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Stundensatz von 300,– €/Stunde – passt….

© fotomek - Fotolia.com

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Obergerichtliche Entscheidungen, die sich mit dem angemessenen Stundensatz in einer Vergütungsvereinbarung befassen, sind nicht so häufig. Daher bin ich immer froh, wenn ich auf eine Entscheidung stoße, die dazu etwas sagt und mit der ich dann meine Sammlung und/oder den RVG-Kommentar vervollständigen kann. So das OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.08.2014 – 2 U 2/14, das sich nicht nur zur Höhe des Stundensatz verhält, sondern daneben auch noch Formfragen betreffend das Textformerfordernis des § 3a Abs. 1 Satz 1 RVG behandelt. Dazu geht das OLG davon aus, dass dieses einerseits eine Schutz- und Warnfunktion für den Mandanten hate. Andererseits soll es aber dem Rechtsanwalt erleichtern, den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung nachzuweisen. Diese Funktionen kann die Vergütungsvereinbarung daher nur dann erfüllen, wenn sie ausreichend bestimmt ist. Und das bedeutet: Bei einer Vergütungsvereinbarung muss eindeutig feststehen, für welche Tätigkeiten der Auftraggeber eine höhere als die gesetzliche Vergütung zahlen soll. Eine pauschale Bezeichnung der anwaltlichen Tätigkeit lässt nach Auffassung des OLG nicht den Schluss zu, dass die Vergütungsvereinbarung ohne jede zeitliche Beschränkung auch für alle zukünftigen Mandate gelten soll. Mit den Überlegungen begründet das OLG die (teilweise) Unwirksamkeit einer Vergütungsvereinbarung und verurteilt zur Rückzahlung.

Wegen eines anderen Teils hatte die Rückzahlungsklage des Mandanten hingegen keinen Erfolg. Das geht das OLG von einer wirksamen Vergeütungsvereinabrung aus und segnet den Stundensatz von 300,– € ab:

c) Der von der Beklagten geforderte Stundensatz von 300,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer ist nicht unangemessen hoch und folglich nicht gemäß § 3 a Abs. 2 RVG herabzusetzen.

Die Klägerin weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die gesetzliche Gebühren um das 8-fache überschritten würden. Der in einer vertraglichen Vereinbarung zum Ausdruck gebrachte übereinstimmende Wille der Vertragsparteien lässt im Grundsatz auf einen sachgerechten Interessenausgleich schließen, der grundsätzlich zu respektieren ist. Ein solchermaßen sachgerechter Interessenausgleich bedarf weder aus Gründen des Mandantenschutzes noch zur Wahrung des Vertrauens in die Integrität der Anwaltschaft der Abänderung. Die Überschreitung der gesetzlichen Gebühren um einen bestimmten Faktor ist zur Bestimmung der Unangemessenheit zwar nicht schlechthin ungeeignet, darf aber, um den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne zu wahren, nicht allein maßgeblich sein (BVerfG NJW-RR 2010, 259 ff.).

Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Frage der Unangemessenheit unter dem allgemeinen Gesichtspunkt des § 242 BGB zu beurteilen, also danach, ob sich das Festhalten an der getroffenen Vereinbarung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls als unzumutbar und als ein unerträgliches Ergebnis darstellt. Der Richter ist jedoch nicht befugt, die vertraglich ausbedungene Leistung durch die billige oder angemessene zu ersetzen. Folglich ist nicht darauf abzustellen, welches Honorar im gegebenen Fall als angemessen zu erachten ist, sondern darauf, ob die zwischen den Parteien getroffene Honorarvereinbarung nach Sachlage als unangemessen hoch einzustufen ist. Für eine Herabsetzung ist nur Raum, wenn es unter Berücksichtigung aller Umstände unerträglich und mit den Grundsätzen des § 242 BGB unvereinbar wäre, den Mandanten an seinem Honorarversprechen festzuhalten, und ein krasses, evidentes Missverhältnis zwischen der anwaltlichen Leistung und ihrer Vergütung gegeben wäre (BGH, Urteil vom 21.10.2010, NJW 2011, 63 ff. Tz. 15). Das Landgericht hat diesen Beurteilungsmaßstab nicht verkannt und zutreffend ausgeführt, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung als zu berücksichtigende Umstände die Schwierigkeit und der Umfang der Sache, ihre Bedeutung für den Auftraggeber und das Ziel, das der Auftraggeber mit dem Auftrag anstrebt, in Betracht kommen.

Bei der Beklagten handelt es sich um eine sowohl in K. als auch in F. ansässige Anwaltskanzlei, die international tätig ist und Zweigstellen u.a. in I. und der S. unterhält. Die sach- und interessengerechte Wahrnehmung des Mandats erforderte nicht nur Kenntnisse des deutschen, sondern auch des italienischen Familienrechts sowie fundierte Kenntnisse des Internationalen Privatrechts. Unzweifelhaft handelte es sich auch um Angelegenheiten, die für die Klägerin von hoher Bedeutung waren.

Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang auch die relativ niedrigen Streitwerte in Familiensachen. Der BGH sieht beispielsweise bei mittleren Streitwerten die Grenze zur Sittenwidrigkeit erst bei einem 9 bis 10-fachen der gesetzlichen Gebühren als überschritten an (BGH NJW 2003, 3486). In Familiensachen sind die Verfahrenswerte aus sozialpolitischen Gründen relativ gering; den Beteiligten soll gerade in den für sie besonders wichtigen familienrechtlichen Angelegenheiten der Zugang zu den Gerichten nicht erschwert werden. Der Verfahrenswert in Sorgerechtsverfahren beläuft sich auf 3.000,00 EUR; bedenkt man, dass allein die mündliche Verhandlung in einem Sorgerechtsverfahren mehrere Stunden dauern kann, kann mit den gesetzlichen Gebühren keine Kostendeckung erzielt werden. Anwälte sind daher häufig auf eine „Quersubventionierung“ angewiesen.“

Die Entscheidung ist zwar zu einem familienrechtlichen Mandat ergangen, man wird die Argumentation aber auf Strafverfahren übertragen können – zum Teil liegen die Stundensätze da eh schon höher….

Zweimal Erstberatung

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Zweimal Erstberatung? Geht da? Ja sicher, denn damit ist nicht gemeint, dass der Rechtsanwalt ggf. zweimal erstberaten hat, sondern damit sind zwei Entscheidungen zur Erstberatungsgebühr (§ 34 RVG) gemeint, die ich heute vorstellen möchte, und zwar:

„Der Rechtsanwalt hat grundsätzlich keine Pflicht, den Mandanten vor Beginn der Beratung auf deren Entgeltlichkeit und die Höhe der Vergütung hinzuweisen.“

„Eine anwaltliche Gebührenbestimmung für die gegenüber einem Verbraucher entstandene Vergütungsansprüche einer Erstberatung entspricht nicht der Billigkeit, wenn sie rein zeitabhängig und ohne Berücksichtigung des Gegenstandswerts erfolgt.“

Ganz lesenswert für denjenigen, der nach § 34 RVG abrechnen muss

 

 

 

 

Gebühren im Bußgeldverfahren: Grds. immer Mittelgebühr angemessen…- sag ich doch

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Ich hatte vor einigen Tagen über den LG Potsdam, Beschl. v. 15.08.2013 – 24 Qs 77/13 berichtet (vgl. hier: Gibt es für eine Hauptverhandlungsdauer von 11 bzw. 8 Minuten die Mittelgebühr?). Dazu passt ganz gut das AG Saarlouis, Urt. v. 26.04.2013 – 27 C 215/13 (13), das mir der Kollege, der es erstritten hat, übersandt hat. Auch da geht es um die Frage der grundsätzlichen Angemessenheit der Mittelgebühr im Bußgeldverfahren. Das AG ist der (zutreffenden) Auffassung, dass die Ansicht in der Rechtsprechung, wonach Verkehrsordnungswidrigkeiten wegen der regelmäßig relativ geringen Geldbußen, der mäßigen Bedeutung für den Betroffenen, dem allgemein geringen Umfang und ihrer Schwierigkeit generell in der unteren Skala aller Bußgeldverfahren einzustufen seien und daher eine Gebühr unterhalb der Mittelgebühr als angemessen festzusetzen sei, seit Einführung des RVG überholt ist.

Sag ich doch schon die ganze Zeit :-). Und: Es scheint sich dann doch ein Trend in diese Richtung zu verfestigen.

Strafzumessung I: Fehler ja, aber Ausgang wie beim „Horneberger Schießen“.

Strafzumesssungsfragen spielen in der Rechtsprechung des BGH m.E. eine verhältnismäßig große Rolle. Immer wieder beanstandet der BGG die Strafzumessungserwägungen der LG. So im BGH, Beschl. v. 03.05.2013 – 1 StR 66/13. Im dem Verfahren ging es um die Verurteilung des Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs. Da hatte der Angeklagte

„zu Recht beanstandet, dass das Landgericht zum Nachteil des Angeklagten „- wenn auch nur eingeschränkt – straferschwerend berücksichtigt“ hat, „dass der Angeklagte in einem weiteren Fall mit R. P. den vaginalen Geschlechtsverkehr kurz nach ihrem 14. Geburtstag vollzogen hat, auch wenn insoweit zu seinen Gunsten davon ausgegangen wurde, dass er dabei keinen Straftatbestand erfüllt hat.“ Die Strafkammer hat damit ein etwa fünf Jahre nach der abgeurteilten Tat liegendes Verhalten des Angeklagten strafschärfend herangezogen, obgleich sie die-ses Verhalten gleichzeitig als nicht strafbar beurteilt hat. Ein nach der Straftat liegendes Verhalten des Angeklagten darf aber in der Regel nur dann berücksichtigt werden, wenn es Schlüsse auf den Unrechtsgehalt der Tat zulässt oder Einblick in die innere Einstellung des Täters zu seiner Tat gewährt (BGH, Urteil vom 24. Juli 1985 – 3 StR 127/85, NStZ 1985, 545). Solches liegt bei einem Verhalten, welches Jahre nach der abgeurteilten Tat liegt, nicht ohne Weiteres vor und ist vorliegend auch nicht ersichtlich.“

Gebracht hat der Fehler dem Angeklagten aber nichts, denn die Strafzumessung des LG war nach Auffassung des BGH  trotz dieses Strafzumessungsfehlers angemessen i.S. § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO. Wie war das noch mit dem Horneberger Schießen?

„Spürbares Abweichen von der Mittelgebühr nach oben“..

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Am Sonntag dann mal ein wenig Gebührenrecht mit dem Hinweis auf den in meinen Augen positiven AG Grimma, Beschl. v. 18.07.2012 – 9 OWi 14/11, der sich mit der Gebührenhöhe im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren befasst. Das AG Grimma geht – m.E. zutreffend – davon aus, dass in Verfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten grundsätzlich die die Mittelgebühr angemessen ist, sie also Ausgangspunkt der Gebührenbemessung ist.  Und dann:

Ausgehend hiervor rechtfertigen Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie die Bedeutung der Angelegenheit für den Betroffenen hier den Ansatz einer maßvoll über der Mittelgebühr liegenden Gebühr von 100,00 EUR ( bei Nr. 5100 VV RVG) bzw. 160,00 EUR (bei Nr. 5103 VV RVG). Die sich stellenden Fragen zur Verwertbarkeit der Messung, der zu ihrer Klärung zu betreibende Aufwand, die Höhe der Geldbuße in Verbindung mit dem drohenden Fahrverbot sowie die Konsequenz der Bewertung der Tat mit 4 Punkten bei bestehenden erheblichen Voreintragungen im Verkehrszentralregister wichen vom Durchschnittsfall spürbar nach oben ab.