat in ständiger Rechtsprechung folgt, ist aber eine nur sechsmonatige Verpflichtung als im unteren Bereich der für eine effektive Kontrolle der Fahrzeugbenutzung erforderlichen Dauer angesiedelt. In den genannten Fällen wird mithin ggf. schon der untere Bereich der für die effektive Kontrolle erforderlichen Dauer von sechs Monaten nicht erreicht. Darin liegt ein wesentlicher, die Differenzierung rechtfertigender Unterschied im Verhältnis zu Pkw, die in aller Regel ganzjährig und gleichmäßig genutzt werden. Angesichts dessen liegt ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung von Motorrädern im Verhältnis zu Pkw vor und ist es nicht ermessensfehlerhaft, den Zeitraum, in dem das Fahrtenbuch geführt werden soll, bei Motorrädern in der Regel typisierend zu verlängern. Ist – wie vorliegend – für Pkw in der Regel ein Zeitraum vorgesehen, der über den für die effektive Kontrolle sachgerechten Zeitraum von sechs Monaten hinausgeht (hier: 12 Monate bei einem mit drei Punkten zu ahndenden Verstoß), ist eine (wie hier maßvolle) Verlängerung der Dauer rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden, wenn diese das Ziel verfolgt, die Zeiten der Abmeldung zu kompensieren.“

Da das OVG die Revision zugelassen hat, können wir uns auf eine Entscheidung des BVerwG freuen.

Fahrtenbuch 18 Monate nach der Tat, aber: Was habe ich mit Personalmangel bei der Behörde zu tun?eht das?

Der Kläger in dem dem OVG Niedersachsen, Urt. v. 23.01.2014 – 12 LB 19/13 – zugrunde liegenden Verfahren ist Halter eine Motorrads, mit dem am 21.07.2009 eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen worden ist. Das gegen den Kläger eingeleitete Ordnungswidrigkeitenverfahren wird am 19.10. 2009 eingestellt. Nach Anhörung erteilt die Verwaltungsbehörden dem Kläger dann (erst)  mit Bescheid vom 04.04.2011 die Auflage, ein Fahrtenbuch für die Dauer von 18 Monaten zu führen.

Die Frage, die der Kläger dann beim OVG Niedersachsen u.a. zum Spruch stellt: Geht das noch oder ist das nicht zu spät? Das OVG sagt: Geht noch:

Anders als der Kläger meint, hat der zwischen dem Verkehrsverstoß und der Fahrtenbuchauflage verstrichene Zeitraum nicht die Rechtswidrigkeit der Fahrtenbuchauflage zur Folge. Zwar ist denkbar, dass für die Rechtmäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage der zwischen der Begehung der Verkehrsordnungswidrigkeit und der Anordnung der Fahrtenbuchauflage verstrichene Zeitraum relevant sein kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.12.1991 – 3 B 108.91 -, zfs 1992, 286) und eine Fahrtenbuchauflage als Mittel der Gefahrenabwehr nach Ablauf eines erheblichen Zeitraums als unverhältnismäßig anzusehen ist. Welche Fristen hierfür in Erwägung zu ziehen sind, ist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beantworten. Dabei sind etwa die Dauer der notwendigen Ermittlungen, die Geschäftsbelastung der betroffenen Behörde und das Verhalten des Fahrzeughalters zu berücksichtigen (BVerwG, Beschl. v. 16.12.1991 – 3 B 108.91 -, zfs 1992, 286, […] Rdn. 3). Da bei der Berechnung des Zeitraums diejenigen Zeiten außer Acht bleiben, in denen der Fahrzeughalter etwa die sich aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht ergebenden Rechtsschutzmöglichkeiten ausschöpft und dadurch selbst Anlass zu einer Verzögerung des Erlasses der Fahrtenbuchauflage bietet (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.1995 – 11 C 3.94 -, NZV 1995, 370, […] Rdn. 9; Beschl. v. 12.7.1995 – 11 B 18.95 -, NJW 1995, 3402, […] Rdn. 3; Beschl. d. Sen. v. 14.1.2013 – 12 LA 299/11 -, m.w.N.), ist entgegen der Annahme des Klägers hier maßgeblich auf den Zeitpunkt der Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens abzustellen. Die zwischen der Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens (19. Oktober 2009) und Erlass des angefochtenen Bescheids (4. April 2011) verstrichene Zeit von knapp 18 Monaten, kann (noch) nicht als derart erheblich angesehen werden, dass sich schon deswegen die erlassene Fahrtenbuchauflage als unverhältnismäßig darstellte (vgl. etwa Beschl. d. Sen. v. 14.1.2013 – 12 LA 299/11 -, der ebenfalls einen Zeitraum von ca. 18 Monaten zwischen Verfahrenseinstellung und Fahrtenbuchauflage betraf; Beschl. v. 23.8.2013 -12 LA 156/12 – gut 16 Monate). Anhaltspunkte dafür, dass die Fahrtenbuchanordnung zwischenzeitlich funktionslos geworden sein oder eine Verwirkung vorliegen könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Auf die Frage, ob ein Organisationsverschulden vorliegt, kommt es nicht weiter an. Unabhängig davon dürfte ein solches auch nicht festzustellen sein. Der Senat sieht keinen Anlass an der Richtigkeit der Angaben des Beklagten zu der besonderen personellen Situation in seiner Straßenverkehrsbehörde in 2010 und 2011 zu zweifeln, die zu einer atypischen Geschäftsbelastung des einzig verbliebenen Sachbearbeiters geführt hat. In einer solchen Lage kann es für eine gewisse Übergangszeit hinnehmbar sein, dass es zu längeren Zeiträumen zwischen dem Verkehrsverstoß bzw. der Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens und dem Ergehen der Fahrtenbuchauflage kommt. In dieser Übergangszeit wird – entgegen der Annahme des Klägers – regelmäßig nicht von einem beachtlichen behördlichen Organisationsverschulden auszugehen sein. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei Fahrtenbuchangelegenheiten nicht um fristgebundene Sachen handelt, die von vornherein besondere organisatorische Vorkehrungen bedingen. Auf die Frage der Ausgestaltung der Vertretung kommt es dabei ebenfalls nicht an.

Na ja, ist mir ein wenig lang. Kann doch nicht das Problem des Klägers sein, wenn die Straßenverkehrsbehörde nicht genug Leute hat.