Schlagwort-Archive: Betrug

Eins, zwei, drei – meins, oder: Der betrügerische Ankauf von Plagiatsfelgen bei ebay

© Gina Sanders – Fotolia.com

Ebay beschäftigt immer wieder auch die Rechtsprechung. Häufig sind es zivilrechtliche Fragen, wie Abschluss des Vertrages oder Abbruch einer Auktion, häufig aber auch strafrechtliche Probleme. Solche lagen dem BGH, Beschl. v. 27.06.2012  – 2 StR 79/12 zugrunde.

Da ginge es um einen Angeklagten, der einen Reifen- und Felgenhandel über ebay betrieb. Dort bot er dort auch Felgen und Reifen zu Komplettpreisen an, bei denen er wahrheitswidrig angab, es handele sich um hochwertige Originalfelgen der Marke Porsche. Tatsächlich handelte es sich aber um von ihm für durchschnittlich 800 Euro pro Felgensatz in Italien eingekaufte und mit einem Porsche-Emblem versehene Plagiatsfelgen, die keine Freigabe des Kraftfahrtbundesamts besaßen und in die (teilweise von ihm selbst) eine gefälschte Prüfnummer eingeschlagen war. Die Strafkammer des LG je Felgensatz von einem Schaden in Höhe von 1.000 Euro ausgegangen. Die Plagiatsfelgen seien für die Käufer nicht wertlos gewesen, hätten aber gegenüber entsprechenden Originalfelgen einen Minderwert von nicht mehr als 500 Euro gehabt. Ein weiterer Schaden liege darin, dass die Plagiatsfelgen erst nach behördlicher Zulassung im Straßenverkehr genutzt werden durften; der Aufwand dafür sei mit mindestens 500 Euro je Felgensatz zu veranschlagen. Dem BGH hat das für die Annahme eine Betrugsschadens i.S. des § 263 StGB nicht gereicht:

Das Landgericht hat bei der Bestimmung des Schadens i.S.v. § 263 Abs. 1 StGB einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab angelegt, indem es zur Schadensermittlung den Minderwert der Plagiatsfelgen gegenüber den Originalfelgen herangezogen hat. Ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar auch zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts des Vermögens des Verfügenden führt (Prinzip der Gesamtsaldierung; vgl. BGHSt 53, 199, 201 mwN). Wird bei einem Kauf über Umstände getäuscht, die den Verkehrswert der Sache maßgeblich mitbestimmen, erleidet der dadurch zum Kaufabschluss bewogene Kunde einen Schaden regelmäßig nur dann, wenn die Sache objetiv den vereinbarten Preis nicht wert ist. Unerheblich ist demgegenüber regelmäßig, ob die gelieferte Ware von geringerem Wert ist als die vertraglich ver-einbarte. Daher ist beim Fehlen einer vom Verkäufer fälschlich zugesicherten Eigenschaft der Kaufsache der Käufer nicht stets und ohne Rücksicht darauf, ob die Sache trotz Fehlens der zugesicherten Eigenschaft den vereinbarten Preis wert ist, durch den Abschluss des Vertrages betrügerisch geschädigt (vgl. BGHSt 16, 220, 221 f.; BGH wistra 1986, 169, 170; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 263 Rn. 111).“

Der BGH vermisst dann u.a. ausreichende Feststellungen zum objektiven Wert der Felgen und zu den Kosten für die behördliche Zulassung. Denn auch diese Folgekosten können allenfalls insoweit einen Vermögensschaden begründen, als der Wert der gelieferten Felgensätze nicht entsprechend höher lag als das gezahlte Entgelt. Und schließlich: Ein Gefährdungsvermögensschaden kann sich schließlich daraus ergeben, dass die Plagiatsfelgen gemäß § 143 Abs. 5 Satz 1 MarkenG der Einziehung unterliegen können. Aber auch dazu hätten mehr Feststellungen getroffen werden müssen.

Step by Step – der mehraktige Betrug(sversuch)

© froxx - Fotolia.com

In der letzten Zeit haben sich sowohl der BGH (BGH NStZ 2011, 400; NStZ 2002, 433) als auch das OLG Hamm im Beschl. v. 11.08.2011 – III 3 RVs 45/11– mit einem „mehraktigen Betrug“ befasst. Nun auch das KG im KG, Beschl. v. 29.02. 2012 – (4) 121 Ss 21/12 (32/12) . In den Verfahren geht es immer um die Frage des Betrugsversuch bei einem mehraktigen Geschehensablauf . Dazu das KG:

aa) Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Ein unmittelbares Ansetzen liegt bei solchen Handlungen vor, die nach der Vorstellung des Täters in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder mit ihr in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ überschreitet, es eines weiteren Willensimpulses nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne wesentliche Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht, wobei auf die strukturellen Besonderheiten der jeweiligen Tatbestände Bedacht zu nehmen ist (vgl. BGH, NStZ-RR 2011, 367 m.w.Nachw.). Erfüllt der Täter bereits Merkmale des Tatbestandes, überschreitet er in der Regel die Grenze zum Versuch (vgl. BGHSt 37, 294).

Dies gilt allerdings nicht ausnahmslos. Beim Betrug ist im Fall eines mehraktigen Geschehensablaufes  erst die Täuschungshandlung versuchsbegründend, welche die zu täuschende Person unmittelbar zur irrtumsbedingten Vermögensverfügung veranlasst. Maßgebend ist, ob die Täuschungshandlung ohne weitere wesentliche Zwischenschritte in die angestrebte Vermögensverschiebung mündet oder ob sie diese nur vorbereiten sollte (vgl. BGH, NStZ 2011, 400; Meyer-Goßner, StPO 54. Aufl., § 263 Rn. 196).

bb) Der Angeklagte hat mit dem Einreichen der Gehaltsnachweise das Vorbereitungsstadium verlassen und zum Betrug unmittelbar angesetzt, auch wenn noch nicht alle Detailfragen des Darlehensvertrages fixiert waren und der Angeklagte einen schriftlichen Darlehensantrag noch nicht unterzeichnet hatte.

Zwar ist der Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages ein mehraktiges Geschehen, bestehend aus Verhandlungen über den Vertragsgegenstand, der Bonitätsprüfung und der Unterzeichnung des Vertrages. Aber nach Aufnahme der auf einen sofortigen Vertragsabschluss gerichteten Verhandlungen, dem Benennen der gewünschten Kreditsumme und dem Einreichen der Gehaltsnachweise waren objektiv und aus Sicht des Angeklagten weitere wesentliche Zwischenschritte bis zum Vertragsabschluss und damit der Vollendung des (Eingehungs-) Betruges nicht mehr notwendig, auch wenn das Ergebnis der von der Bank vorzunehmenden Bonitätsprüfung noch ausstand und der Angeklagte nach dieser den Darlehensantrag noch zu unterzeichnen hatte.

In der Kürze liegt die Würze – § 154a Abs. 2 StPO nicht übersehen

Das LG verurteilt den Angeklagten wegen Betruges beim Aktenverkauf/-kauf. In den Urteilsgründen hat das LG in einer 103seitigen Tabelle die 662 Geschädigten sowie die Daten und Summen der jeweiligen Aktienkäufe (einzelne Geschädigte erwarben mehrfach Aktien) aufgeführt. Seine Überzeugung hat es auf das „glaubhafte Geständnis“ des Angeklagten gestützt, das es durch die weitere Beweisaufnahme als „bestätigt und ergänzt“ angesehen hat (UA S. 151). Diese weitere Beweisaufnahme hat sich zum einen auf die dominante Stellung des Angeklagten in der Firmengruppe, deren desolate finanzielle Situation ab Anfang 2006 und die Vorgaben des Angeklagten zum Aktienvertrieb erstreckt; zum anderen hat die ermittelnde Polizeibeamtin bekundet, sie habe die „Zahl der Anleger und die Summe der von ihnen geleisteten Zahlungen“, die Gegenstand der Anklage geworden und vom Angeklagten glaubhaft gestanden waren, zusammengestellt.

Der BGH, Beschl. v. 31.01.2012 – 3 StR 285/11 – beanstandet das, weil danach offen bleibe, auf welche Weise sich das LG die Überzeugung davon verschafft hat, dass die 662 Geschädigten zu ihren Aktienkäufen jeweils durch einen dem Angeklagten zuzurechnenden, täuschungsbedingten Irrtum über Tatsachen veranlasst worden sind. An dieser Beurteilung ändere der Umstand, dass dem Urteil eine Verständigung zugrunde gelegen habe, nichts. Die Möglichkeit des Gerichts, sich mit den Verfahrensbeteiligten über das Ergebnis des Verfahrens zu verständigen (§ 257c Abs. 1 Satz 1 StPO), berühre die gerichtliche Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Ermittlung der Wahrheit nicht (§ 257c Abs. 1 Satz 2 StPO).

Soweit so gut – soweit auch nichts Neues. Neu ist auch nicht der Hinweis des BGH am Ende der Entscheidung, aber interessant. Denn:

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Es wird sich empfehlen, den Verhandlungsstoff auf die gravierendsten Anklagevorwürfe zu beschränken (§ 154a Abs. 2 StPO), und diese mit der gebotenen Sorgfalt aufzuklären. Im Falle des Tatnachweises ist eine Strafe in der im angefochtenen Urteil festgesetzten Höhe durchaus auch dann vertretbar, wenn sich der Schuldspruch auf diese Vorwürfe beschränkt. Einer Erstreckung der Verurteilung auf die – eventuellen – Taten zum Nachteil aller 662 Anleger bedarf es hierzu nicht.

Also: Kürzen bzw. in der Kürze liegt die Würze. Am Ergebnis wird sich aber nichts ändern.

Klageerzwingungsverfahren: (Noch höhere) Anforderungen beim „Unterlassunsgedelikt“

Beim OLG Bamberg war ein Klageerzwingungverfahren wegen eines durch Unterlassen begangenen Betruges – Täuschung durch unterlassene Aufklärung – anhängig. Das OLG Bamberg, Beschl. v. 08.03.2012 – 3 Ws 4/12 hat den Antrag als unzulässig verworfen.  Zur Zulässigkeit eines Klageerzwingungsantrags  wegen Betrugs durch Unterlassen im Rahmen gegenseitiger Rechtsgeschäfte gehöre auch der substantiierte Vortrag von Tatsachen, aus denen sich im Sinne der §§ 263 Abs. 1  i.V.m. 13 Abs. 1 StGB erhebliche Aufklärungs­pflichten des Beschuldigten ergeben können. Und daran fehlte es im Beschluss.

Muss der Strafrichter Sozialrecht können?

Die Frage: „Muss der Strafrichter Sozialrecht können?“ muss man. m.E. mit „Ja“ beantworten, wenn man OLG Hamm, Beschl. v. 16.02.2012 – III-5 RVs 113/11 in der Praxis umsetzt. Denn der  5. Strafsenat des OLG Hamm verlangt, wenn einem Angeklagten vorgeworfen wird, staatliche Sozialleistungen betrügerisch erlangt zu haben, dass die tatrichterlichen Entscheidungsgründe in nachvoll­ziehbarer Weise zu erkennen geben müssen, dass und inwieweit auf die angeblich zu Unrecht bezogenen Beträge nach den sozialhilferechtlichen Bestimmungen tatsäch­lich kein Anspruch bestand.

Im Rahmen der getroffenen Feststellungen darf sich das erkennende Gericht dabei auch nicht mit dem Hinweis begnügen, dass die Rückzahlungspflicht des Angeklagten bestandskräftig festgestellt sei. Eine Verurteilung nach § 263 StGB wegen betrügerisch erlangter öffentlicher Leistungen setze regel­mäßig voraus, dass der Tatrichter selbst nach den Grundsätzen der für die Leistungsbewilligung geltenden Vorschriften geprüft hat, ob und inwieweit tatsächlich kein Anspruch auf die beantragten Leistungen bestand.

Wer ma so einen Bescheid über öffentliche Leistungen gesehen hat, kann den Tatrichtern da nur viel Spaß wünschen. Und: Für die Revision schlummern da natürlich eine ganze Reihe von Angriffspunkten.