Schlagwort-Archive: Auswirkungen

Strafzumessung: Der Referendar, der Vorbereitungsdienst und das Strafverfahren

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Folgender Sachverhalt im landgerichtlichen Urteil:

Die Angeklagte und zwei Mitangeklagte, im Tatzeitraum sämtlich Studenten, hatten sich Anfang des Jahres 2008 zum Zwecke des künftigen gemeinschaftlichen und arbeitsteiligen Anbaus erheblicher Mengen von Marihuana zusammengeschlossen, um jeweils ihren jährlichen Marihuanabedarf abzudecken. In den Jahren 2008 und 2009 konnten sie mehrere Kilogramm ernten. Sie fileen auf und es wurde ein Strafverfahren eingeleitet, das mit einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe endete. Dagegen legt der Angeklagte Revision ein, mit der er geltend macht, es seien vom LG bei der Strafzumessung  die Auswirkungen der Verurteilung auf sein Berufsleben nicht ausreichend berücksichtigt worden. Das hat der 1. Strafsenat in BGH, Beschl. v. 12.01.2012 – 1 StR 559/11 anders gesehen, und:

Im Übrigen brauchte die Strafkammer hier die in Betracht zu ziehenden Wirkungen der Strafe, die für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB; hierzu z.B. BGH, Beschluss vom 3. November 2009 – 4 StR 445/09 mwN), nicht breiter als geschehen zu erörtern. Hierbei ist – unbeschadet der Frage nach etwaigen Mitteilungs- oder Offenbarungspflichten – auch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte R. seinen Vorbereitungsdienst in Kenntnis des gegen ihn wegen bandenmäßigen wegen bandenmäßigen Anbaus von Betäubungsmitteln geführten Strafverfahrens angetreten hat. Auch deshalb brauchte die Strafkammer in einem Wegfall der Anwärterbezüge oder der in dieser Zeit erworbenen (allenfalls sehr geringen) Versorgungsanwartschaften hier keinen bestimmenden und daher erörterungsbedürftigen Strafzumessungsgrund zu sehen (vgl. auch Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl., Rn. 430 ff. mwN).

Wer sich in Gefahr begibt,…

Entziehung der Fahrerlaubnis – langes Rechtsmittelverfahren

Häufig dauern Rechtsmittelverfahren lange. Fraglich ist, ob das dann Auswirkungen auf die Entziehung der Fahrerlaubnis hat bzw. ob (allein) wegen langen Zeitablaufs von der Entziehung abgesehen werden kann/muss.

Das KG, Urt. v. 01.11.2010 – (3) 1 Ss 317/10 (108/10) weist noch einmal darauf hin, dass das nicht der Fall ist und der bloße Zeitablauf – z.B. während des Berufungs- oder Revisionsverfahrens – ein Absehen von der Maßregel der Entziehung der Fahrerlaubnis nicht rechtfertigt. Es müssen schon weitere besondere Umstände vorliegen.

Allerdings: Übersehen werden darf nicht, dass Verfahren, in denen die Entziehung droht, beschleunigt zu führen sind, so das BVerfG.

Manchmal ist man fassungslos, oder: KG muss Tatrichter an die Auswirkungen des „nemo-tenetur-Grundsatzes“ erinnern

Gestern habe ich mal wieder einen Schwung Entscheidungen vom KG bekommen. Darunter auch eine – Beschl. v. 11.06.2010 – 3 Ws (B) 270/10 – , vor der man im Grunde fassungslos steht. Nicht wegen der Entscheidung des KG, sondern wegen der zugrunde liegenden amtsgerichtlichen Entscheidung. Da führt der Amtsrichter in seinen Urteilsgründen doch allen Ernstes zum prozessualen Verhalten des Betroffenen aus, dass sein

Versuch…, dadurch die Aufklärung des Sachverhaltes zu verhindern oder zumindest zu erschweren, dass er sich zur Sache nicht einließ, … gescheitert ist“.

Das KG dazu:

Seine Berufung auf das Schweigerecht, auf das der Tatrichter ihn zuvor hingewiesen hatte, wird damit als Mittel gewertet, dem etwas Ungehöriges anhaftet, weil es darauf abzielt, die Aufklärung des Sachverhaltes durch das Gericht zumindest zu erschweren. Diese Wertung lässt besorgen, dass der Tatrichter das dem Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare entstammende Recht zu schweigen, das zu den elementaren Wesensmerkmalen eines rechtsstaatlichen Verfahrens gehört, nicht als solches ansieht, sondern als unlauter und seine Tätigkeit unnötig erschwerend begreift. Da er zugleich die Geldbuße gegenüber der ‑ auch bei der höheren Geschwindigkeitsüberschreitung maßgeblichen ‑ Regelbuße des Bußgeldbescheides verdoppelte, liegt die Annahme nahe, dass er hierbei eben dieses prozessuale Verhalten des Betroffenen zu dessen Lasten berücksichtigt hat.“

Ergebnis: Natürlich Aufhebung. Und: Das KG hat die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen; offenbar ging es davon aus, dass bei dem Tatrichter der bloße Hinweis auf den Rechtsfehler mit der Bitte um Beachtung in zukünftigen Fällen nicht ausreichen würde.

Das OLG Koblenz und die Höhe der Geldbuße – im „Altfall“ keine pauschale Verdoppelung wegen Vorsatzes

In seinem Beschl. v 10.03.2010 – 2 SsBs 20/10 – hat das OLG Koblenz jetzt vor kurzem  zu den Auswirkungen einer vorsätzlichen Begehungsweise einer Geschwindigkeitsüberschreitung auf auf die Rechtsfolgen Stellung genommen. Es hat einmal zur Geldbuße darauf hingewiesen, dass die im Bußgeldkatalog vorgesehene Regelgeldbuße nicht wegen vorsätzlicher Begehungsweise pauschal erhöht werden dürfe und es auch bei Anordnung eines Fahrverbots nicht zulässig sei, dessen Regeldauer nach dem Bußgeldkatalog pauschal wegen vorsätzlichen Handelns zu verdoppeln, sondern auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt werden müsse. Grudnsätzlich zutreffend, allerdings darf man hinsichtlich der Ausführungen zum Vorsatz und seinen Auswirkungen auf die Höhe der Geldbuße nicht übersehen, dass die Entscheidung noch einen Fall zum „alten Recht“, also vor den am 1. 2. 2009 vorgenommenen Änderungen im Bußgeldkatalog betraf. Da gab es die vom OLG vermisste „pauschale Regelung“ im Bußgeldkatalog nicht. Jetzt finden wir sie in § 3 Abs. 4a. Dort ist jetzt ein genereller Erhöhungssatz für Geldbuße, die bei Fahrlässigkeit mit 35 € vorgesehen sind, enthalten.

Ganz interessant auch der Hinweis des OLG, dass ein monatliches Nettoeinkommen von (nur) 950 € noch nicht ausreicht, deswegen die Geldbuße wegen schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse zu senken. Der Betroffen kann auf Ratenzahlung verwiesen werden. Auch sonst ist die Entscheidung wegen der bei den Rechtsfolgen zu berücksichtigenden Umstände lesenswert. Ein (kleiner) Fehler hat sich m.E. allerdings eingeschlichen: Das OLG legt bei der Geldbußenbemessung die (neue) Höchstgrenze des § 24 Abs. 2 StVG zugrunde. M.E. hätte es aber – „Altfall“!! – noch auf die milderere Altregelung: Höchstgrenze 1.000 € (§ 17 Abs. Abs. 1, 3 OWiG) abstellen müssen.