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Erneut Verfassungsbeschwerde gegen Auslieferung erfolgreich

Der Beschwerdeführer, der die deutsche und die griechische Staatsangehörigkeit besitzt, wehrt sich seit dreieinhalb Monaten gegen seine Auslieferung zur Strafverfolgung, um die griechische Behörden auf der Grundlage von mittlerweile drei Europäischen Haftbefehlen ersuchen.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht bereits im vorigen Monat 2009 (vgl. Pressemitteilung Nr. 101/2009 vom 4. September 2009) entschieden hatte, dass die Bewilligung der Auslieferung auf der Grundlage des ersten Europäischen Haftbefehls Grundrechte des Beschwerdeführers verletzt hatte, erklärte das OLG München die Auslieferung wegen des
zweiten Europäischen Haftbefehls erneut für zulässig und ordnete Auslieferungshaft an. Die Generalstaatsanwaltschaft entschied wiederum, die Auslieferung zu bewilligen. Gegen beide Entscheidungen wandte sich der Beschwerdeführer mit seiner zweiten Verfassungsbeschwerde.

Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Bewilligungsentscheidung der Generalstaatsanwaltschaft und den Beschluss des Oberlandesgerichts München wendet, die Auslieferung des Beschwerdeführers zur Strafverfolgung für zulässig zu erklären. Die Entscheidungen wurden aufgehoben und zur erneuten Entscheidung über die Auslieferung an ein anderes Oberlandesgericht zurückverwiesen. Nach wie vor beanstandet die Kammer nicht prinzipiell die Auslieferung eines  deutschen Staatsangehörigen nach Griechenland auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls, stellt aber fest, dass der Auslieferungsbeschluss des Oberlandesgerichts willkürlich das Grundrecht des Beschwerdeführers auf  Auslieferungsschutz verletzt. Der Beschluss unterschreitet die Mindesterfordernisse an Art und Tiefe der Begründung richterlicher Entscheidungen, weil er – wiederum mit Blick auf Verjährungsfragen – wesentliche Rechtsfragen übergeht und den Sachverhalt nicht hinreichend weit aufgeklärt hat.

Quelle: PM 116/09 v. 12.10.2009

OWi-Verfahren: Entbindung vom Erscheinen in der HV – doch alles wie gehabt

Das Beck-Blog berichtet gestern über „einen neuen Trend in der OLG-Rechtsprechung zur Entbindung des Betroffenen von seiner Erscheinenspflicht“. Da habe ich allerdings Zweifel, ob das richtig ist, ob es also diesen „neuen Trend“ gibt. Zumindest lässt er sich m.E. nicht aus den beiden herangezogenen Entscheidungen ableiten. Wenn man die sorgfältig liest, was man immer tun sollte, wird man nämlich feststellen:

  1. 1. OLG Hamm hat in seinem Beschluss vom 03.08.2009 – 3 Ss OWi 348/09 – die Frage gar nicht entscheidungstragend entschieden, sondern die Rechtsbeschwerde wegen nicht ausreichender Begründung aus formellen Gründen verworfen.
    Die Frage des Entbindungsantrags des Betroffenen und der Erforderlichkeit der Entbindung spielt nur in einer „Anmerkung“ eine Rolle – der Senat „merkt an“. Aus der Begründung wird m.E. aber deutlich, dass es vornehmlich darum geht, dass der Entbindungsantrag nicht ausreichend begründet war.
  2. Auch die Entscheidung des OLG Oldenburg v. 23.3.2009 – 2 Ss Bs 51/09 – , über die wir bereits in VRR 2009, 314 berichtet haben, geht in eine andere Richtung. Das OLG verlangt nämlich für eine Entbindung – ebenso wie das OLG Hamm – eine ausreichende Begründung des Antrags, aus der folgt, dass von der Anwesenheit des Betroffenen kein Aufklärungsbeitrag zu erwarten ist. Die lag aber nach Auffassung des OLG nicht vor.
  3. Die Forderung des OLG Oldenburg und auch die des OLG Hamm ist nichts Neues. Das haben die OLG schon immer verlangt. Bezeichnend ist, dass beide auf BayObLG NJW 1999, 2292 verweisen. Aber: Deutlich wird noch einmal, dass der Verteidiger ausreichend vortragen muss. Aber das habe ich auch schon immer gesagt. (vgl. Burhoff VRR 2007, 250). Wer es im Übrigen nachlesen will: Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, (demnächst 6. Aufl., 2009, Rn. 356a ff.).

U-Haft: Teufelskreis?

Jeder Verteidiger in Haftsachen kennt das Problem: Der Mandant wird am Anfang des Verfahrens in U-Haft genommen, dann wird im weiteren Verlauf der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt. Das Problem, das dann entsteht ist: Wie lässt sich für den Fall der Verurteilung eine Invollzugsetzung des Haftbefehls verhindern? Man ist zwar von der Unschuld des Mandanten überzeugt, man merkt aber in der Hauptverhandlung, dass der Wind aus einer anderen Richtung bläst. Also berät und belehrt man den Mandanten, dass er mit einer Verurteilung rechnen muss, obwohl man von der Unschuld überzeugt ist. Der Mandant kommt auch weiterhin zur Hauptverhandlung. Dann wird er verurteilt: 6,5 Jahre und natürlich wird der Haftbefehl wieder in Vollzug gesetzt. Fluchtgefahr wegen der hohen Strafe und der Hinweis darauf, dass das Schreiben an den Mandanten, in dem man auf die Verurteilungsgefahr hingewiesen habe, „keinen Beleg dafür [sei], dass er tatsächlich mit einer Verurteilung und einer solchen Strafe rechnete, wenn dies schon sein Verteidiger bis nach Ende der Beweisaufnahme nicht tat“. Und: „Jedenfalls widerspricht dieses Schreiben „dem gesamten Einlassungs- und Verteidigungsverhalten des Angeklagten und den Darlegungen seines Verteidigers …..“ So ausgeführt im Beschluss des OLG München v. 07.09.2009 – 3 Ws 745/09.

Da fragt man sich, was soll ich eigentlich als Verteidiger noch tun. Weise ich den Mandanten nicht auf die Verurteilungsgefahr hin, wird mir/ihm entgegengehalten, er habe die Verfahrenssituation nicht gekannt, weise ich ihn auf den „stürmischen Wind“ aus der Kammer hin, dann heißt es (verklausuliert): Alles nur vorgeschoben, um argumentieren zu können…

Man nennt so etwas wohl Teufelskreis.