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Zeugnisverweigerung II: Unberechtigte Zeugnisverweigerung als Strafvereitelung?

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich zur Zeugnisverweigerung vorstelle, handelt es sich um den OLG Hamm, Beschl. v. 09.11.2017 – 4 RVs 127/17. AG und LG haben den Angeklagten wegen Strafvereitelung durch Unterlassen (§ 258 StGB) verurteilt, und zwar auf der Grundlage folgender Feststellungen: Der Angeklagte wurde „in einem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Coesfeld gegen X in der dortigen Hauptverhandlung vom 03.09.2015 als Zeuge vernommen. X wurde seinerzeit vorgeworfen, zusammen mit dem Angeklagten eine Cannabis-Indoorplantage betrieben zu haben. Der Angeklagte war bereits Ende 2014 wegen dieser Tat rechtskräftig verurteilt worden. Im Rahmen seiner Zeugenaussage gab der Angeklagte nach Belehrung über seine Rechte und Pflichten an, dass nicht X, sondern ein anderer Mittäter zusammen mit ihm (dem Angeklagten) die Plantage betrieben habe. Die Mitteilung des Namens dieses Mittäters verweigerte der Angeklagte aus angeblicher Angst vor Repressalien gegen sich und seine Familie. Auf ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berief sich der Angeklagte seinerzeit nicht. X wurde schließlich freigesprochen. Eine Strafverfolgung gegen den unbekannten Mittäter konnte bisher – was dem Angeklagten bewusst war – nicht eingeleitet werden. Weder im Nachgang zum Strafverfahren gegen X noch in dem hiesigen Verfahren hat der Angeklagte den Namen des Mittäters preisgegeben. Dass der Angeklagte oder seine Familie tatsächlich Bedrohungen seitens des unbekannten Mittäters ausgesetzt gewesen seien, verneinte das Landgericht. Rechtlich wertete das Landgericht das Verhalten des Angeklagten als Strafvereitelung durch Unterlassen. Den Angeklagten habe als Zeuge in dem Verfahren gegen X eine Garantenstellung für die staatliche Strafrechtspflege getroffen.“

Das OLG hat die Revision verworfen und meint (in seinem Leitsatz):

„Die unberechtigte Verweigerung des Zeugnisses kann zur Strafbarkeit wegen Strafvereitelung durch Unterlassen (§13 StGB) führen, weil der Zeuge in dieser Eigenschaft Garant für die staatliche Strafrechtspflege ist, was aus seiner besonderen strafprozessualen Pflichtenstellung folgt.“

Totschlag durch Unterlassen, oder: Garantenpflicht der Tochter

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Der BGH, Beschl. v. 13.10.2016 – 3 StR 248/16 – hat die Verurteilung einer Angeklagten wegen Totschlags durch Unterlassen (§§ 213, 13 StGB) zum Gegenstand. Tatopfer war die Mutter der Angeklagten. Der BGH hat die Revision der Angeklagten, die mit ihrer Mutter in häuslicher Gemeinschaft lebte, nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Dabei macht er Ausführungen zur Garantenstellung der Tochter gegenüber der Mutter:

„1. Entgegen der Auffassung der Revision war die Angeklagte Me. T. garantenpflichtig im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB. Ihre Garantenstellung folgt aus der Schutzpflicht, die sie als Tochter gegenüber ihrer mit ihr in Hausgemeinschaft lebenden Mutter innehatte.

Nach § 1618a BGB sind Eltern und Kinder einander Beistand und Rücksicht schuldig. Diese als Grundnorm für die gegenseitigen Beziehungen der Familienmitglieder ins Bürgerliche Gesetzbuch eingefügte Vorschrift soll zwar nach dem Willen des Gesetzgebers lediglich Leitlinien aufzeigen; unmittelbare Rechtsfolgen sollten an einen Verstoß nicht geknüpft sein (BT-Drucks. 8/2788, S. 36, 43). Gleichwohl kommt der Regelung im Hinblick auf ihre Leitbildfunktion Bedeutung bei der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe und der Aus-füllung von Lücken zu (Staudinger/Hilbig-Lugani, BGB, 2015, § 1618a Rn. 6, 11, 13). Auch über das bürgerliche Recht hinaus entfaltet § 1618a BGB Wirkung als Wertmaßstab (Staudinger/Hilbig-Lugani, aaO, Rn. 20). Dass Eltern und Kinder nach dieser Norm Verantwortung füreinander tragen, beansprucht somit auch Geltung für die strafrechtliche Betrachtung (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juli 2003 – 3 StR 153/03, BGHSt 48, 301, 304 zu § 1353 BGB). Das bedeutet, dass bei der Prüfung einer Einstandspflicht von Kindern gegenüber Eltern im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB maßgeblich auf § 1618a BGB zurückzugreifen ist (Staudinger/Hilbig-Lugani, aaO, Rn. 21; Palandt/Götz, BGB, 76. Aufl., § 1618a Rn. 3). Ob Kinder nach dieser Vorschrift indes bereits allein aufgrund der formal bestehenden familienrechtlichen Beziehung ohne Rücksicht auf das tatsächliche Bestehen einer effektiven Familiengemeinschaft zur Hilfeleistung gegenüber ihren Eltern verpflichtet sind (allgemein ablehnend Fischer, StGB, 63. Aufl., § 13 Rn. 25; MüKoStGB/Freund, 3. Aufl., § 13 Rn. 177; vgl. auch S/S-Stree/Bosch, StGB, 29. Aufl., § 13 Rn. 19/20), muss der Senat hier nicht entscheiden. Die Angeklagte lebte mit ihrer Mutter in häuslicher Gemeinschaft.

Diese – tatsächliche – Gemeinschaftsbeziehung erhält durch § 1618a BGB ihre spezifische rechtliche Ausgestaltung. Der sonst für das Vorliegen einer Garantenpflicht bei tatsächlichem Zusammenwohnen notwendigen – jedenfalls konkludenten – Erklärung der Übernahme einer Schutzfunktion im Einzelfall (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 7. September 1983 – 2 StR 239/83, NStZ 1984, 163 f.; vom 8. April 1987 – 3 StR 91/87, BGHR StGB § 13 Abs. 1 Garantenstellung 3) bedarf es in Fällen wie dem vorliegenden somit nicht. Vielmehr begründet die in § 1618a BGB normierte familiäre Solidarität schon von Gesetzes wegen im Eltern-Kind-Verhältnis bei faktischem Zusammenleben in aller Regel eine gegenseitige Schutzpflicht, die als Garantenpflicht im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB das Handeln gebietet (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1963 – 4 StR 390/63, BGHSt 19, 167 ff.; bei Ehegatten schon BGH, Urteil vom 12. Februar 1952 – 1 StR 59/50, BGHSt 2, 150, 153 f.; im Ergebnis ebenso LK/Weigend, StGB, 12. Aufl., § 13 Rn. 26; enger SK-StGB/Rudolphi/Stein, 119. Lfg., § 13 Rn. 49). Ob die Art der familiären Beziehungen im konkreten Fall ein gegenseitiges Vertrauen auf Beistand rechtfertigt und diese von gegenseitiger Zuneigung und gegenseitigem Respekt getragen sind, ist insoweit unerheblich.“

Dürfte zutreffend sein. Allerdings frage ich mich, wie man nach § 349 Abs. 2 StPO als „offensichtlich unbegründet“ verwerfen kann, wenn man zu der Revision so viel – der BGH behandelt auch noch andere Fragen – schreiben muss/will.

Nicht unverzüglich vor den Richter – ggf. Freiheitsberaubung durch Unterlassen….

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Durch das BGH, Urt. v. 04.09.2014 – 4 StR 473/13 – hat das Verfahren betreffend den Tod Quri Jallow vor einigen Wochen sein Ende gefunden. Das Verfahren hat die Justiz über einen längeren Zeitraum beschäftigt. Gegenstand des Verfahrens war der Tod des 22-jährigen aus Sierra-Leone stammenden Ouri Jallow in einer Gewahrsamszelle des Polizeireviers Dessau am 07.01.2005. Angeklagt wegen fahrlässiger Tötung war der zu diesem Zeitpunkt in dem Polizeirevier als verantwortlicher Dienstgruppenleiter tätige Polizeibeamte. Nach den Feststellungen des LG ist Ouri Jallow an einem inhalativen Hitzeschock verstorben nachdem er die Matratze in Brand gesetzt hatte, auf der er fixiert war. Dabei verwendete er ein Feuerzeug, das entweder zuvor bei seiner Durchsuchung übersehen worden war oder ein Polizeibeamter in der Gewahrsamszelle verloren hatte. Ouri Jallow war zu diesem Zeitpunkt hochgradig alkoholisiert. Er wies bei seiner Festnahme eine BAK von fast drei Promille auf. Seine Fixierung war auf Empfehlung eines Arztes erfolgt, weil er bei Aufnahme in den Gewahrsam Selbstverletzungsversuche unternommen hatte.

In einem ersten „Anlauf“ hatte das LG Dessau-Roßlau den Angeklagten im Dezember  2008 nach einer an 58 Tagen durchgeführten Hauptverhandlung vom Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge im Amt freigesprochen. Der BGH hatte dieses Urteil aufgehoben, Das LG Magdeburg hatte dann im zweiten Durchgang uim Dezember 2012 nach 67-tägiger Hauptverhandlung wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Begründung: Er habe es zugelassen habe, dass der Gewahrsam des Ouri Jallow ohne ständige optische Überwachung vollzogen worden sei.

Der BGH hat dann jetzt diese Verurteilung bestätigt. Er hat – so die PM des BGH – in Übereinstimmung mit dem LG einen Sorgfaltsverstoß des Angeklagten bejaht, weil er als zuständiger Dienstgruppenleiter nicht für eine ständige optische Überwachung des späteren Todesopfers gesorgt habe. Eine solche Überwachungsmaßnahme sei wegen der besonderen Umstände des Gewahrsamsvollzugs (starke Alkoholisierung, Gefahr weiterer Selbstverletzungen, eingeschränkte Selbstschutzmöglichkeiten infolge der Fixierung) geboten gewesen. Durch die unzureichende Überwachung des Ouri Jallow sei dessen Tod auch mitverursacht worden.

Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger hat der BGH ebenfalls verworfen und hat damit das LG bestätigt, dass den Angeklagten nicht wegen Freiheitsberaubung mit Todesfolge schuldig gesprochen hat. Zwar habe es der Angeklagte gesetzeswidrig unterlassen, eine richterliche Entscheidung über die Freiheitsentziehung des Ouri Jallow herbeizuführen. Dieses Unterlassen sei aber für den Tod von Ouri Jallow nicht ursächlich geworden, weil – auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ – davon auszugehen sei, dass der zuständige Richter im Falle seiner Einschaltung wegen des selbstgefährdenden Verhaltens des Ouri Jallow und seiner hochgradigen Alkoholisierung den Gewahrsam zum Schutz vor Selbstverletzung für zulässig erklärt und dessen Fortdauer angeordnet hätte. Ouri Jallow wäre deshalb auch bei ordnungsgemäßem Vorgehen des Angeklagten nicht freigekommen.

Insgesamt begründet der BGH auf 43 Seiten, was man hier schlecht darstellen kann. Daher will ich mich mit den Leitsätzen begnügen, der sich auf die Revisionen von StA und Nebenkläger bezieht:

1. Hat es der hierfür verantwortliche Polizeibeamte unterlassen, nach einer ohne richterliche Entscheidung erfolgten Ingewahrsamnahme oder Festnahme, an der er selbst nicht beteiligt war, die für die Fortdauer der Freiheitsentziehung erforderliche unverzügliche Vorführung beim Richter vorzunehmen bzw. die für sie gebotene richterliche Entscheidung unverzüglich herbeizuführen, ist dies geeignet, den Vorwurf der Freiheitsberaubung durch Unterlassen zu begründen.

2. Jedoch entfällt die Kausalität eines solchen Unterlassens jedenfalls dann, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der zuständige Richter bei unverzüglicher Vorführung und rechtmäßiger Entscheidung – unter Ausschöpfung ihm zustehender Beurteilungsspielräume zugunsten des Angeklagten – die Fortdauer der Freiheitsentziehung angeordnet hätte.

Die Entscheidung ist übrigens für BGHSt bestimmt.

Wie viel darf ich auf dem Balkon meiner Mietwohnung rauchen?

entnommen wikidmedia.org Photograph by Tomasz Sienicki / Own work

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Darf ich auf dem Balkon meiner Mietwohnung unbegrenzt rauchen oder hat ggf. der Mieter einer Nachbarwohnung einen Unterlassungsanspruch? Ja, Mietrecht 🙂 , ist ja heute Samstag. Mit der Frage musste sich vor einiger Zeit das LG Potsdam befassen und hat sie im LG Potsdam, Urt. v. 14.03.2014 – 1 S 31/13 – beantwortet mit: Yes, you can.  Zum Sachverhalt führt das LG aus:

„Die Parteien sind Mieter von Wohnungen in dem Mehrfamilienhaus Straße der Freundschaft 45, P.. Die Kläger wohnen im ersten Obergeschoss, die Beklagten im Erdgeschoss. Die Balkone beider Wohnungen liegen übereinander, sind jeweils überdacht und an den Seiten verkleidet.
Die Beklagten sind Raucher und nutzen ihren Balkon mehrmals täglich zum Rauchen. Die Kläger als Nichtraucher fühlen sich durch aufsteigenden Zigarettenrauch in der Nutzung ihrer Wohnung und des Balkons gestört.
Der Umfang des täglichen Rauchkonsums der Beklagten auf dem Balkon ist zwischen den Parteien streitig. Die Kläger behaupten einen Verbrauch von täglich ca. 20 Zigaretten, die Beklagten geben an, täglich maximal 12 Zigaretten auf dem Balkon zu rauchen.

Das AG hatte die Klage abgewiesen, das LG weist die Berufung der Kläger zurück, schließt sich also dem AG an. Geprüft werden folgende Punkte:

1. Anspruch auf Unterlassung des Rauchens auf dem Balkon zu bestimmten Tageszeiten:

  • a) Besitzschutzansprüche stehen den Klägern als Abwehransprüche wegen Besitzstörung aufgrund verbotener Eigenmacht (§§ 862 Abs. 1 Satz 2, 858 Abs. 1 BGB) nach Auffassung des LG nicht zu. „Nicht abwehrbar nach §§ 862, 1004 BGB sind dagegen sog. negative Einwirkungen, die darin bestehen, dass jemand durch ein Verhalten in den Grenzen seines eigenen Grundstücks einem anderen Grundstück Vorteile nimmt, zum Beispiel die Entziehung von Licht und Luft (BGH, Urteil vom 11.7.2003 – V ZR 199/02 -, NJW-RR 2003, 1313, Tz. 11; MüKo/Baldus, 6. Aufl., § 1004 BGB Rdnr. 124; Palandt/Bassenge, 73. Aufl., § 903 BGB Rdnr. 9).“
  • b) Ansprüche aus §§ 823, 1004 BGB wegen Gesundheitsverletzung sieht das LG ebenfalls nicht. „Drohende Gesundheitsverletzungen der Kläger durch aufsteigenden Zigarettenrauch von dem einem Stock tiefer liegenden Balkon können aber nicht festgestellt werden. Hierfür genügt nicht der Hinweis der Kläger auf die im letzten Jahrzehnt stark zugenommenen Erkenntnisse über die Schädlichkeit des Passivrauchens durch die im Tabakrauch enthaltenen krebserzeugenden Substanzen (Kanzerogene) selbst bei nur geringen Mengen. Als Passivrauchen wird das Einatmen von Tabakrauch aus der Raumluft bezeichnet (Tabakatlas Deutschland 2009, S. 49, Hrsg. Deutsches Krebsforschungszentrum). Dementsprechend bezieht sich die Broschüre „Passivrauchen – Ein unterschätztes Gesundheitsrisiko“ des Deutschen Krebsforschungszentrums (Heidelberg, 2005) ausschließlich auf Tabakrauch als gefährlichen Innenraumschadstoff (vgl. Kernaussagen 1, 5 und 7). Das ist mit dem Rauchen außerhalb geschlossener Räume nicht vergleichbar. …..“
  • c) Auch einen Anspruch nach den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses verneint das LG. „Letztlich kann dahingestellt bleiben, ob die Regeln des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses auf das Verhältnis zwischen Mietern, soweit es um die Bestimmung hinzunehmender Immissionen des Nachbarn geht, entsprechend angewendet werden können. Es fehlt jedenfalls an zwingenden Gründen, nach denen es geboten sein könnte, den Beklagten zeitabschnittsweise das Rauchen auf dem von ihnen gemieteten Balkon zu untersagen.“

2. Anspruch auf Unterlassung des Öffnens des Badezimmerfensters

Auch insoweit steht den Klägern ein Anspruch weder aus Besitzstörung noch nach den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zu. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagten tatsächlich in ihrer Wohnung rauchen und ob die Kläger nächtliche Beeinträchtigungen beim Lüften durch Öffnen des Badezimmerfensters zu dulden hätten. Es fehlt bereits an einem geeigneten Beweisantritt dafür, dass die Beklagten abends/nachts in ihrem Badezimmer rauchen und der Rauch bei anschließender Lüftung über das geöffnete Fenster in das Schlafzimmer der Kläger zieht. Zudem erscheint es, soweit die Kläger von der Wahrnehmung nächtlichen Zigarettenqualms berichten, nicht ausgeschlossen, dass dieser von anderen, etwa hinter dem Haus rauchenden Personen stammt.

3. Leerung Aschenbecher

Hinsichtlich des ursprünglichen Klageantrags zu 3., den Aschenbecher zu festgelegten Zeiten leer zu halten, kann die Erledigung der Hauptsache nicht festgestellt werden, da die Klage auch insoweit von Anfang an unbegründet war.

Den Klägern stand weder aus Besitzstörung noch nach den Regeln des nachbarlichen Gemeinschaftsrechts ein Anspruch auf Entleeren des Aschenbechers zu. Die von den Klägern angeführte „Erfahrungstatsache“, dass auch von ausgedrückten Zigaretten Geruchsbelästigungen ausgehen, reicht zur schlüssigen Begründung des ursprünglichen Antrags nicht aus. Zwar mag in unmittelbarer Nähe des Aschenbechers auch von den Zigarettenresten eine Geruchsbelästigung ausgehen. Diese ist jedoch, anders als beim Rauchen selbst, nicht mit einer Rauchbildung verbunden. Dadurch ist die Intensität wesentlich geringer, und die Geruchsstoffe verflüchtigen sich außerhalb geschlossener Räume rasch. Zudem ist unbestritten, dass der Aschenbecher seitens der Beklagten regelmäßig geleert wurde. Für eine darüber hinausgehende Regelung nach Zeitabschnitten bestand kein Anspruch.

Das LG hat die Revision zugelassen, also wird im Zweifel der BGH entscheiden.

Ach so: Adresse: „Straße der Freundschaft“ ….. 🙂

Das gibt es nicht nur im Witz: Oma tot, aber trotzdem Rente – kein Betrug

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Bisher hatte ich gedacht, die Fallkonstellation, die dem KG, Beschl. v. 27.07.2012 – 3 Ws 381/12 – zugrunde liegt, gibt es nur im Witz oder in Erzählungen, nämlich die Rentenzahlung über den Tod des Rentbers hinaus und keiner merkt es. War eine irrige Annahme, wie der KG-Beschluss zeigt. In dem Verfahren war folgender Sachverhalt zu beurteilen:

„Die Angeschuldigte soll es entgegen der ihr gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB I in Verbindung mit § 118 Abs. 4 SGB VI als Alleinerbin ihrer verstorbenen Mutter C. N. obliegenden Verpflichtung unterlassen haben, der Deutschen Rentenversicherung Bund spätestens zum 1. Juli 1997 den Tod ihrer Mutter mitzuteilen. Infolgedessen habe der zuständige Sachbearbeiter der Deutschen Rentenversicherung Bund nicht die Einstellung der für die Mutter laufenden Rentenzahlungen veranlasst. So seien fortlaufend Rentenzahlungen in Höhe von anfangs 685,52 Euro (1.343,61 DM) und zuletzt 734,02 Euro auf das Konto der Verstorbenen, über das auch die Angeschuldigte schon zu Lebzeiten ihrer Mutter verfügungsberechtigt gewesen sei, überwiesen worden. Ingesamt habe die Rentenversicherungsträgerin in der Zeit vom 1. Juli 1997 bis zum 31. März 2007 Rentenzahlungen von insgesamt 75.283,51 Euro geleistet, worauf kein Anspruch bestanden habe. Die Angeschuldigte habe die eingehenden Rentenzahlungen verbraucht, indem sie über das Konto ihrer Mutter ab dem 1. Juli 1997 fortlaufend Verfügungen zu Gunsten ihres eigenen Kontos und zudem Überweisungen für eigene Zwecke vorgenommen habe.

Die StA ist in ihrer Anklage von Betrug durch Unterlassen, wodurch ein Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeigeführt worden sein soll, ausgegangen. Das LG hat die Eröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen abgelehnt. Das KG hat das auf die Beschwerde der StA hin nicht beanstandet.

Der Sachverhalt erfülle keinen Straftatbestand. Für eine Strafbarkeit wegen Betruges durch Unterlassen fehle es an einer Garantenpflicht im Sinne des § 13 Abs.1 StGB, wenn nach einem Todesfall die Alleinerbin der Verstorbenen es unterlasse, dem Rentenversicherungsträger den Todesfall mitzuteilen und die fortlaufenden Rentenzahlungen für sich verbrauche. Allein das materiellrechtliche Bestehen eines Erstattungsanspruchs des Rentenversicherungsträgers nach § 118 Abs.4 Satz 1 SGB VI begründe keine Auskunftspflicht nach § 60 Abs.1 Satz 2 SGB I.

Tja, das war es dann wohl. Wie war das noch mit Griechenland? 🙂