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VR I: Mal wieder zur Straßenverkehrsgefährdung, oder: Wie oft denn noch der Gefährdungsschaden?

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Heute dann drei OLG-Entscheidungen zu verkehrsrechtlichen Fragen.

Zum Warmwerden hier zunächst der KG, Beschl. v. 12.04.2024 – 3 ORs 31/24 – 161 SRs 21/24 – zu den erforderlichen Urteilsfeststellungen zum Gefährdungsschaden bei § 315c StGB.

Das AG hat den Angeklagten u.a. wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit verurteilt. Nach den Urteilsfeststellungen wollte der infolge einer Blutalkoholkonzentration von zumindest 0,61 Promille (relativ) fahrunsichere Angeklagte am Tattag ausparken, wobei er gegen einen hinter ihm parkenden PKW stieß. Von der anwesenden Fahrerin dieses Fahrzeugs angesprochen, soll der Angeklagte erwidert haben, sie sei selbst schuld, wenn sie so „bescheuert und so nah“ parke. Hiernach soll der Angeklagte, nunmehr mit bedingtem Schädigungsvorsatz, noch zwei weitere Male gegen das Fahrzeug gefahren sein, ohne dass es durch einen der Anstöße zu einem Schaden gekommen sei. In einer neuen selbstständigen Tat soll der Angeklagte, seine Fahrunsicherheit sorgfaltswidrig missachtend, nach dem Ausparken auf eine mit ihrem Kleinkind auf der Fahrbahn stehende Zeugin zugefahren sein, um diese zu einem ruckartigen Verlassen der Fahrbahn zu veranlassen.

Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hat in Bezug auf den Schuldspruch mit der allgemeinen Sachrüge und zudem hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs mit einer ausgeführten Verfahrensrüge Erfolg.

Zum Schuldspruch führt das KG aus:

3. Die allgemeine Sachrüge dringt durch, weil die Feststellungen den zum Fall 1 getroffenen Schuldspruch der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB) nicht tragen. Sie belegen nicht, dass der Angeklagte die Tat vorsätzlich begangen hat (a), und sie zeigen auch nicht auf, dass einer fremden Sache von bedeutendem Wert ein bedeutender Schaden gedroht hat (b).

a) Das Amtsgericht hat den Angeklagten nach § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB, also wegen alkoholbedingter vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs, verurteilt. Nach den Feststellungen hätte der Angeklagte aber seine Fahrunsicherheit „erkennen können und müssen“ (UA S. 3). Dies belegt nur Fahrlässigkeit.

b) § 315c StGB erfordert zum sog. Gefährdungsschaden zwei Prüfschritte, zu denen im Strafurteil in aller Regel Feststellungen zu treffen sind: Zunächst ist zu fragen, ob es sich bei der gefährdeten Sache um eine solche von bedeutendem Wert gehandelt hat, was etwa bei älteren oder bereits vorgeschädigten Fahrzeugen fraglich sein kann. Handelt es sich um eine Sache von bedeutendem Wert, so ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob ihr auch ein bedeutender Schaden gedroht hat, wobei ein tatsächlich entstandener Schaden geringer sein kann als der allein maßgebliche „überschießende“ Gefährdungsschaden. Der Wert der Sache ist hierbei nach dem Verkehrswert und die Höhe des (drohenden) Schadens nach der am Marktwert zu messenden Wertminderung zu berechnen (vgl. BGH NStZ 2019, 677 m. w. N.).

Hier ist schon nicht festgestellt, dass es sich bei dem gefährdeten Fahrzeug um einen Gegenstand von bedeutendem Wert gehandelt hat, wobei die Wertgrenze noch immer bei 750 Euro liegen dürfte (vgl. BGH NStZ-RR 2019, 125; NJW 2017, 743; zuletzt BayObLG, Beschluss vom 27. November 2023 – 203 StRR 381/23 – [juris]). Dass das im Urteil lediglich als PKW Audi bezeichnete Fahrzeug (UA S. 3) überhaupt diesen Wert hatte, mag naheliegen, versteht sich aber nicht von selbst. Selbst wenn man diesen Wert unterstellte, fehlten Ausführungen zum zweiten Prüfschritt, ob dem Fahrzeug nämlich ein bedeutender Schaden gedroht hat. Dies liegt bei dem festgestellten Fahrverhalten keinesfalls nahe: Es ging um einen Ausparkvorgang mit ersichtlich üblich geringer Geschwindigkeit, bei dem trotz dreifachen Anstoßes kein Schaden entstanden ist. Die Feststellungen belegen daher die konkrete Gefährdung nicht.

Auch die Beweiswürdigung und die rechtliche Würdigung enthalten keine Ausführungen dazu, warum das Tatgericht bei dem festgestellten Sachverhalt von einer konkreten Gefährdung und einem drohenden bedeutenden Schaden ausgegangen ist.“

Man fragt sich, wie oft die Obergerichte zu der Frage noch entscheiden müssen. Das, worauf es an der Stelle ankommt, sollte man wissen.

Mit der Verfahrensrüge war eine Verletzung des § 267a Abs. 3 Satz 4 StPO gerügt. Dazu der Leitsatz des KG:

Befassen sich die Urteilsgründe entgegen § 267 Abs. 3 Satz 4 StPO nicht mit der vom Verteidiger beantragten Möglichkeit der Verwarnung mit Strafvorbehalt, so liegt eine mit der Verfahrensrüge geltend zu machende Verletzung dieser Vorschrift auch dann vor, wenn das sachliche Recht die Prüfung des § 59 StGB keinesfalls nahelegt (Anschluss OLG Hamm Beschlüsse vom 4. September 2008 – 3 Ss 370/08 – und vom 9. November 1985 – 4 Ss 1328/85).

OWI III: Beschluss ohne Gründe im Beschlussverfahren, oder: Nachholung der Begründung

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Und im dritten Posting dann noch etwas Verfahrensrechtliches, nämlich etwas zum Beschlussverfahren (§ 72 OWiG). Entschieden hat das OLG Oldenburg über einen AG-Beschluss im Verfahren nach § 72 OWiG, der keine Gründe hatte. Das OLG hat im OLG Oldenburg, Beschl. v. 14.11.2023 – 2 ORbs 194/23  – aufgehoben:

„Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 1200,- € verurteilt und ein Fahrverbot für die Dauer von zwei Monat gegen ihn festgesetzt.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

Der Beschluss der dem Betroffenen am 29.8.2023 zugestellt worden ist, hat keine Gründe aufgewiesen. Gemäß § 72 Abs. 6 Satz 2 OWiG kann das Amtsgericht nur dann von eigenen Ausführungen in den Gründen seines Beschlusses absehen und auf den Inhalt des Bußgeldbescheides verweisen, wenn gemäß § 72 Abs. 6 Satz 1 OWiG die am Verfahren Beteiligten auf eine Begründung verzichtet haben. Ein solcher Verzicht ist zwar durch den Verteidiger erklärt worden. Allerdings wären die Gründe nach Einlegung der Rechtsbeschwerde gemäß § 72 Abs. 6 Satz 3 OWiG auch in diesem Fall nachzuholen gewesen, was nicht geschehen ist.

Die fehlenden Gründe sind vom Senat bei erhobener Sachrüge zu berücksichtigen; einer Verfahrensrüge bedarf es insoweit nicht (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 9.5.2019, 4 RBs 144/19; KG, Beschluss vom 16.1.2019, 3 Ws(B) 312/18; BayObLG, Beschluss vom 25.9.2019, 202 ObOwi 1845/19, jew. juris).

Es fehlt mithin an einer tragfähigen Grundlage, die es dem Rechtsbeschwerdegericht ermöglicht, den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch zu überprüfen, so dass der Beschluss keinen Bestand haben kann. Anders wäre es bei einer hier nicht gegebenen Zulassungsrechtsbeschwerde.“

KCanG II: Neufestsetzung von Strafen nach dem KCanG, oder: Einzel-, Gesamtstrafe, geringerer Strafrahmen

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In der zweiten Entscheidung des Tages nimmt das LG Karlsruhe im LG Karlsruhe, Beschl. v. 15.05.2024 – 20 StVK 228/24 – zur Neufestsetzung von Strafen nach dem KCanG Stellung.

Der Angeklagte ist mit Urteil vom 27.04.2022 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwölf Fällen (Taten Ziffern 1 bis 12), wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat Ziffer 13) und wegen unerlaubten Besitzes von 1,6 Gramm Marihuana zum Eigenkonsum in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz eines Schlagrings (Tat Ziffer 14) unter Einbeziehung einer wegen Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt worden.

Für die Taten Ziffern 1, 3, 4, 8, 10 und 11 setzte das verurteilende AG es jeweils Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr, für die Taten Ziffern 2, 5, 6, 7 und 9 jeweils Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr und einem Monat, für die Tat Ziffer 12 eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten und für die Tat Ziffer 13 unter Annahme eines minder schweren Falls eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten fest. Für die Tat Ziffer 14 setzte das Amtsgericht eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Monaten, die es dem Strafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG entnahm, fest.

Bei der Strafzumessung wertete das verurteilende AG zu Gunsten des Verurteilten dessen weitgehendes bzw. hinsichtlich Tat Ziffer 14 umfassendes Geständnis, dass es sich durchweg um eine sog. weiche Droge gehandelt hatte, dass es sich in den Fällen der Taten Ziffern 1 bis 12 und 14 jeweils um kleine bzw. sehr kleine Mengen gehandelt hatte, dass es in den Fällen der Taten Ziffern 1, 4, 8, 10 und 13 zu einer Übergabe der Drogen jeweils nicht gekommen war und dass im Fall der Tat Ziffer 14 das Marihuana und der Schlagring hatten sichergestellt werden können und der Verurteilte bereitwillig auf den Schlagring verzichtet hatte. Entsprechend gelangte das Amtsgericht zu dem Ergebnis, dass sämtliche Strafen am untersten Rand des jeweils eröffneten Strafrahmens verbleiben könnten. Zulasten des Verurteilten wertete das Amtsgericht hingegen, dass der Verurteilte mit erheblicher krimineller Energie und professionell vorgegangen war, zumal die Tat Ziffer 13, auch wenn das Geschäft letztlich nicht vollzogen worden war, eine große Menge Drogen zum Gegenstand gehabt hatte. Bei der Bildung der Gesamtstrafe unter Einbeziehung der Vorverurteilung nahm es aufgrund des zeitlichen und situativen Zusammenhangs der Taten einen straffen Zusammenzug vor und erachtete unter Berücksichtigung sämtlicher für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten für tat- und schuldangemessen.

Die Staatsanwaltschaft hat der Strafvollstreckungskammer am 05.04.2024 die Akten vorgelegt mit dem Antrag festzustellen, dass eine Ermäßigung der für die Tat Ziffer 14 verhängten Einzelstrafe nicht geboten sei. Das LG hat die für unter o.a. Ziffer 14 abgeurteilte Tat festgesetzte Einzelstrafe neu auf eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen und die Höhe des einzelnen Tagessatzes auf einen Euro festzusetzen festgesetzt (siehe dazu 1.). Zugleich hat es  ausgesprochen, dass es trotz Neufestsetzung der Einzelstrafe im Ergebnis bei der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verbleibt (dazu 2.):

„1. Wurde die verurteilte Person vor In-Kraft-Treten des Konsumcannabisgesetzes (KCanG) am 01.04.2024 wegen einer Handlung verurteilt, die – neben einer anderen Strafvorschrift – zugleich auch eine nach In-Kraft-Treten des KCanG nicht mehr anwendbare Vorschrift des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) verletzt hat – Art. 313 Abs. 3. S. 1 EGStGB verweist auf § 73 Abs. 2 StGB in der bis zum 01.01.1975 geltenden Fassung, der Gesetzgeber hatte jedoch bei Erlass des KCanG § 52 StGB in der aktuell geltenden Fassung im Blick (siehe BT-Drs- 20/8704, S. 155) -, und wurde die Strafe der nicht mehr anwendbaren Vorschrift des BtMG entnommen, setzt das Gericht nach Art. 316p i.V.m. Art. 313 Abs. 3 S. 2 EGStGB die auf die andere Gesetzesverletzung entfallende Strafe neu fest.

a) Der Besitz der 1,6 Gramm Marihuana zum Eigenkonsum war zum Zeitpunkt des Urteils noch nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG strafbar. Seit In-Kraft-Treten des KCanG am 01.04.2024 ist der bloße Besitz einer solchen Menge zum Eigenkonsum nach §§ 2 Abs. 3 Nr. 2, 3 KCanG von dem in § 2 Abs. 1 Nr. 1 KCanG verankerten grundsätzlichen Verbot des Besitzes von Cannabis ausgenommen und entsprechend nicht nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG, mithin nicht mehr strafbar.

b) Soweit der Verurteilte durch die Tat Ziffer 14 zugleich auch die Vorschrift des §§ 52 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. 2 Abs. 3 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Ziff. 1.3.2 verletzt hat, war – entgegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft – die für diese Tat zu verhängende Einzelstrafe neu festzusetzen. Verringert sich der Schuldumfang, weil etwa wie vorliegend eine tateinheitlich begangene Tat nicht mehr strafbar ist, führt dies zwar nicht zwingend zur Herabsetzung der für die strafbare Handlung verhängten Strafe (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage 2023, § 331 Rn. 11 m.w.N.). Maßgeblich für die Erforderlichkeit, die Einzelstrafe neu festzusetzen, waren jedoch folgende Erwägungen:

Während § 29 Abs. 1 BtMG Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre oder Geldstrafe vorsieht, sieht § 52 Abs. 3 WaffG lediglich Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor. Infolge des Wegfalls der Strafbarkeit des Besitzes des Marihuanas zum Eigenkonsum erschöpft sich der Schuldgehalt der Tat im unerlaubten Besitz des Schlagrings. Die Tat ist unter Berücksichtigung ihres jetzt geringeren Schuldgehalts in den nunmehr anzuwendenden, im Vergleich zu demjenigen des § 29 Abs. 1 BtMG milderen Strafrahmen des § 52 Abs. 3 WaffG einzuordnen. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe von (weiterhin) drei Monaten erscheint vor diesem Hintergrund weder tat- noch schuldangemessen.

c) Bei der Neufestsetzung der nunmehr dem Strafrahmen des § 52 Abs. 3 WaffG zu entnehmenden, für die Tat Ziffer 14 zu verhängenden Strafe hat die Kammer sämtliche vom Amtsgericht bei der Strafzumessung berücksichtigten, für und gegen den Verurteilten sprechenden Umstände ebenfalls berücksichtigt. Insoweit hat sie insbesondere auch berücksichtigt, dass der Verurteilte die Tat vor dem Amtsgericht vollumfänglich eingeräumt und bereitwillig auf den sichergestellten Schlagring verzichtet hatte.

Unter Abwägung sämtlicher für die Strafzumessung bedeutsamer Umstände erschien es der Kammer tat- und schuldangemessen, die für die Tat Ziffer 14 zu verhängende Einzelstrafe mit zwei Monaten Freiheitsstrafe zu bemessen. Nach § 47 Abs. 2 S. 2 HS. 2 StGB war dementsprechend eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen festzusetzen.

Die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach § 47 Abs. 1 StGB war demgegenüber nicht geboten. Nach dieser Vorschrift verhängt das Gericht eine Freiheitsstrafe von unter sechs Monaten nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Besondere Umstände sind solche, die die Tat oder die Täterpersönlichkeit aus dem Durchschnitt sämtlicher ab- bzw. zu beurteilender Fälle herausheben (Fischer, StGB, 71. Auflage 2024, § 47 Rn. 6). Die Unverzichtbarkeit der Verhängung einer Freiheitsstrafe liegt umso ferner, je geringfügiger die konkrete Tatschuld ist (OLG Hamburg, StraFo 2006, 465 [465]; OLG Naumburg, Beschl. v. 11.06.2008 – 2 Ss 484/07 –, juris Rn. 3; vgl. auch KG Berlin, Beschl. v. 31.05.2006 – (5) 1 Ss 68/06 (8/06) –, juris Rn. 4 und OLG Hamm, NStZ-RR 2009, 73 [73]). Die gleichzeitige Verurteilung zu einer hohen Freiheitsstrafe macht die Erörterung nicht entbehrlich; die Prüfung ist vielmehr für jede einzelne Tat vorzunehmen (BGH, Beschl. v. 03.05.2023 – 6 StR 161/23 –, juris Rn. 11 m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben liegen weder in der Person des Verurteilten noch in der Tat solche Umstände vor, die die Verhängung einer kurzzeitigen Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Verurteilten oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Mag es sich vor dem Entfallen der Strafbarkeit des Besitzes des Marihuanas in Ansehung der übrigen abgeurteilten Taten noch um eine Tat gehandelt haben, die Teil einer Tatserie war und die – wie vom Amtsgericht letztlich vorgenommen – die Verhängung einer kurzzeitigen Freiheitsstrafe nahelegte (vgl. BGH, NJW 2009, 1979 [1984]), ist dies nach dem Entfallen der Strafbarkeit des Besitzes des Marihuanas jedenfalls nicht mehr der Fall. Sämtliche übrigen abgeurteilten Taten hatten ein Handeltreiben mit Cannabis zum Gegenstand. Tat Ziffer 14 hat hingegen – zum jetzigen Zeitpunkt – alleine einen Verstoß gegen das Waffengesetz, mithin einen gänzlich anderen Deliktsbereich zum Gegenstand. Abgesehen davon, dass der Schuldgehalt des bloßen Besitzes des Schlagrings gering ist, wurde der Schlagring sichergestellt und der Verurteilte hat auf ihn verzichtet, sodass insoweit durch den Schlagring und den Verurteilten für die Allgemeinheit keine weitere Gefahr ausgeht. Aber auch sonst liegen in der Person des Verurteilten keine besonderen Umstände vor, die es gebieten, die Tat mit einer kurzzeitigen Freiheitsstrafe zu ahnden. Zwar war der Verurteilte vor dem Urteil des Amtsgerichts vom 27.04.2022 schon wegen eines Raubes, mithin wegen einer gewichtigen Straftat verurteilt worden. Der Raub ereignete sich indes am 02.09.2020, mithin innerhalb des Zeitraums, in dem der Verurteilte die Taten beging, die mit dem Urteil vom 27.04.2022 abgeurteilt wurden. Bei Begehung sämtlicher Taten, derer wegen der Verurteilte bislang verurteilt wurde, war er jeweils noch nicht vorbestraft.

d) Die Höhe des einzelnen Tagessatzes, die auch dann festzusetzen ist, wenn die Einzelstrafe – wie hier – in eine Gesamt(freiheits)strafe einbezogen wird (BGH, NStZ-RR 2014, 208 [209] m.w.N.), hat die Kammer unter Berücksichtigung der gegenwärtigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Verurteilten auf die Mindesthöhe von einem Euro (vgl. § 40 Abs. 2 S. 4 StGB) festgesetzt. Maßgeblich sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung (BGH, NJW 1979, 2523 [2523]). Der Verurteilte ist gegenwärtig inhaftiert. Strafgefangene sind in aller Regel nur in geringem Umfang leistungsfähig (vgl. zu § 52 GKG: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.05.2018 – 2 Ws 112/18 –, juris Rn. 17), sodass, sofern der Verurteilte ein solches in Haft überhaupt erzielt, allenfalls ein geringfügiges Nettoeinkommen (vgl. § 40 Abs. 2 S. 2 StGB) erzielt.

e) Demgegenüber kommt eine Ermäßigung der für die Taten Ziffern 1 bis 12 verhängten Einzelstrafen vor dem Hintergrund, dass das Amtsgericht sie der seinerzeit noch anwendbaren Vorschrift des § 29 Abs. 3 BtMG entnommen hat, die für das gewerbsmäßige unerlaubte Handeltreiben mit Cannabis Freiheitsstrafe von einem bis zu 15 Jahren vorsah, wohingegen § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 S. 1 und 2 Nr. 1 KCanG nunmehr lediglich noch Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht – § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 S. 1 und 2 Nr. 4 KCanG sieht hinsichtlich des unerlaubten Handeltreibens mit Cannabis in nicht geringer Menge entsprechend dem vom Amtsgericht angenommenen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 3 BtMG ebenfalls Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor, wobei es nach der Neuregelung keinen minder schweren Fall mehr gibt -, nicht in Betracht.

Die abschließenden Regelungen der Art. 316p i.V.m. 313 EGStGB eröffnen lediglich die Möglichkeit, eine Strafe zu erlassen oder zu ermäßigen, wenn die Strafbarkeit einer Handlung infolge des In-Kraft-Tretens des KCanG nachträglich zumindest teilweise entfallen ist. Die Möglichkeit, eine Strafe alleine aufgrund einer Abmilderung der Strafrahmens herabzusetzen, während das geahndete Verhalten auch nach dem KCanG weiterhin unter Strafe gestellt ist, eröffnen die Regelungen hingegen nicht. Zwar hat der Gesetzgeber die Strafrahmen für Cannabis aufgrund einer neuen Risikobewertung des Umgangs mit Cannabis im Vergleich zum Strafrahmenregime des BtMG bewusst herabgesetzt (BT-Drs. 20/8704, S. 74), sich insbesondere bewusst dagegen entschieden, die Strafrahmen des BtMG eins zu eins ins KCanG zu übernehmen (BT-Drs. 20/8704, S. 130). Diese Überlegungen haben jedoch weder in Art. 316p EGStGB noch in Art. 313 EGStGB, an die die Gerichte und somit auch die Kammer nach Art. 20 Abs. 3 GG gebunden sind, Niederschlag gefunden.

Insoweit vermag die Kammer auch auszuschließen, dass es sich hierbei um ein Versehen des Gesetzgebers, mithin um eine planwidrige Regelungslücke handelt. Neben der Entkriminalisierung des Besitzes bestimmter Mengen Cannabis zum Eigenkonsum verfolgt der Gesetzgeber mit dem KCanG das Ziel, dem Gesundheits-, Kinder- und Jugendschutz Rechnung zu tragen und den illegalen Markt für Cannabis einzudämmen (BT-Drs. 20/8704, S. 69f.). Während der Besitz von Cannabis unter Geltung des BtMG schlechthin verboten und unter Strafe gestellt war, unter Geltung des KCanG jedoch nur noch außerhalb der durch §§ 2 Abs. 3 Nr. 2, 3 KCanG gezogenen Grenzen untersagt und nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG nur noch ab bestimmten Mengen unter Strafe gestellt ist, ist das Handeltreiben mit Cannabis – der gesetzgeberischen Intention konsequent folgend – nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG weiterhin ausnahmslos untersagt und in § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG weiterhin ausnahmslos unter Strafe gestellt. Vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber auch solche Täter nachträglich privilegieren wollte, die wegen Verhaltensweisen nach dem BtMG verurteilt wurden, die er auch unter Geltung des KCanG weiterhin ausnahmslos für strafwürdig erachtet.

2. Trotz Neufestsetzung der Einzelstrafe für Ziffer 14 auf eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen verblieb es bei der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten.

a) Enthält eine Gesamtstrafe eine Einzelstrafe im Sinne der Art. 316p i.V.m. Art. 313 Abs. 1 S. 1 EGStGB, mithin eine solche Einzelstrafe, die für eine nach In-Kraft-Treten des KCanG nicht mehr strafbare Tat verhängt wurde und deshalb zu erlassen ist, sowie weitere Einzelstrafen, die nicht zu erlassen sind, ist nach Art. 316p i.V.m. Art. 313 Abs. 4 S. 1 EGStGB eine neue Gesamtstrafe festzusetzen. Geht man strikt nach dem Wortlaut von Art. 313 Abs. 4 S. 1 EGStGB, der ausdrücklich auf Art. 313 Abs. 1 S. 1 EGStGB verweist, nicht jedoch auch auf Art. 313 Abs. 3 EGStGB, wäre im vorliegenden Fall nicht über die Bildung einer neuen Gesamtstrafe zu befinden, da die unter Ziffer 14 abgeurteilte Tat weiterhin strafbar ist und lediglich die für sie verhängte Strafe nach Art. 313 Abs. 3 S. 2 EGStGB neu festgesetzt, die Strafe jedoch nicht insgesamt erlassen wurde.

Indes hat der Gesetzgeber in Art. 316p EGStGB bestimmt, dass Art. 313 EGStB „entsprechende“ Anwendung findet in Fällen, in denen vor dem In-Kraft-Treten des KCanG Strafen für solche Handlungen nach dem BtMG verhängt wurden, die nach dem KCanG „nicht mehr strafbar“ sind. Die Vorschrift ist im Lichte des KCanG und dem mit ihm durch den Gesetzgeber verfolgten Zweck auszulegen, der unter anderem darin liegt, den Besitz bestimmter Mengen Cannabis zum Eigenkonsum zu entkriminalisieren (BT-Drs. 20/8704, S. 69f.). Entsprechend soll Art. 316p EGStGB und über ihn Art. 313 EGStGB in entsprechender Anwendung die Möglichkeit eröffnen, solche Strafen zu erlassen oder zu ermäßigen, die für Handlungen verhängt wurden, die nach dem BtMG noch strafbar waren, es unter Geltung des KCanG jedoch nicht mehr sind. Es würde dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck zuwiderlaufen, wenn Art. 316p EGStGB zwar die Möglichkeit eröffnete – wie hier – bei tateinheitlicher Tatbegehung nach Art. 313 Abs. 3 EGStGB eine Einzelstrafe zu ermäßigen, dem Gericht jedoch die Möglichkeit verwehrt bliebe nach Art. 313 Abs. 4 S. 1 EGStGB darüber zu befinden, ob sich die Neufestsetzung einer (niedrigeren) Einzelstrafe auch auf eine verhängte Gesamtstrafe, in die diese Einzelstrafe einbezogen ist, auswirkt. Diese Fallgestaltung hatte der Gesetzgeber bei Schaffung des Art. 316p EGStGB offenkundig nicht im Blick, sodass insoweit eine Regelungslücke besteht, von der mit Blick auf die gesetzgeberische Intention anzunehmen ist, dass diese planwidrig ist. Die Interessenlage ist dabei vergleichbar mit derjenigen in den von Art. 313 Abs. 4 S. 1 EGStGB nach dessen Wortlaut erfassten Fällen: Wenn und soweit sich das Entfallen der Strafbarkeit des Besitzes von Cannabis auf eine Gesamtstrafe auswirken kann, soll dem Gericht die Möglichkeit eröffnet sein, die Gesamtstrafe neu festzusetzen. Somit liegen insgesamt die Voraussetzung für eine analoge Anwendung der Art. 316p i.V.m. Art. 313 Abs. 4 S. 1 EGStB dahingehend vor, dass eine Gesamtstrafe auch dann neu festzusetzen ist, wenn eine solche eine Einzelstrafe enthält, die nach Art. Art. 316p i.V.m. Art. 313 Abs. 3 EGStB ermäßigt oder neu festgesetzt wurde.

b) Im Ergebnis führt die Neufestsetzung der Einzelstrafe für Tat Ziffer 14 jedoch nicht zu der Festsetzung einer geringeren Gesamtfreiheitsstrafe als diejenige, die das Amtsgericht S. ausgesprochen hat.

Die Kammer hat bei der von ihr zu treffenden Entscheidung sämtliche für die Strafzumessung bedeutsamen, für und gegen den Verurteilten sprechenden Umstände, die schon das Amtsgericht seinerzeit berücksichtigt hat, berücksichtigt und abgewogen. Unter maßvoller Erhöhung der Einsatzstrafe von einem Jahr und drei Monaten erschien der Kammer eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten als tat-, persönlichkeits- und schuldangemessen.

Hierbei hat die Kammer auch berücksichtigt, dass im Falle tatmehrheitlicher Verurteilung der Wegfall – und erst recht nicht die erfolgte Reduzierung – einer Einzelstrafe nicht ohne Weiteres zu einer Herabsetzung einer Gesamtstrafe zwingt (OLG Hamm, Beschl. v. 17.12.2018 – III-1 RVs 78/18 –, juris Rn. 5). Das Amtsgericht hat für die abgeurteilten Taten Ziffern 1 bis 13 jeweils Einzelfreiheitsstrafen zwischen einem Jahr und einem Jahr und drei Monaten verhängt. Auch die einbezogene, unter anderem wegen Raubes verhängte Einzelfreiheitsstrafe betrug ein Jahr und drei Monate. Die von der Kammer für die Tat Ziffer 14 neu auf eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen festgesetzte Einzelstrafe, die das Amtsgericht schon mit „nur“ drei Monaten bemessen hatte, weicht von den übrigen verhängten Einzelstrafen deutlich nach unten ab. Auch unter Berücksichtigung des straffen Zusammenzugs der einzelnen Strafen, der aufgrund des engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs sämtlicher Taten geboten ist, fällt die Reduzierung der für die Tat Ziffer 14 verhängten Strafe in Ansehung der übrigen Einzelstrafen nicht derart ins Gewicht, dass sie zu der Festsetzung einer niedrigeren Gesamtfreiheitsstrafe führt.“

OWi I: Umfang der Feststellungen beim Rotlichtverstoß, oder: Umfangreich beim qualifizierten Verstoß

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Nachdem am 24.05.2024 nun Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl. 2024, erschienen ist (vgl. hier: News: Handbuch für das OWi-Verfahren, 7. Aufl. 2024, oder: Am 24.05.2024 (endlich) erschienen) gibt es passend zu dem „Ereignis“ hier heute OWi-Entscheidungen. Ein paar haben sich inzwischen mal wieder angesammelt.

Ich beginne den Reigen mit dem OLG Karlsruhe, Beschl. v. 07.05.2024 – 3 ORbs 330 SsBs 218/24 -, der noch einmal in Erinnerung ruft, welche tatsächlichen Feststellungen das AG bei einem qualifizierten Rotlichverstoß treffen muss. Hier haben dem OLG die vom AG getroffenen Feststellungen nicht gereicht:

„Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und im Ubrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Feststellungen des angefochtenen Urteils und die ihnen zugrundeliegende Beweiswürdigung sind unzureichend. Sie tragen schon den Schuldspruch wegen eines Rotlicht-verstoßes nicht.

Bei einer Verurteilung wegen eines Rotlichtverstoßes nach § 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 7 StVO müssen die Urteilsgründe zunächst Feststellungen darüber enthalten, an welcher konkreten Wechsellichtzeichenanlage sich der Verstoß ereignet hat, wie dieser Bereich verkehrstechnisch gestaltet ist (Fußgängerüberweg, Kreuzungs- oder Einmündungsbereich, Anzahl und ggf. nähere Ausgestaltung der Fahrstreifen) und welchen Verkehrsbereich die Anlage schützt (Fußgängerfurt und/oder Kreuzungsbereich mit Querverkehr), ebenso ob der Betroffene überhaupt in den geschützten Bereich (Fahrstreifen und Fahrtrichtung des Betroffenen) eingefahren ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Juli 2020 – IV-4 RBs 46/20 -, juris, Rn. 13). Für die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 7 StVO müssen beim Einsatz eines standardisierten Messverfahrens – ein solches ist auch das im vorliegenden Fall eingesetzte Verfahren Traffiphot III (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 19. Oktober 2009 – 2 SsBs 38/09 -, Rn. 5, juris) – zudem der konkret verwendete Gerätetyp und das gewonnene Messergebnis sowie ein etwa zu beachtender Toleranzwert angegeben werden (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Februar 2022 – 1 Rb 34 Ss 9/22 -, Rn. 17, juris). Daneben müssen zumindest die wesentlichen Anknüpfungstatsachen, wie Abstand zwischen Haltelinie und der Induktionsschleifen sowie die Rotlichtzeiten bei Überfahren der Induktionsschleifen angegeben werden, denn ohne diese Darlegungen lässt sich für das Rechtsbeschwerdegericht die Berechnung der Rotlichtdauer beim Überfahren der Haltelinie nicht nachvollziehen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Februar 2022, aaO, Rn 13). Etwas Anderes gilt lediglich für den Fall, dass die Induktionsschleife in der Haltelinie selbst angebracht wäre. Dann wären Messzeit und der Zeitpunkt des Überfahrens der Haltelinie identisch. Aber auch in diesem Falle wäre der Tatrichter gehalten, sowohl die Messzeit als auch den Lageort der Induktionsschleife im Urteil darzulegen (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 2. April 2014 – 1 Ss OWi 59/14 -, Rn. 5, juris).

Gemessen hieran wird durch die Gesamtheit der Urteilsgründe (UA S. 3 unten) und die zulässige Verweisung auf die Skizze AS. 59 die Tatörtlichkeit hinsichtlich der Wechsellichtzeichenanlage und der verkehrstechnischen Gestaltung des geschützten Verkehrsbereiches hinreichend konkret beschrieben.

Allerdings enthalten die Urteilsgründe keine Erörterungen über die Lage der Haltelinie und der Induktionsschleife. Auch aus den Lichtbildern AS. 13 und der Skizze des Ampelschaltplans, auf die im Urteil Bezug genommen wird, ergeben sich diese Umstände nicht.

Ohne diese erforderlichen Feststellungen lässt sich für das Rechtsbeschwerdegericht die Berechnung der Rotlichtdauer beim Überfahren der Haltelinie nicht nachvollziehen.

Aufgrund des aufgezeigten Darstellungsmangels können der Schuldspruch und damit auch der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben.“

Und natürlich sind die Fragen dann auch umfassend behandelt – jetzt aber <<Werbemodus an>> in Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl. 2024, das man hier jetzt bestellen kann. <<Werbemodus aus>>.

StGB II: Günstige Sozialprognose wegen der Therapie?, oder: Nur bei erfolgreichem Therapieabschluss

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Im zweiten Posting dann das BayObLG, Urt. v. 19.02.2024 – 203 StRR 571/23 – zur Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung

Das LG hatte den Angeklagten u.a. wegen Diebstahls zu einer eine Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten verurteilt und die Vollstreckung der festgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, die sich ihrem Inhalt nach ausschließlich gegen die Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung richtete. Die Revision hatte Erfolg.

„2. Die Entscheidung des Landgerichts, die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr wird gemäß § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lässt und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Nach Absatz 2 der Vorschrift kann das Gericht unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen.

b) Bei der insoweit anzustellenden Gesamtwürdigung, insbesondere der in § 56 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Umstände, kommt dem Tatgericht ein weiter Bewertungsspielraum zu; dessen Entscheidung ist daher vom Revisionsgericht bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 28. März 2018 – 2 StR 516/17- und vom 12. Mai 2021 – 5 StR 120/20-, jeweils juris; BayObLG, Urteil vom 02. Dezember 2022 – 202 StRR 108/22-, juris Rn. 3). Auch ein Bewährungsbruch schließt eine günstige Kriminalprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB nicht von vornherein aus (BGH, Urteil vom 14. April 2022 – 5 StR 313/21 –, juris Rn. 23 m.w.N.; BayObLG, Urteil vom 15. September 2023 – 202 StRR 47/23 –, juris Rn. 5; BayObLG, Urteil vom 02. Dezember 2022 – 202 StRR 108/22-, juris Rn. 6). Bei Straftätern, die in der Vergangenheit bereits eine längere Freiheitsstrafe verbüßt haben oder vorsätzliche Straftaten in der Bewährungszeit begehen, kommt es für die Annahme einer günstigen Legalprognose darauf an, ob sich in den Lebensverhältnissen des Angeklagten nach der Begehung der Taten Änderungen ergeben haben, die den Schluss zulassen, dass die Ursachen für die bisherige Delinquenz beseitigt sind (BayObLG, Urteil vom 15. September 2023 – 202 StRR 47/23 –, juris Rn. 5).

Die Ausführungen des Landgerichts für seine Erwartung, der nach den Feststellungen erheblich vorbestrafte, unter laufender Bewährung stehende und strafhafterfahrene Angeklagte werde sich nunmehr schon allein die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen (§ 56 Abs. 1 Satz 1 StGB), genügen den Anforderungen der Rechtsprechung nicht. Dass sich der Angeklagte am 28. Juni 2023, also knappe zwei Monate vor der anstehenden Berufungshauptverhandlung, auf eine von der Berufungskammer bezüglich ihrer Ausgestaltung nicht näher dargestellte stationäre Soziotherapie eingelassen hat, vermag eine günstige Legalprognose nicht zu stützen. Nach der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung könnte eine Therapie nur dann eine positive Prognose rechtfertigen, wenn eine solche erfolgreich abgeschlossen wäre, nicht aber, wenn der Eintritt des erhofften Behandlungserfolgs im maßgeblichen Zeitpunkt des Endes der Hauptverhandlung noch völlig ungewiss ist; dies gilt auch dann, wenn aus der Sicht des Tatrichters gute Gründe dafür sprechen, dass die Therapie zukünftig eine positive Veränderung bei dem Angeklagten bewirken könnte (vgl. BayObLG, Urteil vom 2. Dezember 2022 – 202 StRR 108/22 –, juris Rn. 10; OLG Bamberg, Urteil vom 12. November 2013 – 3 Ss 106/13 –, juris; KG Berlin, Urteil vom 5. Oktober 2007 – (4) 1 Ss 307/07 (191/07) –, juris Rn. 6).

c) Da das angefochtene Urteil schon die Annahme einer günstigen Legalprognose nicht belegt, kommt es nicht mehr darauf an, dass sich die Kammer mit den Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 und 3 StGB rechtsfehlerhaft in ungenügender Weise auseinandergesetzt hat.“