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Die Terminsgebühren des Nebenklägervertreters

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Mal wieder ein wenig Gebührenrecht, und zwar in Zusammenhang mit der Nebenklagevertretung. Es handelt sich um ein Verfahren, in dem es bei einem Arzt u.a. um mehrere Körperverletzung mit Todesfolge und fahrlässige Tötungen ging. Einige der hinterbliebenen Angehörigen verstorbener Patienten hatten sich dem Verfahren als Nebenkläger angeschlossen. So -hier  verkürzt – auch der Mandant des Nebenklagebeistandes. Der Nebenklägervertreter nimmt (beim Schwurgericht) an allen Hauptverhandlungsterminen teil, und zwar auch an denen, in denen über Taten verhandelt wird, die seinen Mandanten nicht zum Anschluss als Nebenkläger berechtigt hätten. Gestritten wird dann um die Nebenklagegebühren.

Dazu der OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.04.2012, III-2 Ws 67/12

 1. Nimmt der Nebenklägervertreter in einem Verfahren, in dem mehrere selbständige prozessuale Taten verhandelt werden, die nicht alle zum Anschluss als Nebenkläger berechtigen, an sämtlichen Hauptverhandlungstagen teil, so sind die dadurch entstandenen Terminsgebühren auch hinsichtlich derjenigen Verhandlungstage, an denen das Nebenklagedelikt nicht Gegenstand der Hauptverhandlung war, als notwendige Auslagen erstattungsfähig, wenn die Taten einen inneren Zusammenhang aufweisen, der es nicht ausgeschlossen erscheinen lässt, dass die Interessen des Nebenklägers auch in den ihn nicht unmittelbar betreffenden Verhandlungsabschnitten tangiert werden.

 2. Bei Rahmenterminsgebühren kann die Bestimmung der Mittelgebühr trotz einer unterdurchschnittlichen Dauer der Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht von weniger als einer Stunde noch der Billigkeit entsprechen, wenn der geringe Umfang der anwaltlichen Tätigkeit durch die überdurchschnittliche Relevanz der übrigen Bemessungskriterien des § 14 Abs. 1 RVG kompensiert wird.

 

 

Geringere Geldstrafe bei Hartz IV-Bezug

Auf OLG Hamm, Beschl. v. 02.02.2012 – III 3 RVs 4/12 hatte ich in anderem Zusammenhang schon hingewiesen. Ich greife ihn nun noch einmal auf wegen der Segelanweisung des OLG zur Tagessatzhöhe. Dazu führt das OLG in Übereinstimmung mit einigen anderen OLG aus:

„Bei einkommensschwachen, nahe am Existenzminimum lebenden Personen wirkt sich das Nettoeinkommensprinzip gemäß § 40 Abs. 2 S. 2 StGB systembedingt stärker aus als bei Normalverdienern. Aus Gründen der Angemessenheit kann es geboten sein, diesem Umstand durch Senkung der Tagessatzhöhe Rechnung zu tragen. Übersteigt das Nettoeinkommen des Täters nicht oder nicht wesentlich das Existenzminimum, so kann als Tagessatz auch ein Betrag, der unter dem Dreißigstel des Monatseinkommens liegt, in Betracht kommen (vgl. OLG Hamm NJW 1980, 1534; OLG Köln NJW 1976, 636; OLG Hamburg NStZ 2001, 655). Zudem kann es geboten sein, Zahlungserleichterungen gemäß § 42 StGB anzuordnen (vgl. OLG Hamburg, NStZ 2001, 655; OLG Köln, Beschluss vom 10.06.2011 – 1 RVs 96/11, veröffentlicht bei BeckRS 2011, 18142).“

OLG Köln steht dann hier.

Empfehlung an den Rechtspfleger: Grundkurs in Gebührenfragen…..

Ich habe länger überlegt, ob ich über den AG Pirmasens, Beschl. v. 27. 10. 2011 – 4231 Js 5802/11 1 Ds  – berichten soll oder nicht. Denn es ist ja immer die Frage, ob sich nicht möglicherweise Nachahmer finden, die die falsche Argumentation/Begründung aufgreifen. Aber ich stelle den Beschluss dann jetzt doch ein, und zwar als warnendes Beispiel dafür, wie man es nicht machen soll.

Es geht im Beschluss um die Bemessung der Rahmengebühren nach § 14 RVG. Das AG/die Rechtspflegern macht dazu Ausführungen, die m.E. falsch sind, und zwar nicht nur ein bißchen, sondern richtig :-). Im Beschluss heißt es:

Die Mindestgebühr ist für die Grund- und die Verfahrensgebühr mit 30,– Euro und für die Terminsgebühr mit 60,– Euro normiert. Im Hinblick darauf, dass diese Gebühr nur bei Einfachst-Fällen und einkommenslosen Angeklagten in Frage kommen wird, ist vorliegend eine Erhöhung vorzunehmen. Angemessen erscheint das Doppelte der Mindestgebühr für die Grundgebühr und die Terminsgebühren, da die Verhandlungen von sehr kurzer Dauer waren (35 und 40 Minuten) und besondere Schwierigkeiten nicht ersichtlich sind, der Aktenumfang ist verhältnismäßig gering, die Angelegenheit ist rechtlich einfach gelagert gewesen, die Beschuldigte war nicht an der Tat beteiligt, sie hat jedoch die sie entlastenden Tatsachen erst in der Hauptverhandlung preisgegeben, so dass noch ein weiterer Hauptverhandlungstermin anberaumt werden musste. Da die Beschuldigte davon ausgehen konnte, freigesprochen zu werden, war die Angelegenheit nicht von hoher Bedeutung für die Angeklagte. Die Beschuldigte befand sich noch in Ausbildung, so dass von einem unterdurchschnittlichen Einkommen der Beschuldigten auszugehen ist…“

Was ist daran nun so falsch, wird sich der ein oder andere fragen? Nun, es sind m.E. folgende Punkte:

1. Schon der Ansatz der Gebührenbestimmung ist falsch. Die Rechtspflegerin scheint von der Mindestgebühr als Grundlage auszugehen und zu untersuchen, ob und wie diese zu erhöhen ist. Das widerspricht aber der ganz h.M., die davon ausgeht, dass die Mittelgebühr zugrunde zu legen und dann zu prüfen ist, in wie weit davon nach oben oder nach unten abzuweichen ist (vgl. Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl. 2011, Teil A: Rahmengebühren [§ 14], Rn. 1084 ff. m.w.N. aus der Rspr.). Hätte man diese Grundlage zutreffend angewendet, dann hätten sich m.E. andere, die Tätigkeiten des Rechtsanwalts angemessener honorierende Rahmengebühren ergeben.

2. Falsch ist/war es auch – offenbar bei der gerichtlichen – Verfahrensgebühr darauf abzustellen, dass der Rechtsanwalt „erstmals im ersten Termin aufgetreten“ ist. Und was ist mit den Vorgesprächen, die sicherlich mit der Angeklagten haben geführt werden müssen?. Der Verteidiger ist doch nicht im Termin vom Himmel gefallen.
3. Über diese Bedenken hinaus: Skurril ist die Entscheidung, wenn das AG argumentiert, dass die Sache rechtlich einfach gelagert gewesen sei, (weil) die Beschuldigte nicht an der Tat beteiligt gewesen sei, sie habe jedoch die sie entlastenden Tatsachen erst in der Hauptverhandlung preisgegeben, so dass noch ein weiterer Hauptverhandlungstermin anberaumt werden musste. Da die Beschuldigte davon ausgehen konnte, freigesprochen zu werden, sei die Angelegenheit nicht von hoher Bedeutung für die Angeklagte gewesen. Zunächst: Man hat aufgrund der Formulierungen den Eindruck, dass das AG die frei gesprochen Angeklagte nachträglich gebührenrechtlich dafür „bestrafen“ will, dass sie die sie entlastenden Umstände erst in der Hauptverhandlung „preisgegeben“ hat. Abgesehen davon, dass dem der „Nemo-tenetur-Grundsatz“ entgegensteht, ist das gebührenrechtlich irrelevant. Die Frage kann allenfalls erstattungsrechtlich eine Rolle spielen, hat es aber nicht, da das AG in der Kostengrundentscheidung keine Einschränkung gemacht hat. Noch skurriler ist die Argumentation, die Angelegenheit sei deshalb nicht von hoher Bedeutung gewesen, weil die Angeklagte davon ausgehen konnte, frei gesprochen zu werden. Davon gehen viele Angeklagte aus. Bedeutet das, dass es sich in all den Fällen um eine für sie nicht bedeutende Angelegenheit handelt? Es mag sein, dass sich im Nachhinein in Verfahren herausstellt, dass ein Freispruch auf der Hand lag. Daraus kann man dann aber doch nicht – in einer „Ex-post-Betrachtung“ schließen, dass das Verfahren für die Angeklagten keine hohe Bedeutung hatte.

Meine Empfehlung: Mal einen Grundkurs in Gebührenfragen buchen/belegen.

Mal wieder Strafzumessung – heute im Jugendrecht

 Strafmaß- bzw. Strafzumessungsrevisionen haben m.E. beim BGH eher eine Erfolgschance als gegen den Schuldspruch gerichtete Revisionen. Jedenfalls meine ich, den Schluss aus der veröffentlichten BGH-Rechtsprechung ziehen zu können. Ein Beispiel ist der BGH, Beschl. v. 25.10.2011 – 3 StR 353/11, dem eine Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung zu einer Jugendstrafe von zehn Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist, zugrunde lag. Der BGH beanstandet sowohl die Begründung für die Verhängung einer Jugendstrafe als auch die konkrete Strafzumessung.

Ad 1: „Die Verhängung der Jugendstrafe wegen der Schwere der Schuld hält der Nachprüfung nicht stand. Die Kammer stützt ihre Bewertung maßgeblich darauf, dass der Angeklagte sich an einer schweren Straftat, einem Verbrechen (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB), beteiligt hat und der Strafrahmen nach Erwachsenenstrafrecht sechs Monate bis zu elf Jahren und drei Monaten wäre. Bei der Beurteilung der Schuldschwere im Sinne von § 17 Abs. 2 2. Alt. JGG kommt jedoch dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat und ihrer Einstufung im Strafgesetzbuch als Verbrechen keine selbständige Bedeutung zu. Entscheidend ist vielmehr, inwieweit sich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit sowie die Tatmotivation des Jugendlichen oder Heranwachsenden in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben. Der äußere Unrechtsgehalt der Tat ist nur insofern von Belang, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und die Höhe der Schuld gezogen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2009 – 3 StR 400/09, NStZ 2010, 281 mwN). Diese ermisst sich aus dem Gewicht der Tat und der persönlichkeitsbegründenden Beziehung des Täters zu dieser. Dabei ist bei einer Teilnahme vorrangig auf die Schuld des Teilnehmers abzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. August 2000 – 3 StR 253/00, wistra 2000, 463). ……“

Ad 2:Auch die konkrete Strafzumessung begegnet rechtlichen Bedenken. Die Jugendkammer hat zwar ausgeführt, dass sie sich bei der Bemessung der Höhe der Jugendstrafe vorrangig am Erziehungszweck orientiert habe (§ 18 Abs. 2 JGG). Dies ist aus den Urteilsgründen indes nicht erkennbar. Den für die Frage des Erziehungsbedarfs bedeutsamen Umständen, dass bei dem Angeklagten „zwischenzeitlich ein Umdenken stattgefunden hat“ und „er einer ordentlichen Schulausbildung entgegenstrebt“, hat das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung allein gegenübergestellt, dass gegen ihn Anfang Mai 2008, also rund zweieinhalb Jahre vor Begehung der gegenständlichen Tat und drei Jahre vor dem Erlass des angefochtenen Urteils, wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen ein Freizeitjugendarrest verhängt und vollstreckt wurde. Dies entspricht einer Abwägung wie sie im Erwachsenenstrafrecht maßgeblich ist. .…“

 

Richtiger Ansatz und schön abgewogen – zur Nachahmung empohlen

Liest man m.E. selten(er): Einen schön abgewogenen Beschluss eines AG im Gebührenrecht des straßenverkehrsrechtlichen OWi-Verfahren. Man hat eher bei manchen Beschlüssen den Eindruck, dass es darum geht, die Gebühren – aus welchen Gründen ist nicht ganz klar – niedrig zu halten. Anders der Beschl. des AG Cloppenburg v. 14.06.2011 -25 OWi 785 Js 12168/10 (212/10), den die RSV sicherlich nicht in ihre Textbausteine aufnehmen werden, aber vielleicht die Verteidiger? ;-).

Das AG behandelt drei Fragen bzw. stellt sie in seine Bewertung ein, nämlich:

  1. Darf bei der Bemessung der Wahlanwaltsgebühren im straßenverkehrsrechtlichen OWi-Verfahren  (allein) auf den der Betrag der Geldbuße abgestellt werden?
    Antwort: Zutreffend nein.
  2. Dürfen die Geldbußen in straßenverkehrsrechtlichen OWI-Verfahren mit Geldbußen von über 5.000 € verglichen werden?
    Nein, der Vergleich ist einseitig. Die Geldbußen in anderen Verfahren führen auch nicht zu Eintragungen im VZR.
  3. Kann/darf bei der Grundgebühr darauf abgestellt werden, dass der Verteidiger unmittelbar nach Beginn des Verfahrens vor der Verwaltungsbehörde eingeschaltet wird, weil dann Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit hinsichtlich der Einarbeitung als weit unterdurchschnittlich zu bewerten sein sollen.
    Nein, es gibt keinen Zusammenhang zwischen Umfang und der Schwierigkeit einer Sache und dem Zeitpunkt der Einschaltung des Rechtsanwaltes.

Auch die übrige Argumentation des AG lesenswert. Zu Nachahmung empfohlen.