Schlagwort-Archive: Terminsverlegungsantrag

OWi II: Terminsverlegungsanträge des Verteidigers, oder: Ablehnung nur mit konkreten Gründen

Bild von Myriams-Fotos auf Pixabay

Im zweiten Posting dann zwei Entscheidungen vom LG Braunschweig. In beiden Beschlüssen hat sich das LG zur Ablehnung von Terminsverlegungsanträgen des Verteidigers geäußert. In beiden Verfahren ist dann auf die Beschwerden des Verteidigers der jeweilige Hauptverhandlungstermin aufgehoben worden. Hier die Begründungen des LG:

Zunächst der LG Braunschweig, Beschl. v. 27.11.2024 – 2b Qs 342/24:

Über Anträge auf Terminsverlegung hat der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminplanung, der Gesamtbelastung der Kammer, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der berechtigten Interessen aller Prozessbeteiligten zu ent-scheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 20.06.2006, NStZ-RR 2006, 271). An diesen Grundsätzen hat sich die Vorsitzende bei der Ablehnung des Verlegungsantrages nicht ausgerichtet. Dies zeigt das Schreiben vom 07.11.2024, welches erkennbar nicht auf das konkrete Verfahren zutrifft. Denn dem Betroffenen wird vorliegend ein Abstandsverstoß zur Last gelegt, wohingegen das Amtsgericht auf eine standardisierte Geschwindigkeitsmessung abstellt, woraus ersichtlich wird, dass das Amtsgericht für den konkreten Einzelfall gar kein Ermessen ausgeübt hat, sondern offenbar ein Formularschreiben verwandte. Soweit in der angefochtenen Entscheidung auf das allgemeine Gebot der Verfahrensbeschleunigung und den Terminsdruck des Gerichts abgestellt wird, vermag dies ebenfalls nicht zu überzeugen. Denn zeitnah wird eine Verfolgungs-verjährung nicht eintreten. Hieraus wird deutlich, dass die Vorsitzende von vornherein und unabhängig von dem geltend gemachten Grund nicht bereit war, einem etwaigen Verlegungsantrag zu entsprechen.

Demgemäß lässt auch die angefochtene Entscheidung die gebotene Abwägung zwischen den oben genannten Kriterien vermissen. Es wurde auch nicht versucht, einen Verhandlungstermin mit dem Verteidiger abzusprechen. Zu Recht wird in der Beschwerdebegründung darauf hinge-wiesen, dass der Beschwerdeführer ein besonderes Interesse daran hat, sich in der Hauptverhandlung durch seinen Verteidiger vertreten zu lassen.

Und ähnlich der LG Braunschweig, Beschl. v. 27.11.2024 – 2b Qs 346/24:

Über Anträge auf Terminsverlegung hat der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminplanung, der Gesamtbelastung der Kammer, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der berechtigten Interessen aller Prozessbeteiligten zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 20.06.2006, NStZ-RR 2006, 271). An diesen Grundsätzen hat sich die Vorsitzende bei der Ablehnung des Verlegungsantrages nicht ausgerichtet, auch wenn zutreffend ist, dass der Termin bereits einmal auf Antrag des Verteidigers verlegt wurde. Dies zeigt das Schreiben vom 11.11.2024, wobei es sich offenbar um ein Formularschreiben handelt. Soweit in der angefochtenen Entscheidung auf das allgemeine Gebot der Verfahrensbeschleunigung und den Terminsdruck des Gerichts abgestellt wird, vermag dies ebenfalls nicht zu überzeugen. Denn der Verteidiger hat als Alternativtermine den 19.12.2024 bis 8:30 Uhr oder den 19.12.2024 ab 14:00 Uhr angeboten. Zu einer Verfahrensverzögerung würde es bei einer solchen Verlegung der Terminsstunde gerade nicht kommen. Die Vorsitzende hat in ihrer Entscheidung auch nicht begründet, warum die Verlegung der Terminsstunde im konkreten Fall nicht möglich war, sondern nur pauschal auf die Terminslage des Gerichts hingewiesen. Der Hinweis auf das Beschleunigungsgebot verfängt hier im Übrigen schon deshalb nicht als tragfähige Ermessenserwägung, weil eine Verfolgungsverjährung nicht zeitnah eintritt. Hieraus wird deutlich, dass die Vorsitzende von vornherein und unabhängig von dem geltend gemachten Grund nicht bereit war, einem weiteren Verlegungsantrag des Verteidigers zu entsprechen.

Demgemäß lässt auch die angefochtene Entscheidung die gebotene Abwägung zwischen den oben genannten Kriterien vermissen. Es wurde auch nicht versucht, einen Verhandlungstermin mit dem Verteidiger abzusprechen. Zu Recht wird in der Beschwerdebegründung darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer ein besonderes Interesse daran hat, sich in der Hauptverhandlung durch seinen Verteidiger vertreten zu lassen.“

OWi I: Kurzfristige Ladung im Bußgeldverfahren, oder: Anwalt des Vertrauens

Bild von Darkmoon_Art auf Pixabay

Und dann starten wir in die 31. KW., und zwar mit zwei Entscheidungen zu Terminsverlegungsfragen (aus dem OWi-Verfahren).

Zunächst hier der OLG Oldenburg, Beschl. v. 16.06.2022 – 2 Ss (OWi) 95/22. Der Verteidiger des Betroffenen war am 02.02.2022 zur Hauptverhandlung, die auf den 09.02.2022 terminiert war, geladen worden. Er hat dann Verlegung des Hauptverhandlungstermins beantragt, was abgelehnt worden ist. Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde hatte Erfolg:

„Jedoch greift die von dem Betroffenen erhobene Verfahrensrüge durch, mit der er den Verstoß gegen das Recht beanstandet, sich in der Hauptverhandlung durch einen gewählten Verteidiger vertreten zu lassen (Art. 6 Abs. 3 lit. c MRK, 137 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG).

Gemäß § 137 Abs. 1 S. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG kann sich ein Betroffener in jeder Lage des Verfahrens des Beistands durch einen Verteidiger bedienen. Aber selbst im Strafverfahren hat nicht jede Verhinderung des gewählten Verteidigers zur Folge, dass eine Hauptverhandlung gegen den Angeklagten nicht durchgeführt werden kann (vgl. BGH NStZ 199, 527). In diesen Fällen sind vielmehr das Interesse des Betroffenen an seiner Verteidigung und das Interesse des Staates an einer möglichst reibungslosen Durchführung des Verfahrens gegeneinander abzuwägen, wobei im Zweifelsfall das Verteidigungsinteresse Vorrang hat (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28. Februar 2019, 4 RBs 71/19, zit. n. juris). Dabei sind unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die Bedeutung der Sache, die Persönlichkeit des Betroffenen, die Prozesssituation, die Veranlassung der Verhinderung, die Dauer der Verzögerung, der Umfang der Behinderung der Verteidigungsmöglichkeit und das Verhalten des Betroffenen und seines Verteidigers hierzu u.Ä. in Rechnung zu stellen (vgl. BbgOLG, Beschluss vom 23. März 2012 – 1 Z 54/12 – m.w.N.).“ (OlG Brandenburg, BeckRS 2020, 35233).

Im vorliegenden Fall ist zum einen zu berücksichtigen, dass gegen den Betroffenen immerhin eine Geldbuße in Höhe von 290 € verhängt worden ist und Fragen der Ladungssicherung mitunter schwierig zu beurteilen sind. Insbesondere fällt aber ins Gewicht, dass der Verteidiger erst am 02.02.2022 zum Hauptverhandlungstermin am 09.02.2022 geladen worden ist und im Rahmen seines erstmaligen Verlegungsantrages belegt hatte, dass er bereits zuvor eine Ladung für eine Strafsache beim Amtsgericht Cloppenburg erhalten hatte. Hinzu kommt, dass die Sitzungstage bis Ende Mai 2022 lediglich „weitgehend belegt“ gewesen wären, somit eine Terminierung sogar noch bis Ende Mai nicht ausgeschlossen gewesen wäre.

Letztlich hätte die Hauptverhandlung ohnehin bei einem entsprechenden Antrag ausgesetzt werden müssen, da die Ladungsfrist des Verteidigers nicht eingehalten worden war ( §§ 218, 217 StPO ).

Unter Berücksichtigung dieser Umstände hätte das Amtsgericht dem Verlegungsantrag stattgeben müssen. Da es dies nicht getan hat, hat es das Recht des Betroffenen auf Verteidigung verletzt.“

Befangen II: Kurz vor HV gestellter Ablehnungsantrag, oder: „Taschenspielertrick“ beim AG Wismar?

© Alex White – Fotolia.com

Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den AG Wismar, Beschl. v. 21.12.2020 – 6 Ls 523/19. Der Beschluss ist also schon etwas älter, der Kollege Penneke hat ihn mir aber erst vor kurzem geschickt. Ich stelle ihn hier dann (noch) vor, vor allem wegen des bei mir verbleibenden Kopfschüttelns

Zur Sache: Wenn ich den Sachverhalt richtig verstehe, ist der Kollege vom Mandanten nach dreitägiger Hauptverhandlung einen Tat vor dem vierten – abschließenden (?) – Termin mandatiert worden. Der Kollege hat das Mandat angenommen und, da er am nächsten Tag wohl verhindert war, Terminsverlegung beantragt. Die wird abgelehnt. Auf diese Ablehnung wird dann wohl vornehmlich ein Ablehnungsantrag gestützt, der keinen Erfolg hatte:

„Es bestehen bereits Zweifel an der Zulässigkeit des Befangenheitsgesuchs.

Rechtsanwälte sind auch in ihrer Eigenschaft als Verteidiger Organe der Rechtspflege. Wenn dann ein Rechtsanwalt Entscheidungen eines Gerichts (hier: Ablehnung einer Terminsverlegung), die mit Rechtsmitteln nicht angreifbar sind, versucht, über Taschenspielertricks wie einen kurz vor der Verhandlung eingereichten Befangenheitsantrag einen Termin zum Platzen zu bringen, ist dies rechtsmissbräuchlich und führt zu einer Unzulässigkeit des Befangenheitsantrages. Hier ist es allerdings so, dass dem Verteidiger offenbar – und insoweit besteht kein Zweifel an seiner Darstellung – die Tatsachen, auf die er sein Befangenheitsgesuch stützt, erst einen Werktag vor Einlegung des Befangenheitsgesuchs bekannt geworden sind. Vor diesem Hintergrund ist das Befangenheitsgesuch zwar spät, aber nicht erkennbar lediglich vor dem Hintergrund des Versuchs, eine Terminsverlegung zu erzwingen, eingereicht worden.

Das Befangenheitsgesuch ist jedenfalls unbegründet. Gemäß § 24 Abs. 2 StPO findet die Be-sorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dies ist gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, dass die abgelehnte Richterin ihm gegenüber eine innere Haltung einnimmt, die ihre Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen könne. Dabei kommt es zwar auf den Standpunkt des Ablehnenden an. Es ist dabei allerdings nicht auf seinen subjektiven Eindruck und seine unzutreffenden Vorstellungen vom Sachverhalt abzustellen. Maßgebend ist vielmehr der Standpunkt eines vernünftigen Angeklagten und die Vorstellungen, die sich ein geistig gesunder, bei voller Vernunft befindlicher Prozessbeteiligter bei der ihm zumutbaren ruhigen Prüfung der Sachlage machen kann. Im vorliegenden Fall ist es nun so, dass drei Hauptverhandlungstermine stattgefunden haben und zum neuen Termin keine Zeugen geladen sind. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Beweisaufnahme im neuen Termin abgeschlossen werden kann. Nun steht es dem Angeklagten naturgemäß frei, sich zu jedem beliebigen Verfahrenszeitpunkt neuer Verteidiger – naturgemäß als Wahlverteidiger – zu bedienen. Wenn dies aber automatisch zur Folge hätte, dass ein Verfahren nicht gefördert beziehungsweise abgeschlossen werden könnte, so stünde der Ausgang beziehungsweise der Abschluss eines jeden Strafverfahrens im offensichtlichen Belieben des Angeklagten. Dies ergibt sich unter anderem auch aus dem Regelungszusammenhang der §§ 143 a, 144 StPO. Insbesondere § 228 Abs. 2 StPO regelt den hier vorliegenden Fall. Auch wenn der eine oder andere Anwalt im Hinblick auf seine Persönlichkeit der Auffassung ist, ein Verfahren könne ohne ihn nicht durchgeführt werden, sieht die StPO genau das anders. Wenn der Wahlverteidiger sich im vorliegenden Fall am 10.12.2020 für einen Termin am 11.12.2020 mandatiert, so muss er damit rechnen, dass das Verfahren ohne ihn weiter betrieben wird. Wenn in der Folgezeit es bei der Terminsabsprache möglicherweise Unzuträglichkeiten gegeben hat, mag dies sein, es rechtfertigt jedoch nicht eine Besorgnis der Befangenheit. Die erneute Ablehnung der Terminsverlegung für den Hauptverhandlungstermin am 21.12.2020 stellt gleichfalls vor dem Hintergrund des § 228 Abs. 2 StPO keinen Anlass für eine Besorgnis der Befangenheit dar. Sie ist vielmehr Ausdruck einer angemessenen Verfahrensförderung.“

Wie gesagt: Kopfschütteln und Irritation. Warum? Nun:

Wir lassen mal die Frage, ob die Terminsverlegung nicht im Ergebnis zu Recht abgelehnt worden ist, außen vor. Zur Frage der Terminsverlegung bei (zu) kurzfristiger Mandatierung des Verteidigers gibt es Rechtsprechung, die eine Terminsverlegung in den Fällen ablehnt. Jedenfalls wird man darauf auch nicht unbedingt die Besorgnis der Befangenheit stützen können, was man aber letztlich nicht ohne Kenntnis der Umstände usw. entscheiden kann.

Unabhängig davon frage ich mich irritiert: Was sollen eigentlich die Ausführungen zur Zulässigkeit? Es wird dem Kollegen doch ausdrücklich attestiert, dass sein Antrag nicht „rechtsmissbräuchlich“ war. Dann muss ich dazu doch auch nichts sagen. Und schon gar nicht etwas Falsches, denn das die Ablehnung von Terminsverlegungsanträgen mit Rechtsmitteln nicht angreifbar ist, stimmt so nicht. Und erst recht muss ich nicht von „Taschenspielertricks“ sprechen. Was soll das, wenn der Antrag doch gerade nicht rechtsmissbräuchlich ist.  So entsteht der Eindruck, dass man den Vortrag des Kollegen nun doch nicht wirklich glaubt. Also: Überflüssig wie ein Kropf.

Genauso überflüssig ist im zweiten Absatz dann die Ausführung: „Auch wenn der eine oder andere Anwalt im Hinblick auf seine Persönlichkeit der Auffassung ist, ein Verfahren könne ohne ihn nicht durchgeführt werden, sieht die StPO genau das anders.“ Auch das fragt man sich, was das soll? Wer ist gemeint? Der Verteidiger oder eben allgemein „der eine oder andere Anwalt im Hinblick auf seine Persönlichkeit ….„?  Auch das muss nicht sein und ist letztlich nichts anderes als Polemik.

Um auf den letzten Satz zurück zu kommen: Ich habe den Eindruck, dass ganz andere Leute hier Probleme mit ihrer „Persönlichkeit“ haben. Und: Der entscheidende Richter scheint den Verteidiger nicht zu mögen. Muss er ja auch nicht. Aber er sollte dann vielleicht doch ein wenig sachlicher argumentieren.

OWI III: Terminverlegungsantrag wegen Erkrankung des Verteidigers zurückgewiesen, oder: Fehlerhaft

Bild von Christian Dorn auf Pixabay

Und dann zum Schluss noch der KG, Beschl. v. 08.02.2021- 3 Ws (B) 26/21. Ergangen in einem Rechtsbeschwerdeverfahren gegen ein Verwerfungsurteil. Geltend gemacht war die verfahrensfehlerhafte Zurückweisung eines Terminverlegungsantrages wegen Erkrankung des Verteidigers.

Das KG hat aufgehoben. Hier die Leitsätze der umfangreich begründeten Entscheidung:

  1. Der Betroffene in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren hat als Ausdruck des Anspruchs auf ein faires Verfahren grundsätzlich das Recht, sich in jeder Lage des Verfahrens durch einen Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen.

  2. U.U. ist es dem Betroffenen daher nicht zuzumuten, an einem Hauptverhandlungstermin ohne Beistand seines Rechtsanwalts teilzunehmen, nachdem ein Terminverlegungsantrag wegen Erkrankung des Verteidigers von dem Vorsitzenden des Bußgeldgerichts abgelehnt worden ist. Für die Entscheidung ist maßgeblich, ob die prozessuale Fürsorgepflicht eine Terminverlegung in Ansehung der Erkrankung des Verteidigers geboten hätte.

  3. Die Terminierung ist zwar grundsätzlich Sache des Vorsitzenden. Dieser ist aber gehalten, über Anträge auf Terminverlegung nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminplanung, der Gesamtbelastung des Spruchkörpers, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der berechtigten Interessen der Prozessbeteiligten zu entscheiden.

  4. Im Falle einer Zurückweisung eines Terminverlegungsantrages wegen Erkrankung des Verteidigers bedarf es der Darlegung im Verwerfungsurteil gegen den zum Termin nicht erschienenen Betroffenen, warum das Interesse an einer möglichst reibungslosen Durchführung des Verfahrens Vorrang vor dem Verteidigungsinteresse des Betroffenen hat.

Corona I: Bitte Terminsverlegung wegen der Pandemie, oder: Keine Befangenheit bei Ablehnung des Antrags

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Und in die 6. KW. geht es dann mit zwei Entscheidungen zu Corona bzw. zu Coronafragen.

Ich starte mit dem AG Plön, Beschl. v. 03.02.2021 – 34 OWi 563 Js 37777/20. An dem Aktenzeichen erkennt man: Es handelt sich um eine Bußgeldsachen. Der Verteidiger hatte unter Hinweis auf die gestiegenen Fallzahlen (ja, sie sinken) Terminsverlegung beantragt. Die hatte der Amtsrichter abgelehnt. Dagegen dann ein Befangenheitsgesuch, das (auch) keinen Erfolg hatte:

„Die Zurückweisung erfolgt, weil ein Befangenheitsgrund gegen Richter pp. tatsächlich nicht gegeben ist. Ein Richter kann als befangen abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 46 OWiG, § 24 StPO). Bei der hier in Rede stehenden Ablehnung einer Terminverlegung verhält es sich so, dass der erkennende Richter auch mit Blick auf die gegenwärtige Pandemielage und der vorgetragenen Risikofaktoren aufseiten des Betroffenen (Bezugsperson eines kleinen Kindes, zur Risikogruppe gehörende Eltern) keine Willkür hat erkennen lassen. Es war nicht sachfremd, insoweit auf die im Amtsgericht Plön getroffenen Sicherheitsvorkehrungen zu verweisen.

Im Rahmen des für das Gericht beschlossenen Hygienekonzeptes wird der Gefahr der Verbreitung des Sars-CEO V-2-Virus dadurch Rechnung getragen, dass neben einer gestaffelten Terminierung in den verschiedenen Sitzungssälen die jeweiligen Dezernenten, soweit erforderlich, Zeugen ebenfalls zeitlich gestaffelt zu den jeweiligen Terminen laden, um auf diese Weise zu verhindern, dass im Wartebereich vor den Sitzungssälen eine höhere Personenzahl vorhanden ist. Zudem lässt sich der Wartebereich vor den Sitzungssälen gut lüften, so dass mit einer Aerosolanreicherung im nennenswerten Umfange nicht zu rechnen ist. Zudem sieht das Hygienekonzept die Bereitstellung ausreichenden Händedesinfektionsmittels vor. Solches befindet sich an mobilen Spendern im Eingangsbereich des Gerichtes, aber auch vor den Sitzungssälen. Im Laufe des Tages finden im Übrigen Desinfektionen im Bereich der öffentlich zugänglichen Flächen wie Eingangsbereich, Treppenhaus, WC-Bereich aber auch im Sitzungssaal statt.

Der für die Durchführung der Hauptverhandlung zur Verfügung stehende Sitzungssaal ist gekennzeichnet durch ein Raumangebot, welches einen Mindestabstand von 1,5 m der Verfahrensbeteiligten zueinander ohne Weiteres ermöglicht. Im Übrigen können mobile Schutzwände(Plexiglas) zwischen den Verfahrensbeteiligten aufgestellt werden, um einen weiteren Schutz vor Aerosolen in der Atemluft zu erreichen. Zudem befindet sich in Sitzungssaal ein mobiles Messgerät für den Raumluftgehalt an CO2. Eine Überschreitung des CO2-Gehaltes wird angezeigt, so dass bei Be-darf die Sitzung unterbrochen werden kann, um für eine ausreichende Lüftung zu sorgen. Zudem wird dem Risiko einer Anreicherung der Raumluft durch Aerosole dadurch Rechnung getragen werden, dass das Gericht in regelmäßigen Abständen Sitzungspausen einlegen und diese unter anderem zum Stoßlüften nutzen kann.

Diese organisatorischen und räumlichen Maßnahmen sind seit Monaten im Sitzungsbetrieb beim Amtsgericht erprobt, ohne dass ein einziger Fall bekannt geworden wäre, in dem sich eine Person infolge der Teilnahme an einer Sitzung in den Räumlichkeiten des Amtsgerichts mit dem neuartigen Coronavirus infiziert hätte. Zudem ist bekannt, dass in Schleswig-Holstein seit Auftreten der Corona-Pandemie landesweit von in der Justiz beschäftigten Personen lediglich ca. ein Dutzend an dem neuartigen Corona-Virus erkrankt sind/waren. Dies ist durchaus ein Beleg dafür, dass die in der Justiz angewendeten Hygienekonzepte die an sie gerichteten Erwartungen zu er-füllen vermögen. Zudem gehört es zu dem im Amtsgericht bestehenden Hygienekonzept, dass allen Verfahrensbeteiligten im Rahmen der Ladung zum Termin entsprechende schriftliche Hin-weise zum bestehenden Hygienekonzept und zu den Hygienemaßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie übermittelt werden.

Konkrete gesundheitliche Beeinträchtigungen des Betroffenen selbst oder seines Verteidigers, die darüber hinausgehende weitere Schutzmaßnahmen erforderlich machen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Dem allgemeinen Risiko einer Infektion mit dem Sars-CoV-2-Virus auch vor dem Hintergrund erheblich gestiegener Fallzahlen in der Bundesrepublik Deutschland steht das Interesse an der Sicherung einer funktionsfähigen Strafrechtspflege gegenüber. Angesichts der vorstehend dargelegten, vom Gericht ergriffenen Schutzmaßnahmen besteht kein Anlass, das Interesse an der Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Strafrechtspflege hinter das Interesse des Betroffenen am Schutz seiner Gesundheit zurücktreten zu lassen.

Das durfte auch der erkennende Richter in diesem Verfahren so sehen. Eine Besorgnis der Befangenheit liegt insoweit fern.“

So weit, so gut, oder auch nicht, kommt auf die Sichtweise an. Ich frage mich allerdings bei bei solchen Beschlüssen – auch schon vor Corona übrigens -immer, warum eigentlich gleich der Untergang des Rechtsstaates droht, wenn in einer Bußgeldsache ein Termin verlegt werden soll.