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Das Tagebuch der Vera Glaeseker

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Unter dem Titel „Das Tagebuch der Vera Glaeseker“ weist LTO gerade auf die erfolglose Beschwerde der Ehefrau des Ex-Sprechers von Bundespräsident a.D. Christian Wulff hin, die beim LG Hannover gegen die Beschlagnahme ihres Tagebuchs Rechtsmittel eingelegt hatte (vgl. auch hier: Spiegel-online am 05.08.2012). LTO nimmt das zum Anlass, die Zulässigkeit der Beschlagnahme privater Unterlagen zu untersuchen bzw. untersuchen zu lassen.

So gehts „im wilden Süden“: Durchsuchung/Beschlagnahme im OWi-Verfahren

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Ja, es gibt sie: Durchsuchung und Beschlagnahme auch im Bußgeldverfahren. Allerdings sind da die Verhältnismäßigkeit besonders zu beachten. Dazu gibt es EGMR und BVerfG-Rechtsprechung und auch einiges von den Instanzgerichten. Alles nachzulesen im OWi-HB oder im Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, in der demnächst erscheinenden 6. Auflage bei Rn.896.

Deshalb hat mich der – schon ein wenig ältere –  AG Reutlingen, Beschl. v. 28.10.2011 – 7 OWi 24 Js 19990/11 – schon ein wenig erstaunt. Danach sollen die Zwangsmaßnahmen auch verhältnismäßig sein in einem straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren, in dem dem Betroffenen eine Geschwindigkeitsüberschreitung außerorts um 39 km/h vorgeworfen wird. das erscheint mir angesichts des Umstandes, dass noch nicht einmal ein Fahrverbot droht zweifelhaft. Die Entscheidung ist allerdings bestätigt worden vom LG Tübingen, Beschl. v. 29.12.2011 – 1 Qs 248/11. Also: Nicht der „wilde Westen“, sondern der „wilde Süden“.

Wenn ich die Begründung so lese, klingt es für mich eher nach dem berühmten „Ätsch-Effekt“: Du schweigst, dann wird eben (zur Strafe) durchsucht. Das heißt es:

“ Bei der Schwere der Tat und der Stärke des Tatverdachts ist die Durchsuchung und darüber hin aus wegen der Notwendigkeit für das gerichtliche Bußgeldverfahren (u.a. Vorbereitung eines anthropologischen Identitätsgutachtens oder eines Augenscheines durch das Gericht) auch die Beschlagnahme erforderlich und verhältnismäßig (vgl. hierzu: Beschluss des BVerfG, Az: 1 BvR 1307/05). Der Betroffene besitzt eine Fahrerlaubnis für Krafträder und ist der Halter des Fahrzeugs. Der Betroffene räumt die Tat nicht ein. Die Bilder der Messung zeigen u.a. einen auffälligen Helm, Schuhe und eine Jacke, die auch zum Alter des Betroffenen passen. Es ist zu erwarten, dass die Gegenstände, so sie ihm gehören, noch bei ihm aufgefunden werden können. Die zu beschlagnahmenden Gegenstände sind zur weiteren Sachaufklärung geeignet. Nachdem der Betroffene keine Angaben machte, bedarf es der Beschlagnahme zum Zwecke eines Augenscheines durch den Bußgeldrichter und einer evt. sachverständigen Auswertung nach von dem Betroffenen verursachten Tragespuren. Persönliche Motorradbekleidung und Schuhe, insbesondere aber Motorradhelme, bei denen es sehr auf die Passform ankommt und die meist längere Zeit in Gebrauch sind, werden – was gerichtsbekannt ist – für gewöhnlich schon aus hygienischen Gründen nicht verliehen. Umgekehrt mag das Nichtauffinden des Helmes und der Jacke den Betroffenen vom Tatverdacht zu entlasten. Dieser Beschluss kann unbefristet mit der Beschwerde beim Amtsgericht Reutlingen oder dem Landgericht Tübingen angefochten werden, die aber keine aufschiebende Wirkung hat.“

Und: Wenn die Verfahren so bedeutend sind, dann frage ich mich, warum die dann nicht auch gebührenrechtlich eine Rolle spielt. Dann wäre doch zumindest in diesen Verfahren die Mittelgebühr angemessen. Aber: In den Verfahren wird dann viel Platz darauf verwendet darzulegen, warum die nicht angemessen ist. Verrückte Welt :-).

Beschlagnahme beeendet – wer bekommt die sichergestellten Gegenstände?

An sich ist die Antwort auf die Frage, an wen nach Beendigung einer Beschlagnahme sichergestellte Gegenstände herauszugeben sind, verhältnismäßig einfach. Herauszugeben sind sie an den letzten Gewahrsamsinhaber. Allerdings besteht dann eine Ausnahme, wenn die sichergestellter Gegenstände durch strafbare Handlungen in den Besitz des Betreffenden gelangt sind.

So (auch) das OLG Celle, Beschl. v. 10.01.2012 –  1 Ws 7/12:

In der Sache kann das Rechtsmittel indessen keinen Erfolg haben. Zwar sind sichergestellte Gegenstände, sofern sie – wie vorliegend – nicht eingezogen wurden, nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens grundsätzlich an den letzten Gewahrsamsinhaber herauszugeben, weil regelmäßig derjenige Zustand wiederhergestellt werden soll, in den durch die vorläufigen Maßnahmen für die Zwecke des Verfahrens eingegriffen wurde (vgl. nur KK-Nack, § 94 Rn. 24; Meyer-Goßner, § 94 Rn. 22). Weshalb die Strafkammer im Urteil vom 1. Februar 2011 eine Entscheidung nach § 73 ff StGB nicht getroffen, und auch die Staatsanwaltschaft insoweit kein Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt hat, erschließt sich nicht.
Eine Herausgabe an den letzten Gewahrsamsinhaber (vorliegend der Drittbeteiligte Me.) kommt aber dann nicht in Betracht, wenn die sichergestellten Gegenstände zweifelsfrei durch irgendeine – wenn auch möglicherweise eine nicht in das Verfahren einbezogene – Straftat in den Besitz des Betreffenden gelangt sind (OLG Düsseldorf NStZ 1984, 567; OLG Hamm NStZ 1985, 376; OLG Schleswig NStZ 1994, 99; LG Hildesheim NStZ 1989, 336). Dies gilt für den Beschuldigten, und auch für einen Drittbeteiligten – bzw. wie vorliegend nach Abtretung für dessen Zessionar. Denn es wäre mit einem geordneten Strafverfahren nicht zu vereinbaren, wenn der Staat sich anderenfalls am Aufrechterhalten eines rechtswidrigen Zustands beteiligen und „Rechtsbrechern die Früchte ihrer Tat sichern“ müsste (LR-Schäfer a.a.O., Rn. 15). Hierzu hat die Strafkammer im Rahmen des rechtskräftigen Urteils vom 1. Februar 2011 als auch im Rahmen der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass das sichergestellte Geld aus Drogengeschäften stammte und bei dem Drittbeteiligten, der als Kurier für dieses Geld eingesetzt worden war, sichergestellt wurde. Hiernach kann keinem Zweifel unterliegen, dass es sich um inkriminiertes Geld handelt und eine Rückgabe nach den dargelegten Grundsätzen deshalb fraglos ausscheidet. Ein Verletzter ist offensichtlich nicht bekannt, so dass das Geld letztlich dem Fiskus zufallen wird.“

Ist z.B. für BtM-Verfahren nicht ganz unwichtig.

Blutprobe im Krankenhaus beschlagnahmt – Beweisverwertungsverbot?

In der Praxis spielen immer wieder die Fälle eine Rolle, in denen nach einem Verkehrsunfall eine dem Unfallbeteiligten/späteren Angeklagten entnommene Blutprobe beschlagnahmt und dann im Verfahren gegen den Unfallbeteiligten verwertet wird. Damit setzt sich der KG, Beschl. v. 21.09.2011 – (3) 1 Ss 127/11 (91/11) auseinander und weist auf Folgendes hin: Zu unterscheiden ist zwischen § 81a StPO und den §§ 94 ff. StPO. Einschlägig sind in diesen Fällen die §§ 94 ff. StPO, also die „normalen Beschlagnahmevorschriften. D.h: Es gelten die allgemeinen Zuständigkeitsregeln mit der Folge, dass auch insoweit der Richtervorbehalt gilt. Der war wohl – so verstehe ich den KG-Beschluss – nicht beachtet. Deshalb war die Anordnung der Beschlagnahme unzulässig. Das KG sagt dann aber weiter:

„Danach können Gegenstände sichergestellt werden, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sind, sofern es sich nicht um solche handelt, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht des § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO erstreckt (§ 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO). Letzteres zu umgehen, soll das Beschlag­nahme­verbot verhindern. § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO reicht daher nur so weit, wie es der Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Angeklagten und dem zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten im Strafverfahren erfordert [vgl. Meyer-Goßner, StPO 54. Aufl., § 97, Rdn. 10; LG Hamburg NJW 2011, 942]. Danach war die Beschlagnahme der dem Angeklagten im Zuge seiner Behandlung entnommenen Blutprobe zwar unzulässig, ein Beweisverwertungsverbot folgt daraus jedoch nicht ohne weiteres. Anders als bei Ermittlungsmaßnahmen, die zu Erkenntnissen führen, über die der in § 160a Abs. 1 Satz 1 StPO bezeichnete Personenkreis das Zeugnis verweigern dürfte, und deren Verwendung untersagt ist, hat bei dem in § 160a Abs. 2 Satz 1 StPO bezeichneten Personenkreis eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Ermittlungsmaßnahme zu erfolgen. Hierbei ist in den Fällen, in denen keine Straftat von erheblicher Bedeutung vorliegt, regelmäßig davon auszugehen, dass das Strafverfolgungsinteresse nicht überwiegt (§ 160a Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz StPO). Dies gilt auch für die Verwertung von Erkenntnissen zu Beweiszwecken (§ 160a Abs. 2 Satz 3 StPO).

Danach ist vorliegend gegen die Verwendung der Auswertung der im Krankenhaus entnommenen Blutprobe nichts zu erinnern. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass die Ermittlungsbehörden ihr Ziel auch über den Weg der Anordnung einer Blutentnahme nach § 81a StPO hätten erreichen können. Dies wäre jedoch mit einem weiteren Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Angeklagten verbunden gewesen. Darüber hinaus erbrachte die Beschlagnahme keine Erkenntnisse, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung oder dem besonders vertraulichen Arzt-Patienten-Gespräch entstammten. Da der behandelnde Arzt die Blutprobe zudem von sich aus herausgegeben hat (vgl. UAS. 8, 10), über wiegt ausnahmsweise das staatliche Strafverfolgungsinteresse.“