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BtM II: Zurückstellung der Vollstreckung (§ 35 BtMG), oder: Kausalzusammenhang und Therapieunwilligkeit

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Im zweiten Posting dann zwei Entscheidungen aus Bayern zu § 35 BtMG. Insoweit stelle ich aber auch nur die Leitsätze vor. Die lauten:

Ein Kausalzusammenhang zwischen Abhängigkeit und Straftat im Sinne von § 35 Abs. 1 BtMG ist gegeben, wenn die Abhängigkeit nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass die Straftat entfiele. Hat sich das Tatgericht weder mit der Frage einer Betäubungsmittelabhängigkeit zur Tatzeit noch mit der Frage einer Kausalität substantiiert befasst, kommt der floskelhaften Aussage im Hauptverhandlungsprotokoll, das Gericht gehe davon aus, dass der Angeklagte die Tat aufgrund Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hätte, keine Bindungswirkung für die Vollstreckungsbehörde zu.

Die Ablehnung einer Zurückstellung nach § 35 BtMG wegen fehlender Therapiewilligkeit hat Ausnahmecharakter. Für eine fehlende Therapiewilligkeit kann sprechen, dass ein Verurteilter in einer besonders verantwortungslosen und leichtfertigen Weise Therapiechancen vergab, etwa indem er bereits therapieerfahren im Maßregelvollzug verschiedene Regelverstöße beging, sich der Fortsetzung der Therapie verschloss und aus dem Vollzug floh.

Strafzumessung III: Fehlende Betäubungsmittelabhängigkeit, oder: Man glaubt es nicht II

© Alex White - Fotolia.com

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Ebenfalls in die Rubrik „Man glaubt es nicht“ (vgl. a. schon: Strafzumessung II: Falsche Strafrahmenberechnung, oder: Man glaubt es nicht) gehört der OLG Hamm, Beschl. v. 06.10.2016 – 4 RVs 121/16 – bzw. das ihm zugrunde liegende landgerichtliche Urteil, das den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt hat. Die Strafzumessung des LG hat beim OLG keinen Bestand:

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und Anforderungen kann der Rechtsfolgenausspruch des Landgerichts keinen Bestand haben, weil er jedenfalls teilweise auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht.

Soweit das Landgericht im Rahmen der Ausführungen zum Rechtsfolgenausspruch sowohl bei der Ablehnung eines minder schweren Falles nach § 30 Abs. 2 BtMG als auch im Rahmen der konkreten Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat, dass bei ihm eine Betäubungsmittelabhängigkeit zum Tatzeitpunkt nicht vorgelegen habe, da er zum Tatzeitpunkt nach seinen eigenen Angaben lediglich geringe Mengen konsumiert habe, stellt dies einen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten dar.

Das Landgericht hat bei der Ablehnung eines minder schweren Falles nach § 30 Abs. 2 BtMG zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt und gewertet, dass er die Tat nicht aus einer Betäubungsmittelabhängigkeit heraus begangen hat. Diese Erwägung ist – wie sich aus der allgemeinen Bezugnahme im Rahmen der konkreten Strafzumessung auf die Umstände, die bereits bei der Prüfung eines minder schweren Falles berücksichtigt worden sind, ergibt – auch in die konkreten Strafzumessungserwägungen strafschärfend eingeflossen. Bei dieser Formulierung handelt es sich insoweit nicht lediglich um eine negative Beschreibung der festgestellten Beweggründe und Motivation der Tat, sondern um eine eigenständige und im vorliegenden Fall für den Angeklagten nachteilige Berücksichtigung und Bewertung der fehlenden Betäubungsmittelabhängigkeit. Das Landgericht hat nicht nur die von ihm festgestellten und für die Strafzumessung bedeutsamen Tatsachen gewürdigt, sondern einen nicht gegebenen Fall, nämlich eine Betäubungsmittelabhängigkeit, der, wäre er gegeben, zur Milderung der Strafe führen könnte, berücksichtigt und sein Fehlen als strafschärfend gewürdigt. Damit hat das Landgericht sowohl bei der Ablehnung eines minder schweren Falles nach § 30 Abs. 2 BtMG als auch im Rahmen der konkreten Strafzumessung einen fehlerhaften Maßstab angelegt. Dies stellt einen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten dar (vgl. BGH NStZ-RR 2013, 81; BGH NStZ 1982, 463).“

Wie gesagt: Man glaubt es nicht.