Und dann heute noch einmal StPO – ja, schon wieder. Es hat sich eben einiges angesammelt.
Zunächst etwas zum Besetzungseinwand (§ 222a StPO(, und zwar der OLG Brandenburg, Beschl. v. 22.05.2024 – 1 Ws 65/24 (S). Das OLG nimmt noch einmal zu den formellen Voraussetzungen des Besetzungseinwandes Stellung, die es als nicht erfüllt angesehen hat:
„Der Besetzungseinwand ist nicht in zulässiger Form erhoben worden und schon aus diesem Grund zurückzuweisen.
1. Der Verteidiger ist berechtigt, den Besetzungseinwand im eigenen Namen zu erheben (vgl. Gmel in: KK-StPO, 9. Aufl., § 222b Rn. 2), was er vorliegend unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht hat. Der Senat ist zu einer Entscheidung berufen, da die Hauptverhandlung noch andauert.
2. Der Besetzungseinwand wird jedoch nicht den in formeller Hinsicht zu stellenden Anforderungen gerecht.
a) Die Begründungsanforderungen an den Besetzungseinwand sind streng und entsprechen weitgehend den Rügevoraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO (vgl. BGH NStZ-RR 2016, 54; BGH StV 2016, 623; BGH NStZ 2007, 536); auch mit der Neufassung des Gesetzes durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I, 2121) hat sich im Hinblick auf das Vorabentscheidungsverfahren daran nichts geändert. Mit diesem Gesetz hat der Gesetzgeber das Vorabentscheidungsverfahren eingeführt, um frühestmöglich Klarheit über die zutreffende Gerichtsbesetzung zu schaffen (vgl. BT-Drucks. 19/14747, S. 29 f.). Es ersetzt damit die nach altem Recht im Wege der Verfahrensrüge nach §338 Nr.1 StPO mit dem Rechtsmittel der Revision zu erhebende Rüge der ordnungswidrigen Gerichtsbesetzung. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll das Vorabentscheidungsverfahren im Wesentlichen an das Revisionsverfahren angelehnt sein und sollen die für die alte Rechtslage vorgeschriebenen Form- und Fristvoraussetzungen sowie die Begründungsanforderungen in der bis zum 10. Dezember 2019 geltenden Fassung erhalten bleiben (vgl. BT-Drucks. a.a.O.). Dem Willen des Gesetzgebers ist zu entnehmen, dass das – nunmehr gemäß § 121 Abs. 1 Nr. 4 GVG insoweit zur Entscheidung berufene – Oberlandesgericht die Frage der ordnungsgemäßen Gerichtsbesetzung anstelle des Bundesgerichtshofes vorab verbindlich klärt und damit den erstinstanzlichen Verfahren vor den Landgerichten, insbesondere bei längeren Hauptverhandlungen, das „Damoklesschwert“ einer Urteilsaufhebung im Revisionsverfahren wegen falscher Gerichtsbesetzung nimmt (BT-Drucks. 129/14747, S. 29). Das hat zur Folge, dass auf die erhobene Besetzungsrüge hin von dem Rechtsmittelgericht im Sinne des § 222b Abs. 3 StPO diese Frage verbindlich zu klären ist. Adressat der Rüge ist also von vornherein nicht etwa nur das erstinstanzliche erkennende Gericht, sondern auch das Rechtsmittelgericht. Dessen Position entspricht der des Revisionsgerichts im Rahmen einer Revision, an dessen Stelle es bei der Bescheidung der Besetzungsrüge tritt. Es gibt demgemäß keinen Grund, für die Besetzungsrüge geringere Begründungsanforderungen anzunehmen als für die Besetzungsrüge im Rahmen der Revision gemäß § 338 Nr. 1 StPO (vgl. Senatsbeschluss vom 4. November 2020, 1 Ws 135/20, StV 2021, 815 ff.).
Das hat zur Folge, dass der Besetzungseinwand in der gleichen Form geltend zu machen ist wie die als Verfahrensrüge ausgestaltete Besetzungsrüge der Revision nach Maßgabe von § 344 Abs. 2 StPO (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 16. Februar 2024, in: NJW-Spezial 2024, 216 f.; OLG Köln, Beschluss vom 8. August 2023, zit. n. juris, 2 Ws 464/23; OLG Köln, Beschluss vom 21. Juni 2021, 2 Ws 296/21; KG, Beschluss vom 1. März 2021, 4 Ws 14/21, in: StV 2021, 813; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 3. November 2021, 1 Ws 73/21, in: wistra 2022, 131 f.). Der Besetzungseinwand muss ohne Bezugnahmen und Verweisungen aus sich heraus Inhalt und Gang des bisherigen Verfahrens so konkret und vollständig wiedergeben, dass eine abschließende Prüfung durch das nach § 222b Abs. 3 StPO zuständige Rechtsmittelgericht ermöglicht wird. Denn es ist nicht Aufgabe des Senats, im Vorabentscheidungsverfahren gemäß § 222b Abs. 3 StPO, das – wie ausgeführt – revisionsrechtlichen Grundsätzen folgt, den Revisionsvortrag aus anderen Unterlagen zusammenzufügen oder zu ergänzen (vgl. BGH, Urteil v. 04.09.2014, 1 StR 75/14, in: StraFo 2015, 70 f.). Dabei sind als erforderlicher Inhalt des Besetzungseinwands auch Angaben anzusehen, aus denen sich dessen Statthaftigkeit ergibt. Widrigenfalls bedürfte es des bei einer revisionsähnlichen Ausgestaltung des Vorabentscheidungsverfahrens nicht zulässigen Rückgriffs auf die Akten, um dem Rechtsmittelgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob der Besetzungseinwand in statthafter Weise in Bezug auf eine spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung erfolgende Besetzungsmitteilung erhoben wurde (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 16. Februar 2024, in: NJW-Spezial 2024, 216 f.; OLG Bremen, Beschluss vom 14. April 2020, NStZ 2020, 565 f.).
b) Demnach muss sich der Vortrag zum Besetzungseinwand auch auf die Förmlichkeiten des Rechtsbehelfs beziehen, woran es hier fehlt. Gemäß § 222a Abs. 1 Satz 2, 2. Hs. StPO ist die vor der Hauptverhandlung avisierte Mitteilung der Besetzung des Gerichts seit der Gesetzesänderung 2019 förmlich zuzustellen, da sie die einwöchige Ausschlussfrist nach § 222b Abs. 1 Satz 1 StPO auslöst (BT-Drucks. 19/14747, S. 30) und zur unverzüglichen Anbringung der Ablehnungsgründe zwingt (BT-Durcks. a.a.O., S. 17). Zur Frage, ob die Gerichtsmitteilung vor der Hauptverhandlung dem Verteidiger des Angeklagten („Name 01“) förmlich zugestellt worden ist, verhalten sich die Ausführungen zum Besetzungseinwand jedoch nicht. Nach den Ausführungen in der Begründungsschrift vom 6. März 2024 scheinen die Mitteilungen formlos erfolgt zu sein. Den Ausführungen zum Besetzungseinwand kann auch nicht entnommen werden, ob der Kammervorsitzende die förmliche Zustellung der Besetzungsmitteilung angeordnet hat (§ 36 Abs. 1 Satz 1 StPO). Letztlich kann der Senat aufgrund des Sachvortrags nicht überprüfen, ob die für den Besetzungseinwand erforderlich Mitteilung formgerecht, mithin wirksam erteilt worden ist. Bei nicht wirksamer Besetzungsmitteilung wäre zur Fristberechnung auf die Besetzungsbekanntgabe zu Beginn der Hauptverhandlung am 6. März 2024 abzustellen. In diesem Falle aber wäre der Besetzungseinwand schon vor deren wirksamer Bekanntgabe in der Hauptverhandlung erhoben worden und würde sich als nicht statthaft erweisen, da das Gesetz einen vorgreiflichen Besetzungseinwand nicht kennt.“
Und dazu – und noch zu viel mehr – kann man dann bald wieder << Werbemodus an>> Aktuelles lesen in den Neuauflagen der beiden Handbücher für das Ermittlungsverfahren – jetzt dann 10. Aufl. – und für die Hauptverhandlung – jetzt dann 11. Aufl., die man hier vorbestellen kann. <<Werbemodus aus>>