Ich habe länger überlegt, ob ich über den AG Pirmasens, Beschl. v. 27. 10. 2011 – 4231 Js 5802/11 1 Ds – berichten soll oder nicht. Denn es ist ja immer die Frage, ob sich nicht möglicherweise Nachahmer finden, die die falsche Argumentation/Begründung aufgreifen. Aber ich stelle den Beschluss dann jetzt doch ein, und zwar als warnendes Beispiel dafür, wie man es nicht machen soll.
Es geht im Beschluss um die Bemessung der Rahmengebühren nach § 14 RVG. Das AG/die Rechtspflegern macht dazu Ausführungen, die m.E. falsch sind, und zwar nicht nur ein bißchen, sondern richtig :-). Im Beschluss heißt es:
„Die Mindestgebühr ist für die Grund- und die Verfahrensgebühr mit 30,– Euro und für die Terminsgebühr mit 60,– Euro normiert. Im Hinblick darauf, dass diese Gebühr nur bei Einfachst-Fällen und einkommenslosen Angeklagten in Frage kommen wird, ist vorliegend eine Erhöhung vorzunehmen. Angemessen erscheint das Doppelte der Mindestgebühr für die Grundgebühr und die Terminsgebühren, da die Verhandlungen von sehr kurzer Dauer waren (35 und 40 Minuten) und besondere Schwierigkeiten nicht ersichtlich sind, der Aktenumfang ist verhältnismäßig gering, die Angelegenheit ist rechtlich einfach gelagert gewesen, die Beschuldigte war nicht an der Tat beteiligt, sie hat jedoch die sie entlastenden Tatsachen erst in der Hauptverhandlung preisgegeben, so dass noch ein weiterer Hauptverhandlungstermin anberaumt werden musste. Da die Beschuldigte davon ausgehen konnte, freigesprochen zu werden, war die Angelegenheit nicht von hoher Bedeutung für die Angeklagte. Die Beschuldigte befand sich noch in Ausbildung, so dass von einem unterdurchschnittlichen Einkommen der Beschuldigten auszugehen ist…“
Was ist daran nun so falsch, wird sich der ein oder andere fragen? Nun, es sind m.E. folgende Punkte:
1. Schon der Ansatz der Gebührenbestimmung ist falsch. Die Rechtspflegerin scheint von der Mindestgebühr als Grundlage auszugehen und zu untersuchen, ob und wie diese zu erhöhen ist. Das widerspricht aber der ganz h.M., die davon ausgeht, dass die Mittelgebühr zugrunde zu legen und dann zu prüfen ist, in wie weit davon nach oben oder nach unten abzuweichen ist (vgl. Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl. 2011, Teil A: Rahmengebühren [§ 14], Rn. 1084 ff. m.w.N. aus der Rspr.). Hätte man diese Grundlage zutreffend angewendet, dann hätten sich m.E. andere, die Tätigkeiten des Rechtsanwalts angemessener honorierende Rahmengebühren ergeben.
2. Falsch ist/war es auch – offenbar bei der gerichtlichen – Verfahrensgebühr darauf abzustellen, dass der Rechtsanwalt „erstmals im ersten Termin aufgetreten“ ist. Und was ist mit den Vorgesprächen, die sicherlich mit der Angeklagten haben geführt werden müssen?. Der Verteidiger ist doch nicht im Termin vom Himmel gefallen.
3. Über diese Bedenken hinaus: Skurril ist die Entscheidung, wenn das AG argumentiert, dass die Sache rechtlich einfach gelagert gewesen sei, (weil) die Beschuldigte nicht an der Tat beteiligt gewesen sei, sie habe jedoch die sie entlastenden Tatsachen erst in der Hauptverhandlung preisgegeben, so dass noch ein weiterer Hauptverhandlungstermin anberaumt werden musste. Da die Beschuldigte davon ausgehen konnte, freigesprochen zu werden, sei die Angelegenheit nicht von hoher Bedeutung für die Angeklagte gewesen. Zunächst: Man hat aufgrund der Formulierungen den Eindruck, dass das AG die frei gesprochen Angeklagte nachträglich gebührenrechtlich dafür „bestrafen“ will, dass sie die sie entlastenden Umstände erst in der Hauptverhandlung „preisgegeben“ hat. Abgesehen davon, dass dem der „Nemo-tenetur-Grundsatz“ entgegensteht, ist das gebührenrechtlich irrelevant. Die Frage kann allenfalls erstattungsrechtlich eine Rolle spielen, hat es aber nicht, da das AG in der Kostengrundentscheidung keine Einschränkung gemacht hat. Noch skurriler ist die Argumentation, die Angelegenheit sei deshalb nicht von hoher Bedeutung gewesen, weil die Angeklagte davon ausgehen konnte, frei gesprochen zu werden. Davon gehen viele Angeklagte aus. Bedeutet das, dass es sich in all den Fällen um eine für sie nicht bedeutende Angelegenheit handelt? Es mag sein, dass sich im Nachhinein in Verfahren herausstellt, dass ein Freispruch auf der Hand lag. Daraus kann man dann aber doch nicht – in einer „Ex-post-Betrachtung“ schließen, dass das Verfahren für die Angeklagten keine hohe Bedeutung hatte.
Meine Empfehlung: Mal einen Grundkurs in Gebührenfragen buchen/belegen.