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Einstellung des OWi-Verfahrens aus „Beweisnot“, oder: Staatskasse trägt im Zweifel die notwendigen Auslagen

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Und als zweite Entscheidung dann einen „kleinen“, aber feinen Beschluss des AG Montabaur zur Auslagenerstattung im Bußgeldverfahren nach Einstellung des Verfahrens. Das AG hat im AG Montabaur, Beschl. v. 18.11.2022 – 12 OWi 2085 Js 54041/22 – auch die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Staatskasse auferlegt:

„Mit Bußgeldbescheid vom 13.06.2022 setzte die Zentrale Bußgeldstelle gegen die Betroffene wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit vom 28.02.2022 eine Geldbuße von 60,00 EUR fest. Der Bußgeldbescheid wurde der Betroffenen am 18.06.2022 zugestellt. Mit Schreiben vom 21.06.2022, bei der Zentralen Bußgeldstelle am selben Tag eingegangen, legte die Verteidigerin der Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid vom 13.06.2022 Einspruch ein.

Nach Akteneinsicht teilte die Verteidigerin am 12.07.2022 mit, die Betroffene sei das Fahrzeug zur Tatzeit nicht gefahren. Bei der Fahrerin handele es sich um eine Mandantin des Zeugen, der selber Rechtsanwalt sei – mit welcher dieser am Tattag einen Gerichtstermin in wahrgenommen habe. Der Zeuge Herr pp. sei aus rechtlichen Gründen daran gehindert, die Personalien seiner Mandantin mitzuteilen.

In der Folge zog die Zentrale Bußgeldstelle verschiedene Vergleichsbilder zu der Akte bei und führte am 18.07.2022 ein Ermittlungsersuchen über die Polizeiwache pp. durch. Die Kreispolizeibehörde Mettmann teilte der Zentralen Bußgeldstelle am 04.08.2022 mit, die Betroffene habe nach Belehrung am 03.08.2022 angegeben, nicht die auf dem Beweisfoto abgebildeten Person zu sein. Aufgrund der Qualität des Beweisfotos habe der Unterzeichner keine eindeutigen Ähnlichkeiten feststellen können. Auch gegenüber dem die Ermittlungen durchführenden Polizeihauptkommissar teilte der Zeuge Herr pp. mit, es habe sich bei der Fahrerin um eine Mandantin gehandelt. Er berief sich auch gegenüber dem Polizeibeamten auf seine anwaltliche Schweigepflicht.

Nach Prüfung im Zwischenverfahren erhielt die Zentrale Bußgeldstelle Ihren Bußgeldbescheid aufrecht und gab den Einspruch gemäß § 69 OWiG am 25.08.2022 an die Staatsanwaltschaft Koblenz ab.

In einem Telefonat mit der Staatsanwaltschaft Koblenz am 05.09.2022 wiederholte die Verteidigerin der Betroffenen ihre Ausführungen aus der Einspruchsbegründung. Nachdem die Verteidigerin der Betroffenen zwei Profilbilder der Betroffenen an die Staatsanwaltschaft Koblenz übermittelt hatte, sendete diese die Akte an die Zentrale Bußgeldstelle mit der Bitte, erneut zu prüfen, ob es sich bei der Fahrerin tatsächlich um die Betroffene handele. Die Qualität des Beweisfotos sei nicht gut. Die Staatsanwaltschaft fragte zudem, ob die Zentrale Bußgeldstelle den Bußgeldbescheid zurücknehme. Mit Schreiben vom 04.10.2022 teilte die Zentrale Bußgeldstelle der Staatsanwaltschaft Koblenz mit, dass der Bußgeldbescheid vom 13.06.2022 zurückgenommen werde, sofern das Verfahren nicht seitens der Staatsanwaltschaft eingestellt werde.

Mit Verfügung vom 19.10.2022 hat die Staatsanwaltschaft Koblenz das Verfahren gemäß § 47 Abs. 1 S. 2 OWiG eingestellt, da ausreichende Beweise nicht vorhanden waren. Es wurde dabei davon abgesehen, die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, gemäß § 108a Abs. 1 OWiG, §§ 467a Abs. 1, 467 Abs. 4 StPO. Eine Begründung der Entscheidung hinsichtlich der notwendigen Auslagen der Betroffenen enthält die Verfügung nicht.

Mit Schreiben vom 25.10.2022 hat die Verteidigerin der Betroffenen gegen die Kostenentscheidung der Staatsanwaltschaft Koblenz gerichtliche Entscheidung beantragt. Sie hat zudem beantragt, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Verfahrens aufzuerlegen. Das Schreiben vorn 25.10.2022 ging am selben Tag per beA bei der Staatsanwaltschaft Koblenz ein.

II…..

1. Der zulässige Antrag ist begründet.

Gemäß § 108a Abs. 1 OWIG trifft die Staatsanwaltschaft die Entscheidungen nach § 467a Abs. 1 StPO, wenn sie das Verfahren nach Einspruch einstellt, bevor sie die Akten dem Gericht vorlegt.

Dabei gilt nach § 467a Abs. 1 S. 2 StPO der § 467 Abs. 4 StPO sinngemäß, sodass bei einer Einstellung nach einer Vorschrift, die die Einstellung nach Ermessen zulässt, davon abgesehen werden kann, die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen.

Die Staatsanwaltschaft hat hier das Verfahren nach § 47 Abs. 1 S. 2 OWiG eingestellt, bevor sie die Akten dem Gericht vorgelegt hat. Diese Vorschrift räumt ihr hinsichtlich der Einstellung ein Ermessen ein.

Die demnach grundsätzlich gemäß bestehende § 467 Abs. 4 StPO bestehende Möglichkeit, von der Auferlegung der notwendigen Auslagen der Betroffenen zulasten der Staatskasse abzusehen, erfordert wiederum selbst eine Ermessensausübung.

Eine solche lässt sich der Einstellungsverfügung nicht entnehmen. Zudem muss es bei der Grundregel des § 467 Abs. 1 StPO verbleiben, wenn Zweifel an der vollständigen Tatbestandsverwirklichung oder ihrer Nachweisbarkeit bleiben; für eine Freistellung der Staatskasse ist dann kein Raum mehr (KK-StP0/Gieg, 8. Aufl. 2019, StPO § 467 Rn. 11, mit Hinweis auf BVerfG [3. Kammer des 2. Senats] Beschl. v. 16.8.2013 — 2 BvR 864/12 = NJW 2013, 3569 = DAR 2014, 176 = NZV 2014, 95 und OLG Bamberg NZV 2009, 249).

Zwar kann (und wird in der Regel) die Bereitschaft zur Übernahme der eigenen Auslagen des Betroffenen die Anwendung der Ausnahmeregel des § 467 Abs. 4 StPO rechtfertigen (Seitz/Bauer in: Göhler, OWiG, 17. Auflage 2017, § 47 Rn. 51). Eine solche Bereitschaft wurde von der Betroffenen aber nicht signalisiert.“

Pflichti I: Der betrunkene Ausländer, oder: Aufklärung der polizeilichen Maßnahmen

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Heute dann mal wieder ein (Teil)Thementag. Thema: Pflichtverteidigung, und dazu vorab noch einmal. Ich danke herzlich für alle Entscheidungen, die mir zugesandt werden, nur: Ich kann sie nicht immer alle sofort hier bringen. Daher kann es manchmal etwas dauern, bis sie einem größeren Publikum vorgestellt werden.

Ich eröffne dann mit dem AG Montabaur, Beschl. v. 12.03.2018 – 12 Ds 2020 Js 51899/17, den mir der Kollege T. Scheffler, Bad Kreuznach, zugesandt hat. Ergangen ist er in einem Verfahren wegen einer Trunkenheitsfahrt. Der Mandant ist Ausländer und der deutschen Sprache nicht mächtig. Das AG ordnet den Kollegen bei:

Einer Pflichtverteidigung im Sinne des S 140 Abs. 2 StPO bedarf es zwar nicht, wenn die Behinderung in der Verteidigung des Angeklagten allein auf sprachlichen Defiziten beruht und diese bei in tatsächlich und rechtlich einfach gelagerten Fällen durch die Beiordnung eines -für den Angeklagten unentgeltlichen ( § 187 GVG) – Dolmetschers vollständig ausgeglichen werden kann.

Die Verteidigung hat allerdings nachvollziehbar weitergehende Umstände angeführt, die den Angeklagten bei unzureichenden Sprachkenntnissen in seiner Verteidigungsfähigkeit behindern und durch einen Dolmetscher nicht völlig ausgeglichen werden können (Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 60. Auflage, § 140 Rn. 30a m. w. N.). So sind die anfänglichen polizeilichen Ermittlungsmaßnahmen auch unter Würdigung der Sprachdefizite des Angeklagten schon dort ggf. wegen Alkoholeinfluss des Angeklagten mit weiteren zu berücksichtigenden Erwägungen – in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu hinterfragen. Eine sachgerechte Verteidigung des Angeklagten allein durch die gerichtliche Hinzuziehung eines Dolmetschers ist dabei nicht sicher gewährleistet. Dem Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger war stattzugeben.“

14 Monate nach der Tat: Weitere „vorläufige“ Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mehr vertretbar

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Dauern die Verfahren, in denen dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen worden ist (§ 111a StPO (zu) lange, stellt sich die Frage der Fortbestands der vorläufigen Maßnahme.

Der „richtige Weg“, gegen die Maßnahme vorzugehen, ist m.E. der Aufhebungsantrag – nach § 111a Abs. 2 StPO ist die Maßnahme aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Den Weg ist der Kollege, der mir AG Montabaur, Beschl. v. 24.02.2012 – 2020 Js 12711/11 42 Cs übersandt hatte, gegangen. Und er hatte Erfolg.

Das AG hat nach 14 Monaten die weitere vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis – unter Berücksichtigung der übrigen Umstände des Einzelfalls – die weitere Fortdauer der Maßnahme als nicht mehr vertretbar angesehen. Dabei hat es darauf abgestellt,

„dass der Angeklagte keinerlei Vorstrafen aufzuweisen hat, zwischenzeitlich nicht straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getreten ist und ein erheblicher Zeitraum nach der vorläufigen Ent­ziehung durch die Einholung und Erstellung eines von der Staatsanwaltschaft beantragten Sach­verständigengutachtens verstrichen ist.“

Und: Nach Auffassung des AG kommt es nicht darauf an, ob die eingetretenen Verfahrensverzögerungen allein auf einem Verschulden der Justiz beruhen. Welche Umstände sonst eine Rolle gespielt haben, sagt der Beschluss nicht. 🙂

LG Stuttgart macht die Sanktionsschere zu

Im Oktober hatte ich unter dem Titel „Eine neue Sanktionsschere öffnet sich, oder?“ über eine Entscheidung des AG Montabaur v. 01.09.2010 – 2040 Js 30257/10 42 Cs berichtet, in der dieses einen bedingten Antrag auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO im Strafbefehlsverfahren als unzulässig angesehen hat. Der Antrag auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO könne im Strafbefehlsverfahren nicht unter der Bedingung gestellt werden, dass der Beschuldigte keinen Einspruch gegen den Strafbefehl einlege.

Es ist ein Gebot wissenschaftlicher Fairness nun darüber zu berichten, dass das LG Stuttgart, Beschl. v. 17.03.2011 – 18 Qs 22/11 dies genau anders sieht. M.E. nicht zutreffend, aber immerhin eine „a.A.“. Vielleicht gibt es ja demnächst mal ein OLG, das sich mit der Frage auseinander setzen muss. Dürfte allerdings schwer sein/werden, dort hin zu kommen.

Eine neue Sanktionsschere öffnet sich, oder?

Ein neuer Fall der „Sanktionsschere“? habe ich mich gefragt, als ich den Beschl. des AG Montabaur in 2040 Js 30257/10 42 Cs gelesen habe. Davon muss man m.E. nämlich ausgehen, wenn man – wie dort die StA – die Frage des Einspruchs gegen den Strafbefehl mit der Frage der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO verknüpft und für den Fall des Einspruchs gegen den Strafbefehl einen Antrag auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis stellt.

Zum Glück hat dem das AG einen Riegel vorgeschoben und die Vorgehensweise zu Recht als unzulässig angesehen, weil der Antrag nach § 111a StPO eine Prozesshandlung ist und die i.d.R. nicht bedingte vorgenommen werden kann. Allerdings hat das AG zu erkennen gegeben, dass sich der Angeklagte als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen haben dürfte, sofern der im Strafbefehl geschildert Sachverhalt zur Überzeugung des Gerichts – nach durchge­führter Beweisaufnahme – feststehen sollte. Damit wäre dann der zutreffende Weg eröffnet, unbedingt die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO zu beantragen.