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Corona I: „Gelber Judenstern“ mit „Ungeimpft“, oder: Strafbar wegen Volksverhetzung?

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In die 45. KW. starte ich dann heute mit zwei Entscheidungen zu „Corona-Fragen“.

Zunächst stelle ich hier den LG Aachen, Beschl. v. 18.08.2022 – 60 Qs 16/22 – vor. Es geht im die Verwendung des sog. „Judensterns“ unter Ersetzung des Wortes Jude durch das Wort „ungeimpft“.

Gegen die Angeschuldigte wird von der Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Volksverhetzung, begangen am 01.12.2021, geführt. Durch die Meldestelle respect! wurde bekannt, dass die Angeschuldigte am 01.12.2021 ein Bild mit einem sogenannten „Judenstern“ in einer seinerzeit aus 27 Mitgliedern bestehenden Facebook-Gruppe „Impfzwang?? Nein danke!! Wir stehen auf!!“ als Gruppenbild hochgeladen hatte. Dabei handelte es sich um eine abgewandelte Version des „Judensterns“ dahingehend, dass auf dem Stern nicht der Begriff „Jude“, sondern der Begriff „Ungeimpft“ zu sehen war. Über und unter dem Judenstern standen die Worte „Der neue Judenstern“.

Von der Staatsanwaltschaft ist der Erlass eines Strafbefehls gegen die Angeschuldigte beantragt worden. Konkret wird der Angeschuldigten Folgendes zur Last gelegt:

„Am 01.12.2021 stellten Sie gegen 21:35 Uhr in der von Ihnen gegründeten öffentlich einsehbaren Facebook-Gruppe mit dem Titel „Impfzwang?? Nein Danke!! Wir stehen auf!!“ als Gruppenbild ein Foto ein, auf dem mittig ein auf einer Scheibe klebendes Plakat abgebildet ist. Das Plakat zeigt einen gelben Judenstern, der zur Zeit des Nationalsozialismus zur Kennzeichnung von Juden verwendet wurde, mit der Inschrift „Ungeimpft“ und der Überund Unterschrift „Der neue Judenstern“. Ihnen war bewusst, dass eine Impfung in keinem Zusammenhang zur Judenverfolgung steht. Sie nahmen billigend in Kauf, dass die unter den Nationalsozialisten begangene planmäßige Ermordung von Juden als Vergleich mit den staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona Pandemie wahrgenommen werden würde und dadurch eine Bagatellisierung der Art, des Ausmaßes und der Folgen der Unterdrückung, Gewalt und massenhaften Ermordung der Juden zur Zeit des Nationalsozialismus zum Ausdruck gebracht wird. Ihnen war bewusst, dass dies zu einer Herabsetzung von Hemmschwellen mit unmittelbar rechtsgutgefährdenden Folgen führen kann.“

Der Amtsrichter hat den Erlass des Strafbefehls abgelehnt. Dagegen die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft, die keinen Erfolg hat. Wegen der Einzelheiten der Ablehnungsentscheidung verweise ich auf den verlinkten Volltext der LG Entscheidung. Hier stelle ich nur die (amtlichen) Leitsätze ein, die lauten:

    1. Die Verwendung eines „Judensterns“ unter Ersetzung des Wortes „Jude“ durch das Wort „ungeimpft“ in einem öffentlich zugänglichen Facebook-Profil erfüllt als Beitrag zur öffentlich geistigen Auseinandersetzung ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht den Tatbestand des Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 3 StGB (vgl. Saarländisches OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.03.2021 – Ss 72/2020 (2/21), BeckRS 2021, 4322; Fischer StGB, 69. Aufl. 2022, § 130 Rn. 27). Eine Deutung des „Judensterns“ als allgemeines Symbol für eine staatlich veranlasste Stigmatisierung, Ausgrenzung und Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen ist aus der Sicht eines verständigen Zuhörers nicht ausgeschlossen. Es ist daher im Hinblick auf die gesellschaftlich geführte Debatte um eine Corona-Impfpflicht, Schutzmaßnahmen und die Privilegien für geimpfte Personen aus Sicht eines objektiven, verständigen Zuhörers auch eine Deutung denkbar, die lediglich die Nachteile der ungeimpften Bevölkerung durch die eingeschränkte Teilnahme am öffentlichen Leben gegenüber den Geimpften anprangert, ohne sich hierbei konkret auf den Völkermord an den Juden zu beziehen. Die Angeschuldigte hat im konkreten Fall nicht das den Juden unter der NS-Herrschaft zugefügte Unrecht bagatellisiert, sondern vielmehr ihre eigene Situation als Ungeimpfte in der Corona-Pandemie überdramatisiert.
    2. Zwar ist es auf sogenannten Corona-Demonstrationen des Häufigeren zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen. Demgegenüber haben an diesen Demonstrationen auch zahlreiche Personen teilgenommen, die friedlich gegen eine geplante Impfpflicht oder sonstige Corona-Maßnahmen demonstriert haben und sich mit den Gewalttaten Einzelner nicht identifiziert oder diese gebilligt haben. Vor diesem Hintergrund kann nicht jeder Aufruf, sich gegen eine Impfpflicht einzusetzen als Appell zum Rechtsbruch oder aggressive Emotionalisierung ausgelegt werden.

Zu der Problematik auch schon LG Würzburg, Beschl. v. 18.5.2022 – 1 Qs 80/22  und dazu. Corona II: „Gelber Judenstern“ mit „NICHT GEIMPFT“, oder: Strafbar wegen Volksverhetzung?

StGB II: Unverändertes Hakenkreuz bei Facebook, oder: Ist das strafbar oder von der Meinungsfreiheit gedeckt?

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Bei der zweiten Entscheidung zu der heutigen Thematik handelt es sich um das OLG Braunschweig, Urt. v. 05.10.2022 – 1 Ss 34/22. Auch in der Entscheidung geht es um das Vorliegen des (objektiven) Tatbestandes des § 86a StGB bei öffentlicher Verwendung des Hakenkreuzes durch Posten auf einer sozialen Internetplattform, in diesem Fall bei Facebook.

Das AG hatte die Angeklagte vom Vorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) freigesprochen. Die dagegen eingelegte Berufung der Staatsanwaltschaft hatte das LG verworfen. Dagegen dann jetzt die Revision der Staatsanwaltschaft, die zur Aufhebung geführt hat.

Das LG hatte folgenden Feststellungen getroffen:

„Die Angeklagte ist Nutzer des sozialen Netzwerks „Facebook“ und unterhält dort unter dem Namen „B. W.“ ein privates Profil, auf dem sie diverse Beiträge postet. Da die Angeklagte beruflich in der Altenpflege tätig ist, aus gesundheitlichen Gründen sich jedoch nicht gegen „Corona“, also das SARS-Cov-2-Virus, impfen lassen kann oder will und deshalb um den Verlust ihres Arbeitsplatzes fürchtete, hat sie die politische Debatte und Entscheidungsfindung über die Einführung einer allgemeinen oder der sogenannten einrichtungsbezogenen Impfpflicht intensiv verfolgt und mit diversen kritischen, eine Impfpflicht ablehnenden Beiträgen auch in ihrem Facebook-Profil kommentiert.

Insoweit postete sie unter anderem am 14.5.2021 um 16:19 Uhr die nachfolgende Abbildung:

Die Angeklagte, die sich durch eine ihre Berufsgruppe betreffende Impfpflicht diskriminiert sieht, weil ihr hierdurch „Türen verschlossen“ werden, hatte diese Abbildung zuvor an anderer Stelle im Internet gefunden und auf ihr Facebook-Profil übernommen. Mit ihrem Post bezweckte sie, anderen im Sinne einer „Warnung“ ihre Meinung kundzutun, dass Geschichte sich wiederhole, nämlich ihrer Auffassung nach der bundesdeutsche Staat mit Blick auf die Corona-Impfung seine Macht ähnlich rücksichtslos einsetze und die Rechte seiner Bürger missachte wie seinerzeit die nationalsozialistische Diktatur.

Beiträge, die sich inhaltlich an ideologisches Gedankengut der NS-Diktatur anlehnten oder dieses gar ausdrücklich befürworteten oder sonst den Eindruck erwecken konnten, die Angeklagte sympathisiere mit der nationalsozialistischen Ideologie oder deren Protagonisten, hatte die Angeklagte auf ihrem genannten Facebook-Profil nicht eingestellt. Vielmehr lehnt die Angeklagte, die bislang in keiner Weise polizeilich oder gar staatsschutzpolizeilich aufgefallen ist, rechtsradikales Gedankengut nachdrücklich ab.“

Im Rahmen der rechtlichen Würdigung hat die Kammer sodann unter Ziff. IV. des Urteils ausgeführt, dass diese Feststellungen einen Schuldspruch der Angeklagten wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gem. § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht trügen.

Zwar bestünde zunächst kein Zweifel daran, dass das auf dem unteren Gesundheitspass abgebildete Hakenkreuz ein Kennzeichen im Sinne des § 86a Abs. 1 StGB sei, da dieses das Parteiabzeichen der NSDAP und damit einer nationalsozialistischen Organisation im Sinne von § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB sei, auf welchen § 86a Abs. 1 StGB verweise. Auch sei der von der Angeklagten gepostete Beitrag ein Inhalt, der dieses Kennzeichen enthalte, und die Angeklagte habe das Kennzeichen in einem von ihr verbreiteten Inhalt verwendet, da das Facebook-Profil der Angeklagten, das diesen Inhalt umfasse, für eine unbestimmte größere Anzahl von Facebook-Nutzern einsehbar gewesen sei, so dass die festgestellte Handlung zumindest objektiv dem Wortlaut des Tatbestandes des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB unterfalle.

Gleichwohl sei die festgestellte Handlung keine tatbestandsmäßige Verletzung der genannten Strafnorm. Denn es sei in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass der (zu) weit gefasste Tatbestand einer aus Sinn und Zweck der Norm erwachsenden Begrenzung bedürfe, da die Strafnorm grundsätzlich weder einer inhaltlichen Zustimmung des Täters zu dem von dem Kennzeichen verkörperten Gedankengut noch die konkrete Gefahr einer identifizierenden Wirkung der Verwendung des Kennzeichens voraussetze. Als tatbestandsmäßig würden daher nur Handlungen angesehen, die im Einzelfall geeignet seien, bei objektiven Beobachtern den Eindruck einer Identifikation des Handelnden mit den Zielen der verbotenen Organisation, deren Kennzeichen er verwende, zu erwecken; nicht tatbestandsmäßig seien demgegenüber solche Handlungen, die dem Schutzzweck der Norm erkennbar nicht zuwiderliefen. Im vorliegenden Fall erscheine es geradezu ausgeschlossen, dass ein Betrachter des festgestellten Posts annehmen könne, die Angeklagte sympathisiere mit den Parteizielen der NSDAP, der nationalsozialistischen Gesundheitspolitik oder dem Nationalsozialismus im Allgemeinen. Die Nebeneinanderstellung des Musters eines modernen Gesundheitspasses, der ausschließlich bezwecke, den Inhaber als „Corona-negativ“ auszuweisen, und des Gesundheitspasses aus der NS-Zeit mit dem Textzusatz „Die Geschichte wiederholt sich. Das Drehbuch wird immer billiger“ könne niemand als Befürwortung des mit dem Hakenkreuz verbundenen Symbolgehalts ansehen, schon gar nicht vor dem Hintergrund der aus dem Facebook-Profil im Übrigen eindeutig erkennbaren Gegnerschaft der Angeklagten zu der gegenwärtigen Corona- bzw. Impfpolitik. Vielmehr werde eindeutig der NS-Gesundheitspass als abschreckende, negative Parallele dargestellt, um die vermeintliche Verwerflichkeit der gegenwärtigen Gesundheitspolitik zu brandmarken. Diese Meinung möge weit überzogen und geradezu geschichtsvergessen sein, dies ändere aber nichts daran, dass für einen neutralen Betrachter das mit dem Hakenkreuz versehene Dokument in der hiesigen Veröffentlichung klar für diejenige Haltung bzw. Politik stehe, gegen die sich die Angeklagte wenden wolle. Nach Auffassung der Kammer könne selbst nur ein flüchtiger Betrachter nicht zu dem Eindruck gelangen, der Verfasser des Posts solidarisiere sich in irgendeiner Weise mit nationalsozialistischer Ideologie; warum demgegenüber die Staatsanwaltschaft meine, dass nicht erkennbar sei, ob der Beitrag eine Distanzierung von Methoden der NS-Zeit enthalte, sei für die Kammer rätselhaft. Die vorliegende Fallgestaltung – Impfgegnerin, die öffentlich ein Dokument mit Hakenkreuz abbildet, um gegen vermeintlich „nazi-ähnliches“ Vorgehen der aktuellen (Gesundheits-) Politik zu protestieren – unterscheide sich in keinem wesentlichen Punkt von derjenigen – Linksdemonstrant, der in der Öffentlichkeit einem Polizeibeamten den Hitlergruß zeige und „Sieg Heil!“ rufe, um gegen „nazistische Methoden“ der Polizei zu protestieren –, der der Entscheidung BGHSt 25, 30 zugrunde gelegen habe und in der der BGH es für zumindest naheliegend erachtet habe, dass kein Verstoß gegen § 86a StGB gegeben sei.“

Diese Auffassung teilt das OLG nicht. Es führt zur „Restriktion“ aus – Rest bitte im verlinkten Volltext lesen:

„….

Die obergerichtliche Rechtsprechung differenziert vor dem Hintergrund des oben genannten dritten Schutzzweckes (Verhinderung der Wiedereinbürgerung) danach, ob das Kennzeichen nur kurz in das äußere Erscheinungsbild getreten ist und keine Nachwirkung anzunehmen ist (BGH, Urteil vom 18. Oktober 1972, a.a.O.; OLG Oldenburg, Beschluss vom 28. November 1985, Ss 575/18, NJW 1986, 1275).

Im vorliegenden Fall steht der Schutzzweck, das Kennzeichen aus dem politischen Leben zu verbannen, einer teleologischen Reduktion entgegen.

Denn es handelt sich keineswegs um eine nur flüchtige Verwendung des Kennzeichens. Nach den Feststellungen der Kammer hat die Angeklagte den Gesundheitspass mit dem aufgedruckten – und unveränderten – Hakenkreuz in ihr Facebook-Profil eingestellt. Zwar fehlt es an einer Feststellung, wie lange der Post dort sichtbar gewesen ist; jedoch kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass er zumindest einige Zeit dort – jedenfalls für die Facebook-„Freunde“ oder sonstige Personen oder Gruppen, die der Angeklagten auf Facebook folgen – sichtbar gewesen ist. Darüber hinaus besteht bei der Veröffentlichung des Hakenkreuzes im Internet auf der sozialen Plattform Facebook die Gefahr einer zahlenmäßig nicht zu kontrollierenden Verbreitung der Abbildung. So hatten die „Freunde“ bzw. „Follower“ der Angeklagten die Möglichkeit, ihren Post zu „liken“ bzw. ihrerseits wiederum zu posten, mit der Folge, dass das Hakenkreuz dann für deren „Freunde“ und „Follower“ sichtbar gewesen wäre. Schon darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofes, auf die sich die Kammer gestützt hat (Urteil vom 18. Oktober 1972, 3 StR 1/71 I, BGHSt 25, 30 – 35). In jenem Fall hatte der Angeklagte die Kennzeichen (Zeigen des sogenannten „Hitlergrußes“ und „Sieg Heil“-Ruf) nur einmalig verwendet, so dass die Kennzeichen nur kurz in das äußere Erscheinungsbild traten und damit eine Nachwirkung auf Dritte in einer dem Symbolgehalt dieser Kennzeichen entsprechenden Richtung von vorneherein ausgeschlossen war.

Dass der Post – mag dies auch ohne Zutun der Angeklagten geschehen sein – tatsächlich Breitenwirkung erzielt hat, lässt sich im Übrigen allgemein zugänglichen Quellen entnehmen. So ist der Antwort der Sächsischen Staatsregierung vom 29. November 2021 auf eine kleine Anfrage (Drs. 7/8055) zu entnehmen, dass ein gleicher Post vom 16. Mai 2021 zu einem Ermittlungsverfahren geführt hat. Und in dem Verfassungsschutzbericht 2021 des Landes Baden-Württemberg wird ausgeführt, dass der historische Nationalsozialismus mit seinen Verbrechen gegen Juden mit – hauptsächlich online verbreiteten – Äußerungen wie „Die Geschichte wiederholt sich. Das Drehbuch wird immer billiger“ relativiert würde (Seite 70).

Hinzu kommt, dass sich die Angeklagte in dem tatgegenständlichen Post gerade nicht offensichtlich von der NSDAP oder der dieser zugrundeliegenden Ideologie distanziert hat. Der Bundesgerichtshof hat dies bislang in Fällen angenommen, in denen eine Distanzierung zum Beispiel mittels Durchstreichungen des Kennzeichens, Darstellungen der Zerstörung des betreffenden Kennzeichens oder dessen Kombination mit der üblichen Symbolik aus dem Bereich der Abfallentsorgung („Umweltmännchen“) erfolgt und damit die Gegnerschaft zu der Organisation und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck gebracht wird (BGH, Urteil vom 15. März 2007, 3 StR 486/06, juris; weitere Nachweise aus der Rechtsprechung bei Anstötz in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl., § 86a, Rn. 21). Eine solche optische Distanzierung ist der tatgegenständlichen Abbildung des Hakenkreuzes indes gerade nicht zu entnehmen.

Aber auch die Wertung der Kammer, „die Nebeneinanderstellung des Musters eines modernen Gesundheitspasses, der ausschließlich bezwecke, den Inhaber als „Corona-negativ“ auszuweisen, und des Gesundheitspasses aus der NS-Zeit mit dem Textzusatz „Die Geschichte wiederholt sich. Das Drehbuch wird immer billiger“ könne niemand als Befürwortung des mit dem Hakenkreuz verbundenen Symbolgehalts ansehen, schon gar nicht vor dem Hintergrund der aus dem Facebook-Profil im Übrigen eindeutig erkennbaren Gegnerschaft der Angeklagten zu der gegenwärtigen Corona- bzw. Impfpolitik“, ist keineswegs so eindeutig, wie die Kammer meint. Wie sich die Einstellung der Angeklagten zu den Werten und Zielen der NSDAP verhält, ob sie diese ablehnt oder befürwortet, ergibt sich aus dem Post selbst nicht. Das Hakenkreuz ist unverändert dargestellt. Aus dem Textzusatz „Die Geschichte wiederholt sich. Das Drehbuch wird immer billiger“ kann nicht nur – wie die Kammer meint – der Schluss gezogen werden, dass damit der mit dem Hakenkreuz verbundene Symbolgehalt abgelehnt werde. Diese Wertung setzt zum einen das Wissen voraus, dass die Angeklagte Impfgegnerin bzw. Gegnerin der aktuellen Coronapolitik ist. Zum anderen erfordert sie die Kenntnis, dass die Angeklagte die Ideologie der Nationalsozialisten sowie deren Symbole ablehnt. Beide Umstände ergeben sich aus dem Post selbst nicht. Die Worte „immer billiger“ implizieren auch, dass das damalige Drehbuch (im Dritten Reich) weniger billig, mithin nicht ganz so schlecht wie heute war. Die Kammer hat nicht bedacht, dass für die Freunde und Follower der Angeklagten auf deren Facebook-Startseite im sogenannten „Feed“ zunächst nur der fragliche Post der Angeklagten – zusammen mit weiteren neuesten Nachrichten und Posts anderer Personen – angezeigt wird. Um nachzuvollziehen, welcher Art die weiteren Posts der Angeklagten sind – aus denen sich nach den Feststellungen der Kammer ihre Gegnerschaft zur gegenwärtigen Corona- bzw. Impfpolitik ergibt –, bedarf es eines Aktivwerdens des Betrachters, indem er das Profil der Angeklagten aufruft, um deren „timeline“ (früher: Facebook-Chronik) zu sehen. Die Feststellung der Kammer, die Angeklagte grenze sich von nationalsozialistischem Gedankengut ab, ergibt sich weder aus dem Post selbst noch aus den weiteren Posts in ihrer „timeline“, sondern beruht offenbar auf ihrer Einlassung in der Hauptverhandlung.“

Achtung: Mein Facebook-Konto ist gehacked

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Vorab beginne ich die Woche mit einem Posting in eigener Sache:

Gestern Abend hat mich der Kollege Fülscher freundlicherweis darauf hingewiesen, dass mein Facebook-Account wohl gehacked ist. Jedenfalls werden über den Account Freundschaftsanfrage  – auf Englisch – versandt.

Wer die also bekommt oder Nachrichten von mir auf Englisch: Bitte sofort löschen und nicht beantworten. Die Nachrichten sind nicht von mir. Ich kann kein Englisch 🙂 .

Zugang zu dem Facebook-Profil habe ich nur über das Smartphone. Über den Desktop geht es nicht. Ich habe alle von Facebook vorgeschlagen Möglichkeiten ausprobiert. Aber es klappt nicht.

Und liebes 🙂 Facebook: Ich weiß auch nicht, wie ich die Einstellungen im Konto ändern soll, wenn ich keinen Zugriff auf das Konto habe. Wie das geht, muss du mir mal erklären.

Ich hoffe, dass sich die Sperre irgendwann wieder von selbst gibt. Und bitte: Die falschen Nachrichten bicht bei Facebook melden. Dann dauert es wahrscheinlich noch länger.

In dem Sinne: Schöne Woche 🙂

Die „Künastentscheidung“ zur Auskunft bei Facebook, oder: Grenzüberschreitung

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Im Kessel Buntes dann heute zunächst eine Entscheidung, die von (besonderem) Interesse sein dürfte, und zwar der LG Berlin, Beschl. v. 09.09.2019 – 27 AR 17/19 – in Sachen „Künast“. Ja, es handelt sich um „die“ Entscheidung,  mit der der Antrag von Renate Künast, die Auskunft über Daten mehrerer Nutzer auf Facebook, die sie nach Auffassung von Frau Künast beleidigt hatten, verlangt hatte, zurückgewiesen worden ist.

Begründung des LG in Kurzform: Das waren bei einem Politiker keine Beleidigungen – es handelte sich um Äußerungen wie z.B.:  „Stück Scheisse“, „Krank im Kopf“, „altes grünes Drecksschwein“, „Geisteskrank“, „kranke Frau“, „Schlampe“, „Gehirn Amputiert“, „Drecks Fotze“, „Sondermüll“, „Alte perverse Dreckssau“ , – der muss das ertragen (können).

Und hier dann die Langform:

„….Der Einfluss des Grundrechts der Meinungsfreiheit wird verkannt, wenn der Verurteilung eine Äußerung zugrundegelegt wird, die so nicht gefallen ist, wenn ihr ein Sinn gegeben wird, den sie nach dem festgestellten Wortlaut objektiv nicht hat oder wenn ihr unter mehreren objektiv möglichen Deutungen eine Auslegung gegeben wird, ohne die anderen unter Angabe überzeugender Gründe auszuschließen. Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind ferner verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft ist mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (vgl. BVerfG NJW 1992, 1439, 1440 m.w.Nachw.). Von einer Schmähung kann nicht ausgegangen werden, wenn die Äußerung in dem Kontext einer Sachauseinandersetzung steht. Die Qualifikation einer ehrenrührigen Aussage als Schmähkritik und der damit begründete Verzicht auf eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht erfordern damit regelmäßig die Berücksichtigung von Anlass und Kontext der Äußerung (vgl. BVerfGE 93, 266 <303>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 23. August 2005 – 1 BvR 1917/04 -, juris, Rn. 22). Hiervon kann allenfalls ausnahmsweise abgesehen werden, wenn es sich um eine Äußerung handelt, deren diffamierender Gehalt so erheblich ist, dass sie in jedem denkbaren Sachzusammenhang als bloße Herabsetzung des Betroffenen erscheint und daher unabhängig von ihrem konkreten Kontext stets als persönlich diffamierende Schmähung aufgefasst werden muss, wie dies möglicherweise bei der Verwendung besonders schwerwiegender Schimpfwörter – etwa aus der Fäkalsprache – der Fall sein kann (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. Dezember 2008 – 1 BvR 1318/07 -, juris, Rn. 16). Bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage liegt Schmähkritik nur ausnahmsweise vor; sie bleibt grundsätzlich auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BVerfGE 7, 198 <212>; 93, 266 <294>; BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 19. Februar 2019 – 1 BvR 1954/17 -, Rn. 11, juris). Der Schutz der Meinungsfreiheit für Tatsachenbehauptungen endet erst dort, wo sie zu der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Meinungsbildung nichts beitragen können. Unter diesem Gesichtspunkt ist unrichtige Information kein schützenswertes Gut. Die erwiesen oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptung wird nicht vom Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst (BVerfG a.a.O.).

Nach diesen Grundsätzen gilt hier folgendes:

Die von der Antragstellerin angegriffenen Äußerungen sind sämtlichst Reaktionen auf den Post, den ein Dritter auf der von der Antragsgegnerin betriebenen Social-Media-Plattform eingestellt hat. Dieser Post zitiert einen von der Antragstellerin getätigten Einwurf und würdigt diesen so, wie er von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Auch wenn die Antragstellerin ihren Einwurf anders verstanden wissen will, wird der knappe, die Zwischenfrage des CDU-Abgeordneten korrigierende Einwurf, wie dies der Online-Artikel der Welt vom 24.05.2015 zeigt, von der Öffentlichkeit als Zustimmung zu dem Gesetzesentwurf der Landtagsfraktion der Grünen in NRW wahrgenommen. Soll aber die Ausübung von Sex mit Kindern nur noch dann unter Strafe gestellt werden, wenn Gewalt im Spiel ist, heißt dies zum einen, dass es gewaltfreien Sex mit Kindern gibt und, dass er ohne Ausübung von körperlicher und psychischer Gewalt toleriert wird. Nichts anderes drückt der zweite Halbsatz in dem Post „ist der Sex mit Kindern doch ganz ok“ aus. Die Antragstellerin muss sich daher die gesamte Äußerung des ersten Satzes des Post zurechnen lassen.

Bei den Reaktionen hierauf handelt es sich sämtlichst um zulässige Meinungsäußerungen. Sie sind zwar teilweise sehr polemisch und überspitzt und zudem sexistisch. Die Antragstellerin selbst hat sich aber mit ihrem Zwischenruf, den sie bislang nicht öffentlich revidiert oder klargestellt hat, zu einer die Öffentlichkeit in ganz erheblichem Maße berührenden Frage geäußert und damit Widerstand aus der Bevölkerung provoziert. Zudem muss sie als Politikerin in stärkerem Maße Kritik hinnehmen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 09. Dezember 2014 – I-15 U 148/14 -, Rn. 33, juris).

Da alle Kommentare einen Sachbezug haben, stellen sie keine Diffamierungen der Person der Antragstellerin und damit keine Beleidigungen nach § 185 StGB dar.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

(1) Die in ein Bild von Starwars eingefügte Äußerung „Knatter sie doch mal einer so richtig durch, bis sie wieder normal wird!“ ist eine sicherlich geschmacklose Kritik, die mit dem Stimittel der Polemitik sachliche Kritik übt. Es geht dem Äußernden erkennbar nicht darum, die Antragstellerin als Person zu diffamieren, sondern an der von ihr getätigten Äußerung Kritik zu üben. Es liegt daher keine Beledigung nach § 185 StGB vor. Die Antragstellerin wird nicht, wie sie dies meint, zum Gegenstand sexueller Fantasien gemacht.

(2) Die Äußerung „Wurde diese „Dame“ vielleicht als Kind ein wenig viel gef… und hat dabei etwas von ihren Verstand eingebüßt. …“ stellt wiederum eine polemische und überspitze, aber nicht unzulässige Kritik dar. Denn wie sich aus dem nachfolgenden Satz ergibt, geht es um eine auf die Äußerung der Antragstellerin bezogene Kritik. Dass die Äußerung sexualisiert ist, ist das Spiegelbild der Sexualisiertheit des Themas. Eine Diffamierung und damit eine Beleidigung nach § 185 StGB der Antragstellerin lässt sich hieraus nicht ableiten.

(3) Soweit die Antragstellerin geltend macht, es liege mit „Stück Scheisse“ und „Geisteskranke“ eine Formalbeleidigung vor, steht dem entgegen, dass wie sich aus dem zweiten Satz ergibt eine Auseinandersetzung in der Sache erfolgte, so dass eine Formalbeleidigung ausscheidet (vgl. LG Hamburg, Beschluss vom 11. Mai 2017 – 324 O 217/17 -, Rn. 17, juris).

(4) In der Bezeichnung „Pädophilen-Trulla“ kann eine Beleidigung nach § 185 StGB nicht erblickt werden.

(5) Die Äußerung „Die alte hat doch einen Dachschaden die ist hol wie Schnittlauch man kann da nur noch “ steht ebenfalls im Kontext der im Post wiedergegebenen Äußerung. Sie stellt eine Kritik an der Äußerung der Antragstellerin dar und nicht losgelöst von der Äußerung an der Person der Antragstellerin selbst. Daher stellt sich auch diese Äußerung nicht als eine Diffamierung der Antragstellerin und damit als Beleidigung der Antragstellerin gemäß § 185 StGB dar.

(6) In der auf den Post und damit auf die dort wiedergegebene Äußerung der Antragstellerin bezogene Äußerung „Mensch … was bis Du Krank im Kopf!!!“ kann eine Beleidgung nach § 185 StGB nicht erblickt werden.

(7) Auch der Kommentar „Pfui du altes grünes Dreckschwein …“ steht in unmittelbaren Zusammenhang zu dem Post und nimmt Bezug auf ein Zwischenruf der Antragstellerin. In diesem Zusammenhang stellt die Bezeichnung „Dreckschwein“ keine Beleidigung dar.

(8) Der geschmacklose, polemische und überspitzte Kommentar „Der würde in den Kopf geschi … War genug Platz da kein Hirn vorhanden war/ist“ bezieht sich erkennbar auf die von der Antragstellerin getätigte Äußerung. Auch er stellt sich daher als sachbezogene Kritik und nicht als Diffamierung und Beleidigung nach § 185 StGB dar.

(9) Die auf den Post erfolgte Äußerung „Die ist Geisteskrank“ ist eine auf die Äußerung bezogene Kritik und keine Diffamierung der Antragstellerin. Eine Beleidigung nach § 185 StGB liegt nicht vor.

(10) Wie aus den Worten „bei solchen Aussagen“ deutlich wird, handelt es sich bei der Aussage „Ich könnte bei solchen Aussagen diese Personen die Fresse polieren“ um eine auf die im Post bezogene Äußerung bezogene und damit sachgebzogene Kritik. Eine Beleidigung nach § 185 StGB liegt damit nicht vor.

(11) Die Bezeichnung der Antragstellerin als krank stellt keine Beleidigung, sondern eine zulässige Meinungsäußerung dar. Der Sachbezug des Kommentars wird durch die Worte „sie weiß nicht mehr was sie redet“ ohne weiteres verdeutlicht.

(12) Die Äußerung, die sind alle so krank im Kopf, stellt sich ebenfalls als Kritik an ihrer im Post wiedergegebenen Äußerung wieder, auf die dieser Kommentar erfolgte. Eine Beleidigung der Antragstellerin nach § 185 StGB kann hierin nicht erblickt werden.

(13) Auch in dem Kommentar „Schlampe“ kann eine von der Äußerung im kommentierten Post losgelöste primär auf eine Diffamierung der Person der Antragstellerin und nicht auf eine Auseinandersetzung in der Sache abzielende Äußerung nicht gesehen werden. Vielmehr ist auch dieser Kommentar ein Beitrag in einer Sachauseinandersetzung.

(14) Gleiches gilt für den Kommentar „Gehirn Amputiert“. Auch dieser stellt sich als Beitrag im Rahmen einer Sachauseinandersetzung dar und zielt nicht primär auf die Diffamierung der Antragstellerin. Eine Beleidigung nach § 185 StGB liegt nicht vor.

(15) Für den Kommentar „Kranke Frau“ gilt das zuvor unter (13) und (14) gesagte.

(16) Der Kommentar „Drecks Fotze“ bewegt sich haarscharf an der Grenze des von der Antragstellerin noch hinnehmbaren. Weil das Thema, mit dem sie vor vielen Jahren durch ihren Zwischenruf an die Öffentlichkeit gegangen ist sich ebenfalls im sexuellen Bereich befindet und die damals von ihr durch den Zwischenruf aus der Sicht der Öffentlichkeit zumindest nicht kritisierte Forderung der Entpönalisierung des gewaltfreien Geschlechtsverkehrs mit Kindern erhebliches Empörungspotential in der Gesellschaft hat, ist die Kammer jedoch der Ansicht, dass die Antragstellerin als Politikerin sich auch sehr weit überzogene Kritik gefallen lassen muss. Dass mit der Aussage allein eine Diffamierung der Antragstellerin beabsichtigt ist, ohne Sachbezug zu der im kommentierten Post wiedergegebenen Äußerung ist nicht feststellbar.

Das Bild verdeutlicht die Aussage, ich muss mich gleich übergeben, was der Ausdruck von Ablehnung ist, und sich klar auf die Äußerung bezieht. Eine Beleidigung liegt hier nicht vor.

(17) Die Äußerung „Die will auch nochmal Kind sein weil sonst keiner an die Eule ran geht!“ ist eine mit dem Stilmittel der Ironie ausgedrückte Kritik an der im kommentierten Post wiedergegebenen Äußerung der Antragstellerin. Die Antragstellerin wird entgegen ihrer Meinung in dem Kommentar nicht wirklich zum Objekt sexueller Vorstellungen gemacht. Sicherlich macht sich der Kommentar ein wenig über die Antragstellerin lustig, eine Beleidigung liegt aber nicht vor.

(18) Die Bezeichnung der Antragstellerin als hohle Nuß, die entsorgt gehört und als Scndermüll, stellt sich als überspitzte Kritik dar. Da sich der Kommentar erkennbar auf die im Post wiedergegebene Äußerung bezieht und damit Sachbezug hat, stellt er sich nicht als diffamierend dar. Eine Beleidigung nach § 185 StGB ist nicht gegeben.

(19) Der Kommentar „Schlamper“ stellt keine Beleidigung dar. Auf die Ausführungen unter (13) und (14) wird verwiesen.

(20) Der Kommentar „Ferck du Drecksau“ steht in unmittelbaren Zusammenhang zu dem Post und nimmt Bezug auf den dort wiedergegebenen Zwischenruf der Antragstellerin. In diesem Zusammenhang stellt die Äußerung „Ferck du Drecksau“ keine Beleidigung dar, wobei der unbefangene Durchschnittsleser nicht erkennen kann, was der Verfasser mit „Farck“ hat schreiben wollen. Es kann „verrecke“ sein, wie dies die Antragstellerin meint, zwingend ist dies aber nicht, es kann ebenso gut auch „Ferckel“ sein.

(21) Der Kommentar „Sie alte perverse Drecksau!!!!! Schon bei dem Gedanken an sex mit Kindern muss das Hirn weglaufen !!!!! Ich glaube, das ist bei den Grünen auch so !!!!!“ nimmt Bezug auf die im kommentierten Post wiedergegebene Äußerung der Antragstellerin, an der er Kritik übt. Daher stellt sich die Äußerung Drecksau als ausfallende Kritik dar, jedoch nicht als diffamierend und beleidigend i.S.d. § 185 StGB.

(22) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin versteht der unbefangene Durchschnittsleser den Kommentar „Sie wollte auch Mal die hellste Kerze sein, Pädodreck.“ nicht dahingehend, dass mit „Pädodreck“ die Antragstellerin bezeichnet wird. Vielmehr bezeichnet dies ihre Äußerung. Die Antragstellerin war diejenige, die sich mit dem Zwischenruft hervortun wollte, eben auch einmal die hellste Kerze sein wollte. Heraus kam „Pädodreck“. Die Bezeichnung „Pädodreck“ stellt sich hiermit als Kritik zu der im Post wiedergegebenen Äußerung dar. Eine Beleidigung nach § 185 StGB liegt nicht vor.“

Zunächst: Ich weiß, ist schwere Kost für einen Samstag, gehört aber schon in den „Kessel Buntes“, schon wegen der „Verfahrensart. Andererseits hat es dann doch auch mit Strafrecht/StGB zu tun. Und darum habe ich es bei den Volltextentscheidungen dort eingestellt.

Ich denke, das Verfahren wird, wenn denn das KG keine andere Entscheidung trifft, wahrscheinlich erst beim BVerfG enden. So oder so.

Und: Ich meine, die Äußerungen überschreiten die Grenze. Das muss ein Politiker m.E. nicht hinnehmen.

„Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA…“. oder: Das unfassbare Facebook-Profil eines StK-Vorsitzenden

© J.J.Brown - Fotolia.com

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Es gibt Dinge, von denen ich immer gehofft habe, dass es sie nicht gibt. Dann wird man aber vom Gegenteil überzeugt, meist schmerzlich. So ist es mit dem BGH, Beschl. v. 12.01.2016 – 3 StR 482/15, den mir gestern einer der Verteidiger, der die beiden Angeklagten gegen den Vorwurf des erpresserischen Menschenraubes bei einer Strafkammer der LG Rostock verteidigt hat, zugesandt hat. „Schmerzlich“ ist allerdings nicht der – zutreffende – BGH, Beschl., sondern der ihm zugrunde liegende Sachverhalt.

Und zum Sachverhalt – es geht um Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden der großen Strafkammer (§§ 24 ff. StGBStPO) – stellt der BGH fest:

„Der Verteidiger des Angeklagten Y. nahm am Abend des 22. Januar 2015 erstmals von dem Facebook-Account des Vorsitzenden der Strafkammer Kenntnis. Im öffentlich zugänglichen Bereich war auf der Profilseite ein Lichtbild des Vorsitzenden zu sehen, auf dem dieser mit einem Bierglas in der Hand auf einer Terrasse sitzt und ein T-Shirt trägt, das mit der Aufschrift: „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA“ bedruckt ist. Auf derselben Seite war vermerkt: „2. Große Strafkammer bei Landgericht Rostock“. In der Zeile darunter hieß es: „1996 bis heute“. Im Kommentarbereich befand sich ein Eintrag des Vorsitzenden, der wie folgt lautete: „Das ist mein ‚Wenn du raus kommst, bin ich in Rente‘-Blick“. Dieser Eintrag wurde von einem Benutzer mit den Worten: „.,.sprach der schwedische Gardinen-Verkäufer! :-))“ kommentiert, was wiederum von zwei Personen, darunter der Vorsitzende, „geliked“ wurde. Zu Beginn des nächsten Hauptverhandlungstages lehnte der Angeklagte daraufhin den Vorsitzenden wegen des Inhalts der Facebook-Seite und weiterer Umstände wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Der Angeklagte E schloss sich diesem Gesuch an. In der Folgezeit äußerte sich der Vorsitzende dienstlich zu dem den Facebook-Account betreffenden Inhalt des Ablehnungsgesuches wie folgt: „Zum weiteren Vorbringen im Ablehnungsgesuch gebe ich keine Stellungnahme ab. Ich werde mich nicht zu meinen privaten Lebensverhältnissen äußern.“ Am 28. Januar 2015 wies die Strafkammer die Ablehnungsgesuche der Angeklagten als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Internetauftritt des Vorsitzenden betreffe ausschließlich dessen persönlichen Lebensbereich und sei offensichtlich humoristisch geprägt.“

Für mich einfach: Unfassbar. Oder? Ich muss ehrlich sagen: Mir fehlen die Worte. Dem BGH allerdings nicht, denn der hat das getan, woran m.E. kein Weg vorbei führte. Er hat das Ablehnungsgesuch als begründet angesehen und das Urteil des LG – ohne viel Worte – wegen eines Verstoßes gegen § 338 Nr. 3 StPO aufgehoben:

„Die Ablehnung eines Richters ist nach § 24 Abs. 2 StPO gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine erforderliche Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit störend beeinflussen kann. Maßstab für die Beurteilung dieser Voraussetzungen ist ein vernünftiger bzw. verständiger Angeklagter (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 8. Mai 2014 – 1 StR 726/13, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 23; Urteil vom 12. November 2009 – 4 StR 275/09, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 21).

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Inhalt der öffentlich und somit auch für jeden Verfahrensbeteiligten zugänglichen Facebook-Seite dokumentiert eindeutig eine innere Haltung des Vorsitzenden, die bei verständiger Betrachtung besorgen lässt, dieser beurteile die von ihm zu bearbeitenden Strafverfahren nicht objektiv, sondern habe Spaß an der Verhängung hoher Strafen und mache sich über die Angeklagten lustig. Die beschriebene Facebook-Seite enthält auch einen eindeutigen Hinweis auf die berufliche Tätigkeit des Vorsitzenden und betrifft deshalb nicht lediglich dessen persönliche Verhältnisse. Unter diesen Umständen war ein noch engerer Zusammenhang mit dem konkreten, die Angeklagten betreffenden Strafverfahren nicht erforderlich, um bei ihnen die berechtigte Befürchtung zu begründen, dem Vorsitzenden mangele es an der gebotenen Neutralität. Das in dem Ablehnungsgesuch dargelegte Misstrauen in die Unparteilichkeit des Vorsitzenden ist deshalb gerechtfertigt.“‚ Dessen Internetauftritt ist insgesamt mit der gebotenen Haltung der Unvorgenommenheit eines im Bereich des Strafrechts tätigen Richters nicht zu vereinbaren.“

Die Sache bedarf m.E. keiner weiteren Kommentierung. Aber zwei Anmerkungen will ich dann doch machen:

  1. Der BGH hat von der ihm in § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, das Verfahren an ein anderes LG, nämlich das LG Stralsund, zurückzuverweisen. Von der Möglichkeit macht er so häufig keinen Gebrauch. Dass er es hier tut, zeigt m.E., was er vom LG Rostock hält.
  2. Es handelte sich um die zweite Aufhebung einer Entscheidung des LG Rostock in diesem Verfahren. Das führt dazu, dass der BGH auf die Frage der Berücksichtigung des langen Zeitablaufs bei einer künftigen Strafzumessung hinweist. Wenn man diese Sache sieht, frage ich mich übrigens, warum Richter beklagen, dass Verfahren so lange dauern. Wie war das noch mit den Steinen und dem Glashaus….?