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Karlsruhe locuta, causa finita? – BVerfG zum 4. Mal BVV bei § 81a StPO, allerdings ablehnend

Gerade erreicht mich die Pressemitteilung des BVerfG zum Beschl. v. 24.02.2011 – 2 BvR 1596/10  und  2 BvR 2346/10, mit dem das BVerfG zum vierten Mal zum Beweisverwertungsverbot bei § 81a StPO Stellung genommen hat.

Das BVerfG lehnt ein BVV ab. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass nach der strafgerichtlichen Rechtsprechung eine fehlende  Dokumentation allein nicht zu einem Verwertungsverbot führt (hatten wir schon im Sommer 2008). Gleiches gelte für das Fehlen eines nächtlichen richterlichen Bereitschaftsdienstes. In einem solchen Fall können die Strafgerichte darauf verweisen, dass die handelnden Polizeibeamten den Richtervorbehalt nicht willkürlich oder zielgerichtet umgehen.

Na ja, das kann man auch anders sehen. Aber: Karlsruhe locuta, causa finita? Zumindest wird es nicht einfacher :-(.

Zwar nachträgliche Verfassungswidrigkeit – aber dennoch kein Beweisverwertungsverbot

Mit dem zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehenen BGH, Beschl. v. 18.01.2011 – 1 StR 663/10 hat der 1. Strafsenat zur Verwertbarkeit von Telekommunikationsdaten Stellung genommen, die vor dem Urteil des BVerfG v. 02.03.2010 erhoben worden sind, Stellung genommen.

Der Leitsatz:

Telekommunikationsdaten, die vor dem 2. März 2010 auf der Grundlage der einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008 im Verfahren 1 BvR 256/08 (BGBI. I 2008, 659, wiederholt und erweitert mit Beschluss vom 28. Oktober 2008 – BGBI. I 2008, 2239 -, zuletzt wiederholt mit Beschluss vom 15. Oktober 2009 – BGBI. 2009, 3704) rechtmäßig erhoben und an die ersuchenden Behörden übermittelt wurden, bleiben auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 zu §§ 113a, 113b TKG, 100g StPO (1 BvR 256/08 u.a. – BGBI. I 2010, 272) in einem Strafverfahren zu Beweiszwecken verwertbar.

Ähnlich bereits BGH, Beschl. v. 4. 11. 2010 –  4 StR 404/10, über den wir im StRR inzwischen berichtet haben.

(Neues) Beweiserhebungsverbot bei Rechtsanwälten tritt heute in Kraft

Im BGBl. I, 2010 v. 27.12.2010 ist Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht verkündet worden, das das neue/geänderte Beweiserhebungsverbot bei Rechtsanwälten enthält. Das Gesetz tritt am ersten Tag des zweiten auf die Verkündung folgenden Monats in Kraft. Das ist heute der 01.02.2011.

Mit dem Gesetz soll der Schutz des § 160a Absatz 1 StPO, der ein absolutes Erhebungs- und Verwertungsverbot hinsichtlich aller Ermittlungsmaßnahmen vorsieht, auf Rechtsanwälte (einschließlich der niedergelassenen oder dienstleistenden europäischen Rechtsanwälte), nach § 206 BRAO in eine Rechtsanwaltskammer aufgenommene Personen und Kammerrechtsbeistände erstreckt werden. Damit werden Ermittlungsmaßnahmen, die sich gegen einen Rechtsanwalt richten und die voraussichtlich Erkenntnisse erbringen würden, über die der Rechtsanwalt das Zeugnis verweigern dürfte, unzulässig; gleichwohl erlangte Erkenntnisse dürfen nicht verwertet werden.

(zu BVV nach § 160a StPO a.F. auch Burhoff, Handbuch für das strafverfahrensrechtliche Ermittlungsverfahren, 5. Aufl., 2010, Rn. 423a).

Mal wieder was zum Richtervorbehalt bei der Blutentnahme – so kann man m.E. nicht argumentieren…

Im Moment ist es an der Front „Richtervorbehalt bei der Blutentnahme“ verhältnismäßig ruhig; die OLG scheinen mit der Rechtsprechung dazu weitgehend durch zu sein…

Da interessiert dann vielleicht doch mal wieder eine Entscheidung zu der Problematik, und zwar das Urt. des OLG Frankfurt v. 08.09.2010 – 3 Ss 285/10. Das OLG lehnt – wie auch schon früher – ein Beweiserhebungsverbot ab und auch ein Beweisverwertungsverbot – was übrigens auf einem Verteidigerfehler beruht, da schon nicht widersprochen worden ist.

Zum Beweiserhebungsverbot heißt es:

„Zudem ist zu berücksichtigen, dass im vorliegenden Fall auch ohne Einschaltung des Richters vom Zeitpunkt der Anordnung durch die Polizeibeamtin bis zur tatsächlichen Entnahme bereits eine Stunde verstrichen ist. Eine weitere zeitliche Verzögerung war angesichts des im Grenzbereich liegenden Atemalkoholwertes deshalb zu vermeiden.“

Aber hallo: Kann/darf man so denn argumentieren? Muss man sich nicht zumindest dann auch mit der Frage auseinandersetzen, warum eigentlich in der Stunde, in der man gewartet hat, nichts unternommen hat, um eine richterliche Anordnung zu erlangen.

Der Zwischenbescheid im Strafverfahren …..

In einem m.E. sehr schön begründeten Beschluss hat jetzt das LG Verden in seiner Entscheidung v. 11.08.2010 – 7 KLs 3/10 – zur Frage der Gefahr im Verzug bei einer Durchsuchung und sich daraus ergebenden Beweisverwertungsverboten Stellung genommen. In beiden Durchsuchungsfällen verneint das LG „Gefahr im Verzug“, nur einem Fall kommt es aber zu einem Beweisverwertungsverbot. So weit, so (teilweise) gut. Ganz interessant die verfahrensrechtliche Konstellation. Der Verteidiger hatte den Antrag nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO während laufender Hauptverhandlung gestellt. Dazu führt das LG aus:

„Der Umstand, dass die zugelassene Anklage derzeit vor der Kammer verhandelt wird, steht der Zulässigkeit der Anträge nicht entgegen (vgl. OLG Frankfurt vom 02.12.2005 – 3 Ws 972/05 und 3 Ws 1021/05 m.w.N.). Die Kammer bejaht auch trotz des zeitlichen Abstands zwischen den Durchsuchungen bzw. Beschlagnahmen und der Antragstellung das Rechtsschutzbedürfnis der Angeklagten an einer gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen (vgl. LG Berlin vom 09.03.2005 – 528 Qs 49/04).“

Also: Eine Möglichkeit eine Art Zwischenbescheid zu bekommen und die Frage der Verwertbarkeit der Beweismittel nicht bis zum Urteil offen zu lassen.