Das AG hat den Angeklagten wegen Raubs in Tateinheit mit Körperverletzung verurteilt. Nach den Urteilsfeststellungen stieß der Angeklagte den Geschädigten „anlässlich einer verbalen Auseinandersetzung … von vorne, so dass dieser zu Boden ging“. Er entnahm der Brusttasche der Jacke des Geschädigten mindestens 365 Euro Bargeld und weitere Gegenstände. Ausführungen zur inneren Tatseite des Raubs fehlen. Der Angeklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, die er in der Hauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Das LG hat die Beschränkung für wirksam erachtet und den Angeklagten zu einer geringeren Strafe verurteilt. Seine Revision blieb erfolglos.
Das KG hat umfangreich begründet, warum die Beschränkung wirksam ist und setzt sich insbesondere auch mit der Wirksamkeit in den Fällen des Subsumtionsfehlers des Tatgerichts auseinander. Ich stelle hier wegen des Umfangs nur die Leitsätze ein. Die lauten:
1. Entscheidende Prüfsteine für die Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung sind der legitime Gestaltungswille des Angeklagten sowie das Gebot eines bewussten und verständigen Umgangs mit justiziellen Ressourcen („Prozesswirtschaftlichkeit“).
2. Es erscheint überfürsorglich und letztlich paternalistisch-etatistisch, wenn die Justiz im Bereich der Strafrechtspflege über den erklärten Willen des Angeklagten, eine für ihn nachteilige Entscheidung hinzunehmen, ohne dringenden Grund hinweggeht.
3. Die Berufungsbeschränkung ist nur unwirksam, wenn die erstinstanzlichen Feststellungen abschließend und nicht behebbar unklar, lückenhaft, widersprüchlich oder so dürftig sind, dass sich Art und Umfang der Schuld nicht in dem zur Überprüfung des Strafausspruchs notwendigen Maße bestimmen lassen.
4. Der dabei anzuwendende Prüfungsmaßstab ergibt sich nicht aus dem Revisionsrecht.
5. Nicht beschränkungshindernd ist im Grundsatz ein dem Tatgericht unterlaufener Subsumtionsfehler. Ein solcher liegt u.a. vor, wenn das tatsächlich festgestellte Tatverhalten den nicht angefochtenen Schuldspruch nicht trägt.
6. Von dem Grundsatz der Unbeachtlichkeit von Subsumtionsfehlern ist auch nicht abzuweichen, wenn der Schuldspruch einen höheren Strafrahmen vorgibt als das tatsächlich festgestellte Verhalten bei zutreffender Subsumtion (entgegen OLG Köln NStZ-RR 2000, 49).
Und dann habe ich hier im letzten Posting des Tages noch Rechtsprechung zum Verfahrensrecht im Bußgeldverfahren; auch hier nichts Neues, das hatten wir alles schon:
1. War der Verteidiger nicht im Sinne des § 73 Abs. 3 OWiG „mit nachgewiesener Vollmacht“ zur Vertretung befugt und deshalb auch nicht berechtigt, einen Entbindungsantrag für den Betroffenen zu stellen, so ist der Einspruch des Betroffenen nach § 74 Abs. 2 OWiG zu verwerfen.
2. Hat das Amtsgericht gleichwohl zur Sache verhandelt und entschieden, so ist der Betroffene mit dem Einwand ausgeschlossen, in der fälschlich abgehaltenen Verhandlung sei Verteidigervortrag unberücksichtigt geblieben.
3. Hat die prozessordnungswidrige Verhandlung für den Betroffenen zu einer Verschlechterung geführt (Erhöhung der Geldbuße), so stellt dies einen Verfahrensfehler dar, der auf Rechtsbeschwerde zur Aufhebung des Urteils zumindest im Rechtsfolgenausspruch führen würde. Ein Zulassungsgrund nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG ergibt sich aber nicht, weil sich die Fehlerhaftigkeit des Urteils nicht aus einer Verletzung rechtlichen Gehörs ergibt, sondern aus der irrtümlichen Annahme, der Verteidiger sei zur Vertretung befugt.
Gibt der Verteidiger durch einen distanzierenden Zusatz zu erkennen, dass er nicht die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernehmen will oder kann, ist die Rechtsbeschwerdebegründung nach § 345 StPO formunwirksam.
1. Ein unübersichtliches Konvolut aus Ablichtungen des Bußgeldbescheides, Ablichtungen aus dem amtsgerichtlichen Sitzungsprotokoll, Gesetzeszitaten, Ablichtungen aus einem privaten Sachverständigengutachten sowie von Schreiben des Verteidigers an das Gericht genügt den Anforderungen an einen ausreichenden Vortrag nicht.
2. Aus dem Rechtsbeschwerdevortrag muss erkennbar sein, aufgrund welcher konkreten Tatsachen sich das Gericht zu weiteren Beweiserhebungen hätte gedrängt sehen sollen.
3. Es ist nicht Aufgabe des Rechtsbeschwerdegerichts, sich aus einem unübersichtlichen Vortrag das für die jeweilige Rüge Passende herauszusuchen.
Und heute dann mal wieder KCanG. Es haben sich einige Entscheidungen angesammelt, nichts Besonderes, aber ich stelle sie der Vollständigkeite halber dann doch vor.
Hier kommt dann zunächst der KG, Beschl. v. 17.05.2024 – 3 ORs 32/24 – schon etwas älter, aber er ist jetzt erst „geliefert“ worden. Es geh noch einmal um eine Schuldspruchänderung bei Gesetzesänderung nach Berufungsentscheidung.
Das AG hat den Angeklagten mit Urteil vom 30.11.2022 unter Freispruch im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen gemäß §§ 1 Abs. 3, 29 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 BtMG, 53 StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Auf die vom Angeklagten eingelegte und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts Urteil vom 28.08.2023 im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte pp. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat verurteilt wird, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
Dagegen nun die Revision, über die dann das KG entschieden hat. Das KG hat das angefochtene Urteil im Schuldspruch dahingehend neu gefasst, dass der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Cannabis in zwei Fällen (§§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, 53 StGB) verurteilt ist, und im Strafausspruch aufgehoben und dann zurückverwiesen.
Hier reichen nur die Leitsätze zu der Entscheidung, nämlich:
2. Eine Gesetzesänderung ist in jeder Lage des Verfahrens – vom Revisionsgericht jedenfalls auf die allgemeine Sachrüge – zu berücksichtigen.
3. Ist eine den Angeklagten im anzuwendenden Strafrahmen begünstigende Rechtsänderung nach Erlass des Berufungsurteils eingetreten, führt dies zur Aufhebung der Rechtsfolgenentscheidung.
4. Da das mildere Gesetz als Ganzes anzuwenden ist, führt dies – auch im Falle einer an sich nach § 318 StPO wirksamen Beschränkung der Berufung – zur Aufhebung Schuldspruchs.
5. Im Falle einer wirksamen Berufungsbeschränkung kann der Schuldspruch durch das Revisionsgericht neu gefasst werden.
Und dann zwischendurch News – in eigener Sache.. Zunächst aber mal: <<Werbemodus an>>. Denn es ist ein Hinweisposting auf die soeben erschienene 3. Auflage von Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe. Was lange währt, wird dann dann doch/endlich gut. Es war ja zunächst nicht sicher, ob wir mit der 3. Auflage kommen, aber dann eben doch. Und dann ist es da und ich kann dann gleich den Schutzumschlag lösen 🙂 , was immer ein besonderes Ereignis ist.
Ich nehme dann dieses Posting zum Anlass, mich bei allen, die an der 3. Auflage beteiligt waren, zu bedanken für die reibungslose Zusammenarbeit. Das sind/waren die Autoren und die Mitarbeiter im Verlag, allen voran die Product-Managerin (früher nannte man das: Lektor/Lektorin 🙂 ). Es hat Spaß gemacht.
Und mit dem Erscheinen des Buches können alle, die das Werk vorbestellt haben, dass ihnen in den nächsten Tagen das Buch geliefert werden wird. Auch die „Widmungsexemplare“ kommen dann. Und alle die nicht vorbestellt haben, die können dann jetzt bestellen, und zwar wir immer hier auf der Bestellseite meiner Homepage, nämlich hier.
Wer die „Trilogie“ vorbestellt hat, muss sich leider noch etwas gedulden. Die drei Handbücher Ermittlungsverfahren, Hauptverhandlung, Rechtsmittel werden nach Erscheinen von Ermittlungsverfahren und Hauptverhandlung geliefert. Also noch ein bisschen Geduld.
Im zweiten Posting dann etwas vom BGH, und zwar der BGH, Beschl. v. 06.08.2024 – StB 48/24, in dem der BGH noch einmal zur Beurteilung des dringenden Tatverdachts durch das Beschwerdegericht im Beschwerdeverfahren Stellung genommen hat.
Der Angeklagte befand sich vom bis zum 0 in U-Haft aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des ), nach Anklageerhebung neu gefasst durch . Gegenstand des zuletzt maßgeblichen, der Anklage entsprechenden Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeklagte habe sich zwischen dem 20.05. und Ende Juni 2015 in der Arabischen Republik Syrien durch neun selbständige Handlungen an der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) beteiligt (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 StGB) und verschiedene Straftaten begangen (wegen der Einzelh. s. den Volltext des BGH).
Wegen dieser Vorwürfe findet seit dem 0 die Hauptverhandlung vor dem OLG Koblenz statt. Dieses hat den Haftbefehl durch Beschluss vom 0 mit der Begründung aufgehoben, dass der Angeklagte nach vorläufiger Bewertung des bisherigen, an über zwanzig Verhandlungstagen gewonnenen Beweisergebnisses der ihm zur Last gelegten Taten nicht mehr dringend verdächtig sei.
Dagegen die Beschwerde des GStA, die keinen Erfolg hatte:
1. Die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, unterliegt im Haftbeschwerdeverfahren in nur eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht. Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht oder weggefallen ist. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme. Allerdings muss es auch im Fall der Aufhebung eines Haftbefehls in die Lage versetzt werden, seine Entscheidung über ein hiergegen gerichtetes Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft auf einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen. Hieraus folgt indes nicht, dass das erkennende Gericht alle bislang erhobenen Beweise in der von ihm zu treffenden Entscheidung einer umfassenden Darstellung und Würdigung zu unterziehen hat. Seine abschließende Bewertung der Beweise und ihre entsprechende Darlegung ist den Urteilsgründen vorbehalten. Das Haftbeschwerdeverfahren führt insoweit nicht zu einem über die Nachprüfung des dringenden Tatverdachts hinausgehenden Zwischenverfahren, in dem sich das Tatgericht zu Inhalt und Ergebnis aller Beweiserhebungen erklären müsste.
Um dem Beschwerdegericht eine eigenverantwortliche Entscheidung zu ermöglichen, bedarf es daher einer – wenn auch knappen – Darstellung, ob und inwieweit sowie durch welche Beweismittel sich der zu Beginn der Beweisaufnahme vorliegende Verdacht bestätigt oder verändert hat und welche Beweisergebnisse gegebenenfalls noch zu erwarten sind. Das Beschwerdegericht beanstandet die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, soweit die Würdigung des Erstgerichts offensichtliche Mängel aufweist, welche die Einschätzung der Verdachtslage als unvertretbar erscheinen lassen. Der Beschwerde vermag es indes nicht zum Erfolg zu verhelfen, wenn der Rechtsmittelführer die Ergebnisse der Beweisaufnahme abweichend bewertet (s. insgesamt BGH, Beschlüsse vom – StB 38/20, juris Rn. 12 f. mwN; vom – StB 28/20, BGHR StPO § 112 Tatverdacht 5 Rn. 16 f.).
2. Unter Beachtung dieses Maßstabes ist die vorläufige Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts hinzunehmen. Dieses hat in der angefochtenen Entscheidung und vertiefend mit Beschluss vom zur Nichtabhilfe die Gründe dargelegt, aus denen es einen dringenden Tatverdacht nicht mehr für gegeben erachtet. Diese Ausführungen sind ausreichend, um eine Prüfung nach den beschriebenen Grundsätzen zu ermöglichen und die im derzeitigen Verfahrensstand vorrangig vom Tatgericht vorzunehmende Bewertung der Beweislage zumindest als noch vertretbar anzusehen.
a) Das Oberlandesgericht ist nach Darlegung der Einlassung des Angeklagten und der bisher in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise zu der Einschätzung gekommen, dass aufgrund der seit der Anklageerhebung und durch die Beweisaufnahme neu bekannt gewordenen Umstände die Möglichkeit nicht fernliege, dass der Angeklagte durch einige Zeugen zu Unrecht belastet worden sei. Beispielsweise hätten Zeugenvernehmungen Belastungstendenzen ohne sachlichen Hintergrund erbracht. Zudem habe die das Verfahren auslösende Nichtregierungsorganisation wesentliche entlastende Beweisergebnisse zum Teil über ein Jahr zurückgehalten und diese nur anlässlich der Zeugenvernehmung eines verantwortlichen Mitarbeiters in der Hauptverhandlung offenbart. Im Folgenden hat sich das Oberlandesgericht mit jedem einzelnen Tatvorwurf befasst und die aus seiner Sicht maßgeblichen Gründe für das Entfallen des dringenden Tatverdachts aufgezeigt.
b) Die dagegen mit der Beschwerde vorgebrachten Einwände dringen, zumal unter Berücksichtigung der weiteren Ausführungen im Nichtabhilfebeschluss, im Ergebnis nicht durch. Obschon in der Beschwerdebegründung erörterte Umstände nahelegen, dass eine andere Würdigung des aktuellen Beweisergebnisses möglich wäre, ergeben sich daraus keine offensichtlichen Mängel der angefochtenen Entscheidung.
aa) Das Oberlandesgericht hat in Bezug auf Fall 2 berücksichtigt, dass das Opfer des dem Angeklagten zur Last gelegten versuchten Tötungsdeliktes bislang nicht in der Hauptverhandlung vernommen worden ist und sonst keine das konkrete Geschehen betreffenden Beweismittel bekannt sind. Im Rahmen der vorläufigen Bewertung der Beweislage hat es einstellen dürfen, dass der sich in den Niederlanden aufhaltende Zeuge zu dem für seine Vernehmung vorgesehenen Hauptverhandlungstermin nicht erschienen ist, er seine Aussagebereitschaft von einem – aktuell nicht absehbaren – Familiennachzug abhängig gemacht hat und seine Vernehmung nicht zwangsweise herbeigeführt werden kann. Denn für die Beurteilung des Tatverdachts kommt es jedenfalls nach Beginn der Hauptverhandlung darauf an, ob die Verurteilung mit vollgültigen Beweismitteln hochwahrscheinlich ist (vgl. die entsprechende st. Rspr. zum hinreichenden Tatverdacht, etwa , BGHSt 64, 1 Rn. 14 mwN). Dass die – von der Einschätzung des Generalbundesanwalts abweichende – Prognose des Oberlandesgerichts zu einer Vernehmungsmöglichkeit des Zeugen unvertretbar ist, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen hat es zur Bewertung der Beweislage den konkreten Tatvorwurf nicht unmittelbar betreffende Erkenntnisse aus der Beweisaufnahme heranziehen dürfen, die ihm Anlass gegeben haben, die bisherigen, sich aus den Akten ergebenden Aussagen des Zeugen kritischer als zuvor zu bewerten.
bb) Hinsichtlich des Falles 4 hat das Oberlandesgericht insbesondere erwogen, dass der bislang nicht in der Hauptverhandlung vernommene, laut Anklagevorwurf von der Geiselnahme Betroffene – nach vorläufiger Einschätzung der übrigen Beweislage – unzutreffende Angaben zu den Fällen 7 und 8 gemacht habe; daher sei die Richtigkeit des von ihm zu seiner eigenen Entführung Bekundeten nicht hochwahrscheinlich. Insofern macht der Generalbundesanwalt zwar berechtigterweise geltend, dass die Glaubhaftigkeit der Aussagen zu unterschiedlichen Vorfällen nicht einheitlich beurteilt werden müsse. Allerdings handelt es sich hierbei letztlich um eine Wertung, die während der Hauptverhandlung gerade dem Tatgericht vorbehalten ist. Ähnliches gilt für die Frage, inwieweit dem Umstand Gewicht zukommt, dass andere Zeugen ausgesagt haben, sie seien ebenfalls im „Gästepalast“ festgehalten, der Betroffene ihres Wissens aber nicht dort inhaftiert worden.
cc) Bezüglich der Fälle 7 und 8 habe, so das Oberlandesgericht, keiner der bisher vernommenen Zeugen von einer weiteren Hinrichtung zweier Kämpfer der „Freien Syrischen Armee“ über die Fälle 5 und 6 hinaus berichtet. Da der Bruder desjenigen Zeugen, auf den insoweit der dringende Tatverdacht bislang gestützt worden sei, nach dem bisherigen Ergebnis der Hauptverhandlung nach Zeugen für Anschuldigungen gegen den Angeklagten gesucht habe, erschienen aufgrund der engen familiären Verbundenheit auch die Aussagen des Zeugen und seiner Ehefrau nicht mehr geeignet, einen dringenden Tatverdacht zu begründen. Ferner habe der Zeuge nach Aktenlage Vorwürfe gegen einen Bruder des Angeklagten erhoben, die mit dem vorläufigen Ergebnis der Beweisaufnahme nicht in Einklang stünden. Dass das Oberlandesgericht vor diesem Hintergrund keinen dringenden Tatverdacht mehr sieht, ist nach den eingangs dargelegten Maßstäben vertretbar.
dd) Dies gilt ebenfalls für den Vorwurf zu Fall 9, demzufolge der Angeklagte mit anderen das von dem Bruder des vorgenannten Zeugen bewohnte Haus ausgeräumt und zur Nutzung durch den IS vorbereitet habe. Aus den bereits aufgezeigten Gründen hält das Oberlandesgericht die sich aus den Akten ergebenden Aussagen der Brüder und der Ehefrau für nicht ausreichend, um einen dringenden Tatverdacht zu begründen. Hinzu kommt, dass der das Haus ursprünglich bewohnende Bruder nach Bekundungen mehrerer Zeugen schon vor der Ankunft des IS geflohen gewesen sei und daher zu etwaigen Tätern aus eigener Anschauung keine Angaben machen könne.
ee) Für die aktuelle Beurteilung der Beweislage durch das Tatgericht ist schließlich nicht entscheidend, dass es bei Erlass des geänderten Haftbefehls insgesamt aufgrund der Aktenlage einen dringenden Tatverdacht angenommen, bislang aber die dort genannten Augenzeugen für die Fälle 2, 4 und 7 bis 9 nicht vernommen hat. Das Oberlandesgericht hat den möglichen weiteren Erkenntnisgewinn durch die ausstehenden Zeugenaussagen bedacht, die nach der letzten Haftentscheidung gewonnenen anderweitigen Erkenntnisse aus den von ihm plausibel dargelegten Gründen jedoch für so gewichtig gehalten, dass es seine ursprüngliche Einschätzung der Verdachtslage nicht mehr aufrechterhalten hat.“