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Corona I: Begrenzung der Zuhörerzahl wegen Covid-19, oder: Ausschluss der Öffentlichkeit?

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Ich hatte neulich ja schon über den BGH, Beschl. v. 11.05.2022 – 5 StR 306/21 berichtet (vgl. StPO I: Strengbeweisverfahren/Gerichtskundigkeit, oder: Kein Hinweis auf “Gerichtskundigkeit”). 

Auf den komme ich jetzt wegen einer vom BGH im Zusammenhang mit Covid 19 angesprochenen Frage betreffend den Ausschluss der Öffentlichkeit zurück. Es war (auch) eine unzulässige Begrenzung der Zuhörerzahl geltend gemacht worden. Dazu der BGH:

„1. Die Rüge einer Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes (§ 338 Nr. 6 StPO) durch eine Begrenzung der Zuhörerzahl ist unbegründet. Entgegen der Auffassung der Revisionen hat die Strafkammervorsitzende die Entscheidung, die Zuhörerzahl aufgrund der COVID-19-Pandemie zu beschränken, in ihrer sitzungspolizeilichen Anordnung nach eigenem Ermessen getroffen und sich nicht an die – eine Höchstzahl an Zuhörern vorgebende – Hausordnung des Gerichtspräsidenten gebunden gesehen. Daraus, dass die Vorsitzende die zulässige Zuhörerzahl im Wege der Verweisung auf die jeweils geltende Hausordnung bestimmt hat, ergibt sich nichts anderes. Die Strafkammervorsitzende hat die „hier getroffenen Maßnahmen“ lediglich „vor dem Hintergrund“ der Hausordnung des Gerichtspräsidenten ergriffen, sie eigenständig begründet und nur ergänzend auf die Begründung des Landgerichtspräsidenten Bezug genommen. Inhaltlich war die Beschränkung der Zuhörerzahl aus den vom Generalbundesanwalt ausgeführten Gründen nicht zu beanstanden.

Da die Vorsitzende eine eigene Entscheidung getroffen hat, kommt es nicht darauf an, dass der grundsätzliche Vorrang der sitzungspolizeilichen Befugnisse gegenüber dem Hausrecht des Gerichtspräsidenten (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 1972 – 4 StR 71/72, BGHSt 24, 329; Beschluss vom 19. Januar 1982 – 5 StR 166/81; auf diese Entscheidungen Bezug nehmend BVerfG, Beschluss vom 14. März 2012, 2 BvR 2405/11, NJW 2012, 1863) bindende Regelungen der Justizverwaltung zur Kapazität eines Sitzungssaals nicht in jeglicher Hinsicht ausschließt. Derartige Anordnungen können die Sitzungsgewalt des Vorsitzenden im Einzelfall durchaus einschränken, um etwa bau- oder gesundheitspolizeilichen Anforderungen, Erfordernissen des Brandschutzes oder Verkehrssicherungspflichten Rechnung zu tragen (vgl. bereits BGH, Urteil vom 10. Juni 1966 – 4 StR 72/66, BGHSt 21, 72 zur Einhaltung gesundheits- oder gewerbepolizeilicher Sicherungsvorschriften bei einer Augenscheinseinnahme). Die in der Sitzungspolizei zum Ausdruck gelangende unabhängige richterliche Gewalt wird hierdurch regelmäßig nicht in Frage gestellt, insbesondere wenn Gefahren für gewichtige Rechtsgüter abzuwehren sind, die auf vom Prozessgegenstand unabhängigen Gründen beruhen, und zugleich die getroffenen Maßgaben das richterliche Handeln in der Verhandlung nicht spezifisch tangieren.“

Wenn die Hilfskraft das SV-Gutachten erstellt, oder: Keine Vergütung für den Sachverständigen

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Am Gebührenfreitag stelle ich zunächst eine  Entscheidung vor, die sich mit anwaltlichen Gebühren befasst, sondern mit der Vergütung eines psychatrischen Sachverständigen.

Folgender Sachverhalt: Die StA hatte den Sachverständigen T. mit der Erstattung eines Gutachtens zu der Frage des Vorliegens der medizinischen Voraussetzungen der §§ 20, 21, 64 StGB beim Verurteilten beauftragt. Bei Auftragserteilung wurde der Sachverständige T. darauf hingewiesen, dass er sich seiner Mitarbeiter bedienen kann, wenn er bereit sei, die Verantwortung für den Inhalt des Gutachtens zu übernehmen. In dem von dem Sachverständigen erstellten Gutachten heißt es, dass die „ausführliche persönliche Untersuchung des Probanden in der JVA Nürnberg durch B., B.Sc. Psychologie und den Referenten am 10.03.2021 und 19.03.2021 in der JVA Nürnberg über insgesamt 2 Stunden 45 Minuten“ erfolgte. Die Kostenrechnung des Sachverständigen in Höhe von 5.342,51 EUR ist durch die Staatsanwaltschaft zur Zahlung freigegeben worden.

In einem Brief an seine Lebensgefährtin schilderte dann der Verurteilte u.a., dass das Gutachten „eine Frau B und kein T“ gemacht habe. Dieser habe lediglich ein paar Wochen später für „5 Minuten“ mit ihm gesprochen und das nur „über den § 64 und nicht über meine Gedanken oder sonst etwas“. Der Brief ist beschlagnahmt worden. Der Sachverständige T wurde daraufhin aufgefordert mitzuteilen, ob während der Exploration über 2 Stunden 45 Minuten beide Sachverständige anwesend waren und wenn nicht, welche Befunde durch welchen Sachverständigen erhoben wurden. Der Sachverständige teilte mit, dass die Angaben des Verurteilten auf S. 31 – 50 des Gutachtens am 10.03.2021 gegenüber Frau B. in detaillierter Art und Weise gemacht und am 19.03.2021 ihm gegenüber in kompakter Form wiederholt worden seien.

Das LG hat sodann, dem Sachverständigen T in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft dem Verteidiger die weitere Gutachtenerstattung entzogen und einen anderen Sachverständigen mit der Begutachtung beauftragt, da der Sachverständige gegen das Verbot der Delegation der Exploration an eine Hilfsperson verstoßen habe. Der Verurteilte ist dann mit inzwischen rechtskräftigem Urteil zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und Unterbringung in eine Entziehungsanstalt verurteilt worden. Das zunächst vom Sachverständigen T. angefertigte vorläufige schriftliche Gutachten fand weder in der Hauptverhandlung noch bei der Verurteilung Verwendung. Im Urteil hat das LG ausgeführt, dass sie davon ausgehe, dass die bereits beglichenen Kosten des Gutachtens des Sachverständigen T. vom Sachverständigen zurückgefordert werden und daher nicht Teil der Verfahrenskosten werden, weshalb sie davon abgesehen hat, die Kosten der Staatskasse aus Billigkeitsgründen gem. § 465 Abs. 2 StPO aufzuerlegen.

Der Sachverständige T. ist zur Rückerstattung der beglichenen Kostenrechnung aufgefordert worden. Er hat in dem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass er, um die Justiz zu unterstützen und die Zeit bis zur Fertigstellung des Gutachtens auf eine zumutbare Frist zu begrenzen, Fachkräften die Mitarbeit an der Erstellung der Gutachten erlaubt habe. Dies sei in forensischen Instituten und Kliniken ein übliches Vorgehen. Er habe die gesamten schriftlichen Gutachtenstexte auf Richtigkeit überprüft und in jedem einzelnen Fall persönlich die Probanden exploriert. Er habe sich die Kernfragen der Exploration durch seine Mitarbeiterin notiert und diese danach in kürzerer Zeit mit dem Probanden besprochen. In seiner dazu abgegeben Stellungnahme hat der Verurteilte mitgeteilt, dass er mit dem Sachverständigen nicht in „Verbindung mit dem Gutachten“ gesprochen habe. Er habe ihn nur für 5 Minuten in der JVA besucht und mitgeteilt, dass er den § 64 StGB befürworte. Die Begutachtung habe Frau B. gemacht.

Der Bezirksrevisor hat daraufhin beantragt, die Vergütung des Sachverständigen T. gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG auf 0,00 € festzusetzen. Dem Antrag ist das LG im LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 18.05.2022 – 5 Ks 102 Js 2876/20  – gefolgt:

„Der Antrag auf Festsetzung der Vergütung auf 0,00 € ist zulässig und begründet.

1. Gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG wird die Vergütung durch gerichtlichen Beschluss festgesetzt, wenn die Staatskasse dies, wie vorliegend, beantragt. Gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 JVEG ist nach Erhebung der öffentlichen Klage das für die Durchführung des Verfahrens zuständige Gericht zuständig.

2. Die Vergütung des Sachverständigen Dr. T. war auf 0,00 € festzusetzen, da der Anspruch auf Vergütung gem. § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG entfallen ist. Demnach erhält der Berechtigte eine Vergütung nur insoweit, als seine Leistung bestimmungsgemäß verwertbar ist, wenn er gegen die Verpflichtung aus § 407a Abs. 1 bis 4 ZPO verstoßen hat, es sei denn, er hat den Verstoß nicht zu vertreten. Nur soweit das Gericht die Leistung berücksichtigt hat, gilt sie als verwertbar, § 8a Abs. 2 Satz 2 JVEG.

a) Der Sachverständige hat gegen § 407a Abs. 3 Satz 1 ZPO verstoßen, indem er insbesondere die Exploration auf eine Hilfsperson übertragen hat. Zwar kann ein beauftragter Sachverständiger, der grundsätzlich zur persönlichen Erstellung und Erstattung des Gutachtens verpflichtet ist, Hilfskräfte in Anspruch nehmen, solange er sich von den Untersuchungsergebnissen selbst überzeugt und das Gutachten selbst verantwortet. Die Staatsanwaltschaft hat auch die Zuziehung einer Hilfskraft – wie üblich – genehmigt. Aufgrund der Pflicht zur persönlichen Gutachtenerstattung besteht jedoch ein Delegationsverbot, soweit durch Heranziehung anderer Personen die Verantwortung des Sachverständigen für das Gutachten in Frage gestellt wird (BGH, Beschluss vom 25.05.2011 – 2 StR 585/10; Löwe-Rosenberg, 27. Auflage 2017, StPO, § 73 Rn. 6). Das Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen muss eine Exploration des Probanden durch den Sachverständigen einschließen. Dabei handelt es sich um die zentrale Untersuchungsmethode. Deren Ergebnisse kann der gerichtliche Sachverständige nur dann eigenverantwortlich bewerten, wenn er sie selbst durchgeführt oder zumindest insgesamt daran teilgenommen hat. Dies gilt erst recht, wenn bei der Exploration auch Mimik und Gestik des Probanden aufgefasst werden. Die Durchführung der Exploration als Kernstück des Gutachtens darf daher nicht an eine Hilfsperson delegiert werden (vgl. BGH, Beschluss vom 25.05.2011 – 2 StR 585/10; BSG, Beschluss vom 18.09.2003 – B 9 VU 2/03 B; OLG Köln, Beschluss vom 20.07.2011 – 17 W 129/11; MüKoStGB, 4. Auflage 2020, § 20 StGB Rn. 171; Nedopil/Müller, Forensische Psychiatrie, 4. Auflage 2012, S. 407).

Laut Auskunft des Sachverständigen Dr. T erfolgte eine detaillierte Exploration durch Frau B., durch ihn lediglich eine kompakte Abfrage. Eine kompakte Abfrage reicht aber nicht aus, um sich – bei der Exploration als zentrale Untersuchungsmethode – ein eigenes Bild von der Richtigkeit der Befunderhebung zu machen. Dem Sachverständigen war es daher verwehrt, die Verantwortung für das Gutachten zu übernehmen, da er die Exploration nicht persönliche durchgeführt hat oder wenigstens anwesend war. Soweit er behauptet, er habe die Kernstücke der Exploration durch seine Mitarbeiterin mit dem Verurteilten in kürzerer Zeit besprochen, steht dies in Widerspruch zu den Angaben des Verurteilten, der von Beginn an angegeben hatte, dass der Sachverständige mit ihm nur fünf Minuten über § 64 StGB gesprochen habe. Die Kammer hat an den Ausführungen des Verurteilten keine Zweifel, hat er doch (durch den Brief an seine Lebensgefährtin) den Stein ins Rollen gebracht, obwohl das schriftliche Gutachtenergebnis für ihn günstig ausgefallen ist. Der Sachverständige hat dem auch nicht konkret widersprochen, sondern lediglich pauschal vorgetragen, dass die „Kernstücke“ in knapper Form mit dem Verurteilten besprochen worden seien, ohne hierbei vorzutragen, welche Inhalte dies gewesen seien. Der letzten Behauptung des Verurteilten, dass der Sachverständige lediglich fünf Minuten da gewesen sei und nur § 64 StGB befürwortet habe, brachte der Sachverständige schließlich nichts entgegen. Letztlich kann es aber auch dahinstehen, welche „Kernstücke“ in kompakter Form mit dem Verurteilten – vermeintlich – besprochen wurden. Der psychiatrische Sachverständige hat die gesamte Exploration selbst durchzuführen oder ihr wenigstens beizuwohnen, was er seinem eigenen Vorbringen nach zweifellos nicht ansatzweise getan hat. Er kann daher denknotwendig auch nicht, wie er anführt, den „gesamten schriftlichen Gutachtentext auf Richtigkeit überprüft“ haben. Soweit der Sachverständige sich nunmehr ergänzend darauf beruft, er habe die Justiz unterstützen wollen und die Zeit zur Fertigstellung des Gutachtens auf eine zumutbare Frist zu begrenzen, kann er damit nicht gehört werden. Die Exploration eines Beschuldigten/Angeklagten kann für diesen, insbesondere bei Gutachten zu §§ 20, 21, 63, 64 StGB, gravierende Konsequenzen im Falle einer Verurteilung haben. Für die Justiz und den Probanden ist es daher unerlässlich, dass derartige Überlegungen bei der Gutachtenerstellung keinen Einzug finden. Es ist zwar richtig, dass auch von anderen Gutachtern gelegentlich Fachkräfte hinzugezogen werden. Dies gilt jedoch nicht für den Bereich der Exploration.

Die Kammer sah sich daher gezwungen, den Sachverständigen vor Beginn der Hauptverhandlung von der weiteren Gutachtenerstattung zu entbinden. Daran vermochte auch eine hypothetisch ergänzende Exploration durch den Sachverständigen Dr. T. nichts zu ändern, da hierdurch verbleibende Zweifel an der notwendigen Objektivität des Sachverständigen bestehen blieben. Dies galt umso mehr, als der Verurteilte in dem beschlagnahmten Brief an seine Lebensgefährtin vom 10.05.2021 seine Verärgerung über der Sachverständigen Dr. T. zum Ausdruck gebracht hat. In dem Brief äußerte der Verurteilte unter anderem, dass er „richtig sauer auf den Sachverständigen“ sei, da das „Gutachten Frau B. und kein T. gemacht habe“, und er „mit ihm nur fünf Minuten über den § 64 und nicht über meine Gedanken gesprochen habe“. Eine unbefangene Mitwirkung des Verurteilten an einer weiteren Exploration durch Dr. T. war daher zweifelhaft.

b) Der Sachverständige hat den Verstoß auch zu vertreten. Zwar wurde er von der Staatsanwaltschaft darauf hingewiesen, dass er sich der Mitarbeit anderer bedienen könne. Dies umfasst jedoch nicht den Bereich der Exploration als zentrale Untersuchungsmethode (ausdrücklich für den Bereich der Schuldfähigkeitsbegutachtung: BGH, Beschluss vom 25.05.2011 – 2 StR 585/10). Dem Sachverständigen muss dies aus seiner berufsrechtlichen Stellung heraus auch bewusst gewesen sein, da die Exploration für das Gutachtenergebnis von wesentlicher Bedeutung ist. Jedenfalls hätte er aber vorher bei der Staatsanwaltschaft Rückfrage halten müssen, wie weit die Delegationsmöglichkeit reicht.

c) Die Leistung wurde gem. § 8a Abs. 2 Satz 2 JVEG nicht berücksichtigt. Das Gutachten wurde weder in der Hauptverhandlung noch im Urteil verwertet. Der neu hinzugezogene Sachverständige explorierte den Verurteilten selbst und berücksichtigte das Gutachten des Sachverständigen Dr. T. nicht. Da die Kammer Zweifel an der weiteren Objektivität des Sachverständigen Dr. T. hatte (s.o.), war auch eine Nachbesserung in Form einer persönlichen Exploration durch Dr. T. nicht mehr möglich.“

StPO III: Etwas Rechtsprechung zur Pflichtverteidigung, oder: Rückwirkung und Beiordnungsgrund

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Und dann zum Abschluss des heutigen Tages noch ein paar Entscheidungen zur Pflichtverteidigung. Es haben sich zwar seit dem letzten „Pflichti-Tag“ einige Entscheidungen angesammelt, das reicht aber nicht für einen ganzen Tag.

Denn die meisten der mir vorliegenden Entscheidungen befassen sich mit der Frage der Zulässigkeit der nachträglichen Bestellung. Das ist nach wie vor der Dauerbrenner im Bereich der §§ 140 ff. StPO. Die beiden Lager Pro und Contra stehen sich unversöhnlich gegenüber. Als Verteidiger muss man einfach schauen, wie das AG/LG, bei dem man gerade verteidigt (hat) entscheidet und sich dann danach richten.

Ich habe hier dann den LG Aurich, Beschl. v. 07.06.2022 – 12 Qs 93/22 – und den LG Magdeburg, Beschl. v. 03.06.2022 – 21 Qs 41/22.  Die beiden Gerichte haben die rückwirkende Bestellung abgelehnt, und zwar auch dann, wenn der Beiordnungsantrag rechtzeitig gestellt ist. Leider zum Teil unter Hinweis auf m.E. veraltete Rechtsprechung des BGH und der OLG. Im Übrigen: Diese Rechtsprechung segnet Untätigbleiben der AG und der StA ab, die damit die Ziele der Neuregelung unterlaufen können/wollen.  Im Gegensatz danzu kann ich dann aber auch auf den LG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 30.05.2022 – 24 Qs 36/22 – und den AG Chemnitz, Beschl. v. 30.05.2022 – 11 Gs 1615/22 – hinweisen, die die Zulässigkeit einer rückwirkenden Bestellung bejaht haben.

Und zu den Beiordnungsgründen (§ 140 Abs. 2 StPO) kann ich dann noch auf den LG Deggendorf, Beschl. v. 02.06.2022 – 1 Qs 31/22– verweisen. Der hat folgenden Leitsatz:

Leidet der Beschuldigte an einer weit fortgeschrittenen Alkoholerkrankung mit erheblichen körperlichen Folgeerscheinungen und kann er sich wegen seines Zustandes nicht selbst verteidigen, ist ihm ein Pflichtverteidiger zu bestellen.

StPO II: Anforderungen an den Besetzungseinwand, oder: (Gebuchter) Erholungsurlaub eines Schöffen

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Die zweite Entscheidung des Tages behandelt noch einmal die an einen Besetzungseinwand (§ 222b StPO) zu stellenden Anforderungen. Es geht um die Entbindung einer Hauptschöffin und einer Hilfsschöffin in einem Schwurgerichtsverfahren. Beide hatten Urlaub „geltend gemacht“.

Dagegen dann der Besetzungseinwand des Angeklagten. Das OLG hat ihn im OLG Hamm, Beschl. v. 12.05.2022 – 5 Ws 114/22 – als unzulässig und unbegründet angesehen:

„1…..

Die Begründung des Besetzungseinwands genügt jedoch nicht den an diesen zu stellenden Anforderungen.

Gemäß § 222b Abs. 1 S. 2 StPO sind die Tatsachen, aus denen sich die vorschriftswidrige Besetzung ergeben soll, anzugeben. Die an diesen Vortrag zu stellenden Anforderungen entsprechen im Wesentlichen den Rügeanforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO (vgl. etwa BGH, Urteil vom 07. September 2016 – 1 StR 422/15 -; OLG Celle, Beschluss vom 27.01.2020 – 3 Ws 21/20 – jeweils recherchiert bei juris; Schmitt in: Meyer-Goßner / Schmitt, StPO, 64. Aufl. 2021, § 222b Rn. 6; Jäger in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl. 2019, § 222b Rn. 17; Arnoldi in: Münchener Kommentar, StPO, 1. Aufl. 2016, § 222b Rn. 13). Hierfür spricht zum einen die nahezu wortgleiche Formulierung des § 222b Abs. 1 S. 2 StPO und des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Dies entspricht aber auch dem Gesetzeszweck. Mit den durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 eingeführten Rügepräklusionsvorschriften der §§ 338 Nr. 1, 222b Abs. 1 StPO wollte der Gesetzgeber seinerzeit erreichen, dass Besetzungsfehler bereits in einem frühen Verfahrensstadium erkannt und geheilt werden, um zu vermeiden, dass ein möglicherweise mit großem justiziellen Aufwand zustande gekommenes Strafurteil allein wegen eines Besetzungsfehlers aufgehoben und in der Folge die gesamte Hauptverhandlung – mit erheblichen Mehrbelastungen sowohl für die Strafjustiz als auch für den Angeklagten – wiederholt werden muss (BGH a.a.O.). Mit Blick auf diesen Normzweck und im Sinne der Intentionen des Gesetzgebers sind unter Wahrung der verfassungsrechtlichen Anforderungen hohe, weitgehend den Rügeanforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entsprechende Anforderungen an den Inhalt des Besetzungseinwands zu stellen (BGH a.a.O.). Nichts anderes ergibt sich auch nach der Neueinführung des § 222b Abs. 3 StPO durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 05.11.2019. Ziel auch dieser Neuregelung war ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien durch die Einführung des Vorabentscheidungsverfahrens Besetzungsrügen schon vor oder zu Beginn der Hauptverhandlung abschließend durch ein höheres Gericht bescheiden zu lassen, um Urteilsaufhebungen im Revisionsverfahren aufgrund von Falschbesetzungen zu vermeiden, ohne dass die Gesetzesbegründung Anhaltspunkte dafür bietet, dass ein von der bisherigen Rechtslage abweichender Darlegungs- oder Prüfungsmaßstab vom Gesetzgeber gewollt war (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 05.11.2019, BTDrucks. 19/14747).

Unter Anwendung revisionsrechtlicher Maßstäbe sind die den Besetzungsmangel begründenden Tatsachen in dem Besetzungseinwand ohne Bezugnahmen und Verweisungen anzugeben. Die Verfahrenstatsachen sind so vollständig und genau anzugeben, dass allein auf Grundlage dieses als richtig unterstellten Vortrages dem Senat eine Entscheidung möglich ist. Eine Bezugnahme auf Anlagen zur Antragsschrift ist demgegenüber unzulässig, denn es ist nicht Aufgabe des Rechtsmittelgerichts, das Vorbringen an der passenden Stelle zu ergänzen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 7.5.2018 ? 2 RBs 61/18 – beck online; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. 2021, § 344 Rn. 21).

Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen genügt das Vorbringen den Anforderungen des § 222b Abs. 1 S. 2 StPO i.V.m. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO nicht. Insbesondere enthält die Rüge keine Angaben dazu, an welchen konkreten Tagen die Kammer Fortsetzungstermine anberaumt hat. Das Rügevorbringen beschränkt sich insoweit darauf, mitzuteilen, dass zehn Hauptverhandlungstermine in der Zeit zwischen dem 04.05.2022 und dem 24.06.2022 bestimmt worden seien, von welchen der Termin am 25.05.2022 nachträglich aufgehoben worden und ein weiterer Termin am 02.06.2022 anberaumt worden sei. Um die Entscheidungen über die Entbindung die Schöffinnen infolge der von ihnen mitgeteilten Abwesenheiten überprüfen zu können, ist dem Senat jedoch die Kenntnis darüber, inwieweit Fortsetzungstermine in die jeweiligen Zeiträume fallen, erforderlich.

Ferner gibt die Rüge auch die Mitteilung des „Urlaubstermins“ durch die Schöffin B, auf welche diese in ihrer Email vom 24.01.2022 Bezug nimmt nicht wieder, bzw. führt gegebenenfalls nicht aus, dass es eine solche Mitteilung nicht gab. Auch dies wäre für die Überprüfung des Rügevorbringens erforderlich gewesen.

2. Der Besetzungseinwand ist zudem auch unbegründet. Die Entbindungen der Hauptschöffin und der Hilfsschöffin sind nicht zu beanstanden.

Nach §§ 77 Abs. 3, 54 Abs. 1 GVG kann der Vorsitzende einer Strafkammer des Landgerichts einen Schöffen auf dessen Antrag wegen eingetretener Hinderungsgründe von der Dienstleistung an bestimmten Sitzungstagen entbinden. Ein Hinderungsgrund liegt vor, wenn der Schöffe an der Dienstleistung durch unabwendbare Umstände gehindert ist oder wenn ihm die Dienstleistung nicht zugemutet werden kann.

Ob einem Schöffen die Dienstleistung im Sinne von § 54 Abs. 1 S. 1 GVG zugemutet werden kann, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei ist – zur Wahrung des Rechts auf den gesetzlichen Richter – ein strenger Maßstab anzulegen (OLG Hamm, Beschluss vom 28. 5. 2001 – 2 Ss 400/01 – juris). Hierbei stellt Erholungsurlaub eines Schöffen in der Regel einen Umstand dar, der zur Unzumutbarkeit der Dienstleistung führt (vgl. BGH, Beschluss vom 8.5.2018 ? 5 StR 108/18 – beck online). Berufliche Gründe hingegen rechtfertigen nur ausnahmsweise die Verhinderung eines Schöffen (vgl. BGH, Beschluss vom 02.05.2018 – 2 StR 317/17 – beck online).

Der Senat überprüft die Ermessensentscheidungen des Vorsitzenden lediglich am Maßstab der Willkür (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 17.03.2020 – 2 Ws 36/20 – juris; KG, Beschluss vom 27. April 2020 – 4 Ws 29/20 -, juris; Ritscher, in: BeckOK zur StPO, 41. Edition Stand: 01.04.2022, § 222b Rn. 16; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. 2021, § 222b Rn. 19). Dies hat der Bundesgerichtshof unter Geltung der alten Rechtslage vor Novellierung des § 222b StPO durch das am 13.12.2019 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019 mit Blick auf § 54 Abs. 3. S. 1 GVG, 336 S. 2 Alt. 1 StPO klargestellt (vgl. BGH, Beschluss vom 05. August 2015 – 5 StR 276/15 -, juris). Dieser im bisherigen Revisionsrecht bestehende Prüfungsmaßstab hat auch nach Neueinführung des § 222b Abs. 3 StPO weiterhin Geltung und ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 16. Dezember 2021 – 2 BvR 2076/21 – juris; OLG Hamm a.a.O.; Ritscher in: BeckOK a.a.O.; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O.).

Willkür in diesem Sinne liegt dabei nicht erst bei einer bewussten Fehlentscheidung, sondern bereits dann vor, wenn die mit der Entbindung des Schöffen verbundene Bestimmung des gesetzlichen Richters grob fehlerhaft ist und sich so weit vom Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt, dass sie nicht mehr gerechtfertigt erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.2016- 2 StR 342/15 -, juris). Dies ist hier nicht der Fall.

Dies gilt zunächst für die Entscheidung, dass der Hauptschöffin B infolge ihres Erholungsurlaubs die Dienstleistung in der Hauptverhandlung vom 04.05.2022 mit den Fortsetzungsterminen nicht zumutbar war. lm Falle von Erholungsurlaub eines Schöffen liegt die Annahme von Willkür ohnehin fern (vgl. BGH, Beschluss vom 8.5.2018 ? 5 StR 108/18 – beck online). Vorliegend hat der Vorsitzende sich zudem durch telefonische Nachfrage zusätzliche Erkenntnisse verschafft und sich so hinsichtlich der Dauer und des Grundes für die Unverschiebbarkeit des Urlaubs (bereits gebuchter Auslandsurlaub mit der Familie) versichert. Dass in den Entbindungsbeschluss sodann versehentlich die Daten der Urlaubsreise der Hauptschöffin (An- und Abreisetag) als Daten der Hauptverhandlungstermine, an welchen diese verhindert sei, eingetragen wurden, wie der Vorsitzende in seiner dienstlichen Stellungnahme vom 04.05.2022 ergänzend erläutert hat, stellt nicht infrage, dass der Vorsitzende seine Entscheidung auf der richtigen Tatsachengrundlage getroffen hat, zumal die offensichtliche Unrichtigkeit sich bereits daraus ergibt, dass am angegebenen 27.05.2022 überhaupt kein Fortsetzungstermin anberaumt war und die Daten den An- und Abreisetagen entsprechen. Soweit seitens der Verteidigung darauf hingewiesen wurde, dass die dienstliche Stellungnahme an sie nicht übersandt worden sei, ergibt sich aus dem Beschluss der Kammer vom 04.05.2022, dass diese in der Hauptverhandlung am selben Tag verlesen worden ist, was die Verteidigung in ihrem Vorbringen bestätigt. Einer zusätzlichen Übersendung bedurfte es daher nicht.

Ebenso wenig stellt sich die Entscheidung, der Hilfsschöffin A sei die Teilnahme an der Hauptverhandlung unzumutbar, als willkürlich dar. Die Hilfsschöffin hatte mitgeteilt, sich am Fortsetzungstermin am 19.05.2022 mit ihrem Sohn im Urlaub befinden und Buchungsbestätigungen für die Flüge vorgelegt, wobei sich hieraus ergab, dass die Schöffin am Terminstag bereits früh morgens abreisen würde. Die Beurteilung des Kurzurlaubs anlässlich eines Geburtstags als Erholungsurlaub stellt sich jedenfalls nicht willkürlich dar. Sie ist vielmehr naheliegend. Die von der Verteidigung vorgebrachte Argumentation, aus § 7 Abs. 2 BUrlG sei zu schließen, dass von Erholungsurlaub erst ab einem Urlaub von zwölf aufeinanderfolgenden Werktagen auszugehen sei, geht fehl. Die vorgenannte Vorschrift bestimmt vielmehr, dass bei einem Arbeitnehmer, der Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen hat, ein Urlaubsteil mindestens zwölf Werktage umfassen muss. Daraus folgt aber, dass der andere Urlaubsteil gerade einen geringeren Umfang haben kann.

Schließlich sind auch die Entscheidungen des Vorsitzenden, in beiden Fällen die Schöffinnen von der Dienstleistung insgesamt zu entbinden und die jeweiligen Fortsetzungstermine nicht zu verlegen, nicht als willkürlich anzusehen. Unabhängig davon, ob eine Pflicht hierzu überhaupt angenommen werden kann (ablehnend etwa OLG Hamm, Beschluss vom 17.03.2020 – 2 Ws 36/20 – juris), war dies jedenfalls vorliegend angesichts dessen, dass ein umfangreiches Beweisprogramm bereits vorbereitet und Zeugen für jeden Fortsetzungstermin geladen waren – was im Rahmen des Rügevorbringen ebenfalls nicht dargestellt worden ist -, unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgrundsatzes in Haftsachen nicht geboten.

Die Entbindungsentscheidungen des Kammervorsitzenden genügten – ergänzt durch den Vermerk des Kammervorsitzenden vom 27.01.2022 – auch dem Dokumentationserfordernis des § 54 Abs. 3 S. 2 GVG. Dass es sich bei den in der Entbindungsentscheidung der Schöffin B angegebenen Daten um einen offensichtlichen Fehler handelt, ergibt sich – wie oben ausgeführt – bereits durch einen Abgleich mit den festgesetzten Terminen. Der Vorsitzende hat dies zudem durch seine dienstliche Stellungnahme vom 04.05.2022 ergänzend erläutert. Dass es sich um die Urlaubsdaten der Schöffin handelte, hätte sich außerdem durch die – im Rügevorbringen fehlende – Vorlage der Mitteilung der Schöffin über die Daten ihres Urlaubs – wie in deren Email in Bezug genommen – ergänzend überprüft werden können. Die Entscheidung betreffend die Hilfsschöffin A bedurfte vor dem Hintergrund der mitgeteilten Abwesenheit aufgrund eines Urlaubs im Ausland keiner weiteren Begründung.“

beA II: Das elektronische Dokument in der Revision, oder: Für einfache Signatur reicht der Namen

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Die zweite beA-Entscheidung kommt mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 27.05.2022 – 5 RVs 53/22 – vom OLG Hamm. Das hat in der Entscheidung noch einmal zu den Anforderungen an eine „beA-Revision“ Stellung genommen. Das LG Essen hatte die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen, weil dieses in Ermangelung der Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur nicht formgerecht eingelegt und begründet worden sei. Dagegen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der Erfolg hatte:

„Die Voraussetzungen für eine Verwerfung der Revision nach § 346 Abs. 1 StPO durch das Tatgericht liegen nicht vor.

Die Revision ist fristgerecht eingelegt und begründet worden. Gegen das am 06.01.2022 in Anwesenheit des Angeklagten verkündete Berufungsurteil hat der Verteidiger per beA am 13.01.2022 Revision eingelegt. Das angefochtene Urteil ist dem Verteidiger des Angeklagten auf Anordnung der Vorsitzenden am 16.02.2022 zugestellt worden. Der Revisionseinlegungsschriftsatz ist per beA übersandt und am 13.01.2022 bei Gericht eingegangen.

Die Revisionseinlegung ist auch formgerecht. Zutreffend erkennt das Landgericht zwar, dass der Schriftsatz des Verteidigers – ausweislich des Prüfvermerks – keine qualifizierte elektronische Signatur aufweist. Dies führt jedoch nicht dazu, dass der Schriftsatz nicht die nach § 341 Abs. 1 StPO erforderliche Schriftform aufweisen würde. § 32a Abs. 3 StPO enthält für ein Dokument, das schriftlich abzufassen, zu unterschreiben oder zu unterzeichnen ist, zwei mögliche Wege der Übermittlung im elektronischen Rechtsverkehr bereit: Ein Weg – der hier nicht vorliegt – ist die Übermittlung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person. Der andere Weg ist die (einfache Signatur der verantwortenden Person bei gleichzeitiger Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg (vgl. BT-Drs. 18/9416 S. 45; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 07.05.2020 – 1 OWi 2 SsBs 68/20 – juris; Köhler in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 54. Aufl., § 32a Rdn. 5). Der Verteidiger des Angeklagten hat hier den zweiten Weg gewählt und die Voraussetzungen hierfür eingehalten. Ein sicherer Übermittlungsweg ist nach § 32a Abs. 4 Nr. 2 StPO das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA). Der Revisionseinlegungsschriftsatz wurde ausweislich des Prüfvermerks über das bEA eingereicht. Er weist auch die erforderliche einfache Signatur auf. Hierfür reicht die Namenswiedergabe am Ende des Textes, sei es durch eine eingescannte Unterschrift, sei es durch maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens (ThürOLG, Beschl. v. 23.09.2020 – 1 OLG 171 SsRs 195/19 – juris; vgl. auch BAG NJW 2020, 3476, 3477 zu § 130a ZPO). Der Wortlaut von § 32a Abs. 3 2. Alt. StPO („signiert“) macht in Abgrenzung zu Art. 3 Nr. 10 VO (EU) Nr. 910/2014 deutlich, dass es sich hierbei nicht um eine „elektronische“ Signatur handeln muss, wobei sogar letztlich die Zeichenfolge des Namens in dem elektronischen Dokument auch die Voraussetzungen einer elektronischen Signatur erfüllen dürfte.

Auch im Hinblick auf die Revisionsbegründung lagen die Voraussetzungen für eine Verwerfung nach § 346 Abs. 1 StPO durch das Tatgericht nicht vor. Der Schriftsatz ist innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO bei Gericht eingegangen. Auch die Form des § 345 Abs. 2 StPO wurde gewahrt. Der Schriftsatz wurde zwar nicht als elektronisches Dokument mit qualifizierte elektronischer Signatur übersandt, wohl aber über das beA mit einer (einfachen) Signatur, dem maschinenschriftlichen Namenszug des Verteidigers (eines Rechtsanwalts), so dass die Voraussetzungen des § 32a Abs. 3 StPO erfüllt sind. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.“

Der BGH, Beschl. v. 03.05.2022 – 3 StR 89/22 lässt grüßen (dazu beA I: Revisionsbegründung durch beA versandt, oder: Keine handschriftliche Unterzeichnung erforderlich.