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BtM II: Urteilsgründe bei Handel mit „Kleinstmenge“, oder: Feststellungen zum Wirkstoffgehalt

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Und dann nach dem Aufreger des Tages, dem BGH, Beschl. v. 23.04.2024 – 5 StR 153/24 – dazu: BtM I: 5. Ss des BGH pampt zur „nicht geringen Menge“, oder: Gesetzesbegründung „verhallt“ beim BGH) geht es mit der nächsten BtM-Entscheidung, dem der OLG Celle, Beschl. v. 04.04.2024 – 2 ORs 17/24 – ruhiger weiter.

Das AG hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt. Nach den den Feststellungen  verkaufte der Angeklagte für insgesamt 220 € gewinnbringend 0,4g Kokain an den gesondert Verfolgten B. und weitere 3,16g Kokain an den gesondert Verfolgten G. Zur Beweiswürdigung hat das AG ausgeführt, Grundlage der getroffenen Feststellungen seien das glaubhafte Geständnis des Angeklagten sowie das in der Hauptverhandlung verlesene Sicherstellungsprotokoll. Zudem habe ein ESA-Schnelltest des sichergestellten Rauschgifts ein positives Ergebnis bzgl. Kokain ergeben, wobei sich eine schlagartig intensive blaue Verfärbung gezeigt habe.

Dagegen die Revision, die keinen Erfolg hatte:

„Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:

1. Die knappen Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen den Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, denn ihnen ist die vorsätzliche Begehungsweise ebenso wie die erforderliche Eigennützigkeit des Betäubungsmittelgeschäftes noch ausreichend zu entnehmen. Für die Annahme von Eigennutz reicht es aus, wenn – wie hier – nach Art und Umfang der auf Umsatz gerichteten Tätigkeit andere als eigennützige Motive ausscheiden (Weber/Kornprobst/Maier/Weber, 6. Aufl. 2021, BtMG § 29 Rn. 350).

2. Die Beweiswürdigung des Tatgerichts unterliegt nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Das Revisionsgericht prüft allein, ob dem Tatgericht bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist lediglich dann der Fall, wenn die Beweis-würdigung widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH NStZ 1984, 180; NStZ-RR 2004, 238).

Unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabes erweist sich die Beweis-würdigung des angefochtenen Urteils als frei von Rechtsfehlern.

Legt der Tatrichter das Geständnis des Angeklagten seinen Feststellungen zugrunde, weil er es für glaubhaft erachtet, so ist er nicht stets verpflichtet, es in den Urteilsgründen in allen seinen Einzelheiten zu dokumentieren; es kann vielmehr bei einfach gelagerten Sachverhalten genügen, auf die Feststellungen Bezug zu nehmen und nachvollziehbar darzulegen, aus welchen Gründen er das Geständnis für glaubhaft erachtet (Senat, Beschluss vom 8. März 2024, 2 ORs 23/24; OLG Celle, Beschluss vom 14.12.2017, 3 Ss 48/17).

So liegt der Fall hier. Das Amtsgericht hat die Glaubhaftigkeit des Geständnisses ersichtlich durch die Erkenntnisse aus der Sicherstellung der von dem Angeklagten verkauften Kokainmengen und deren Untersuchung durch einen durchgeführten ESA-Schnelltest überprüft. Zwar darf die Feststellung, dass es sich bei sichergestellten Substanzen um Betäubungsmittel handelt, nicht allein auf das Ergebnis eines ESA-Schnelltests gestützt werden, da es sich nicht um ein in der Praxis als zuverlässig anerkanntes Standardtestverfahren handelt (Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26. Oktober 2023 – 1 ORs 144/23 –, juris; Senat, Beschluss vom 25. Juni 2014 – 32 Ss 94/14 –, juris). Vorliegend hat das Amtsgericht die Er-kenntnisse aus dem ESA-Schnelltest indes lediglich zur Überprüfung der geständigen Angaben des Angeklagten, der den Verkauf von Kokain an die Zeugen B. und G. eingeräumt hatte, her-angezogen. Dies ist nicht zu beanstanden.

2. Entgegen der Rechtsauffassung der Revision waren Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des Kokains vorliegend entbehrlich.

Zwar ist es zutreffend, dass auf die hier fehlenden konkreten Feststellungen zum Wirkstoffgehalt nur ausnahmsweise verzichtet werden kann. Bei Kleinstmengen von Betäubungsmitteln kommt dem Wirkstoffgehalt indes nach der Rechtsprechung des BGH keine bestimmende Be-deutung (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) für die Strafbemessung zu; Feststellungen zum Wirkstoff-gehalt des verfahrensgegenständlichen Rauschgifts sind vielmehr entbehrlich, wenn es nach den Gesamtumständen ausgeschlossen ist, dass eine genaue Angabe des Wirkstoffgehaltes das Strafmaß zu Gunsten des Angeklagten beeinflusst hätte (BGH, Beschl. v. 31.5.2022 – 6 StR 117/22, NStZ-RR 2022, 250)

Ein solcher Fall ist hier gegeben. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung, wonach eine „Kleinstmenge“ im Sinne der o.g. Rechtsprechung nur bei bis zu 3 Konsumeinheiten anzunehmen ist (vgl. Beschluss vom 25.09.2017 – 2 Ss 104/17) nicht mehr fest. Diese dürfte unter Berücksichtigung der o.g. BGH-Rechtsprechung überholt sein. Denn dieser Entscheidung lag u.a. ein festgestellter Besitz von 9g Cannabis zugrunde und damit eine Gewichtsmenge, die den Grenzwert der geringen Menge i.S.d. § 29 Abs. 5 BtMG überschreitet (vgl. Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Auflage 2021, § 29, Rn. 2125ff.). Der BGH betont, dass „Kleinstmengen“ bereits gegeben sind, wenn das Erreichen des Grenzwerts der nicht geringen Menge rechnerisch von vornherein ausgeschlossen ist (BGH a.a.O.).

So liegt der Fall hier. Denn nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils verkaufte der Angeklagte eine Menge von insgesamt 3,56g Kokain, wobei selbst bei Zugrundelegung „guter Qualität“ im Straßenverkauf von 40 % (vgl. hierzu: Weber/Kornprobst/Maier, a.a.O., vor §§ 29ff., Rn. 1019f.) eine Menge von 1,424g Cocainhydrochlorid und damit weniger als 1/3 des Grenz-wertes der nicht geringen Menge (5,0g Cocainhydrochlorid) gegeben wäre.

Im Übrigen hat zuletzt auch das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 3. März 2023 – (3) 161 Ss 212/22 (73/22) –, juris) in einem Fall, bei dem der Angeklagte nach den Feststellungen eine Tablette Subutex für 10,- € verkauft und im Übrigen 12 weitere Subutex-Tabletten bei sich ge-führt hatte, um auch diese gewinnbringend an weitere Abnehmer zu veräußern, eine „Kleinst-menge“ im o.g. Sinne angenommen, obwohl der Grenzwert der geringen Menge i.S.d. § 29 Abs. 5 BtMG überschritten war. Denn selbst bei Annahme der höchsten am Arzneimarkt erhältlichen Dosis von 8 mg Buprenorphin pro Subutex-Tablette ergab sich eine Gesamtmenge von 104 mg Buprenorphin und damit nur ca. ¼ der nicht geringen Menge (416,67mg Buprenorphin).

Auch das Saarländische Oberlandesgericht hat jüngst bei einer Betäubungsmittelmenge von 10,9 Gramm Marihuana ausgeschlossen, dass die Strafkammer gegen den Angeklagten bei einer Feststellung des Wirkstoffgehaltes nach § 29 Abs. 5 BtMG von Strafe abgesehen oder ein anderes Strafmaß verhängt hätte (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 22. November 2023 – 1 Ss 23/23 –, juris).

Nach alledem waren Feststellungen zum Wirkstoffgehalt im vorliegenden Fall entbehrlich, so dass sich auch die Strafzumessung des angefochtenen Urteils als rechtsfehlerfrei erweist.“

Betrug III: Straftatbestand oder Zumessungsregel?, oder: Gewerbsmäßiger Betrug

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Und als dritte Entscheidung dann der OLG Hamm, Beschl. v. 02.04.2024 – 3 ORs 18/24, und zwar zur Frage, ob es sich bei § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB – „Gewerbsmäßig“ – um einen selbständigen Straftatbestand handelt oder nur um eine Strafzumessungsregel. Das OLG Hamm sagt: Strafzumessungsregel:

„Das Landgericht hat seiner Zumessung „für jede der Taten“ (UA 8) den Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt, ohne eigene Feststellungen zur Frage der angenommenen Gewerbsmäßigkeit (§ 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB) getroffen zu haben.

Von eigenen Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung war die Strafkammer trotz wirksamer Teilrücknahme der Berufung nicht befreit. Eine innerprozessuale Bindung an die entsprechenden Feststellungen des Amtsgerichts bestand nicht. Umfasst von der Bindungswirkung der mit einer wirksamen Berufungsbeschränkung eintretenden horizontalen Teilrechtskraft sind in erster Linie die Tatsachen, in denen Tatbestandsmerkmale zu finden sind, darüber hinaus die weitergehenden Feststellungen zum Tatgeschehen im Sinne des geschichtlichen Vorgangs und die Tatsachen, aus denen der Beweis abgeleitet wird (Senat, Beschluss vom 20.01.2020, III-3 RVs 59/19 – juris).

Bei § 263 Abs. 3 StGB handelt es sich um keinen selbstständigen Straftatbestand, sondern um eine gesetzliche Strafzumessungsregel (Fischer, StGB, 71. Auflage 2024, § 263, Rn. 209). Ist die Gewerbsmäßigkeit der Tat als Regelbeispiel für einen Straferschwerungsgrund ausgestaltet, so ist sie allein für die Strafzumessung relevant. Es handelt sich weder um einen Umstand, der den Schuldspruch trägt, noch – zumindest im vorliegenden Fall – um einen doppelrelevanten Umstand, der Schuld- und Strafausspruch gleichermaßen berührt. Für die Frage, wann Schuldspruch und Strafzumessung so miteinander verknüpft sind, dass ein die Strafbarkeit erhöhender oder mindernder Umstand eine doppelrelevante Tatsache darstellt, kommt es neben der besonderen Lage des Einzelfalls auf die Trennbarkeit von den bindenden Feststellungen an. Ist es möglich, einen Umstand aus den Urteilsgründen herauszulösen und insoweit abweichende Feststellungen zu treffen, ohne die innere Einheit der Urteilsgründe in Frage zu stellen, handelt es sich in der Regel nicht um eine doppelrelevante Tatsache (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2017 – 1 StR 458/16 – juris Rn. 14 ff. zu § 95 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 lit. b AMG a.F.).

Die Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit sind regelmäßig vom Schuldspruch widerspruchsfrei abtrennbar. Die gewerbsmäßige Begehung hat auf das eigentliche Tatbild, wie es für den Schuldspruch maßgeblich ist, keinen Einfluss und ist für die Tatausführung auch nicht von entscheidender Prägung, so dass die innere Einheit der Urteilsgründe nicht gefährdet wird, wenn das Berufungsgericht hierzu eigene Feststellungen trifft. Wenngleich es sich bei der Gewerbsmäßigkeit auch um eine Handlungsmotivation handelt, reicht diese über die konkrete Tat hinaus; der besondere Unrechtsgehalt liegt gerade in der auf die Begehung weiterer Taten gerichteten Planung. Die die gewerbsmäßige Begehung begründenden Umstände können daher in der Regel hinzu- oder hinweggedacht werden, ohne dass der für den Schuldspruch tragende Geschehensablauf hiervon berührt würde (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06. November 2019 – 1 Rv 21 Ss 784/19 -; OLG Bamberg, Beschluss vom 6. März 2018 – 3 OLG 130 Ss 19/18 -; beide zitiert nach juris). Daran gemessen ist hier schon vor dem Hintergrund der diesbezüglich isolierten Feststellungen zum gewerbsmäßigen Handeln des Angeklagten in der amtsgerichtlichen Entscheidung (dort UA7, Bl. 574 d. A.) eine Trennbarkeit unproblematisch gegeben.

Standen die vom Amtsgericht zum gewerbsmäßigen Vorgehen des Angeklagten getroffenen Feststellungen trotz der von dem Angeklagten erklärten Teilrücknahme seines Rechtsmittels bzw. Beschränkung auf die Rechtsfolgenentscheidung somit nicht bindend fest, hatte die Strafkammer insoweit eigene Feststellungen zu treffen.

Dies hat sie hier unterlassen und im Gegenteil zum Ausdruck gebracht, dass sie sich „infolge der Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch an die vom Amtsgericht festgestellten tatsächlichen Voraussetzungen des Regelbeispiels eines besonders schweren Falles in Form der gewerbsmäßigen Begehung für jede der Taten gebunden“ betrachte.

Es kommt danach nicht mehr entscheidend darauf an, dass auch der zu Lasten des Angeklagten berücksichtigte Umstand, er habe „planmäßig das Überführungsrisiko“ vermindert, schon nicht von den zugrundeliegenden Feststellungen belegt wird. Darüber hinaus lässt auch die Formulierung, der Angeklagte habe „zugleich eine Schadenswiedergutmachung verhindert“ besorgen, dass die Kammer insoweit das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes rechtsfehlerhaft strafschärfend gewürdigt haben könnte.“

StPO III: Antragsberechtigung im Adhäsionsverfahren, oder: Gewillkürte Prozessstandschaft zulässig

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Und im dritten Posting dann die dritte BGH-Entscheidung, und zwar der BGH, Beschl. v. 14.11.2023 – 6 StR 495/23, in dem sich der BGH zur Antragsberechtigung im Adhäsionsverfahren äußert, und zwar wie folgt:

„2. Die Adhäsionsentscheidungen haben ebenfalls Bestand. Auch soweit der Angeklagte unter Ziffer 4 der Urteilsformel zur Zahlung von Schadensersatz an die b. GmbH verurteilt worden ist, liegt ein wirksamer Adhäsionsantrag und damit die für das Annexverfahren von Amts wegen zu prüfende notwendige Verfahrensvoraussetzung vor (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juni 1988 – 2 StR 244/88, NStZ 1988, 470).

a) Zwar hat die geschädigte Gesellschaft den Anspruch nicht selbst geltend gemacht (§ 403 Satz 1 StPO); es liegt allerdings ein näher begründeter Antrag von a. GmbH vor, den Angeklagten zur Zahlung von Schadensersatz an ihre Tochtergesellschaft, die b. GmbH, zu verurteilen.

b) Anlass zu näherer Erörterung gibt insoweit allein die hier an § 403 Satz 2 StPO zu messende Antragsbefugnis.

aa) Nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut ist hiernach antragsbefugt, wer einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch geltend macht. Diese Ergänzung des § 403 StPO wurde eingefügt durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 25. Juni 2021 (BGBl. I S. 2099, 2105); sie begründet – korrespondierend mit der bislang zum Entschädigungsrecht des Verletzten ergangenen Rechtsprechung (BT-Drucks. 19/27654, S. 106 f.) – eine Antragsbefugnis auch für Personen, die nicht unmittelbare oder mittelbare Verletzte der Tat oder deren Erben sind (vgl. § 403 Satz 1 StPO). Der Gesetzgeber hat die Antragsberechtigung insoweit von der – durch dasselbe Reformgesetz eingefügten – Legaldefinition des Verletztenbegriffs in § 373b StPO entkoppelt (vgl. BT-Drucks. aaO), um den Kreis der Berechtigten nicht auf die Verletzten nach § 373b StPO zu beschränken (vgl. KMR-StPO/Nepomuck, 118. Lfg., § 403 Rn. 1; LR/Wenske, 27. Aufl., § 403 Rn. 2; SSW-StPO/Schöch/Werner, 5. Aufl., § 403 Rn. 1).

Der Antragssteller nach § 403 Satz 2 StPO kann deshalb etwa als Rechtsnachfolger des Verletzten, namentlich im Wege des vertraglichen (vgl. § 398 BGB) oder gesetzlichen Forderungsübergangs (vgl. § 116 Abs. 1 SGB X), einen eigenen Anspruch oder – nach Ermächtigung durch den Verletzten – einen fremden Anspruch im eigenen Namen geltend machen (sogenannter gewillkürte Prozessstandschaft).

Dieses Normverständnis wird über den Gesetzeswortlaut hinaus durch die Regelungssystematik des Fünften Buches der Strafprozessordnung belegt (vgl. LR/Wenske, aaO; aA KMR-StPO/Nepomuck, aaO, Rn. 3; Meyer-Goßner/Schmitt, 66. Aufl., § 403 Rn. 4; SSW-StPO/Schöch/Werner, aaO, Rn. 3). Hiernach bestehen für Adhäsionskläger, die nicht Verletzte der Tat und damit prozessual nicht in gleicher Weise wie diese schutzwürdig sind, eigene, allerdings stark begrenzte Verfahrensrechte. So sind insbesondere die §§ 406d ff. StPO schon mangels Verletzteneigenschaft (§ 373b StPO) grundsätzlich nicht anwendbar (vgl. BT-Drucks. aaO, S. 108). Allein das Akteneinsichtsrecht ist für die nach § 403 Satz 2 StPO Antragsberechtigten zur Anspruchsdurchsetzung spezifisch geregelt (vgl. § 406e Abs. 4 StPO; LR/Wenske, aaO sowie § 406e Rn. 47). Dem steht auch die Gesetzesgenese nicht entgegen (aA BeckOK-StPO/Ferber, 49. Ed., § 403 Rn. 1). Der Gesetzgeber wollte mit § 403 Satz 2 StPO eine Antragsberechtigung für Personen sicherstellen, die nur mittelbar durch die Tat geschädigt sind (vgl. BT-Drucks. aaO, S. 106). Hingegen ist den Gesetzesmaterialien – insbesondere im Lichte der vorgenannten gewichtigen normativen Gesichtspunkte – kein Anhalt dafür zu entnehmen, dass er sich ausdrücklich gegen eine erweiterte Antragsbefugnis ausgesprochen hat.

bb) Das Antragsrecht ergibt sich hier aus dem Gesichtspunkt der Prozessstandschaft.

(1) Eine gewillkürte Prozessstandschaft ist zulässig, wenn der Prozessführende vom Rechtsinhaber zu dieser Art der Prozessführung ermächtigt worden ist und er ein eigenes schutzwürdiges Interesse an ihr hat (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Dezember 1951 – GSZ 3/51, BGHZ 4, 153, 164 ff.; Urteile vom 4. Juni 1959 – VII ZR 217/58, BGHZ 30, 162, 166; vom 24. Oktober 1985 – VII ZR 337/84, BGHZ 96, 151, 152; vom 10. Juni 2016 – V ZR 125/15, NJW 2017, 486). Das schutzwürdige Eigeninteresse ist gegeben, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage des Prozessführungsbefugten hat (vgl. BGH, Urteile vom 2. Oktober 1987 – V ZR 182/86, NJW-RR 1988, 126, 127; vom 5. Februar 2009 – III ZR 164/08, NJW 2009, 1213, 1215). Es kann auch durch ein wirtschaftliches Interesse begründet werden (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 1992 – I ZR 251/90, BGHZ 119, 237, 242). Eine solche Prozessführungs-befugnis ist im Zivilprozess (vgl. BGH, Urteile vom 25. November 2004 – I ZR 145/02, BGHZ 161, 161, 165; vom 2. Oktober 1987 – V ZR 182/86, NJW-RR 1988, 126, 127), aber auch im Adhäsionsverfahren von Amts wegen zu prüfen.

(2) Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Senat vermag der Antragsschrift noch tragfähige Ausführungen zum Verhältnis der Gesellschaften zueinander, insbesondere zum bestehenden wirtschaftlichen Interesse (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 1994 – I ZR 99/92, NJW-RR 1995, 358, 361) und der erteilten Ermächtigung, zu entnehmen.“

StPO I: Verurteilung beruht auf DNA-Mischspur, oder: Anforderungen an die Urteilsgründe

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Und heute dann schon wieder 🙂 StPO, an sich wäre mal wieder OWi dran, aber dafür habe ich kein Material. Daher hier dann StPO.

Zunächst der BGH, Beschl. v. 13.02.2024 – 4 StR 353/23. Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt . Die dagegen eingelegte Revision des Angeklagten hatte Erfolg.

„Der Schuldspruch hat keinen Bestand, weil die Beweiswürdigung des Landgerichts zur Täterschaft des Angeklagten durchgreifende Darstellungsmängel im Hinblick auf die Ergebnisse molekulargenetischer Gutachten aufweist.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts warf der Angeklagte in den frühen Morgenstunden des 25. September 2022 im Abstand von wenigen Minuten, fünf bis zehn Meter neben der Fahrbahn stehend, frontal Steine auf drei die Bundesautobahn 30 mit etwa 100 km/h befahrende Pkw, wobei er in der Absicht handelte, jeweils die Frontscheibe zu treffen und Beschädigungen zu verursachen. Die Steine trafen in zwei Fällen plangemäß die Windschutzscheibe, in einem Fall die Frontpartie des anvisierten Fahrzeugs, wodurch Beschädigungen von mindestens 900 Euro je Fahrzeug entstanden.

2. Die Strafkammer hat sich von der Täterschaft des Angeklagten unter anderem aufgrund von an einem Stein und am Griff eines Metalltors im Zugangsbereich zu dem betreffenden Autobahnabschnitt gesicherten DNA-Mischspuren überzeugt. Die Darstellung der Ergebnisse der molekulargenetischen Gutachten entspricht nicht den Anforderungen, die der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung daran stellt.

Während bei Einzelspuren jedenfalls das Gutachtenergebnis in Form einer numerischen biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage mitgeteilt werden muss, ist bei Mischspuren grundsätzlich darzulegen, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer anderen Person zu erwarten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2018 ‒ 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187; Beschluss vom 9. November 2021 ‒ 4 StR 262/21; Beschluss vom 18. August 2021 ‒ 5 StR 217/21; Beschluss vom 12. August 2021 ‒ 2 StR 325/20; Beschluss vom 14. Juli 2021 ‒ 6 StR 303/21; Henke, NStZ 2023, 13, 15 f. jeweils mwN). Daran fehlt es hier. Ausnahmsweise kann im Urteil die DNA-Analyse der Hauptkomponente einer Mischspur nach den für die Einzelspur entwickelten Grundsätzen dargestellt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187, Rn. 10 ff.), wenn die Peakhöhen von Hauptkomponente zu Nebenkomponente durchgängig bei allen heterozygoten DNA-Systemen im Verhältnis 4:1 stehen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juli 2020 – 6 StR 183/20). Dass diese Voraussetzungen vorliegen, ist dem Urteil ebenfalls nicht zu entnehmen.

3. Der Senat kann angesichts der begrenzten Aussagekraft der übrigen Beweisanzeichen nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht. Das verlesene Behördengutachten des Landeskriminalamts zum Vergleich des „Profilgrundmusters“ von in der Wohnung des Angeklagten aufgefundenen „Turnschuhen Venice, blau/rot“ mit einer in Tatortnähe im öffentlich zugänglichen Bereich gesicherten „Schuheindruckspur“ ist für die Täterschaft des Angeklagten – jedenfalls ohne nähere Feststellungen zum Verbreitungsgrad dieser Schuhe – nur von begrenzter Aussagekraft. Überdies sind in den Urteilsgründen die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen von Sachverständigengutachten so wiederzugeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2020 ‒ 1 StR 28/20, juris Rn. 4; KK-StPO/Bartel, 9. Aufl., § 267 Rn. 34 mwN). Nach dem hier ausschließlich mitgeteilten Inhalt, wonach sich die Spur dem Schuhpaar mit dem Referenzmuster „venrippkegel“ „zuordnen lasse“, kann der Senat die Schlüssigkeit des Gutachtens nicht beurteilen. Die darüber hinaus herangezogene Funkzellenauswertung ist nicht aussagekräftig, da nach den Urteilsgründen die Funkzelle, in die das Mobiltelefon des Angeklagten zur Tatzeit eingeloggt war, sowohl den Wohnort des Angeklagten als auch den Tatortbereich versorgt.“

Rechtsfolge I: Mildere Strafe bei versuchtem Mord, oder: Keine Strafmilderung nur bei Erschwerungen

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Und heute dann am letzten Tag im April – vier Monate des Jahres 2024 liegen also schon hinter uns – einige Entscheidungen zu Rechfolgen. Das war schon länger nicht mehr Thema.

Ich eröffne den Reigen mit dem BGH, Urt. v. 01.02.2024 – 4 StR 287/23, über das ich schon einmal berichtet habe (StGB II: Hat der Angeklagte „heimtückisch“ gehandelt?, oder: Überraschen in einer hilflosen Lage). Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Dagegen die  Revision des Angeklagten, der u.a. auch die Strafzumessung beanstandet. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt und macht Erörterungsmängel im Rahmen der Strafzumessung und Maßregelanordnung geltend. Beide Rechtsmittel waren unbegründet:

„….

2. Entgegen der Auffassung der Revision weist die Strafzumessung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Zwar ist im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne nicht ausdrücklich strafmildernd aufgeführt, dass der Angeklagte sich zur Tat aufgrund der vorangegangenen „Provokation“ durch den Geschädigten entschloss. Der Senat schließt unter den hier gegebenen Umständen jedoch aus, dass dem Tatgericht dieser in den Urteilsgründen mehrfach erwähnte Gesichtspunkt im Rahmen der Strafzumessung aus dem Blick geraten sein könnte. Anderenfalls wäre die mit vier Jahren und neun Monaten eher milde bemessene Freiheitsstrafe nicht verständlich.

III.

Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg. Strafzumessung und Maßregelanordnung weisen weder einen den Angeklagten begünstigenden noch einen ihn beschwerenden (vgl. § 301 StPO) Rechtsfehler auf.

1. Die Strafrahmenwahl begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht den Strafrahmen des § 211 Abs. 1 StGB gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB zugunsten des Angeklagten gemildert hat, halten einer rechtlichen Nachprüfung stand. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft liegt ein den Bestand des Strafausspruchs gefährdender Erörterungsmangel nicht vor.

a) Nach § 23 Abs. 2 StGB kann der Versuch milder bestraft werden als die vollendete Tat. Ob eine Strafrahmenverschiebung wegen Versuchs gemäß § 23 Abs. 2 StGB in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB in Betracht kommt, ist vom Tatgericht auf der Grundlage einer Gesamtschau aller Tatumstände und der Persönlichkeit des Täters zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 2. August 2023 ‒ 4 StR 98/23 Rn. 5; Urteil vom 25. Januar 2023 ‒ 1 StR 284/22 Rn. 16; Beschluss vom 22. Oktober 2019 ‒ 5 StR 449/19 Rn. 8). Dabei ist zu beachten, dass das Vorliegen des vertypten Milderungsgrunds regelmäßig eine geringere Schuld indiziert (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 922). Eine Versagung der Strafmilderung setzt deshalb erschwerende Umstände voraus, die in den Urteilsgründen im Einzelnen festgestellt und dargelegt werden müssen. Den wesentlichen versuchsbezogenen Umständen (Nähe der Tatvollendung, Gefährlichkeit des Versuchs und aufgewandte kriminelle Energie) kommt im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau aller tat- und täterbezogenen Umstände besonderes Gewicht zu (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15. September 1988 ‒ 4 StR 352/88, BGHSt 35, 347, 355). Eine sorgfältige Abwägung und umfassende Begründung ist insbesondere in Fällen geboten, in denen die Versagung der Strafmilderung wegen Versuchs die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Folge hat (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2023 ‒ 4 StR 286/23 Rn. 12; Urteil vom 25. Januar 2023 ‒ 1 StR 284/22 Rn. 16; Beschluss vom 22. Oktober 2019 ‒ 5 StR 449/19 Rn. 8; Urteil vom 15. Juni 2004 ‒ 1 StR 39/04).

b) Den sich hieraus ergebenden Darlegungsanforderungen ist das Schwurgericht mit dem knappen, aber tragfähigen Hinweis auf die fehlende Vollendungsnähe gerecht geworden. Die hiergegen von der Revision erhobenen Einwände verfangen nicht. Eine weitere Begründung war unter den hier gegebenen Umständen von Rechts wegen nicht geboten.

2. Die Strafzumessung im engeren Sinne weist ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf. Insbesondere vermag der Senat den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, dass das Landgericht ‒ rechtlich bedenklich ‒ die erlittene Untersuchungshaft strafmildernd berücksichtigt hat. Es hat vielmehr zugunsten des Angeklagten bedacht, dass er als Erstverbüßer besonders haftempfindlich ist. Dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2021 ‒ 4 StR 457/20 Rn. 12).“