Schlagwort-Archive: Beschlagnahme

Beim Verteidiger gefunden –> „Verteidigungsunterlage“, kann doch nicht so schwer sein

© eyetronic - Fotolia.com

© eyetronic – Fotolia.com

Was beim Verteidiger gefunden wird, ist im Zweifel eine „Verteidigungsunterlage“, das kann doch nicht so schwer sein. So kann man m.E. den BVerfG, Beschl. v. Beschl. v. 6.11.2014 – 2 BvR 2928/10, überschreiben, über den neulich ja auch schon der der Kollege Hoenig berichtet hatte (vgl. hier: Verfassungswidrige Durchsuchung einer Strafverteidigerkanzlei). Ich greife den Beschluss dann hier noch einmal auf, weil er doch einige recht bemerkenswerte Passagen des BVerfG und ein in meinen Augen – gelinde ausgedrückt – doch eigenartiges Verständnis der beteiligten Instanzgerichte von „Verteidigungsunterlagen“ hat.

Es geht um die Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei. Der Rechtsanwalt war Verteidiger eines Zahnarztes, gegen den wegen des Verdachts des Abrechnungsbetruges und der fahrlässigen Körperverletzung ermittelt wird.  Während der Hauptverhandlung vor dem AG (fast hätte ich geschrieben: wo sonst, aber dann schimpfen „meine Bayern“ wieder) hielt der Verteidiger einem Sachverständigen sowie einem Zeugen Patientenunterlagen vor. Das AG erließt daraufhin nach § 103 StPO einen Durchsuchungsbeschluss für die Kanzleiräume des Rechtsanwalts mit der Begründung, dass aufgrund der Prozessvertretung für den Zahnarzt die Annahme gerechtfertigt sei, dass die Durchsuchung zum Auffinden von Patientenunterlagen führen werde. Es handele sich nicht um beschlagnahmefreie Unterlagen nach § 97 StPO, weil keine schriftlichen Mitteilungen zwischen Rechtsanwalt und Angeklagtem, sondern lediglich „Geschäftsunterlagen“ des Angeklagten betroffen seien.

Bei der Durchsuchung werden dann in der Kanzlei des Rechtsanwalts 17 Einzelunterlagen – weitestgehend Kopien – beschlagnahmt, darunter die getippte Form zweier „Patientenkarteikarten“, in denen der Zahnarzt den Behandlungsablauf aus seiner Sicht detailliert geschildert und deren handschriftliche Fassung er für den Rechtsanwalt eigens abgetippt hatte, sowie eine kommentierte Rechnung. Gegen die Anordnung der Durchsuchung wird Beschwerde eingelegt mit Hinweis auf BGHSt 44, 46. Das AG hilft nicht ab (was nicht überrascht) und das LG München I verwirft die Beschwerde als unbegründet. Eine Unterlage werde nicht dadurch beschlagnahmefrei, dass der Angeklagte einzelne, die Verteidigung betreffende Anmerkungen darauf setze.

Und dann geht es nach Karlsruhe – das Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hatte die Verfassungsbeschwerde übrigens für unbegründet gehalten, u.a. deshalb, weil die Leseabschriften der Patientenkarteikarten „nicht ersichtlich“ für den Verteidiger bestimmt gewesen seien. Und das BVerfG „holt die Keule raus“, und meint:

  • Die Anordnung der Durchsuchung verletzt den Rechtsanwalt in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG. Sie war „zur Verfolgung des legitimen Zwecks der Aufklärung der Anklagevorwürfe offensichtlich ungeeignet und daher unverhältnismäßig. Denn etwa gewonnene Erkenntnisse würden ohnehin keine Verwendung finden können.  Dies wäre nur dann anders zu beurteilen, wenn nach den zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses tatsächlich vorliegenden Anhaltspunkten eine Prognose ergeben hätte, dass ausschließlich relevante Erkenntnisse aus dem nicht absolut geschützten Bereich zu erwarten seien. Derartige Prognoseerwägungen hat das Amtsgericht bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses jedoch nicht angestellt. Es hat sich weder mit der Problematik der Durchsuchung beim Strafverteidiger noch mit §  160a Abs. 1 StPO auseinandergesetzt. Dazu hätte angesichts der bereits laufenden Hauptverhandlung und der dort vorgehaltenen Unterlagen jedoch Veranlassung bestanden. Bei diesem Vorgehen besteht die Gefahr, dass der Schutz des Vertrauensverhältnisses infolge der Sichtung sämtlicher Verteidigungsunterlagen ins Leere läuft. Dies gilt umso mehr, wenn – wie hier – trotz der besonderen Sensibilität einer Durchsuchung beim Strafverteidiger keine umfassende Angemessenheitsprüfung unter Berücksichtigung der Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses zwischen Strafverteidiger und Mandant erfolgt.
  • Die Beschlagnahme verletzt den Rechtsanwalt in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG. Denn die Beschlagnahme konnte entsprechend den vorstehenden Ausführungen wegen § 160a Abs. 1 Satz 2 StPO nicht zu verwertbaren Ergebnissen führen, da die Beweiserhebung ohne ausdrückliche Prognoseerwägungen und somit unter Verstoß gegen § 160a Abs. 1 Satz 1 StPO erfolgte.Und dann gibt es noch einen kleinen, aber feinen Exkurs zu in meinen Augen Selbstverständlichkeiten, was das BVerfG dem LG/AG aber wohl mal „stecken musste“: Der (erforderliche) Verteidigerbezug sei „bereits deshalb indiziert, weil die Schriftstücke beim Verteidiger aufgefunden wurden und einen Bezug zum Strafverfahren hatten. Einschränkungen der Beschlagnahmefreiheit ergeben sich dann aber nur in engem Rahmen – insbesondere, wenn etwas beschlagnahmt wird, worüber der Strafverteidiger das Zeugnis nicht verweigern dürfte, beziehungsweise bei Schriftstücken, die – wie notarielle Urkunden – für die Kenntnisnahme Dritter bestimmt sind und keiner besonderen Geheimhaltung bedürfen (vgl. Greven, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 97 Rn. 12).“ Und:  „Die Annahme, eine beschlagnahmefähige Unterlage könne durch Anmerkungen des strafrechtlich Verfolgten zur Verteidigung nicht beschlagnahmefrei werden, ist unzutreffend. Denn von diesen Anmerkungen ist das Dokument nicht zu trennen, so dass der Bezug zur Verteidigung – und zum Zeugnisverweigerungsrecht des Strafverteidigers – gegeben ist. Hier hat der Beschwerdeführer zu 1. mit seiner getippten „Übersetzung“ der Patientenkarteikarten, die offenbar wegen der Unleserlichkeit der handschriftlichen Aufzeichnungen erforderlich war, eine Erläuterung gegeben, zu der ausschließlich sein Verteidiger Zugang haben sollte. Die Ansicht der Instanzgerichte, man könne sich diese Abgrenzungen mit dem pauschalen Verweis ersparen, es seien keine Verteidigerunterlagen, sondern „lediglich Geschäftsunterlagen“ beschlagnahmt worden, beziehungsweise es gehe um das „berufliche Verhältnis“ des Beschwerdeführers zu 1. zu seinen Patienten, verkennt, dass der Strafvorwurf ja gerade in der beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers zu 1. wurzelt. Er wird demzufolge ein besonderes Interesse daran haben, dass sein Strafverteidiger vor allem hinsichtlich dieser Umstände das Zeugnis verweigern darf. Die Unterscheidung zwischen Geschäfts- und Privatsphäre ist daher im vorliegenden Fall kein taugliches Abgrenzungskriterium.“

Noch Fragen? Ich nicht. Ach so: Kosten? Die trägt der „Freistaat Bayern“.

Wer bekommt die 42.300 € „Dealgeld“?

© Gina Sanders - Fotolia.com

© Gina Sanders – Fotolia.com

Die mit der Rückabwicklung einer strafprozessualen Beschlagnahme zusammenhängenden Fragen stellen sich in der Praxis häufig, und zwar meist bzw. häufig in BtM-Verfahren, in denen nicht selten „Dealgeld“ beschlagnahmt und sicher gestellt wird. Da stellt sich dann nach Beendigung des Verfahrens die Frage: Wer bekommt das Geld. So auch in einem Strafverfahren, das seinen zivilrechtlichen Abschluss im BGH, Urt. v. 14.11.2014 – V ZR 90/13 – gefunden hat. Postings zu diesem Urteil sind schon an anderen Stellen gelaufen, nun liegt aber der Volltext zu der BGH-Entscheidung vor, die sich kurz dahin zusammenfassen lässt: Die Rückgabe eines beschlagnahmten Gegenstandes nach dem Ende einer förmlichen Beschlagnahme zu Beweiszwecken stellt eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörden dar. Es ist der Zustand wiederherzustellen, der vor der Beschlagnahme bestand. Bargeld, das in einem Strafverfahren als Beweismittel beschlagnahmt wird, ist daher nach Verfahrensende im Grundsatz an den letzten Gewahrsamsinhaber auszuhändigen. Bestand bei der Beschlagnahme Mitgewahrsam mehrerer Personen, hat die Rückgabe – bzw. die Leistung von Wertersatz – an diese gemeinschaftlich zu erfolgen.

Ausgangspunkt des Verfahrens (so die PM des BGH) war eine von der StA im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen den Ehemann der Klägerin wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz angeordnete Durchsuchung der Wohnung der Eheleute. Dabei wurden in der Küche – versteckt in einer Kunststoffdose – 42.300 € in bar gefunden. Das Geld wurde als Beweismittel sichergestellt, beschlagnahmt und auf ein Konto der Landesjustizkasse eingezahlt. Der Ehemann wurde zu einer Haftstrafe von dreizehn Jahren verurteilt. Dabei wurde der sog. Wertersatzverfall in Höhe von 30.500 € angeordnet. Die Staatsanwaltschaft erklärte hinsichtlich des sichergestellten Betrags die Aufrechnung mit den Verfahrenskosten des Strafverfahrens und dem Wertersatzverfall. Die Klägerin behauptete jedoch, nicht ihr Mann, sondern sie sei Eigentümerin des Geldes gewesen. Es habe sich um Arbeitslohn gehandelt, den sie in der Ehewohnung versteckt habe, weil sie aufgrund ihrer Lebensgeschichte kein Vertrauen zu Banken habe. Die Hälfte des Geldes hat die Klägerin zurückerhalten. Sie hat dann auf Zahlung des Restes geklagt. Das LG hat die Klage abgewiesen. Auch beim OLG hatte sie dann mit der Berufung keinen Erfolg. Das OLG hat zwar nicht feststellen können, ob das Geld dem Ehemann oder der Ehefrau gehörte, war aber der Meinung, der Zahlungsanspruch gegen die Staatskasse könne aufgeteilt werden und die Klägerin habe den ihr zustehenden hälftigen Anteil bereits erhalten.

Der BGH hat dann aufgehoben und zurückverwiesen. Kurzbegründung siehe oben. Und: Weil der im Zeitpunkt der Beschlagnahme bestehende Zustand wiederherzustellen sei, könne der Schuldner nicht nach seinem Belieben an einen der Gläubiger leisten oder die Leistung aufteilen. Vielmehr könne die Zahlung nur an die Eheleute gemeinsam erfolgen. Die Aufteilung im Innenverhältnis sei allein deren Sache. Infolgedessen sei die Aufrechnung der Staatsanwaltschaft mit den nur von dem Ehemann geschuldeten Verfahrenskosten des Strafverfahrens und dem Wertersatzverfall erfolglos, weil es an der erforderlichen Gegenseitigkeit der Ansprüche fehle. Selbst (durch)entscheiden konnte der BGH allerdings nicht: Die Ehefrau hatte bislang Zahlung an sich verlangt. Sie muss nun entweder Zahlung an sich und ihren Ehemann beantragen oder eine Erklärung ihres Ehemannes beibringen, wonach dieser keine Ansprüche an dem Geld erhebt.

Da sag noch mal einer, als Strafrechtler habe man nichts mehr mit dem BGB zu tun.

„Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt“, oder: Wo ist der Führerschein?

© sashpictures - Fotolia.com

© sashpictures – Fotolia.com

Durchsuchung und Beschlagnahme nach Entziehung der Fahrerlaubnis im Verwaltungsverfahren. Wahrscheinlich häufiger, als man denkt, da sicherlich der ein oder andere betroffene Fahrerlaubnisinhaber versucht, durch Nichtabgabe des Führerscheins weiter am Straßenverkehr teilnehmen zu können (?). Dann gibt es in der Praxis Durchsuchunsganträge der Fahrerlaubnisbehörden. So einfach ist das mit der Durchsuchung aber nicht, wie der AG Elmshorn, Beschl. v. 04.10.2013 – 52 II 12/13 – noch einmal verdeutlicht. Das AG legt großes Gewicht auf die Frage der Verhältnismäßigkeit und kommt zu einer Art „Selbstbindung“ der Behörde:

II. Der Antrag war wegen fehlender Verhältnismäßigkeit abzulehnen.
…..
2.
In der Sache hat der Antrag (zumindest derzeit) keinen Erfolg.
Die Durchsuchung von Wohnräumen ist gem. § 208 Ziff. 2 LVwG dann zulässig, wenn Tatsachen dafür sprechen, dass sich darin oder darauf Sachen befinden, die nach § 210 Abs. 1 Nr. 1 LVwG sichergestellt werden dürfen. Diese Voraussetzungen liegen vor. Es handelt sich um den Führerschein des Betroffenen, den der Betroffene zumindest lange in seinem Besitz gehabt hat. Angaben über den Verbleib haben sich als unrichtig herausgestellt. Deshalb besteht eine erhebliche Wahrscheinlichkeit, dass sich der Führerschein noch im Besitz des Betroffenen, wahrscheinlich in der Wohnung, befindet.

Gleichwohl scheitert die Durchsuchung an fehlender Verhältnismäßigkeit.

Gemäß Artikel 13 Abs. 1 ist die Wohnung unverletzlich. Dies bedeutet, dass Eingriffe nicht nur einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, sondern dass auch bei Anwendung der Gesetze, die die Durchsuchung rechtfertigen, wie bei jedem Grundrechtseingriff der rechtsstaatliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt.
Die Abwägung der Schwere der Verletzungen der Rechtsordnung durch den Betroffenen und der Schwere des Eingriffs in die Rechte des Betroffenen durch die Behörde führt zu dem Ergebnis, dass das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung schwerer wiegt. Dies ergibt sich aus der folgenden Überlegung:
Der Betroffene ist zwar verpflichtet, seinen Führerschein abzugeben als Folge des bestandskräftigen Entzugs der Fahrerlaubnis. Dass er dieser Verpflichtung nicht nachkommt und auch die eidesstattliche Versicherung über den Verlust des Führerscheins mangels Mitführung von Geld und Personaldokument nicht abgeben konnte, mag die Verletzung einer Verpflichtung gegenüber den staatlichen Behörden, namentlich dem Antragsteller sein.

Diese Verletzung wiegt aber nicht schwer. Denn in Zeiten moderner Kommunikationstechnik ist der Schaden, den die Nichtabgabe des vielleicht noch vorhandenen Führerscheins für die öffentliche Sicherheit, insbesondere des Straßenverkehrs, anrichten kann, gering. Bei einer allgemeinen oder auch anlassbezogenen Verkehrskontrolle wird heute in der weit überwiegenden Zahl der Fälle von der Polizei ein ausgehändigter Führerschein überprüft und die Personalien des Fahrzeugführers abgeglichen. Bei einer solchen Überprüfung würde der Entzug der Fahrerlaubnis festgestellt werden. Die Gefahr, dass in einer konkreten Situation einmal ausnahmsweise keine Überprüfung erfolgt und der Betroffene dann unberechtigterweise weiterfahren darf, ist vergleichsweise gering. Auch die Gefahr, dass die subjektive Hemmschwelle, ein Auto ohne Fahrerlaubnis zu fahren, sinkt, wenn der Betroffene den Führerschein behält, hält das Gericht für vernachlässigbar gering. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Verbleib des Führerscheins bei dem Betroffenen faktisch kaum Schaden anrichtet. Das Interesse, welches eine funktionierende Rechtsordnung an der tatsächlichen Abgabe des Führerscheins hat, ist folglich objektiv eher gering.

Dagegen ist eine Wohnungsdurchsuchung ein solch einschneidender und massiver Eingriff in das Wohnungsgrundrecht und in den unmittelbaren Bereich der engsten Privatsphäre, dass eine Durchsuchung weit über das hinaus ginge, was durch den bloßen Verbleib des Führerscheins des Betroffenen beim Betroffenen gerechtfertigt wäre.

Die Gegenauffassung (zuletzt Beschluss des VG Augsburg vom 01.03.2012, Au 7 V 12.271) kann nicht überzeugen. Diese Entscheidung geht nämlich wie selbstverständlich, und ohne dies weiter zu begründen, davon aus, dass der Betroffene, wenn er seinen Führerschein behält, weiterhin „ungehindert am Straßenverkehr teilnimmt“ (a.a.O., […]Rnr. 28). Dies ist aber heutzutage – wie dargelegt – angesichts der Überprüfungsmöglichkeiten und der Überprüfungspraxis der Polizei bei Führerscheinkontrollen nicht mehr richtig.

Zudem hat die Verwaltung dem Betroffenen für den Fall der Nichtabgabe des Führerscheins eine Konsequenz angedroht, nämlich die Festsetzung eines Zwangsgeldes. Hiermit hat sich die Verwaltung selbst gebunden. Dies hat zur Folge, dass schwerwiegendere Eingriffe, also insbesondere weitergehende Grundrechtseingriffe noch vor der Verhängung eines Zwangsgeldes nicht möglich sind.

Die Durchsuchung von Räumen Dritter, wie von dem Antragsteller beantragt, kommt erst recht nicht in Betracht (vgl. auch Mitsch in: Karlsruher Kommentar zum OWiG § 91 Rnr. 31 unten).“

Der Vorsitzende ist ein „Rassist“ und der frühere Verteidiger ein „alter Sack“ und „Teufel auf zwei Beinen“ ….

© Gina Sanders - Fotolia

© Gina Sanders – Fotolia

Der inhaftierte Angeklagte bezeichnete in einem Brief an seine Verlobte den Vorsitzenden der großen Strafkammer, bei der gegen ihn u.a. wegen Geiselnahme und Körperverletzung verhandelt wurde, als „Rassist“ sowie seinen früheren Verteidiger als „alter Sack“ und „Teufel auf zwei Beinen“. Der Brief wird – zusammen mit einem anderen – von der Strafkammer im Rahmen der Briefkontrolle angehalten und beschlagnahmt, und zwar u.a. deshalb, weil er als Beweismittel in einem Verfahren wegen Beleidigung in Betracht kommen könnte. Dagegen die Beschwerde des Angeklagten, die allerdings beim OLG Köln keinen Erfolg hatte. Der OLG Köln, Beschl. v. 25.04.2013 – 2 Ws 244/13 führt aus:

  • Ohne Zweifel sei die Bezeichnung des Vorsitzenden  als „Rassist“ sowie des früheren Verteidigers als „…“, „alter Sack“ und „Teufel auf zwei Beinen“ grundsätzlich geeignet, den Straftatbestand der Beleidigung zu erfüllen, ebenso, wie die Behauptung, Vorsitzender und Verteidiger hätten in kollusivem Zusammenwirken aus verfahrensfremden Gründen, insbesondere wirtschaftlichen Interessen, mittels Unterdrückung von Entlastungsbeweisen die rechtswidrige Verurteilung des Angeklagten betrieben, im Falle einer nicht geschützten Kundgabe gegenüber Dritten den Straftatbestand der üblen Nachrede erfüllen würde. Jedoch verkenne der Beschluss des LG, dass die vertrauliche Kommunikation in Briefen an einen Familienangehörigen oder eine Vertrauensperson – auch die freimütige Kundgabe des eigenen Urteils über Verhältnisse und Personen oder eine entlastende Selbstdarstellung – als Ausdruck der Persönlichkeit und Bedingung ihrer Entfaltung dem Schutz des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art 1 Abs. 1 GG unterliegen (vgl. BVerfG, 1 BvR 1689/88; BVerfGE 90, 255, 260). Die Äußerungen des Angeklagten in den Briefen an seine Verlobte unterliegen nach Auffassung des OLG ungeachtet ihres Inhaltes dem Schutz der Privatsphäre. Dieser sei nicht allein dadurch aufgehoben worden, dass dem Angeklagten bewusst war, dass die Briefe kontrolliert wurden, denn die damit gegebene Einschränkung der Vertraulichkeit seines geschriebenen Wortes war ihm nicht zuzurechnen. …..
  • Allerdings: Das OLG hat die Beschlagnahme dann nach § 119 Abs. 1 S. 7 StPO i. V. m. § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO  als gerechtfertigt angesehen. Der (weitere) Inhalt der Briefe begründe nämlich den dringenden Verdacht , dass der Angeklagte versuchte, in unlauterer Weise auf die Empfängerin, eine Zeugin einzuwirken, in dem er diese zu einer Falschaussage für den Fall einer erneuten Hauptverhandlung nach eventueller Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht oder im Haftprüfungsverfahren zu bestimmen suchte.

Der Angeklagte hat sich u.a. mit folgenden Formulierungen an die Zeugin gewandt:

„Und zwar, weil der B. dich als Zeugin manipuliert hat! Er hat dich am 28.01. angerufen und zu dir gesagt, dass du sofort zu ihm in die Kanzlei kommen sollst. … Vielleicht hat er dich sogar noch sexuell belästigt in seinem Büro?“
„Du hast zu mir gesagt, dass du deiner Mutter, im Vertrauen über Facebook geschrieben hast, dass es keine „Entführung“ gab! Dass du freiwillig mitgekommen bist, es somit keine Entführung gab! Du hast zu deiner Mutter weiterhin gesagt, dass du mich gleich aber aus Rache bei der Polizei falsch belasten willst! Deine Mutter hat dir davon abgeraten, … Als die Polizisten dich dann später vernommen haben, hast du mich dann doch aus Rache belastet!“
„Frag mal ob das geht, dass dein Vater sich hier offiziell hier als Besucher hier anmeldet, und dabei kommst du dann als Ersatz für ihn mit deiner Erlaubnis von der Staatsanwaltschaft!
Sag dass du wegen meiner „Ex“, nicht in der JVA offiziellen Besucher stehen willst! Ob das geht das dein Vater auf der Liste steht, du aber für ihn kommst!
Oder mach es einfach so!
Hol dir ne Erlaubnis, wenn du dann hier bist, sag mein Vater wollte mitkommen, ist aber krank!
So bekommt „Sie“ nix davon mit!“
„Du hast mich ja in deinem Brief gefragt, wie du mir helfen kannst!
So kannst du mir helfen:
Zu mir hast Du gesagt, dass du dich deiner Mutter anvertraut hast, indem du ihr erzählt hast, dass es keine Entführung war …“

Dürfte wohl passen…

Strafvollzug: Ich will meinen Weichspüler haben! Nein, ist BtM-fähig….

Während meiner richterlichen Tätigkeit habe ich Strafvollzugssachen nie machen müssen. Daher finde ich Strafvollzugsentscheidungen  immer wieder überraschend und daher interessant; zeigen sie doch häufig, um welche Dinge im Strafvollzug „gekämpft“ werden muss. So auch im OLG Celle, Beschl. v. 12.11.2012 – 1 Ws 459/12 (StrVollz) – in dem es letztlich um den Widerruf  der Genehmigung zum Erwerb und Besitz von Weichspüler, den der Gefangene zuvor beim Anstaltskaufmann erworben hatte, geht.

© chris52 – Fotolia.com

Zum Sachverhalt: Der Gefangene verlangt  die Herausgabe eines von ihm in der Anstalt gekauften Weichspülers, den die JVA beschlagnahmt hat. Die JVA verweigert die Herausgabe mit der Begründung, dass Weichspüler in flüssiger Form in der Anstalt nicht mehr zugelassen seien, nachdem 2011 bei verschiedenen Justizvollzugsanstalten in dort verwendeten Weichspülern Gamma?Butyrolacton (GBL) – eine Substanz, die der dem Betäubungsmittelrecht unterliegenden Gamma?Hydroxy-buttersäure (GHB) verwandt ist – nachgewiesen worden sei und sich Gefangene mittels Nasensprühflasche Weichspüler über die Nasenschleimhaut zugeführt hätten. Bislang habe nicht geklärt werden können, welche Firmen im Einzelnen in ihren Weichspülern GBL verwenden würden; bereits der Umstand aber, dass sich Gefangene mittels Nasensprühflasche Weichspüler zuführen, sei aus gesundheitsfürsorgerischen Erwägungen zu unterbinden.

Das OLG hat in seiner Entscheidung dem Gefangenen  zunächst mal Recht gegeben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung an die StVK zurückverwiesen:

„Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin und der Kammer kommt § 21 Satz 2 NJVollzG vorliegend nicht als Rechtsgrundlage in Betracht. § 21 NJVollzG regelt den Besitz eigener Sachen nämlich nicht abschließend und wird durch speziellere Vorschriften ergänzt. Da vorliegend der Weichspüler vom Antragsteller gemäß § 25 NJVollzG über den Einkauf der Antragsgegnerin erworben wurde und die Erlaubnis zum Erwerb von Gegenständen regelmäßig auch die Erlaubnis zum Besitz beinhaltet, solange sich die Vollzugsbehörde keinen entsprechenden Vorbehalt einräumt (vgl. OLG Celle, NStZ?RR 2011, 31) und ein solcher vorliegend nicht erkennbar ist, konnte die Beschlagnahme des Weichspülers, die den Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsaktes darstellt, allein auf der Grundlage von § 100 NJVollzG i. V. m. § 1 NdsVwVfG i. V. m. den §§ 48, 49 VwVfG erfolgen (vgl. OLG Celle, NStZ 2011, 704). Da Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit der zunächst erteilten Genehmigung nicht gegeben sind, kam nur ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 VwVfG in Betracht. Auf § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG konnte dieser dabei nicht gestützt werden, weil dieser nur bei nachträglich eingetretenen Tatsachen Anwendung findet, ohne dass es auf den Zeitpunkt der Kenntnis dieser Tatsachen durch die Antragsgegnerin ankommt (vgl. OLG Celle, NStZ?RR 2011, 31). Allein § 49 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG, der zur Verhütung schwerer Nachteile für das Gemeinwohl den Widerruf einer begünstigenden Maßnahme ermöglichen kann, kam als Rechtsgrundlage für die Beschlagnahme in Betracht. Denn hierzu zählen auch das Leben und die Gesundheit Einzelner, deren Schutz unter Berücksichtigung von Art. 1 und Art. 2 GG eine vorrangige Aufgabe der Gemeinschaft ist (vgl. Kopp/Ramsauer, 13. Aufl., § 49 VwVfG, Rdnr. 56).

 Ob die Beschlagnahme insoweit den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG entspricht, kann dem angefochtenen Beschluss nicht entnommen werden. Zwar mag es keiner labortechnischen Aufwendungen bedürfen, um bei der Zuführung von GBL in den menschlichen Organismus eine annähernd gleiche Wirkung wie bei der Zuführung von GHB zu erzielen (vgl. de.wikipedia.org, Stichwort GBL). Es steht aber nicht fest, ob der vom Antragsteller begehrte Weichspüler überhaupt eine entsprechende Substanz enthält. Insoweit hätte es einer Aufklärung des Sachverhaltes durch die Kammer bedurft. Dass sich der Antragsteller Weichspüler allein in der Annahme, dieser enthalte möglicherweise GBL, über die Nasenschleimhaut zuführen könnte, wird ebenfalls nicht substantiell begründet und steht zudem im Widerspruch zur Feststellung im angefochtenen Beschluss, dass der Antragsteller den Weichspüler zum Waschen seiner Wäsche verwenden möchte. Die Entscheidung lässt zudem auf der Rechtsfolgenseite eine Berücksichtigung der Betroffenheit von Grundrechtspositionen des Antragstellers vermissen. Vielmehr deutet der angefochtene Beschluss darauf hin, dass die Antragsgegnerin von einem strikten Vorrang der Gefahrenabwehr ausgegangen ist. Ob weitere Erwägungen, insbesondere auch dahingehend, ob die Gefahr auf mildere Weise abgewendet werden kann, erfolgt sind, ist mangels Darstellung der von der Antragsgegnerin insoweit vertretenen Begründung für den Senat nicht erkennbar.