Strafe III: Wieder ausreichende Urteilsgründe?, oder: Vorstrafen, Tagessatz und kurze Freiheitsstrafe

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Und dann habe ich hier noch im dritten Posting zur Strafzumessung zwei Entscheidungen des BayObLG, allerdings genügen m.E. die Leitsätze. Die lauten:

1. Grundsätzlich dürfen auch nicht einschlägige Vorstrafen bei der Strafzumessung berücksichtigt werden, weil sie belegen, dass der Täter sich die frühere Verurteilung nicht hat zur Warnung dienen lassen. Im Urteil sind die bei der Strafzumessung zu berücksichtigenden Vorstrafen in dem Umfang und in der Detailliertheit mitzuteilen, in denen sie für die getroffene Entscheidung von Bedeutung sind. Die gebotene Darstellungsbreite und die Darstellungsdichte bestimmen sich nach dem Einzelfall. In der Regel erforderlich sind Ausführungen zum Zeitpunkt der Vorverurteilungen, zum Schuldspruch, zu den erkannten Rechtsfolgen und zu einer etwaigen Verbüßung. Wenn aus Vortaten und Vorstrafen gewichtigere Konsequenzen gezogen werden sollen, ist es in der Regel sachlich-rechtlich geboten, ergänzend die früheren Taten mit einer (zusammengefassten) Sachverhaltsschilderung und gegebenenfalls auch mit relevanten früheren Strafzumessungserwägungen festzustellen und mitzuteilen.

2. Die Bemessung des Tagessatzes nach § 40 Abs. 2 S. 1 StGB kann als ein Teil der Strafzumessung vom Revisionsgericht als tatrichterliche Ermessensentscheidung nur in beschränktem Umfang nachgeprüft werden. Der Tatrichter hat einen weiten Beurteilungsspielraum. Zu dem Einkommen im Sinne von § 40 Abs. 2 StGB gehören auch die Grundsicherung und sonstige Unterstützungsleistungen samt etwaiger Sachbezüge. Es sind nicht nur solche Leistungen zu berücksichtigen, die der Täter tatsächlich erhält, sondern auch diejenigen, auf welche er Anspruch hat. Auch Naturalbezüge, wie etwa freie Kost und Wohnung sind zu berücksichtigen. Nach § 40 Abs. 2 S. 2 StGB kommt es nicht auf das tatsächliche, sondern auf das zumutbar erzielbare Einkommen an.

1. Den Urteilsgründe muss eine ausreichende Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen der Tat und des Täters und eine entsprechende Gesamtwürdigung zu entnehmen sein.

2. „“Einschlägige Vorverurteilungen“ des Angeklagten müssen in den Urteilsgründen dargestellt werden.

3. Die Unerlässlichkeit der Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe ist besonders kritisch zu prüfen und entsprechend zu begründent, wenn die Freiheitsstrafe zugleich zur Bewährung ausgesetzt werden soll.

Strafe II: Lebenslang bei Raub mit Todesfolge?, oder: Keine vorsätzliche Herbeiführung des Todes

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Und im zweiten Posting dann der BGH, Beschl. v. 01.10.2024 – 3 StR 324/24 – zur Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe nach § 251 StGB , also Raub mit Todesfolge. Dazu sagt der BGH:

„Der näheren Erörterung bedarf allein der Strafausspruch. Auch dieser hat Bestand. Die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe nach § 251 StGB setzt nicht die vorsätzliche Herbeiführung des Todes voraus. Im Einzelnen:

1. Nach dem Gesetzeswortlaut kann auch bei leichtfertiger Verursachung der Todesfolge, wie sie hier vorliegt, auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2005 – 2 StR 474/05, BGHR StGB § 178 Strafzumessung 2 für den Fall des sexuellen Missbrauchs von Kindern mit Todesfolge gemäß § 176b StGB aF [§ 176d nF] und Vergewaltigung mit Todesfolge nach § 178 StGB; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 251 Rn. 11; MüKoStGB/Sander, 4. Aufl., § 251 Rn. 17; BeckOK StGB/Wittig, 62. Ed., § 251 Rn. 13; Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 251 Rn. 11; in der Tendenz anders BGH, Beschluss vom 20. Oktober 1992 – GSSt 1/92, BGHSt 39, 100, 106; aA LK/Vogel/Burchard, StGB, 13. Aufl., § 251 Rn. 28; NK-StGB/Kindhäuser/Hoven, 6. Aufl., § 251 Rn. 13; SK-StGB/Sinn, 9. Aufl., § 251 Rn. 24; Matt/Renzikowski/Maier, StGB, 2. Aufl., § 251 Rn. 31; Geilen, Jura 1979, 557, 558; Paeffgen, JZ 1989, 220, 223; Günther, FS Hirsch, S. 543, 550).

2. Ferner unterscheidet der Gesetzgeber gesetzessystematisch zwischen wenigstens fahrlässiger (vgl. § 221 Abs. 3, § 226 Abs. 1, § 227 Abs. 1, § 235 Abs. 5, § 239 Abs. 4 jeweils i.V.m. § 18 StGB), leichtfertiger (s. §§ 176d, 178, 239a Abs. 3, §§ 251, 306c StGB) und qualifiziert vorsätzlicher Herbeiführung der schweren Folge (vgl. § 226 Abs. 2 StGB). In § 226 StGB sind die verschiedenen Schuldformen mit unterschiedlichen Strafrahmen verbunden. Eine derartige Differenzierung findet sich für den Raub mit Todesfolge nicht.

3. Auch aus den Gesetzesmaterialien ergeben sich keine Hinweise darauf, dass die lebenslange Freiheitsstrafe nur für den Fall der vorsätzlichen Herbeiführung der Todesfolge in § 251 StGB aufgenommen worden ist. Vielmehr ist ihnen zu entnehmen, dass der Gesetzgeber sowohl die lebenslange als auch die zeitige Freiheitsstrafe einheitlich an die wenigstens leichtfertige Verursachung des Todes geknüpft hat (vgl. BT-Drucks. 13/9064 S. 11 f.; BT-Drucks. 13/8587 S. 20, 44, 79; s. auch BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2005 – 2 StR 474/05, BGHR StGB § 178 Strafzumessung 2).

4. Darüber hinaus rechtfertigt sich die im Vergleich zu § 212 Abs. 1 StGB doppelt so hohe Mindeststrafe des § 251 StGB, ohne die Möglichkeit der Annahme eines minder schweren Falles, nicht allein aus dem gleichzeitigen Vorliegen von Raub und zumindest leichtfertiger Herbeiführung des Todes eines Menschen. Der besondere Unrechtsgehalt liegt vielmehr darin, dass sich die konkrete Lebensgefährlichkeit der Tatausführung in der besonderen Folge verwirklicht hat. Der Tod des Opfers erwächst aus dem typischen und spezifischen Risiko, das der Täter durch die Art der Ausführung des Raubes hervorgerufen hat (MüKoStGB/Sander, 4. Aufl., § 251 Rn. 1; SK-StGB/Sinn, 9. Aufl., § 251 Rn. 2). Die konkrete Lebensgefahr aufgrund der Art und Weise der Tatbegehung kann jedoch unabhängig vom Vorliegen eines Tötungsvorsatzes bestehen. Es entspricht daher nicht dem Zweck des Gesetzes, wenn der Strafrahmen nur im Fall eines tateinheitlichen vorsätzlichen Tötungsdelikts, welches zudem einen weiteren Unrechtsgehalt aufweist, ausgeschöpft werden könnte. Demgegenüber bedarf es in diesem Fall nicht des Strafrahmens des § 251 StGB, wenn das Tatgericht ein Mordmerkmal, namentlich – was regelmäßig naheliegt – Habgier gemäß § 211 Abs. 2 Variante 3 StGB, annimmt oder einen besonders schweren Fall nach § 212 Abs. 2 StGB bejaht.“

Strafe I: Mal wieder Doppelverwertungsverbot, oder: I.d.R. keine Strafmilderung wegen U-Haft

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Und dann läuft es hier ab heute – 02.01.2025 – wieder normal, d.h.: Es gibt wie gewohnt drei Fachbeiträge, i.d.R. zu Entscheidungen. Und ich beginne das Neue Jahr und den Rest der Arbeitswoche mit Entscheidungen zur Strafzumessung.

Ich beginne mit zwei Entscheidungen, und zwar:

„Das Landgericht hat bei der Strafzumessung im engeren Sinne zulasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er „an einer schwerwiegenden körperlichen Erkrankung leidet, die ihn aber nicht davon abgehalten hat, die vorliegende Tat zu planen und auszuführen.“ Dies erweist sich als durchgreifend rechtsfehlerhaft. Denn damit wirft das Landgericht dem Angeklagten letztlich die Begehung der Straftat als solche vor; dies verstößt gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Dezember 2014 – 3 StR 502/14, NStZ-RR 2015, 71; vom 8. Januar 2015 – 2 StR 233/14, NStZ 2015, 333; vom 6. Dezember 2018 – 1 StR 186/18 Rn. 8).“

1. Die erlittene Untersuchungshaft ist für die Strafzumessung regelmäßig ohne Bedeutung, weil sie nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird.

2. Etwas anderes kann gelten, wenn der Angeklagte konkrete Umstände der Untersuchungshaft als besonders beschwerend empfunden haben könnte. In diesem Fall können die belastenden Auswirkungen über die kompensierende Wirkung der gesetzlichen Anrechnung hinausgehen.

Auftakt II: Neujahrstag 2025 – heute Neujahrswitze

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Und am Nachmittag des Neujahrstages 2025 – ich hoffe, alle sind inzwischen wach 🙂 und sind auch froh und munter ins Neue Jahr gekommen, gibt es dann keine Entscheidungen oder Ähnliches, sondern mal Neujahrswitze. Vorab aber noch einmal allen Besuchern und Besucherinnen – muss man ja wohl schreiben 🙂 – ein frohes Neues Jahr 2025. Mal sehen, was es für uns im Gepäck hat. Man darf gespannt sein.

Hier dann die angekündigten Witze mit:

„Wie hast du Silvester gefeiert?“

„Keine Ahnung! Ich habe noch keine Fotos gesehen!“


Der eine Ostfriese zum anderen:

„Hör mal, die Feuerwerksraketen, die du mir verkauft hast, funktionieren nicht mehr!“

Der andere:

„Das verstehe ich nicht! Ich habe sie extra vorher ausprobiert!“


und ein wenig böse 🙂

Ein Patient fragt seinen Arzt nach der Untersuchung, ob er zu Silvester ein Glas Sekt trinken dürfe.

Darauf antwortet der Arzt: „Ein Glas ist schon in Ordnung, aber worauf um Gottes Willen wollen Sie noch anstoßen?“


„Ich möchte mich zum Fitness anmelden.“

„Vorsatz zum Jahreswechsel?“

„Ja“

„Wir haben gerade einen 1-Tageskurs mit 3 Selfies im Angebot.“

In dem Sinne: Ein frohes Neues Jahr und einen feinen Resttag….

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Auftakt I: Rückblick zu Beginn des „neuen“ Jahres 2025, oder: Hier sind die Top-Ten-Themen des Jahres 2024

Bild von Rosy / Bad Homburg / Germany auf PixabayAm ersten Tag des neuen Jahres 2025 starte ich dann wieder von Borkum aus mit allen guten Wünschen für das Neue Jahr. Ich denke, jeder für das kommende Jahr eigene/andere Wünsche, sowohl allgemein als auch privat. Ich wünsche allen, dass ihre Wünsche sich erfüllen und (böse) (Vor)Ahnungen nicht in Erfüllung gehen. Packen wir es an, was passiert und was sich ändert oder auch nicht, liegt auch an uns.

Die Berichterstattung beginne ich dann auch in diesem Jahr mit einem Rückblick auf das gerade beendete Jahr 2024, und zwar wieder mit einem Rückblick auf die Top Beiträge 2024. Das ist für mich ja immer auch eine Art, das abgelaufene Jahr noch einmal Revue passieren zu lassen. Was war wichtig, was ist angekommen? Über was habe ich berichtet? Was sind Dauerbrenner? was ist überholt?

Und dann geht es los. Hier dann also die Top Beiträge des Jahres 2024. Auch in diesem Jahr nur die Top Ten nicht eine Top 25, wie in der Vergangenheit auch schon mal. Das wird dann doch vielleicht ein wenig viel.

Hier also die Top-Ten:

1. News: CanG reicht nicht für EncroChat-Verwertung, oder: Freispruch in „Encro-Chat-Komplex-Verfahren

2. Erstattungsfähigkeit von Reisekosten nach Freispruch, oder: Anreise von einem anderen Ort ohne Anzeige

3. Urteil I: Erneut: „es fehlt die Unterschrift der Richter“, oder: Der BGH erklärt es noch einmal…

4. StGB I: „…Sie „fetter Anwalt“ und „Rumpelstilzchen, oder: Ist das noch „Kampf ums Recht“?

5. KiPo I: „Nur“ Verbreitung von „Jugendpornografie“, oder: Lückenhafte Beweiswürdigung

6. U-Haft II: Wiederinvollzugsetzung eines Haftbefehls, oder: Anforderungen an die Begründung

7. StPO I: Verzicht aufs Zeugnisverweigerungsrecht, oder: Ganz oder gar nicht, teilweise geht nicht

8. Verkehrsrecht II: Anordnung der Blutentnahme/-probe, oder: Anforderungen an den Anfangsverdacht

9. Haft I: Ladung eines im Ausland lebenden Angeklagten, oder: Androhung von Zwangsmaßnahmen erlaubt?

10.StPO III: Keine Unterschriften unter dem Urteil, oder: Unterzeichnung des Urteils

Nun ja, EncroChat an der Spitze, aber das Thema dürfte sich allmählich erledigen. Was sich offenber nicht erledigt, sind die mit der Unterzeichnung des Urteils zusammenhängenden Fragen. Das sind die Dauerbrenner, aber das ist auch ein Bereich, den manche nicht verstehen wollen. Leider.