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Ablehnung III – „Absetzen des Urteils während des Verteidigerplädoyers? – „Was unterstellen Sie mir?“

Eine Entscheidung habe ich dann noch im Nachgang zu den beiden Postings von gestern, siehe Ablehnung I: Vortätigkeit des Richters – sag mir die Umstände… und Ablehnung II: Befangenheit wegen/nach Abtrennung von Verfahren – Vortätigkeit? Also:

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Leben/Bewegung war offenbar am Ende in einer Hauptverhandlung, die im Mai beim AG Leipzig stattgefunden hat. Die Hauptverhandlung was bis zum Plädoyer des Verteidigers fortgeschritten, der Verteidiger hat sein Plädoyer dann aber unterbrochen und die Angeklagte hat den Amtsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Ablehnungsgesuch stützt sich insbesondere darauf, dass der Richter bereits während des Schlussvortrages des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft durch das Verdrehen seiner Augen seinen Unmut über den beantragten Teilfreispruch wegen des Tatvorwurfs des Betruges zum Nachteil eines Geschädigten B.L. geäußert habe.  zudem sei während des Schlussvortrages des Verteidigers der Richter ausschließlich mit der Niederschrift auf einem aus Sicht des Verteidigers vorgefertigten Formular beschäftigt gewesen. Diese Unterlage sei anders, als die in der Hauptverhandlung benutzten gelben Mitschriftenunterlagen schwarz/weiß und zumindest aus Sicht der Verteidigung vorgefertigt, wobei der Richter diese Unterlage während des Schreibens durch die bisherigen gelben Mitschriftenzettel verdeckt habe.

Nachdem der Verteidiger die Unaufmerksamkeit des Richters für den Schlussvortrag der Verteidigung bemerkt hatte, hatte er den Schlussvortrag unterbrochen und den Richter gefragt, ob er gerade die Urteilsformel absetze und das Schlusswort der Angeklagten ihn nicht mehr interessieren würde. Für die Angeklagte würde das Niederschreiben der Urteilsformel während des Plädoyers den Eindruck erwecken, dass sich der Richter bereits endgültig entschieden habe und nicht mehr bereit sei, sich die weiteren Argumente der Verteidigung anzuhören und diese bei der Beratung zu berücksichtigen.  Der Richter habe mit der Bemerkung „Was unterstellen Sie mir?“ reagiert.

Nun, das Ablehnungsgesuch hatte keinen Erfolg – fast hätte ich geschrieben: „Natürlich“ oder „wie nicht anders zu erwarten“. Der AG Leipzig, Beschl. v. 29.05.2013 – 201 Ds 812 Js 57702/11 – lehnt den Antrag ab:

„3. Nach der vorzunehmenden Gesamtschau hat die Angeklagte aus dem Inbegriff der Aktenlage bei verständiger Würdigung des ihr bekannten Sachverhaltes keinen Grund zu der Annahme, dass der abgelehnte Richter ihr gegenüber eine innere Haltung einnehme, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann.

Dabei kommt es zwar auf den Standpunkt des Ablehnenden an, nicht aber nicht auf seinen (möglicherweise einseitigen) subjektiven Eindruck und auf seine unzutreffenden Vorstellungen vom Sachverhalt (BGH MDR 55, 270). Maßgebend sind vielmehr der Standpunkt eines vernünftigen Angeklagten und die Vorstellungen, die sich ein bei voller Vernunft befindlicher Prozessbeteiligter bei der ihm zumutbaren ruhigen Prüfung des Sachverhaltes machen kann (Meyer-Goßner, a.a.O., Rdn. 8 zu § 24 m.w.N.).

Soweit die Angeklagte eine Befangenheit des Richters sieht, weil dieser während des Schlussvortrages des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft seinen Unmut über den beantragten Teilfreispruch durch das Verdrehen der Augen kundgetan habe, hat der abgelehnt Richter in seiner dienstlichen Erklärung angegeben, dass er sich an ein solches Verhalten nicht erinnern könne. Möglicherweise sei seiner unbewussten Mimik allenfalls eine Überraschung über den von dem Rechtsreferendar beantragten Teilfreispruch zu entnehmen gewesen.

Dass der abgelehnte Richter sich bereits während des Schlussvortrages des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft in seiner Entscheidung gebunden hätte, wird durch seine weitere Erklärung nicht bestätigt. Vielmehr hat der Richter auf die Frage des Verteidigers, ob er sich bereits endgültig entschieden habe und nicht mehr bereit sei, sich die weiteren Argumente der Verteidigung anzuhören und diese bei der Beratung zu berücksichtigen, mit der Bemerkung „Was unterstellen Sie mir?“ reagiert.

Der abgelehnte Richter hat in seiner dienstlichen Erklärung angegeben, dass er sich Notizen über die Anträge der Beteiligten und ihrer Begründungen hierzu gemacht und dabei gleichzeitig sein Urteil durch das Gegenüberstellen der Argumente vorbereitet habe. Dies wird in der Richterschaft unterschiedlich gehandhabt, ist jedoch nach der Kommentierung und der Rechtsprechung größtenteils nicht zu beanstanden und kann auch aus Sicht eines vernünftigen Angeklagten nicht zur Ablehnung des Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit führen.

Dass der abgelehnte Richter tatsächlich mit der Urteilsabsetzung während des Schlussvortrages des Verteidigers begonnen hat, ergibt sich in der Gesamtschau nicht. Der abgelehnte Richter hat glaubhaft versichert, dass er sich während der Schlussvorträge Notizen gemacht und die Argumente der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung gegenüber gestellt und verglichen habe, um sich auf die Urteilsfindung vorzubereiten. In diesen Kontext passt auch, dass der abgelehnte Richter den Verteidiger, von diesem auf die Mitschriften angesprochen, gefragt hat, was dieser ihm unterstelle.

Dem steht auch nicht entgegen, dass der abgelehnte Richter ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls in der Hauptverhandlung die Kommentierung zu § 260 StPO bekanntgegeben hat.

Danach kann der Strafrichter (Einzelrichter) das Urteil im Sitzungssaal entwerfen, auch während der Schlussvorträge und ohne, dass er äußerlich zu erkennen geben muss, dass er „mit sich zu Rate gegangen“ ist (BGH 11, 74, 79; Köln NStZ 05, 710).

Die von dem Verteidiger hierzu zitierte Rechtsprechung, so BayOLG 72, 217 = VRS 44, 206, der sich das Gericht hier im Übrigen nach eigener Prüfung anschließt, hat insofern unberücksichtigt zu bleiben, weil nach Auffassung des Gerichtes nicht festgestellt werden konnte, dass der abgelehnte Richter tatsächlich mit der Urteilsabsetzung während des Schlussvortrages des Verteidigers begonnen hat.“

Na ja, ist, wie man sieht, nicht einfach mit der Glaubhaftmachung in diesen Fällen. Da steht dann nun mal „Aussage gegen Aussage“, allerdings: Der Anschein ist entstanden und entsteht schnell, auch wenn es wirklich nur Notizen sind.

Ablehnung II: Befangenheit wegen/nach Abtrennung von Verfahren – Vortätigkeit?

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Beim LG Dresden ist/war ein umfangreiches Strafverfahren mit mehreren Angeklagten anhängig. In dem Verfahren wird das Verfahren gegen einen der Mitangeklagten abgetrennt.  Das nimmt ein Teil der im Ursprungsverfahren verbliebenen Angeklagten zum Anlass, das Gericht wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Begründung:   Die abgelehnten Richter hätten sich durch die abschließende Entscheidung in einem abgetrennten Verfahren zwangsläufig eine Meinung über die Täterschaft der verbliebenen Angeklagten gebildet. Ohne Erfolg. Dazu im LG Dresden, Beschl. v. 18.07.2013 – 5 KLs 109 Js 14491/11:

„Eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vortätigkeit eines erkennenden Richters ist, soweit sie nicht den Tatbestand eines Ausschlussgrundes gemäß § 23 StPO erfüllt, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes regelmäßig nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit des Richters i.S.v. § 24 Abs. 2 StPO zu begründen, wenn nicht besondere Umstände hinzukommen, die diese Besorgnis rechtfertigen (vgl. BGH NStZ 2012, 519 m.w.N.). Das betrifft nicht nur die Vorbefassung mit Zwischenentscheidungen im selben Verfahren, insbesondere etwa die Mitwirkung am Eröffnungsbeschluss oder an Haftentscheidungen, sondern auch die Mitwirkung eines erkennenden Richters in Verfahren gegen andere Beteiligte derselben Tat. Nach diesen Kriterien grundsätzlich unbedenklich ist auch die Mitwirkung an einem Urteil über dieselbe Tat gegen einen anderen Beteiligten in einem abgetrennten Verfahren. Dies gilt auch dann, wenn Verfahren gegen einzelne Angeklagte zur Verfahrensbeschleunigung abgetrennt werden und in dem abgetrennten Verfahren ein Schuldspruch wegen einer Tat ergeht, zu der sich das Gericht im Ursprungsverfahren gegen den oder die früheren Angeklagten später ebenfalls noch eine Überzeugung zu bilden hat (vgl. BGH a.a.O., m.w.N.).

Anders verhält es sich lediglich beim Hinzutreten besonderer Umstände, die über die Tatsache bloßer Vorbefassung als solcher und die damit notwendig verbundenen inhaltlichen Äußerungen hinausgehen. Dies wird etwa angenommen, wenn Äußerungen in früheren Urteilen unnötige und sachlich unbegründete Werturteile über einen der jetzigen Angeklagten enthalten oder wenn ein Richter sich bei seiner Vorentscheidung in sonst unsachlicher Weise zum Nachteil des Angeklagten geäußert hat (BGH a.a.O., m.w.N.).

Besondere Umstände dieser Art sind hier weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die im Rahmen der Ablehnungsgesuche vorgetragenen Gesichtspunkte stellen ebenfalls keine besonderen Umstände i.S.d. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dar, die die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter zu rechtfertigen geeignet wären.

a) Die im Rahmen der Ablehnungsgesuche angesprochene Befürchtung der Ablehnenden, die abgelehnten Richter würden nicht ausreichend zwischen den getrennt geführten Verfahren differenzieren und auch in dem gegen sie geführten Strafverfahren von dem Tathergang ausgehen, den der Angeklagte im Rahmen seines Geständnisses geschildert hatte, entbehrt vorliegend einer objektiven Grundlage. So haben die abgelehnten Richter bereits im Rahmen des Abtrennungsbeschlusses vom 12.07.2013 ausgeführt:

„Einer Aufklärung, ob die übrigen Angeklagten einer Tatbeteiligung schuldig sind, bedarf es für die Verurteilung des Angeklagten nicht, da dieser, wie auch in der Anklage angenommen, hinsichtlich sämtlicher betrugsrelevanter Umstände ein in seiner Person vollständiges und von den übrigen Beteiligten unabhängiges Wissen eingeräumt hat.“

Darüber hinaus haben die abgelehnten Richter – was in sämtlichen Ablehnungsgesuchen unerwähnt bleibt – am 15.07.2013, nach der dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden zeitlich noch vor der Fortführung des Verfahrens gegen den Angeklagten durch Beschluss die Anträge der Verteidiger der Angeklagten pp. und pp, die Abtrennung des Verfahrens gegen den Angeklagten pp. durch Rückverbindung rückgängig zu machen, abgelehnt und im Rahmen dieses Beschlusses ausgeführt:

„Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass es für die Abtrennung des Verfahrens gegen den Angeklagten , nicht der Aufklärung evtl. Tatbeiträge der früheren Mitangeklagten bedarf. Dass die Frage einer möglichen Beteiligung der übrigen 5 Angeklagten derzeit nicht geklärt ist, liegt auf der Hand, steht aber aus den genannten Gründen einer Verurteilung des Angeklagten nicht entgegen. Im Übrigen weist die Kammer darauf hin, dass der Angeklagte nichts darüber gesagt hat, dass er zu den genannten Zeitpunkten Anfang Oktober 2010 oder folgende mit den Angeklagten in einer Weise gesprochen hätte, dass sich aus diesen Gesprächen ein Betrugsvorsatz ergäbe. Er hat vielmehr der Sache nach ausgesagt, dass aus seiner (subjektiven Sicht) Anfang Oktober auch für die Mitangeklagten klar gewesen sein müsste, dass der Erfolg des Modells, wie es den Anlegern versprochen wurde, nicht erreichbar gewesen sei. Ob dies so war und ob die Mitangeklagten dies dann auch subjektiv erkannt haben, ist ein für den Abschluss des Verfahrens gegen den Angeklagten pp  nicht wesentlicher und daher vor einer Fällung des Urteils im abgetrennten Verfahren nicht notwendig zu klärende Frage.“

Und zur Begründung der Revision in den Fällen: Ablehnung I: Vortätigkeit des Richters – sag mir die Umstände…

Ablehnung I: Vortätigkeit des Richters – sag mir die Umstände…

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Viele Ablehnungsgesuche werden mit einer sog. „Vortätigkeit“ des Richters, sei es in einem andern Verfahren, sei es im anhängigen Verfahren begründet. Eine solche Fallgestaltung behandelt der BGH, Beschl. v. 30.01.2013 – 2 StR 55/12. Das Ablehnungsgesuch hatte – wie häufig in diesen Fällen – keinen Erfolg, allerdings nicht wegen der 1.

„Die Verfahrensbeanstandungen der Revision des Angeklagten S. gehen fehl. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:

Die Revision macht eine Verletzung von § 27 Abs. 1 StPO geltend, weil die Berufsrichter der Kammer wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wurden und selbst über das Ablehnungsgesuch entschieden haben, das sie als unzulässig im Sinne von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO angesehen haben. Diese Rüge ist nicht zulässig. Der Beschwerdeführer ist nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gehalten, die den Verfahrensmangel begründenden Tatsachen so genau anzugeben, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Begründungsschriften prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen der Revision zutrifft. Dies gilt auch für Rügen zur Richterablehnung (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2012 – 5 StR 432/11, StV 2012, 587). 

Die Richterablehnung des Angeklagten S. bezog sich auf Äußerungen der Richter in einer Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft, die in der Revisionsbegründung nicht mit ihrem gesamten Inhalt mitgeteilt und innerhalb des – seinerseits zwar mehrfach, aber auch nur lückenhaft mitgeteilten – Ablehnungsgesuchs nur sinngemäß referiert wurden. Eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vortätigkeit eines erkennenden Richters ist, soweit sie nicht den Tatbestand eines Ausschlussgrundes gemäß § 23 StPO erfüllt, nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig nicht dazu geeignet, die Besorgnis der Befangenheit des Richters zu begründen, wenn nicht besondere Umstände hinzukommen, die diese Besorgnis rechtfertigen. Ob solche Umstände in Betracht kamen oder so fern lagen, dass die nach Ansicht des Landgerichts verfehlte Ablehnungsbegründung dem Fehlen einer Begründung im Sinne von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO gleichzustellen war, kann vom Revisionsgericht nur geprüft werden, wenn die Revisionsbegründung auch die hierfür maßgeblichen Einzelheiten genau mitteilt. Daran fehlt es.“

„Venire contra factum proprium“ bei der Ablehnung von Beweisanträgen.

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Immer wieder stößt man in der Rechtsprechung des BGH auf Entscheidungen, die sich mit unzureichender Ablehnung von  Beweisanträgen befassen. Breiteren Raum nehmen dabei die Fälle ein, in denen die Erhebung des Beweises wegen (tatsächlicher) Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache (§ 244 Abs. 2 Satz 2 StPO) abgelehnt wird. An dieser Stelle werden häufig Fehler gemacht, auf die der BGH jetzt noch einmal in dem BGH, Beschl. v. 14.05.2013 – 5 StR 143/13 – hingewiesen hat. Ein wenig: Abteilung kleiner Grundkurs, was die Schwurgerichtskammer des LG Bautzen da lesen muss. Die hatte nämlich einen Beweisantrag der Verteidigung wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit abgelehnt., der sich auf die Glaubhaftigkeit der Angaben einer Zeugin richtete. Der BGH beanstandet die Begründung der Kammer:

„a) Bereits die Begründung, mit der das Landgericht den auf eine Indiztatsache gerichteten Beweisantrag abgelehnt hat, genügt nicht den insoweit bestehenden Anforderungen. Der Beschluss, mit dem die Erhebung eines Beweises wegen Unerheblichkeit der Beweistatsache abgelehnt wird, ist mit konkreten Erwägungen zu begründen, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Gericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Entscheidungsbildung ohne Einfluss blieb. Dies nötigt zu einer Einfügung der Beweistatsache in das bisher gewonnene Beweisergebnis (BGH, Beschluss vom 27. November 2012 – 5 StR 426/12 mwN). Das Landgericht hätte sich daher in der Beschlussbegründung ausdrücklich damit auseinandersetzen müssen, weshalb der für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit jedenfalls nicht von vornherein unerhebliche Umstand der Übereinstimmung kurz nach der Tat gegenüber einer Bekannten getätigter Angaben mit einer zwei Wochen später stattfindenden Aussage bei der Polizei im konkreten Fall keinen Einfluss auf die Bewertung der das Tatgeschehen weitgehend im Einklang mit der Einlassung des Angeklagten darstellenden Angaben der Zeugin Wi. haben kann, sei es, weil es der Zeugin ohnehin Glauben schenkt, sei es, weil es deren Angaben auch bei einer zu unterstellenden Richtigkeit der Beweisbehauptung aus bestimmten Gründen als unglaubhaft bewerten würde. Demgegenüber erweckt die Beschlussbegründung den Eindruck, das Landgericht halte den – tatsächlich bestehenden – Zusammenhang der Beweistatsache mit dem Gegenstand der Urteilsfindung nicht für gegeben.“

Also: Quasi Urteilsbegründung bereits im Verfahren.

An dem Mangel hat der BGH allerdings den Bestand des Urteils nicht scheitern lassen. Dann aber daran, dass sich die Kammer an die Annahme nicht gehalten hat, sondern sich im Urteil zu der Ablehnungsbegründung in Widerspruch gesetzt hat und die Urteilsgründe auf das Gegenteil der unter Beweis gestellten Tatsache gestützt hat. Also: Schuldrecht – „Venire contra factum proprium“ trifft Strafrecht.

Mal wieder Ablehnung, oder wenn der Rechtsanwalt Trauzeuge des Richters war

Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Das gilt im Zivilrecht nach § 42 Abs. 1 ZPO ebenso wie im Straf-/Bußgeldverfahren nach § 24 StPO. Die Besorgnis der Befangenheit ist nach der obergerichtlichen Rechtsprechung anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Richters aufkommen lassen. Dabei können nur Gründe berücksichtigt werden, die vom Standpunkt des Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit unparteiisch gegenüber (vgl. u.a. BGH NJW-RR 2007, 776; 2003, 1220).

In dem Zusammenhang ist dann heute über einen (zivilrechtlichen) Beschluss des OLG München zu berichten, und zwar über den OLG München, Beschl. v. 08.02.2013, 9 W 2250/12 Bau-, der in einem selbständigen Beweisverfahren ergangen ist. In dem Verfahren wurde von der Zivilkammer,. nachdem diese zuständig geworden war, mitgeteilt, dass der Verfahrensbevollmächigte der Antragstellerin  Trauzeuge bei der Hochzeit einer der beisitzenden Richter war. Das nahm die Antragsgegnerin zum Anlass, diesen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.Die Kammer wies den Antrag als unbegründet zurück. Dazu dann aber auf die Beschwerde das OLG:

„Durch die Vorschriften über die Befangenheit von Richtern soll bereits der böse Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität vermieden werden (BVerfG NJW 2003, 3404). Sie dienen zugleich der Verwirklichung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs der Parteien, nicht vor einem Richter stehen zu müssen, dem es an der gebotenen Neutralität fehlt (BVerfGE 89, 28).

Den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin und Richter am Landgericht xxx verbindet nach eigenen Angaben eine über eine persönliche Bekanntschaft hinausgehende Freundschaft, die ihren Ausdruck auch darin gefunden hat, dass der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin Trauzeuge des abgelehnten Richters bei dessen Eheschließung war. Aus der Sicht eines Dritten ist diese Konstellation mit einem verwandtschaftlichen Verhältnis vergleichbar.

Für eine tatsächliche Voreingenommenheit des Richters oder eine unzulässige Einflussnahme durch den mit ihm befreundeten Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Bei Richter am Landgericht xxx kann – wie bei jedem anderen Richter – davon ausgegangen werden, dass er über die Unabhängigkeit und Distanz verfügt, die ihn befähigt, unvoreingenommen und objektiv Verfahrensentscheidungen zu treffen. Trotzdem ist es einer Partei nicht zuzumuten, darauf zu vertrauen, dass eine unzulässige Einflussnahme durch den Gegner unterbleiben wird, und den Richter erst dann abzulehnen, wenn dies doch geschieht und ihr bekannt wird (BGH NJW 2012, 730). Dieser subjektiv nachvollziehbaren Befürchtung der Antragsgegnerin ist deshalb Rechnung zu tragen.

M.E. zutreffend. Es geht eben nicht um Befangenheit, sondern um die „Besorgnis der Befangenheit“…..