Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV und Gegenstandswert II, oder: Eingezogene Marihuanapflanzen und KCanG

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Es war zu erwarten, dass die Legalisierung von Cannabis und das Inkrafttreten des KCanG auch im Gebührenrecht Fragen aufwerfen würde. Dazu hat dann jetzt der BGH im BGH, Beschl. v. 25.07.2024 – 3 StR 201/23 zum Gegenstandswert von Marihuanapflanzen Stellung genommen.

Das LG hatte den Angeklagten am 20.12.2022 wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Dem lag zu Grunde, dass er beim Betrieb einer professionell ausgestatteten Marihuana-Indoor-Plantage als Helfer tätig war. Zudem ordnete das LG gegen den Angeklagten die Einziehung einer Pistole, der sichergestellten Marihuanapflanzen und einer großen Zahl im Einzelnen bezeichneter Ausrüstungsgegenstände der Plantage an. Auf die Revision des Angeklagten hat der BGH mit Beschluss vom 30.11.2023 (3 StR 201/23)  gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO von der Einziehung sämtlicher Einziehungsobjekte abgesehen und den entsprechenden Urteilsausspruch entfallen lassen. Die weitergehende Revision hat er gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Der ausschließlich in der Revisionsinstanz tätig gewordene Pflichtverteidiger des Angeklagten hat nunmehr beantragt, gemäß § 33 Abs. 1 RVG in Verbindung mit Nr. 4142 VV RVG den Gegenstandswert seiner Verteidigertätigkeit im Revisionsrechtszug festzusetzen, soweit diese sich auf die Einziehungsentscheidung des LG bezogen hat. Der BGH hat den Gegenstandswert auf 65.000 EUR festgesetzt:

„2. Der Gegenstandswert für die auf die Einziehung bezogene Tätigkeit des Pflichtverteidigers in der Revisionsinstanz ist gemäß § 33 Abs. 1, § 49 RVG in Verbindung mit Nr. 4142 VV RVG auf 65.000 € festzusetzen.

Insofern gilt:

a) Der Gegenstandswert bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Angeklagten an der Abwehr der Einziehung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. September 2022 – 5 StR 169/21, juris Rn. 2; vom 18. August 2021 – 1 StR 363/18, juris Rn. 3).

b) Die eingezogenen Marihuanapflanzen haben keinen anzusetzenden Wert, weil der Umgang mit ihnen zur Gewinnung von Rauschgift zum gewinnbringenden Weiterverkauf verboten war und ist (vgl. BGH, Beschluss vom 2. September 2022 – 5 StR 169/21, juris Rn. 3; Toussaint/Felix, Kostenrecht, 54. Aufl., RVG VV 4142 Rn. 15; BeckOK RVG/Knaudt, 64. Ed., RVG VV 4142 Rn. 14; Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl., RVG VV 4141 Rn. 19); dies gilt auch unter der Geltung des Konsumcannabisgesetzes (vgl. § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 KCanG). Hinsichtlich der übrigen mit dem erstinstanzlichen Urteil eingezogenen Gegenstände ist, unabhängig davon, ob sie im Eigentum des Angeklagten standen, der objektive Verkehrswert zum Zeitpunkt der Entscheidung in der betreffenden Instanz anzusetzen (vgl. Toussaint/Felix, Kostenrecht, 54. Aufl., RVG VV 4142 Rn. 13; BeckOK RVG/Knaudt, 64. Ed., RVG VV 4142 Rn. 11; Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl., RVG VV 4141 Rn. 18). Dieser beläuft sich unter Berücksichtigung der Neupreise, zu denen sie ausweislich einer Internetrecherche im Handel erworben werden können, und ihres Zustandes bei der polizeilichen Sicherstellung, der aus bei den Akten befindlichen Lichtbildern ersichtlich ist, nach der hier gebotenen überschlägigen Betrachtung auf den vorgenannten Betrag, jedenfalls aber auf über 50.000 € und nicht mehr als 65.000 €. Eine exaktere Verkehrswertbestimmung ist im Hinblick auf die Wertgrenze des § 49 RVG für die Höchstgebühr nach Nr. 4142 VV RVG nicht veranlasst. Unerheblich ist, dass sich die Einziehungsentscheidung auch gegen einen Mitangeklagten richtete; dies ändert nichts daran, dass der volle Verkehrswert der Einziehungsgegenstände anzusetzen ist (vgl. Toussaint/Felix, Kostenrecht, 54. Aufl., RVG VV 4142 Rn. 14; BeckOK RVG/Knaudt, 64. Ed., RVG VV 4142 Rn. 21).“

Anzumerken ist: Auf den ersten Blick ist man erfreut, dass es so schnell nach Inkrafttreten des CanG und des KCanG am 1.4.2024 auch schon eine gebührenrechtliche Entscheidung zum CanG/KCanG gibt und dann auch noch vom BGH. Nach dem zweiten Blick ist die Freude dann etwas getrübt, weil man sich fragt, ob der BGH überhaupt eine Aussage treffen musste, die er getroffen hat. Im Einzelnen.

Zutreffend sind die Ausführungen des BGH in Zusammenhang mit dem Gegenstandswert der „sonstigen Gegenstände“, die das LG eingezogen hatte. Insoweit kommt es auf den objektiven Verkehrswert an. Der Wert musste wegen der Beschränkung der (gesetzlichen) Gebühr für den Pflichtverteidiger in § 49 RVG auch nicht konkreter bestimmt werden. Man kann davon ausgehen, dass die Bemessung durch den BGH „passt“.

Aber: Was ist mit den Marihuanapflanzen? Auch insoweit hat der BGH m.E. (zunächst) Recht, wenn er einen Gegenstandswert verneint. Denn die Pflanzen war zu Gewinnung von Rauschgift zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Das war zum Zeitpunkt der Entscheidung des LG und auch des BGH über die Revision illegal, so dass damit ein Gegenstandswert für die (potenziellen) „Betäubungsmittel“ nicht anzusetzen war (vgl. BGH, Beschl. v. 2.9.2022 – 5 StR 169/21, AGS 2022, 460,  Burhoff AGS 2024, 193).

Schwer tue ich mich mit dem Satz des BGH: „Dies gilt auch unter der Geltung des Konsumcannabisgesetzes (vgl. § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 KCanG).“ Dieses Satz ist, wenn nicht falsch, so aber zumindest doch überflüssig. Zutreffend ist es zwar, wenn der BGH davon ausgeht, dass die Anpflanzung von Marihuanapflanzen zur Gewinnung von Rauschgift zum gewinnbringenden Weiterverkauf als weiterhin verboten ansieht (vgl. § 2 Abs. 1 KCanG); die Ausnahme des § 3 Abs. 2 KCanG greift beim Anbau zum Weiterverkauf nicht. Aber: Auf diese Frage und die Geltung kam es hier m.E. gar nicht an. Denn stellt man für die Gegenstandswertbestimmung auf den Zeitpunkt der Revisionsentscheidung ab, was der BGH bei den „sonstigen Gegenständen“ selbst tut, kann das KCanG keine Rolle spiele, Denn die Revisionsentscheidung des BGH datiert aus Dezember 2023, also lange vor Inkrafttreten des KCanG am 1.4.2024. Oder will der BGH insoweit ggf. eine Ausnahme machen – Stichwort: günstiges Gesetz – machen. Dann hätte er das aber auch sagen müssen und nicht nur einfach apodiktisch auch auf das KCanG verweisen.

Die Auswirkungen der Neuregelungen im CanG/KCanG auf das Gebührenrecht, vor allem in Zusammenhang mit der Nr. 4142 VV RVG, werden uns demnächst wahrscheinlich häufiger beschäftigen. Denn mit der Legalisierung durch das CanG hat Cannabis zumindest teilweise einen messbaren Wert erhalten. Interessant werden diese Frage allerdings erst, wenn Tätigkeiten im Hinblick auf den „legalen Teil“ erbracht worden sind, also z.B. beraten worden ist, ob und was und wieviel eingezogen werden kann. Da wird man dann die Frage des Gegenstandswertes diskutieren müssen. Dabei darf man dann allerdings auch nicht übersehen, dass für die Entstehung der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG der erforderliche Mindestwert von 30,00 EUR überschritten sein muss.

Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV und Gegenstandswert I, oder: Gegenstandswert einer Arrestforderung

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Am „Gebührenfreitag“ heute dann zwei Entscheidungen zum Gegenstandswert bei der Nr. 4142 VV RVG, der „Einziehungsgebühr“. Bei der Gebühr handelt es sich ja um eine reine Wertgebühr. Daher sind im Hinblick auf die Höhe der Gebühr die mit dem für die Berechnung der Gebühr maßgeblichen Gegenstandswert zusammenhängenden Fragen von erheblicher praktischer Bedeutung.

Dazu dann betreffend einen Arrest das LG Nürnberg-Fürth im LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 20.06.2024 – 18 KLs 104 Js 10095/22 – mit folgendem Sachverhalt: Am 29.9.2022 wurde der Angeklagten Rechtsanwalt R 1 als notwendiger Verteidiger beigeordnet. Mit Beschluss des AG vom 27.o9.2022, erweitert durch Beschluss des AG vom 09.11.2022 wurde ein Vermögensarrest in Höhe von 4.482.718,62 EUR in das Vermögen u. a. der Angeklagten angeordnet. Mit Schriftsatz ihres Verteidigers Rechtsanwalt R 1 vom 24.01.2023 legte die Angeklagte Beschwerde gegen Beschluss vom 09.11.2022 ein. Diese ist am 06.02.2023 verworfen worden).

Am 21.03.2023 wurde Anklage gegen die Angeklagte erhoben. Das Hauptverfahren wurde am 24.05.2023 eröffnet und Termine zur Hauptverhandlung bestimmt. Mit Beschluss vom 12.06.2023 wurde der Angeklagten Rechtsanwältin R 2 als weitere Verteidigerin beigeordnet. Diese stellte am 01.09.2023 für die Angeklagte einen Antrag auf Aufhebung der Arrestbeschlüsse vom 27.9.2022 und 9.11.2022.

Die Strafkammer hat am 09.10.2023 die Arrestbeschlüsse hinsichtlich der Angeklagten aufgehoben. Am 13.12.2023 wurde die Angeklagte rechtskräftig freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Angeklagten wurden der Staatskasse auferlegt.

Rechtsanwalt R 1 hat am 25.12.2023 einen Kostenfestsetzungsantrag gestellt und darin ausgeführt, dass für die Berechnung der Gebühr Nr. 4142 VV RVG (Beschwerde gegen den dinglichen Arrest) der Gegenstandswert in Höhe von 4.482.718,62 EUR gem. Beschluss des LG vom 09.10.2023 berücksichtigt worden sei, ggf. werde gem. § 33 RVG Festsetzung des Gegenstandswertes beantragt. Es sei sowohl im Ermittlungsverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren – er habe gegen die negative Beschwerdeentscheidung die hier nach § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO ausnahmsweise zulässige „weitere“ Beschwerde eingelegt worden, von ihm Rechtsmittel gegen den dinglichen Arrest angestrengt worden, weshalb die Gebühr in beiden Verfahrensabschnitten angefallen sei. Insgesamt wurden u.a. zwei zusätzliche Gebühr Nr. 4142 VV RVG nach einem Gegenstandswert in Höhe von 4.482.718,62 EUR, also jeweils 16.574,00 EUR geltend gemacht. Später ist dann der Antrag auf nur noch eine Verfahrensgebühr reduziert worden

Das LG hat den Gegenstandswert auf 863.385,22 EUR festgesetzt.

Ich erspare mir die Gründe des LG, sondern stelle nur die Leitsätze ein. Dies lauten:

    1. Bei der Schätzung des Gegenstandswertes für die Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 VV RVG bei Einziehung und verwandten Maßnahmen ist das wirtschaftliche Interesse des Betroffenen an der Abwehr der Arrestforderung maßgebend und die konkrete wirtschaftliche Situation ist in den Blick zu nehmen.
    2. Für die Wertberechnung gemäß § 2 Abs. 1 RVG geht das maßgebliche Interesse des Betroffenen an der Abwehr des Arrests nicht weiter, als Vermögenswerte vorhanden sind, auf die im Wege der Arrestvollziehung zugegriffen werden kann. Ein den Gesamtbetrag der tatsächlich erfolgten – werthaltigen – Pfändungen übersteigender Arrestbetrag hat bei der Bestimmung des Gegenstandswerts unberücksichtigt zu bleiben.
    3. Im Hinblick auf den vorläufigen Charakter der Anordnung des Vermögensarrests ist ein Abschlag von zwei Dritteln vorzunehmen.

Wie das LG gerechnet hat, bitte selbst nachlesen. Und wer es dann verstanden hat, bitte melden. Denn:

Die Ausführungen und die Berechnungen des LG lassen sich für mich nur schwer nachvollziehen. Das liegt u.a. auch daran, dass das LG umfangreichere allgemeine Ausführungen zu Wertgebühren und zur Nr. 4142 VV RVG macht, die m.E. überflüssig waren, weil es hier nur um die Festsetzung des Gegenstandswertes ging.

Zutreffend ist es, wenn das LG von einer Schätzung des zu sichernden Anspruchs gem. § 23 Abs. 1 S. 1 und 2 RVG i.V.m. § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG; § 3 ZPO ausgeht und dabei maßgebend auf das wirtschaftliche Interesse der Angeklagten an der Abwehr der Arrestforderung abstellt, wobei die konkrete wirtschaftliche Situation in den Blick genommen werden muss. Das ist h.M., und zwar ebenso, dass bei einem Arrest nur von einem Gegenstandswert in Höhe von 1/3 des zu sichernden Hauptanspruchs ausgegangen wird.

Probleme habe ich dann aber mit der konkreten Berechnung des Gegenstandswertes durch das LG. Nachvollziehen kann ich noch die Dar-/Aufstellung von sieben Grundstücke mit den jeweils erfolgten Eintragungen einer Sicherungshypothek und den auf der Grundlage ermittelten Werten von insgesamt 2.549.000 EUR. Mir erschließt sich dann aber nicht, warum das LG die Kontostände der neun Konten, über die die Angeklagte verfügen konnte, mit ihrem Gesamtkontostand von 1.642.372,30 EUR, aufzählt, im Rahmen seiner Schätzung dann aber hinsichtlich des Bankguthabens der Angeklagten offenbar nur einen Betrag in Höhe von 41.155,67 EUR ansetzt. Das lässt sich anhand der Beschlussgründe – jedenfalls für mich – nicht nachvollziehen. In die endgültige Berechnung des LG ist dann auch nur der Betrag eingeflossen. Denn addiert man zu den 2.549.000 EUR die 41.155,67 EUR, ergibt sich eine Summe von 2.590.155,60 EUR. 1/3 davon ist dann der als Gegenstandswert festgesetzte Betrag von 863.385,22 EUR. Es wäre schön gewesen, wenn das LG seine Schätzung ein wenig mehr erläutert hätte. Dafür hätte man auf die o.a. überflüssigen Ausführungen verzichten können.

Handy III: Datenkontrolle des Mobiltelefons in der JVA, oder: Wer muss das bezahlen?

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Und zum Tagesschluss dann noch eine Entscheidung aus dem Strafvollzug, nämlich zu der Frage, ob der für die Kosten der Kontrolle bei ihm sichergestellter Mobiltelefone auf sicherheitsrelevante Daten und ggf. deren Löschung aufkommen muss.

Das KG hat die Frage im KG, Beschl. v. 27.06.2023 – 2 Ws 17/23 – also schon etwas älter – bejaht:

„2. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat es die Strafvollstreckungskammer auf der Grundlage ausreichender tatsächlicher Feststellungen zum Sachverhalt abgelehnt, die Anstaltsleitung der JVA Heidering zu verpflichten, die sichergestellten Mobiltelefone ohne vorherige Datenüberprüfung durch eine Fachfirma zur Habe des Beschwerdeführers zu nehmen.

Die Entscheidung der Vollzugsanstalt, die sichergestellten Mobiltelefone ohne vorherige vollständige Datenüberprüfung durch eine Fachfirma nicht zur Habe des Beschwerdeführers zu nehmen oder zu versenden, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 StVollzG Bln dürfen Gefangene Gegenstände nur mit Zustimmung der Anstalt in Gewahrsam haben, annehmen oder abgeben.

§ 1 des Berliner Gesetzes zur Verhinderung des Mobilfunkverkehrs in Justizvollzugsanstalten (MFunkVG) bestimmt, dass Gefangenen der Besitz und Betrieb von Mobilfunkendgeräten auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalten untersagt ist, da andernfalls ein unkontrollierbarer Datenaustausch stattfinden könnte, der die Sicherheit der Anstalt gefährden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 18. April 2011 – 2 Ws 253/10 Vollz – mwN).

b) Durch den mehrfachen Besitz von in der Haftanstalt verbotenen Mobiltelefonen hat der Beschwerdeführer wiederholt gegen die ihm auferlegte Gewahrsamsbeschränkung verstoßen (vgl. OLG Nürnberg ZfStrVo 2002, 179). Dadurch hat er jeweils zugleich eine Gefahr für die Sicherheit in der Vollzugsanstalt geschaffen. Mithin liegt es auch in seiner Sphäre, diese Gefahr durch die Auslesung der Geräte zu beseitigen oder aber die entsprechenden Geräte oder SIM-Karten vernichten zu lassen.

c) Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 StVollzG Bln werden Gegenstände, die die Gefangenen nicht im Haftraum aufbewahren dürfen oder wollen, von der Anstalt aufbewahrt, soweit dies nach Art und Umfang möglich ist und Gründe der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt, insbesondere auch hygienische Gründe, nicht dagegensprechen. Ferner hat ein Gefangener die Möglichkeit, nach § 53 Abs. 2 StVollzG Bln Gegenstände, die er nicht benötigt, abzusenden. Dieses Recht gilt allerdings nicht uneingeschränkt, da die Justizvollzugsanstalt die Versendung bzw. die Ausbringung aus Sicherheitsgründen verweigern darf (vgl. Senat aaO). Denn es muss sichergestellt werden, dass dadurch die Sicherheit der Anstalt nicht gefährdet wird. Dies wäre bei einer unkontrollierten Herausgabe von Mobiltelefonen aber wegen der bestehenden Speicherungsmöglichkeiten der Fall. Denn während seines Aufenthalts in der Vollzugsanstalt kann ein Gefangener Kenntnisse über deren Sicherheitssysteme, Schließeinrichtungen, Notruf- und Alarmsysteme sowie über die Ausstattung der Vollzugsbediensteten und interne Abläufe sammeln und mit seinem Mobiltelefon aufzeichnen und speichern. Derartige gespeicherte Daten sind von hoher Sicherheitsrelevanz und stellen nicht bloß eine abstrakte Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt dar.

d) Demgemäß steht der Haftanstalt das Recht zu, zunächst zu kontrollieren, ob sicherheitsrelevante Daten in den Telefonen gespeichert sind. Da der Gefangene diese Gefahr selbst durch einen Verstoß gegen die ihm auferlegte Pflicht verursacht hat, muss er auch für die dadurch entstehenden Kosten aufkommen (vgl. Senat aaO). Er kann dabei selbst dann zur Begleichung der durch die Kontrolle entstehenden Kosten herangezogen werden, wenn bei der Kontrolle tatsächlich keine gespeicherten Daten auf seinen Mobiltelefonen und SIM-Karten festgestellt werden.

e) Aufzeichnungen, die Kenntnisse über Sicherheitsvorkehrungen der Anstalt vermitteln oder Schlussfolgerungen auf diese zulassen, können von der Vollzugsbehörde nach § 53 Abs. 4 StVollzG Bln vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden. Bei Mobilfunkgeräten erfolgt eine Vernichtung der sicherheitsrelevanten Daten durch vollständige Löschung der Datenspeicher.

Da der Gefangene die Gefahrenlage selbst geschaffen hat, darf die Vollzugsbehörde von ihm und auf seine Kosten – durch ein externes Unternehmen – den Nachweis verlangen, dass sich auf den Telefonen und SIM-Karten keine Aufzeichnungen im Sinne des § 53 Abs. 4 StVollzG Bln befinden. Der Gefangene hat die Möglichkeit, entweder alle Daten löschen oder die Telefone vernichten zu lassen, oder aber die gespeicherten Daten auslesen zu lassen und der Haftanstalt zur Kontrolle vorzulegen (vgl. Senat aaO).

f) Die zur bundesgesetzlichen Regelung getroffenen Entscheidungen sind insoweit auf die Aufbewahrung und Datenkontrolle bei Mobiltelefonen nach § 53 StVollzG Bln übertragbar. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe erweist sich die Weigerung der Vollzugsanstalt, die sichergestellten Mobiltelefone ohne vorherige vollständige Datenüberprüfung durch eine Fachfirma zu versenden oder zur Habe des Beschwerdeführers zu nehmen, vorliegend als rechtlich nicht zu beanstanden.“

Handy II: Längerer Sicherstellung eines Mobiltelefons, oder: StrEG – Nutzungsausfall/Rechtsanwaltskosten?

Als zweite Entscheidung stelle ich dann die GStA Dresden, Entscheidung v. 31.7.2024 – 12 StEs 84/23 – vor. Die GStA äußert sich darin zur Entschädigung nach längerer Sicherstellung eines Mobiltelefons.

In dem gegen den Antragsteller wegen des Verdachts des Missbrauchs von Ausweispapieren geführten Ermittlungsverfahren war durch Beschluss des AG die Durchsuchung der Wohnung mit Nebenräumen des Antragstellers angeordnet worden. Bei der daraufhin am 10.11.2021 erfolgten Durchsuchung wurde u.a. ein IPhone inklusive Ladekabel sichergestellt. Die Rückgabe an den Antragsteller erfolgte am 24.01.2023.

Der Antragsteller macht dann Ansprüche nach dem StrEG geltend. Das Ermittlungsverfahren ist mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 20.12.2022 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Durch Beschluss des AG vom 22.02.2023 wurde festgestellt, dass der Antragsteller für den durch die Strafverfolgungsmaßnahme der am 10.11.2021 erfolgten Durchsuchung seiner Wohnung und die am 10.11.2021 erfolgte und bis zum 20.12.2022 andauernde Beschlagnahme, erlittenen Schaden dem Grunde nach aus der Staatskasse zu entschädigen ist. Die StrEG-Grundentscheidung ist seit 14.3.2023 rechtskräftig. Die Belehrung gemäß § 10 Abs. 1 StrEG vom 12.5.2023 wurde dem Antragsteller am 22.5.2023 zugestellt.

Der Antragsteller hat die Erstattung der Kosten für den Nutzungsausfall aufgrund des beschlagnahmten Mobiltelefons in Höhe von 3.797,31 EUR sowie Rechtsanwaltskosten im Ermittlungsverfahren in Höhe von 453,87 EUR beantragt. Diese Kosten sind (nur) teilweise festgesetzt worden:

„Zu den geltend gemachten Positionen im Einzelnen:

1. Materielle Entschädigung für die erlittene Durchsuchung/Sicherstellung

Nach der den Umfang des Entschädigungsanspruchs regelnden Vorschrift des § 7 StrEG ist jeder durch die Strafverfolgungsmaßnahme in zurechenbarer Weise verursachte Vermögensschaden zu ersetzen. Der Begriff und Umfang des Vermögensschadens ist nach den §§ 249 ff. BGB zu bestimmen, soweit sich aus dem Sinn des StrEG nicht ausdrücklich Abweichungen ergeben (Dieter Meyer, StrEG-Kommentar, 10. Aufl., § 7 Rz. 5, 11). Demnach ist ein Vermögensschaden jede in Geld bewertbare Einbuße, die der Berechtigte an seinem Vermögen oder an seinen sonstigen rechtlich geschützten Gütern erleidet und ihm hierdurch tatsächliche wirtschaftliche Nachteile entstanden sind (BGH, BGHZ 65, 170, 172).

Den Eintritt des Schadens sowie sämtliche Tatsachen, die die haftungsausfüllende Kausalität begründen, hat der Berechtigte darzulegen und nachzuweisen. Insoweit gelten die Darlegungs- und Beweispflichten des Zivil- und Zivilverfahrensrechts (Dieter Meyer, a. a. 0., § 7 Rz. 55, 57; BGH, BGHZ 103, 113).

Nutzungsausfall für beschlagnahmte Mobiltelefone

Der Antragsteller macht eine Entschädigung für die Beschlagnahme des Mobiltelefons IPhone 7 im Umfang von 407 Tagen x 9,33 EUR, mithin in Höhe von 3.797,31 EUR geltend. Hinsichtlich der Höhe der Entschädigung sei eine Orientierung am marktüblichen Mietpreis vergleichbarer Geräte geboten.

Entgangene Nutzungsmöglichkeiten sind nach dem StrEG grundsätzlich erstattungsfähig, wenn der Betroffene auf die Nutzung des Gegenstandes für die eigene Lebensführung in dem Sinne angewiesen ist, dass die ständige Verfügbarkeit des Gegenstandes erforderlich ist. Nach den heutigen Lebensumständen zählen insbesondere Tablets/Computer bzw. internetfähige Mobiltelefone zu den Gegenständen, auf die der Betroffene für die eigenwirtschaftliche Nutzung typischerweise angewiesen ist (Meyer, Strafrechtsentschädigung, 11. Auflage, § 7 Rz. 30).

Das ist demnach bei dem im Ermittlungsverfahren beschlagnahmten Mobiltelefon IPhone 7 der Fall. Nach den heutigen Lebensumständen ist die Nutzung eines internet-fähigen Smartphones wesentlicher Bestandteil der eigenwirtschaftlichen Lebenshaltung. Zudem ist der Ermittlungsakte nicht zu entnehmen, dass dem Antragsteller im entschädigungspflichtigen Zeitraum ein internetfähiges Zweitgerät zur Verfügung stand. Der Entschädigungsanspruch ist daher grundsätzlich gegeben.

Der vom Antragsteller zugrunde gelegte Sicherstellungszeitraum kann jedoch nicht vollumfänglich anerkannt werden. Ausweislich der vorliegenden Akten ist die Beschlagnahme des Mobiltelefons am 10. November 2021 und die Rückgabe am 20. Dezember 2022 erfolgt. Der laut der StrEG-Grundentscheidung des Amtsgerichts Leipzig vom 22. Februar 2022 festgelegte Beschlagnahmezeitraum umfasst den Zeitraum vom 10. November 2021 bis 20. Dezember 2022, mithin 406 Tage.

Hinsichtlich der Höhe der vom Antragsteller angenommenen Entschädigungspauschale von 9,33 EUR/Tag ist nach einem Urteil des Landgerichts Stuttgarts vom 26.05.2009 (Landgericht Stuttgart, 26.05.2009, Az. 0 306/08, BeckRS 2010, 1167, beck-online) ein Abschlag, für den im Mietpreis enthaltenen -nicht erstattungsfähigen- Gewinn der Vermieter in Ansatz zu bringen.

Mangels vorliegender Zahlen zu den konkreten Gewinnspannen der Vermieter, erscheint ein Abschlag von fast 20 % auf 7,00 EUR/Tag als angemessen.

Der Antragsteller ist demnach wie folgt zu entschädigen:

406 Tage x 7,00 EUR/Tag = 2.842,00 EUR.

Darüber hinaus ist der Anspruch zurückzuweisen.

2. Rechtsanwaltskosten im Entschädigungsverfahren

Weiterhin macht der Antragsteller die Erstattung der Kosten für die anwaltliche Inanspruchnahme im Entschädigungsverfahren in Höhe von 453,87 EUR im Entschädigungsverfahren geltend.

Soweit sich der Antragsteller im Entschädigungsverfahren der Hilfe eines Rechtsanwaltes bedient, sind die Kosten hierfür Teil des angemeldeten Schadens, sofern die anwaltliche Inanspruchnahme notwendig ist (Meyer, Strafrechtsentschädigung, 11. Auflage, § 7 Rz. 17). Die Ersatzfähigkeit ist vorliegend nicht gegeben, da es dem Antragsteller objektiv ohne weiteres zumutbar war, die beantragte Entschädigung ohne anwaltliche Hilfe selbst einzufordern.

Der Antrag betrifft lediglich eine Schadensposition, nämlich den zu 1. behandelten Nutzungsausfall zu einem elektronischen Gerät, hier Mobiltelefon. Der zugrunde zu legende Zeitraum hinsichtlich der Dauer des Nutzungsausfalls kann der StrEG-Grundentscheidung des Amtsgericht Leipzig vom 22. Februar 2023 entnommen werden. Eine Recherche zu den aktuellen Mietpreisen eines IPhone 7 ist ebenfalls zumutbar, bedarf jedenfalls nicht der Hilfe eines Rechtsanwalts.

Zwar wurde dem Berechtigten im Zusammenhang mit der Wohnungsdurchsuchung ein Dolmetscher für die arabische Sprache zur Seite gestellt, sodass anzunehmen ist, dass der Antragsteller der deutschen Sprache in Wort und Schrift nicht ausreichend mächtig ist. Indes bestand unter Hinweis auf die nachfolgenden Ausführungen gleichwohl keine Notwendigkeit einen Rechtsanwalt mit der Durchsetzung der Ansprüche zu beauftragen, wenngleich seinerzeit die StrEG-Grundentscheidung nicht übersetzt worden ist.

Eine Notwendigkeit zur Beauftragung von Rechtsanwalt pp. ergibt sich auch nicht, wenn der Antragsteller der deutschen Sprache in Wort und Schrift nicht ausreichend mächtig ist. Den Anforderungen des § 187 Abs. 2 GVG und dem Gebot des fairen Ver-fahrens wird bei einem verteidigten Angeklagten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, regelmäßig dadurch genügt, dass ihm die mündliche Urteilsbegründung durch einen Dolmetscher übersetzt wird und er die Möglichkeit hat, das abgesetzte schriftliche Urteil zusammen mit seinem Verteidiger unter Hinzuziehung eines Dolmetschers zu besprechen und sich in diesem Zusammenhang auch das Urteil zumindest auszugsweise übersetzen zu lassen. Einer schriftlichen Übersetzung des vollständigen Urteils bedarf es dann nicht (Leitsatz OLG Hamm vom 11.03.2014 -Az.: 2 Ws 40/14).

Nichts Anderes kann dann gelten, wenn – wie vorliegend – das Ermittlungsverfahren eingestellt wurde. Denn mit Bekanntgabe des Beschlusses des Amtsgerichts Leipzig vom 22. Februar 2023 an den Verteidiger, wäre es dem Antragsteller objektiv möglich gewesen, die StrEG-Grundentscheidung zusammen mit einem Verteidiger unter Hinzuziehung eines Dolmetschers zu besprechen und sich in diesem Zusammenhang auch zumindest auszugsweise übersetzen zu lassen.

Weiterhin hätte der Antragsteller den einfach gelagerten Entschädigungsantrag auch in seiner Muttersprache stellen können. Die Übersetzung des Antrages wäre sodann von der Staatsanwaltschaft Leipzig oder der entscheidenden Justizverwaltungsbehörde veranlasst worden.

Die Hinzuziehung von Rechtsanwalt pp. durch den Antragsteller war daher nicht notwendig. Mit der anwaltlichen Beauftragung hat der Antragsteller somit gegen seine auch im StrEG ausnahmslos geltende Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB; Meyer, Strafrechtsentschädigung, 11. Auflage, § 7 Rz. 51; BGH VersR 1975, 257, 258) verstoßen, indem er sich für einen einfach gelagerten Antrag der Hilfe eines Rechtsanwalts bedient hat.

Der Anspruch ist zurückzuweisen.“

Ich habe hinsichtlich der Entscheidung Bedenken.

Hinsichtlich des Nutzungsausfalls für die Beschlagnahme/Sicherstellung des Mobiltelefons erschließt sich mir nicht, woher die GStA den Abschlag von 20 % „zaubert“. Die GStA bezieht sich auf eine LG-Entscheidung aus dem Jahr 2009, die also 15 Jahre alt ist, bezieht und den im Hinblick auf die „Vermieterspanne“ erforderlichen Abschlag mal eben auf 20 % schätzt. Ich habe erhebliche Zweifel, ob die Spanne tatsächlich so hoch ist. M.E. hätte die GStA hier bei „Vermietern“ nachfragen müssen, wenn es denn überhaupt „Vermieter“ von Mobiltelefonen gibt.

Ganz erhebliche Bedenken habe ich gegen die Ablehnung der Erstattung der Rechtsanwaltskosten. Dazu muss man festhalten: Bei dem Antragsteller handelt es sich um einen der deutschen Sprache nicht mächtigen – arabisch sprechenden – Ausländer. Von dem verlangt die GStA, dass er seine Entschädigungsansprüche ggf. selbst oder (nur) unter Zuhilfenahme eines Dolmetsches geltend macht. Der nicht der deutschen Sprache mächtigen Ausländer soll sich also allein auf dem Gebiet der strafverfahrensrechtlichen Entschädigung bewegen, einem Gebiet, mit dem sich ggf. selbst Rechtsanwälte schwer tun. Zudem ist die GStA an der Stelle auch widersprüchlich, wenn sie davon ausgeht, dass „es dem Antragsteller objektiv möglich gewesen [wäre], die StrEG-Grundentscheidung zusammen mit einem Verteidiger unter Hinzuziehung eines Dolmetschers zu besprechen“. Wieso „zusammen mit einem Verteidiger“, wenn dessen Hinzuziehung doch nicht erforderlich gewesen sein soll? Meint die GStA ggf., dass der Verteidiger ohne Vergütung tätig werden soll/muss? Wohl kaum. Auch greift der Hinweis auf die Entscheidung des OLG Hamm, Beschl. v. 11.3.2014 (2 Ws 40/14( zu kurz. Denn die Frage, ob und welche Aktenbestandteile dem Beschuldigten übersetzt werden müssen, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Die GStA hätte sich mit den abweichenden Auffassungen auseinandersetzen müssen. Sie macht es sich zu einfach, wenn sie sie noch nicht einmal erwähnt. Schließlich verfängt der Einwand der GStA, der Antragsteller hätte den Antrag auch in seiner Muttersprache stellen können, m.E. nicht. Gerichtssprache ist nun mal nach § 184 GVG deutsch.

Handy I: Voraussetzungen für eine Funkzellenabfrage, oder: „Enkel-Trick-Betrug“ oder Ähnliches reicht

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In der Berichterstattung finden sich heuet drei Entscheidungen, die mit Mobiltelefonen zu tun haben.

Ich beginne mit dem LG Hamburg, Beschl. v. 06.06.2024 – 621 Qs 32/24 -, dem folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Die Staatsanwaltschaft hatte eine sog. Funkzellenabfrage (§ 100g StPO) beantragt. Vorgetragen war, dass mindestens drei unbekannte Täter in H. am 01.06.2024 gemeinschaftlich und gewerbsmäßig als Mitglieder einer „Betrugs-Bande, Betrugstaten begangen hatte. Die unbekannten Täter hatten sich zusammen geschlossen mit dem Ziel , sich durch die professionelle und arbeitsteilige Begehung von Betrugstaten nach dem Vorbild des sog. „Enkeltricks“ zum Nachteil vorwiegend älterer Tatopfer eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von erheblichem Umfang zu verschaffen. Eine Einzeltat konnte näher konkretisiert werden: und zwar hatte am 01.06.2024 zur Mittagszeit ein unbekannter Täter telefonisch Kontakt mit dem zu diesem Zeitpunkt 86-jährigen, im H. Weg… wohnhaften Geschädigten W. H. B. über dessen Telefonanschluss aufgenommen. Er hatte sich als Polizeibeamter ausgegeben und behauptete – wider besseres Wissen – wahrheitswidrig, dass im Bereich der Wohnanschrift des Geschädigten eine Frau überfallen worden sei und in diesem Zusammenhang Unterlagen aufgefunden worden seien, die eine Auflistung der Vermögenswerte des Geschädigten enthielten. Kurze Zeit später erschien ein weiterer unbekannter Täter am Haus des Geschädigten und forderte ihn zur Herausgabe seiner Bankkarten und der dazugehörigen PIN-Codes heraus, vermeintlich um diese am Polizeikommissariat zu überprüfen, tatsächlich aber um unter Einsatz der Karte und PIN (abrede- und zweckwidrige) Abhebungen an Geldautomaten vorzunehmen; der Geschädigte folgte im Vertrauen auf die Angaben der Täter den Anweisungen.

Das AG hatte die beantragten Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 S. 1 StPO abgelehnt. Das LG kommt dem Antrag der StA nach und führt u.a. aus:

„….Es liegt der Verdacht einer Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung vor, § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StPO i.V.m. § 100g Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO. Sie ist zum einen, unter Nr. 1 lit. n), im Katalog des § 100a Abs. 2 StPO enthalten und weist zum anderen auch unter Berücksichtigung der konkreten Tatumstände erhebliche Bedeutung auf. Es handelt sich vorliegend um eine Straftat von erhöhter Kriminalität. Nach kriminalistischer Erfahrung sind bei Taten nach dem vorliegenden Modus Operandi mindestens drei Personen involviert: Ein Anrufer, ein Logistiker und ein Abholer. Der Umstand, dass die Täter den Geschädigten geschickt manipulierten und steuerten, lässt auf einige Übung in dem Deliktsfeld und einen hohen Organisationsgrad schließen. An der Aufklärung dieser Tat besteht ein hohes öffentliches Interesse schon wegen des erheblichen Wertes der potentiellen Tatbeute – der Ersparnisse eines betagten Mitbürgers auf zwei Bankkonten – und des skrupellosen sowie gezielten Vorgehens der professionalisierten Täter, welche die altersbedingte Gutgläubigkeit und Gutmütigkeit des betagten Geschädigten mit erheblicher krimineller Energie arbeitsteilig und trickreich ausnutzten.

Vor diesem Hintergrund stehen die Erhebung der Daten und der hier beantragte Anordnungszeitraum von nur zwei Stunden in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache, § 100g Abs. 3 S. 1 Nr. 2 StPO. ….. „

Aber: Es gibt ja den BGH, Beschl. v. 10.01.2024 – 2 StR 171/23 -, der ja für die Anordnung einer Funkzellenabfrage den Verdacht einer besonders schweren Straftat aus dem Katalog des § 100g Abs. 2 StPO fordert. Das sieht das LG jedoch anders:

„Der Anordnung steht auch nicht entgegen, dass kein Verdacht einer besonders schweren Straftat aus dem Katalog des § 100g Abs. 2 StPO vorliegt. Der Katalog des § 100g Abs. 2 StPO ist für Funkzellenabfragen nach § 100g Abs. 3 S. 1 StPO nicht einschlägig.

Die Kammer schließt sich damit der jüngsten Entscheidung des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs zu den Voraussetzungen einer Funkzellenabfrage nicht weiter an (vgl. BGH, Beschluss vom 10.01.2024 – 2 StR 171/23 = BeckRS 2024, 10088) und hält an ihrer in den Beschlüssen vom 23.05.2024 (Az.: 621 Qs 28/24) und vom 24.05.2024 (Az.: 621 Qs 29/24) noch vertretenen Rechtsansicht nicht weiter fest.

Der Beschluss des 2. Strafsenats lässt bereits im Ausgangspunkt unerwähnt (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 14), dass die darin postulierte Auffassung, eine Funkzellenabfrage nach § 100g Abs. 3 S. 1 StPO setze den Verdacht einer besonders schweren Straftat aus dem Katalog des § 100g Abs. 2 StPO voraus, der – soweit ersichtlich – bislang herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur widerspricht (vgl. etwa LG Stade, Beschluss vom 26.10.2018 – 70 Qs 133/18 = BeckRS 2018, 27043; Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt-StPO, 66. Auflage 2023, § 100g, Rn. 36-38; Bär, in: BeckOK-StPO, 51. Edition, Stand: 01.04.2024, § 100g, Rn. 50; Henrichs/Weingast, in: KK-StPO, 9. Auflage 2023, § 100g Rn. 12, jeweils m.w.N.).

Die Auffassung des 2. Strafsenats, wonach es für die Anordnung einer Funkzellenabfrage gemäß § 100g Abs. 3 S. 1 StPO des Verdachts einer Katalogstraftat nach § 100g Abs. 2 StPO bedarf, findet im Wortlaut (1.) und der Systematik (2.) des Gesetzes sowie nach historischer (3.) und teleologischer (4.) Auslegung keine Stütze. Auch eine analoge Anwendung des § 100g Abs. 2 StPO scheidet aus (5.)…..“

Der Rest dann bitte ggf. selbst lesen.