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Aktuell, aktuell: BGH macht auch mal richtige gebührenrechtliche Entscheidungen – hier (heute) neu zu Nr. 4141 VV RVG

In der Tat, der BGH kann es bzw. er macht im Strafverfahren auch mal richtige gebührenrechtliche Entscheidungen. Der Beweis ist das heute auf der Homepage des BGH veröffentliche Urt. des BGH v. 14.04.2011 – IX ZR 153/10 zur Befriedungsgebühr.

Zutreffend ist es nämlich, dass die Zusatzgebühr nach Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG nicht anfällt, wenn ein Strafverfahren in der Hauptverhandlung nach § 153a StPO vorläufig eingestellt wird und nach Erbringung der Auflage die endgültige Einstellung erfolgt. Insoweit bestand m.E. auch gar kein großer Streit.

Streit bestand aber in einer anderen Frage, die der BGH gleich mitentschieden hat. Nämlich: Fällt die Zusatzgebühr an, wenn die Hauptverhandlung ausgesetzt wird und danach dann noch eine Einstellung unter Mitwirkung des Verteidigers erfolgt? Höchst streitig (vgl. hier). Dazu sagt der BGH:

„cc) Die dritte Ansicht differenziert danach, ob eine unterbrochene Hauptverhandlung vorliegt oder nach Aussetzung eine neue Hauptverhandlung anzuberaumen ist. Bestünde eine einheitliche Hauptverhandlung, deren weiterer Fortgang durch eine Einstellung abgekürzt werde, genüge dies nicht, um die Befriedungsgebühr entstehen zu lassen. Anders liege es nur, wenn die Einstellung nach Aussetzung der Hauptverhandlung erfolge, weil hier die neue Hauptverhandlung entbehrlich werde (OLG Köln, AGS 2006, 339, 340; OLG Bamberg, AGS 2007, 138, 139; OLG Hamm, AGS 2008, 228; Burhoff in: Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 19. Aufl., VV 4141 Rn. 21; Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, a.a.O. Rn. 21; Hartung in Hartung/Schons/Enders, aaO Rn. 16 ff; Uher in Bischof u.a., RVG, 3. Aufl., VV 4141 Rn. 115a; Schneider in AnwKommRVG, 5. Aufl., VV 4141 Rn. 44 ff).

2. Die zuletzt genannte Auffassung ist zutreffend.

a) Die jetzt geltende Regelung der Nr. 4141 VV RVG hat den Grundgedanken des § 84 Abs. 2 BRAGO übernommen, nämlich intensive und zeitaufwändige Tätigkeiten des Verteidigers, die zu einer Vermeidung der Hauptverhandlung und damit beim Verteidiger zum Verlust der Hauptverhandlungsgebühr führten, gebührenrechtlich zu honorieren (BT-Drucks. 15/1971, S. 227; BGH, Urteil vom 5. November 2009 – IX ZR 237/08, NJW 2010, 1209 Rn. 10). Die Befriedungsgebühr der Nr. 4141 VV RVG soll den Anreiz, Verfahren ohne Hauptverhandlung zu erledigen, erhöhen, und somit zu weniger Hauptverhandlungen führen (BT-Drucks. 15/1971, S. 227 f). Ziel der Regelung ist damit eine Verringerung der Arbeitsbelastung der Gerichte. Dieses Ziel soll durch eine adäquate Vergütung des Verteidigers bereits im Vorfeld der Hauptverhandlung erreicht werden (BGH, Urteil vom 5. November 2009 – IX ZR 237/08, aaO).

b) Dieser Normzweck spricht entscheidend dafür, dass eine Einstellung, die innerhalb der Hauptverhandlung erfolgt, eine Befriedigungsgebühr nicht mehr auszulösen vermag. Dabei ist es gleichgültig, ob die Einstellung am ersten Tag der Hauptverhandlung oder an einem späteren Terminstag geschieht, insbesondere, ob hierdurch Fortsetzungstermine vermieden werden. Im Hinblick auf den Grundsatz der Einheitlichkeit der Hauptverhandlung kann die Frage der Entbehrlichkeit der Hauptverhandlung nur einheitlich beantwortet werden. Wird dagegen eine anberaumte Hauptverhandlung durch Aussetzung des Verfahrens nicht zu Ende geführt, kann wegen einer später in Betracht kommenden neuen Hauptverhandlung der Normzweck der Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG wiederum zur Entfaltung gelangen (vgl. OLG Bamberg, AGS 2007, 138, 139). Wird unter diesen Umständen eine neue Hauptverhandlung entbehrlich, weil das Verfahren unter Mitwirkung des Rechtsanwalts nicht nur vorläufig eingestellt wird, so entsteht die Gebühr der Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG (Hartung in Hartung/Schons/Enders, aaO Rn. 18).

Damit ist die „Kuh vom Eis“. Die Rechtsschutzversicherungen wird es sicherlich freuen 🙂 . Mich freut es, dass der BGH u.a. unseren Kommentar und meine Ausführungen im Gerold/Schmidt zitiert. Warum sollte das auch nicht freuen.

„Reue und Einsicht“ bei § 153a StPO

Das OLG Köln, Beschl. v. 19. 04.2011 – III-1 RVs 68/11 hat ein landgerichtliches Urteil aufgehoben, in dem es zur Strafzumessung u.a. hieß:

„Im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne ist zugunsten des Angeklagten sein umfassendes, auch bereits in erster Instanz abgelegtes Geständnis zu be­rücksichtigen, durch das er eine umfangreiche Beweisaufnahme erspart hat. Eine echte Reue und Einsicht in das Unrecht der Taten vermag die Kammer trotz der erfolgten Schadenswiedergutmachung erst ansatzweise bei dem Angeklagten festzustellen und ihm nur im geringen Umfang zugutezuhalten. Dass er die Di­mension seiner Taten noch nicht richtig erkannt hat, wurde auch dadurch deutlich, dass er durch seinen Verteidiger in der Hauptverhandlung geltend machen ließ, das Unrecht der Taten könne nunmehr mit einer Einstellung nach § 153 a StPO hinreichend geahndet werden…„.

Das OLG beanstandet die Passage wie folgt:

Danach hat die Strafkammer dem „umfassenden“ Geständnis des Angeklagten ersichtlich ein geringeres strafmilderndes Gewicht deshalb beigemessen, weil sie bei ihm „echte Reue und Einsicht“ insbesondere wegen der Anregung zur Verfahrenseinstellung nach § 153 a StPO nur „ansatzweise“ festzustellen vermochte.

Diese Bewertung wird der Bedeutung des Geständnisses des Angeklagten in revisionsrechtlich bedeutsamer Weise nicht gerecht.

Im Hinblick darauf, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, ein umfassendes Geständnis abgelegt hat und eine vollständige Schadenswiedergutmachung anstrebt, sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Taten – wie auch das Ergebnis der Strafzumessung des Landgerichts erweist – noch dem Bereich der mittleren Kriminalität zugeordnet werden können und eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung eingetreten ist, lässt die Anregung einer Einstellung nach § 153 a StPO  keine innere Einstellung erkennen, die auf fehlende Reue und Einsicht hindeutet. Sie ist erkennbar von dem – wenn auch unrealistischen – Wunsch nach günstiger Verfahrensgestaltung geprägt und überschreitet die Grenze angemessener Verteidigung nicht…“

Also: Dem geständigen Angeklagten können „Reue und Einsicht“ nicht ohne weiteres wegen der Anregung zur Verfahrenseinstellung nach § 153 a StPO abgesprochen werden.

Klageerzwingungsverfahren bei Einstellung nach § 153a StPO?

Mit der Einstellung nach § 153a StPO ist es manchmal noch nicht getan, da der Geschädigte ggf. noch das Klageerzwingungsverfahren betreibt. Mit der Frage, ob und inwieweit das zulässig ist, befasst sich OLG Bamberg, Beschl. v.19.10.2010 – 3 Ws 60/10, der folgende Leitsätze hat:

  1. Bei einer Verfahrenseinstellung nach § 153 a I StPO kann das Klageerzwin­gungsverfahren ausnahmsweise dann zulässig sein, wenn die St­aats­anwaltschaft beim Zusammentreffen eines Verbrechens- und eines Vergehens­ver­dachtes den hinrei­chenden Tatverdacht hinsichtlich des möglichen Verbre­chenstat­bestandes verneint und von der (weiteren) Verfolgung der Tat und der Erhebung der öffentlichen Klage unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Vergehens nach § 153 a I StPO ab­gesehen hat (u.a. Anschluss an OLG Hamm MDR 1997, 285).
  2. Für die Zulässigkeit des Klageerzwingungsantrags muss sich in diesem Fall schon aus der Antragsbegründung jedoch substantiiert ent­nehmen lassen, dass und weshalb der Antragsteller gerade die Verdachtsbewertung der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf einen bestimmten Verbrechenstatbestand für falsch hält und deshalb in­soweit die Erhebung der öffentlichen Klage ge­boten ist.

Nachgekartet – ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft ändert sich nichts

Sicherlich in der Praxis eine häufigere Fallgestaltung. Es wird eine Einstellung nach § 153a StPO abgesprochen und beschlossen. Dann ändern sich die Umstände, die der Entscheidung und Absprache zugrunde gelegen haben.

Was ist dann mit einer Änderung der Auflagen im § 153a-Beschluss? Man kann sie nachträglich ändern, aber – so sagt das LG Saarbrücken, Beschl. v. 10.01.2011 – 1 2 KLs 20/09 – nur mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft. In dem entschiedenen Fall sehr misslich, da die StA ihre Zustimmung verweigert hat und damit die Beschuldigte auf den (hohen) Auflagen des § 153a-Beschlusses sitzen bleibt, obwohl sich die wirtschaftlichen Umstände erheblich geändert haben.

Wann tritt bei § 153a StPO die Sperrwirkung ein?

In einem sehr schön und ausführlich begründeten Beschluss hat jetzt das LG Kleve zu der Frage Stellung genommen, worauf es für den Eintritt der Sperrwirkung bei einer Einstellung nach § 153a StPO ankommt.

Das LG sagt in seinem Beschl. v. 03.11.2010 – 170 Qs-200 Js 388/10-14/10: Für den Eintritt der durch eine Einstellung nach § 153a StPO erfolgenden Sperrwirkung kommt es allein darauf an, dass eine Erteilung konkreter Auflagen durch die Staatsanwaltschaft und die Zustimmung des Beschuldigten vorliegen. Es muss nicht zudem noch eine förmliche „vorläufige Einstellung“ durch die Staatsanwaltschaft erfolgen. Die StA ist also an ihre Zustimmung gebunden, wenn nicht besondere Umstände vorliegen.