Schlagwort-Archive: Facebook

„Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA…“. oder: Das unfassbare Facebook-Profil eines StK-Vorsitzenden

© J.J.Brown - Fotolia.com

© J.J.Brown – Fotolia.com

Es gibt Dinge, von denen ich immer gehofft habe, dass es sie nicht gibt. Dann wird man aber vom Gegenteil überzeugt, meist schmerzlich. So ist es mit dem BGH, Beschl. v. 12.01.2016 – 3 StR 482/15, den mir gestern einer der Verteidiger, der die beiden Angeklagten gegen den Vorwurf des erpresserischen Menschenraubes bei einer Strafkammer der LG Rostock verteidigt hat, zugesandt hat. „Schmerzlich“ ist allerdings nicht der – zutreffende – BGH, Beschl., sondern der ihm zugrunde liegende Sachverhalt.

Und zum Sachverhalt – es geht um Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden der großen Strafkammer (§§ 24 ff. StGBStPO) – stellt der BGH fest:

„Der Verteidiger des Angeklagten Y. nahm am Abend des 22. Januar 2015 erstmals von dem Facebook-Account des Vorsitzenden der Strafkammer Kenntnis. Im öffentlich zugänglichen Bereich war auf der Profilseite ein Lichtbild des Vorsitzenden zu sehen, auf dem dieser mit einem Bierglas in der Hand auf einer Terrasse sitzt und ein T-Shirt trägt, das mit der Aufschrift: „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA“ bedruckt ist. Auf derselben Seite war vermerkt: „2. Große Strafkammer bei Landgericht Rostock“. In der Zeile darunter hieß es: „1996 bis heute“. Im Kommentarbereich befand sich ein Eintrag des Vorsitzenden, der wie folgt lautete: „Das ist mein ‚Wenn du raus kommst, bin ich in Rente‘-Blick“. Dieser Eintrag wurde von einem Benutzer mit den Worten: „.,.sprach der schwedische Gardinen-Verkäufer! :-))“ kommentiert, was wiederum von zwei Personen, darunter der Vorsitzende, „geliked“ wurde. Zu Beginn des nächsten Hauptverhandlungstages lehnte der Angeklagte daraufhin den Vorsitzenden wegen des Inhalts der Facebook-Seite und weiterer Umstände wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Der Angeklagte E schloss sich diesem Gesuch an. In der Folgezeit äußerte sich der Vorsitzende dienstlich zu dem den Facebook-Account betreffenden Inhalt des Ablehnungsgesuches wie folgt: „Zum weiteren Vorbringen im Ablehnungsgesuch gebe ich keine Stellungnahme ab. Ich werde mich nicht zu meinen privaten Lebensverhältnissen äußern.“ Am 28. Januar 2015 wies die Strafkammer die Ablehnungsgesuche der Angeklagten als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Internetauftritt des Vorsitzenden betreffe ausschließlich dessen persönlichen Lebensbereich und sei offensichtlich humoristisch geprägt.“

Für mich einfach: Unfassbar. Oder? Ich muss ehrlich sagen: Mir fehlen die Worte. Dem BGH allerdings nicht, denn der hat das getan, woran m.E. kein Weg vorbei führte. Er hat das Ablehnungsgesuch als begründet angesehen und das Urteil des LG – ohne viel Worte – wegen eines Verstoßes gegen § 338 Nr. 3 StPO aufgehoben:

„Die Ablehnung eines Richters ist nach § 24 Abs. 2 StPO gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine erforderliche Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit störend beeinflussen kann. Maßstab für die Beurteilung dieser Voraussetzungen ist ein vernünftiger bzw. verständiger Angeklagter (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 8. Mai 2014 – 1 StR 726/13, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 23; Urteil vom 12. November 2009 – 4 StR 275/09, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 21).

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Inhalt der öffentlich und somit auch für jeden Verfahrensbeteiligten zugänglichen Facebook-Seite dokumentiert eindeutig eine innere Haltung des Vorsitzenden, die bei verständiger Betrachtung besorgen lässt, dieser beurteile die von ihm zu bearbeitenden Strafverfahren nicht objektiv, sondern habe Spaß an der Verhängung hoher Strafen und mache sich über die Angeklagten lustig. Die beschriebene Facebook-Seite enthält auch einen eindeutigen Hinweis auf die berufliche Tätigkeit des Vorsitzenden und betrifft deshalb nicht lediglich dessen persönliche Verhältnisse. Unter diesen Umständen war ein noch engerer Zusammenhang mit dem konkreten, die Angeklagten betreffenden Strafverfahren nicht erforderlich, um bei ihnen die berechtigte Befürchtung zu begründen, dem Vorsitzenden mangele es an der gebotenen Neutralität. Das in dem Ablehnungsgesuch dargelegte Misstrauen in die Unparteilichkeit des Vorsitzenden ist deshalb gerechtfertigt.“‚ Dessen Internetauftritt ist insgesamt mit der gebotenen Haltung der Unvorgenommenheit eines im Bereich des Strafrechts tätigen Richters nicht zu vereinbaren.“

Die Sache bedarf m.E. keiner weiteren Kommentierung. Aber zwei Anmerkungen will ich dann doch machen:

  1. Der BGH hat von der ihm in § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, das Verfahren an ein anderes LG, nämlich das LG Stralsund, zurückzuverweisen. Von der Möglichkeit macht er so häufig keinen Gebrauch. Dass er es hier tut, zeigt m.E., was er vom LG Rostock hält.
  2. Es handelte sich um die zweite Aufhebung einer Entscheidung des LG Rostock in diesem Verfahren. Das führt dazu, dass der BGH auf die Frage der Berücksichtigung des langen Zeitablaufs bei einer künftigen Strafzumessung hinweist. Wenn man diese Sache sieht, frage ich mich übrigens, warum Richter beklagen, dass Verfahren so lange dauern. Wie war das noch mit den Steinen und dem Glashaus….?

Umzugsnachwehen… die Datenkrake Facebook spielt verrückt….

entnommen wikimedia.org
Urheber Munhuu94 – Own work

Die letzten Tage war ich dann doch ein wenig mit dem Umzug des „Strafrecht Blog“ zum „Burhoff Online Blog“ beschäftigt. Es hat aber alles gut geklappt – gut, dass ich das nicht alles alleine machen musste, dann wäre es wahrscheinlich nie gelungen. Eins ist aber noch nicht abgeschlossen. Und zwar:

Zum „Strafrecht Blog“ gehörte auch eine Facebook-Seite, der Account „Strafrecht-online“. Den hat WKD mir auch übertragen. Ich will ihn aber umbenennen, in „Burhoff Online Blog“. Das hatten mein „Blogwart“ und ich uns einfach vorgestellt, aber: Wir hatten nicht an Facebook, den Gralshüter fremder Daten gedacht und nicht damit gerechnet, wie sorgsam man dort damit umgeht 🙂 , wenn man sie erst mal hat 🙁 . Die einfach gedachte Ummeldung hat sich zu einem längeren Hin und Her entwickelt – getreu dem Satz: Da könnte ja jeder kommen.

Los ging es mit:

Deine Anfrage erfüllt leider nicht unsere Richtlinien. Der angefragte Name deutet darauf hin, dass sich der Inhalt deiner Seite geändert hat. Das kann verwirrend sein für Personen, die deine Seite mit „Gefällt mir“ markiert haben.
Folgende Arten von Änderungen sind unter anderem unzulässig:
– Unternehmensart ändern
Beispielsweise wäre die Änderung von „Manus Kuchentheke“ zu „Manus Bar“ unzulässig. Nutzer, die Kuchen mögen, interessieren sich möglicherweise nicht für Bars. Da es sich um unterschiedliche Unternehmensarten handelt, solltest du stattdessen eine neue Seite erstellen.
– Einen persönlichen Namen zu einem persönlichen Namen + Aktivität oder zu einem Firmennamen ändern
Beispielsweise wäre die Änderung von „Max Mustermann“ zu „Max Mustermann Fotografie“ oder „Fotoladen“ unzulässig. Personen, denen Max Mustermann als Person des öffentlichen Lebens gefällt, interessieren sich möglicherweise nicht für seine Fotografie.
Folgende Arten von Änderungen sind unter anderem zulässig:
– Beschreibungen aus dem Seitennamen entfernen
Die Änderung von „Max Mustermann, Trainer“ zu „Max Mustermann“ wäre beispielsweise zulässig. Durch das Löschen der Beschreibung wird der Name der Seite vereinfacht, ihr Inhalt jedoch nicht geändert.
Wir empfehlen dir, zusätzliche Informationen im „Info“-Bereich deiner Seite hinzuzufügen.
Mehr zu den Nutzungsbedingungen für Seiten: https://www.facebook.com/page_guidelines.php

Wir haben dann brav erklärt, was wir wollen und warum und gedacht, dass es gut ist und geändert wird. Aber nein. Die Antwort kam 🙁 :

„Wir konnten deinen Seitennamen ohne die entsprechenden Unterlagen nicht aktualisieren. Bitte antworte auf diese E-Mail mit den Unterlagen, die den geänderten Namen und die neue Adresse deines Unternehmens deutlich hervorheben. Wir können den Namen deiner Seite erst aktualisieren, wenn wir diese Unterlagen erhalten. Beispiele für zulässige Unterlagen:
• Eine Gas-, Strom- oder Wasserrechnung für dein Unternehmen
• Deine lokale Gewerbeerlaubnis (ausgestellt von deiner Stadt, deinem Landkreis, deinem Bundesstaat usw.)
• Eine Steuerabrechnung für dein Unternehmen
• Gründungsurkunde (für eine Partnerschaft)
• Gesellschaftssatzung (für ein Unternehmen)

Wenn deine Seite eine öffentliche oder individuelle Person vertritt, kannst du auch diese Dokumente einsenden:
• Eine Mitgliedskarte oder eine Urkunde von einem Berufsverband oder einer Zunft  
• Einen Führerschein oder einen amtlichen Ausweis  

Wenn möglich, speichere die Datei bitte im JPEG-Format, und schwärze jegliche persönlichen Informationen, die nicht zur Überprüfung des Namens deiner Seite benötigt werden (z. B. Ausweisnummer). „

Das mit der Steuerberechnung habe ich dann mal gelassen, sondern die Kopie meines Anwaltsausweises hingeschickt und gedacht, dass es das dann war. Aber: Es kam dann zum krönenden Abschluss noch:

„Der von dir angeforderte Seitenname unterscheidet sich stark von deinem aktuellen Seitennamen. Daher wird die Bearbeitung deiner Anforderung 14 Tage dauern. Wir bestehen auf eine Wartezeit bei Namensänderungen, die für Nutzer verwirrend sein könnten, die deine Seite bereits mit „Gefällt mir“ markiert haben. Nutzer, die deine Seite mit „Gefällt mir“ markiert haben, werden in dieser Zeit über die Namensänderung benachrichtigt.
Dein Seitenname wird ab heute in zwei Wochen automatisch zur gleichen Uhrzeit aktualisiert, zu der du diese Bestätigungs-E-Mail erhalten hast. Danke für deine Geduld.
Weitere Informationen zu Seitenrichtlinien findest du unter:https://www.facebook.com/page_guidelines.php

Schön, das mit der Geduld. Die war/ist nämlich langsam erschöpft. 🙁 Was mich jetzt noch interessiert: Wie werden denn nun die Nutzer informiert? Hat man denn die Daten 🙂 ?

Und wenn:Für alle Nutzer/Follower bei Facebook: Bitte nicht erstaunt sein, wenn sich nun Facebook meldet – wie auch immer. Wahrscheinlich verlangen die jetzt eine notarielle Erklärung, dass der jeweilige Nutzer mit der Namensänderung einverstanden ist. Nun ja, ich bin gespannt.

„…dann laufe ich Amok…“ – Störung des öffentlichen Friedens?

Ein 15-jähriger stellt bei Facebook die Formulierung ein: „…. dann laufe ich Amok…“. Daraus wird eine Anklage beim Jugendrichter wegen Verstoßes gegen § 126 StGB – Störung des öffentlichen Friedens wegen Androhung von Straftaten. Von dem Voruwrf ist der Angeklagte aber durch LG Aachen, Urt. v. 05.09.2012, 94 Ns 27/12 (liegt also schon etwas zurück) frei gesprochen worden. Der Jugendrichter beim AG Aachen hatte den Angeklagten noch wegen der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung einer Straftat schuldig gesprochen und ihm als Zuchtmittel 20 Stunden gemeinnützige Arbeit auferlegt. Das LG führt aus:

„Der Angeklagte hat den objektiven Tatbestand des § 126 StGB verwirklicht. Die Ankündigung eines auch nur unbestimmt beschriebenen „Amoklaufs“ ist geeignet, den öffentlichen Frieden im Sinne der vorgenannten Norm zu stören. Allerdings konnte dem Angeklagten ein entsprechender Tatvorsatz nicht nachgewiesen werden. Ein solcher hätte vorausgesetzt, dass der Angeklagte, als er die Formulierung „dann laufe ich Amok“ bei „Facebook“ einstellte, es beabsichtigt oder zumindest billigend in Kauf genommen hätte, dass dieser Eintrag einer nicht unerheblichen Personenzahl bekannt wird. Denn es liegt nur dann eine Störung des öffentlichen Friedens i. S. v. § 126 StGB vor, wenn eine allgemeine Beunruhigung der Bevölkerung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, mindestens aber innerhalb einer nicht unerheblichen Personenzahl, eintritt (vgl. zuletzt BGH NStZ-RR 2011, 109). Der Angeklagte hat sich aber unwiderlegt dahin eingelassen, dass er davon ausgegangen ist, der fragliche Facebook-Eintrag werde nur von maximal 40 Personen gelesen, nämlich denjenigen, welche unbeschränkten Zutritt zu seiner Facebook-Seite hätten. Des Weiteren sei er davon ausgegangen, dass sein Eintrag von diesen Personen in dem von ihm tatsächlich beabsichtigten Sinn, nämlich der Aufforderung, ihn mit weiteren Freundschaftsanfragen in Ruhe zu lassen, verstanden und keineswegs an dritte Personen weitergegeben werde. Damit fehlt es aber dem Angeklagten an dem notwendigen Tatvorsatz bezüglich des Tatbestandsmerkmals „Störung des öffentlichen Friedens“.

Also: Antwort ja aber, oder zusammengefasst:

  • Die Ankündigung eines auch nur unbestimmt beschriebenen Amoklaufs in „Facebook“ ist grundsätzlich geeignet, i. S. v. § 126 StGB den öffentlichen Frieden zu stören.
  • Eine Störung des öffentlichen Friedens i. S. v. § 126 StGB liegt nur vor, wenn eine allgemeine Beunruhigung der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland, mindestens aber innerhalb einer nicht unerheblichen Personenzahl, eintritt (Anschluss BGH NStZ-RR 2011, 109).
  • An dem entsprechenden Tatvorsatz fehlt es daher, wenn der Angeklagte davon ausgeht, nur maximal 40 Personen würden seinen Facebook-Eintrag lesen.

 

Der Lynch-Aufruf bei Facebook bringt zwei Wochen Jugendarrest

Verhältnismäßig schnell hat das AG Emden gegen den 18-Jährigen Jugendlichen verhandelt, der im sog. Mordfall Lena über Facebook zur Lynchjustiz aufgerufen hatte (vgl. hier). In der gestrigen Hauptverhandlung ist, wie die Tagespresse heute berichtet, ein Jugendarrest von zwei Wochen verhängt worden.

Nicht als Exempel, sondern als Warnschuss – hat der Jugendrichter begründet. Ist dann aber wohl nicht nur ein Warnschuss für den Betroffenen, sondern auch für (viele) andere. Hoffentlich