Archiv der Kategorie: Strafrecht

Klima I: Rechtswidrige Straßenblockade durch Kleber, oder: Wenn man mehr als 3 Stunden festklebt

Und dann auf in die 51. KW, an deren Ende wir dann Weihnachten „feiern“ können. Es ist also eine ganz normale Woche, die ich heute mit noch einmal mit zwei „Klima-Entscheidungen“ beginne. Die Fragen haben in 2023 an Bedeutung zugenommen, ich habe ja zu Entscheidungen in der Frage auch einige Male berichtet. Bei den Entscheidungen gibt es zu der Thematik auf meiner Homepage eine eigene Rubrik, dort stehen inzwischen 19 Beschlüsse/Urteile, die sich mit der Problematik – meist „Straßenkleberfälle“ befassen. Heute kommen dann noch zwei dazu.

entnommen wikimedia commons Author Jan Hagelskamp1

Hier kommt zunächst das AG Flensburg, Urt. v. 06.07.2023 – 430 Cs 107 Js 4027/23. Das AG hat den Angeklagten wegen Nötigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Verurteilung hat es folgende Feststellungen zur Tat zugrunde gelegt:

Der Angeklagte beteiligte sich am 02.02.2023 an einer nicht konkret im Vorfeld angekündigten Straßenblockade-Aktion des Aktionsbündnisses „L. G.“ in F. Hierzu setzte er sich mit zwei weiteren Personen um 15:38 Uhr auf den Zebrastreifen an der Straße S. in F auf die zweispurige Fahrbahn. Zwei weitere Personen setzen sich auf die daneben verlaufende Busfahrspur. Der Angeklagte setzte sich dabei auf rechte äußere Seite der Fahrbahn aus Richtung der F Innenstadt. Er und die weiteren Teilnehmer der Blockade hatten die Absicht, den Kraftfahrzeugverkehr stadteinwärts und stadtauswärts an der Weiterfahrt zu hindern. Dabei klebten er und die zwei weiteren Personen auf der Fahrbahn jeweils eine ihrer Hände mit Sekundenkleber auf der Straße fest, um die erwarteten polizeilichen Maßnahmen zur Räumung der Blockade zu erschweren. Infolge dessen kam es zunächst bis um 16:01 Uhr zu einem vollständigen Erliegen des Fahrzeugverkehrs. Die Fahrzeuge stauten sich jedenfalls stadtauswärts bis zur Einmündung der N Straße und stadteinwärts bis zur Einmündung der N. Zahlreiche Fahrzeuginsassen mussten im Stau verharren und waren infolgedessen an einem weiteren Fortkommen gehindert. Ab 16:01 Uhr konnte der Verkehr teilweise einseitig über die durch die Polizei geräumte Busspur geführt werden. Gleichwohl kam es weiterhin zu einem erheblichen Rückstau der Fahrzeuge bis zur Kreuzung am D. H. und im Bereich der F. N. Der Angeklagte konnte erst nach 3 Stunden und 41 Minuten durch Spezialkräfte mit einem Lösemittel von der Fahrbahn entfernt werden. Die anwesenden Polizeibeamten hatten dabei mehrfach die Versammlung hörbar aufgelöst und der Versammlung einen anderen Ort – auf dem Gehweg – zugewiesen.“

Wegen der Einzelheiten der rechtlichen Begründung verweise ich auf den verlinkten Volltext, das hat man so oder ähnlich schon gelesen hat. Hier dann nur die Leitsätze, und zwar:

    1. Eine Sitzblockade auf einer öffentlichen Straße ist, gemessen an den jeweiligen konkreten Umständen des Einzelfalls, eine strafbare Nötigung gem. § 240 StGB.
    2. Gegen die Verwerflichkeit der Tat nach § 240 II StGB spricht nicht, dass die Betroffenen als Kraftfahrzeugnutzende den Ausstoß von CO? verursachen und dadurch mit dem Anliegen des Klimaschutzes in Verbindung stehen.
    3. Eine Rechtfertigung nach § 34 StGB kommt aufgrund des Vorrangs staatlicher Abhilfemaßnahmen nicht in Betracht.

 

Verkehrsrecht III: Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter, oder: Bei Unfall Entziehung der Fahrerlaubnis

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Und dann zum Tagesschluss noch einmal – oder auch: schon wieder – etwas zur Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter, ein weiterer verkehrsrechtlicher Dauerbrenner. Dazu habe ich noch einmal eine Entscheidung, die sich mit den Rechtsfolgen einer E-Scooter-Trunkenheitsfahrt befasst.

Es handelt sich um das AG Dortmund, Urt. v. 02.11.2023 – 729 Ds-124 Js 946/23-114/23 – zur Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Verhängung eines Fahrverbotes, wenn es bei der Trunkenheitsfahrt zu einem Unfall gekommen ist. Der Angeklagte war bei einer nächtlichen Fahrt mit seinem E-Scooter mit einem Pkw kollidiert.

In einem solchen Fall ist nach Auffassung des AG die Fahrerlaubnis zu entziehen (§ 69 StGB) und ein Fahrverbot (§ 44 StGB) zu verhängen:

Auch wenn weiterhin in Fällen folgenloser nächtlicher Trunkenheitsfahrten mit E-Scootern davon auszugehen ist, dass nicht eine Regelfahrerlaubnisentziehung nach § 69 Abs. 1 u. 2 StGB stattfinden muss, ist bei einer vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs im Rahmen einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter und einem tatsächlichen erheblichen Schadenseintritt von einer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen. Zudem ist in einem solchen Fall ein Fahrverbot nach § 44 StGB zu verhängen, um Fahrten mit gleichartigen (fahrerlaubnisfreien) Kraftfahrzeugen zu verhindern und hierdurch eine entsprechende Denkzettelwirkung zu entfalten.

Verkehrsrecht II: Schon wieder „verbotenes Rennen“, oder: Gefährdungsvorsatz? und „nur kurze Strecke“

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Im zweiten Posting dann zwei Entscheidungen zum Dauerbrenner „verbotenes Rennen“, also § 315d StGB, und zwar einmal BGH und einmal KG. Von beiden gibt es nur die Leitsätze.

Bei der BGH-Entscheidung handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 13.09.2023 – 4 StR 132/23 – noch einmal zum Gefährdungsvorsatz – Lebensgefährdungs- oder Tötungsvorsatz? – beim Kraftfahrzeugrennen/Alleinrennen, und zwar:

Die Voraussetzungen des (bedingten) Gefährdungsvorsatz i.S. des von § 315d Abs. 2 StGB sind gegeben, wenn der Täter über die allgemeine Gefährlichkeit des Kraftfahrzeugrennens hinaus auch die Umstände kennt, die den in Rede stehenden Gefahrerfolg im Sinne eines Beinaheunfalls als naheliegende Möglichkeit erscheinen lassen, und er sich mit dem Eintritt einer solchen Gefahrenlage zumindest abfindet.

Bei der zweiten Entscheidung handelt es sich um den auch nicht mehr taufrischen KG, Beschl. v. 12.06.2023 – 3 ORs 30/23 – 161 Ss 74/23 – zur Frage des Vorliegens eines „Einzelrennens“ nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB bei nur kurzer tatsächlich gefahrener Strecke. Dazu das KG:

Vor dem Hintergrund einer tatsächlich sehr kurzen gefahrenen Strecke ist allein die Absicht des Angeklagten maßgeblich, die nach seinen Vorstellungen unter den konkreten situativen Gegebenheiten (Motorisierung, Verkehrslage, Streckenverlauf, Witterungs- und Sichtverhältnisse) maximal mögliche Geschwindigkeit auf einer nicht ganz unerheblichen Wegstrecke zu erreichen.

Verkehrsrecht I: Fahren ohne Fahrerlaubnis und BtM, oder: Mehrere Taten verklammern bei BtM-Besitz

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Heute dann seit längerem mal wieder ein wenig Verkehrsrecht.

Hier kommt dann erst mal der – schon etwas ältere, aber jetzt erst veröffentlichte – BGH, Beschl. v. 04.07.2023 – 2 StR 178/23. Den hätte ich auch an einem BtM-Tag vorstellen können, denn es geht um die Verklammerung zweier Fahrten ohne Fahrerlaubnis durch BtM-Besitz.

Der Entscheidung liegt etwa folgender Sachverhalt zugrunde: Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln verurteilt. Der Angeklagte war mit einem Kfz im öffentlichen Verkehr gefahren, ohne im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis zu sein. In seiner rech­ten Hosentasche führte er 1,33 Gramm Kokainzubereitung mit einem Wirkstoff­gehalt von 82,1% mit sich. Die Fahrt unternahm er jedenfalls auch zum Zwecke des Transports der Betäubungsmittel. Nach einer ei­nige Minuten dauernden Unterbrechung der Fahrt, zu der er das Auto verlassen hatte, entschloss er sich erneut zu einer Fahrt. Er be­stieg ein anderes Auto und fuhr damit davon, bevor er von der Polizei gestellt wurde.

Dagegen die Revision des Angeklagten, die zu einer Schuldspruchberichtigung dahingehend geführt hat, dass der Angeklagte wegen uner­laubten Besitzes von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis in zwei tatein­heitlichen Fällen strafbar ist:

2. Das Landgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte den Tatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG in zwei tatmehrheitlichen Fällen verwirklicht hat. Es hat weiter zu Recht angenommen, dass der Angeklagte während beider Taten durch das Beisichführen des Kokains (zum Eigengebrauch) jeweils tateinheitlich unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln ausübte (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG). Allerdings hat die Strafkammer zu Unrecht von einer Verklammerung der Taten nach § 21 Abs. 1 StVG durch § 29 BtMG abgesehen.

a) Zwischen zwei eigentlich selbständigen Delikten kann durch das Vorliegen eines dritten Delikts Tateinheit hergestellt werden, wenn mit diesem jedes der beiden Delikte ideal konkurriert. Eine solche Klammerwirkung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn zwischen dem dritten und zumindest einem der beiden verbundenen Delikte „annähernde Wertgleichheit“ besteht (vgl. dazu Fischer, StGB, 70. Aufl., vor § 52 Rn. 30 mN zur Rspr.). Dabei ist der Wertevergleich nicht nach einer abstrakt-generalisierten Betrachtungsweise, sondern anhand der konkreten Gewichtung der Taten vorzunehmen; minder schwere Fälle oder wegen vertypter Milderungsgründe vorzunehmende Strafrahmenverschiebungen sind mithin zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 – 2 StR 322/84, BGHSt 33, 4, 7; Urteil vom 28. Oktober 2004 – 4 StR 268/04, NStZ 2005, 262; Beschluss vom 2. Dezember 2008 – 3 StR 203/08, NStZ 2009, 692; Urteil vom 13. Dezember 2012 ‒ 4 StR 99/12, NStZ-RR 2013, 147, 149).

b) Gemessen daran liegen die Voraussetzungen für eine Verklammerung vor. Die von dem Angeklagten begangenen Straßenverkehrsdelikte wiegen entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht „maßgeblich schwerer als der Besitz einer geringen Menge Betäubungsmittel, die ausschließlich zum Eigenkonsum bestimmt war“.

Der vorzunehmende Wertevergleich ergibt ‒ auch bei konkreter Gewichtung der Taten ‒ vielmehr, dass der Unrechtsgehalt des Verstoßes gegen § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG jedenfalls nicht hinter demjenigen des Straßenverkehrsdelikts zurückbleibt. Dies folgt schon aus dem Vergleich der Strafrahmen, der deutlich macht, dass § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG im Ausgangspunkt weit größeres Unrecht erfasst als § 21 Abs. 1 StVG, und gilt hier auch unter Berücksichtigung von § 29 Abs. 5 StGB, der ein Absehen von Strafe beim Besitz einer geringen Menge zum Eigenverbrauch ermöglicht. Denn ein solcher Fall ist nicht gegeben, weswegen das Landgericht § 29 Abs. 5 BtMG in seine „konkrete“ Betrachtung gar nicht hätte aufnehmen dürfen.

In der Sache nimmt die Strafkammer bei ihrem Vergleich der verwirklichten Delikte auch keine „konkrete Gewichtung“ der von dem Angeklagten begangenen Taten vor, denn dann hätte sie einerseits etwa Art und Menge des Betäubungsmittels sowie Dauer des Besitzes und andererseits Länge der Fahrstrecke und damit einhergehende Gefährdung von Verkehrsteilnehmern in den Blick nehmen und daran den Unrechtsgehalt der Taten bestimmen müssen. Sie gewichtet letztlich den abstrakten Unrechtsgehalt der vom Angeklagten begangenen Straftaten, dies allerdings unter Missachtung der vom Gesetzgeber getroffenen Wertungen nach eigenen Maßstäben. Dass dieser Betrachtung eine abstrakte Sichtweise zugrunde liegt, wird schließlich auch in der konkreten Strafzumessung zu den Taten II. 2 und 3 der Urteilsgründe deutlich, die die Wertung des Landgerichts bei der Konkurrenzfrage nicht aufnimmt. Dort entnimmt das Landgericht die Strafen jeweils dem Strafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG, ohne – was ansonsten nahe gelegen hätte – darauf hinzuweisen, dass der Besitz der Betäubungsmittel zum Eigenkonsum erfolgt ist und deshalb am unteren Rand des von § 29 Abs. 1 BtMG erfassten Unrechtsgehalts liegt. Ebenso wenig wird strafschärfend auf die tateinheitliche Begehung des nach Ansicht des Landgerichts in seinem Unrechtsgehalt maßgeblich schwerer wiegenden Straßenverkehrsdelikts hingewiesen.

c) Mit der Annahme einer Verklammerung liegt insoweit nur eine statt zwei Taten vor. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend; § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, da der geständige Angeklagte dadurch nicht in seinen Verteidigungsmöglichkeiten eingeschränkt wird.“

Und zur Strafzumessung wird der BGH dann selbst tätig, und zwar wie folgt:

„d) Die Annahme von Tateinheit führt zum Wegfall der Einzelstrafen für die Taten II. 2 und II. 3 der Urteilsgründe. Der Senat setzt für die nunmehr abgeurteilte Tat die bisherige Einzelstrafe von 90 Tagesätzen für Tat II. 2 der Urteilsgründe als neue Strafe fest. Er kann damit auch ausschließen, dass eine möglicherweise falsch gewichtete Bemessung der vom Landgericht verhängten Einzelstrafen sich bei der neuen Strafbemessung zu Lasten des Angeklagten (noch) auswirkt.

e) Der Wegfall einer Einzelstrafe von 60 Tagessätzen lässt den Gesamtstrafenausspruch unberührt. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht ohne diese Strafe eine noch niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.

f) Das Landgericht hat es versäumt, hinsichtlich der verhängten Einzelgeldstrafen eine Tagessatzhöhe festzusetzen. Der Senat holt dies nach und setzt den Tagessatz auf das gesetzliche Mindestmaß auf ein Euro fest, um damit jedwede Benachteiligung des Angeklagten auszuschließen.“

Unterbringung III: Neuregelung des § 64 StGB, oder: Neufälle/Altfälle – OLG Celle zum anwendbaren Recht

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Und als dritte Entscheidung zur Probelmati: Altes/Neues Recht bei der Unterbringung?, dann hier noch der OLG Celle, Beschl. v. 20.11.2023 – 2 Ws 317/23.

Der Verurteilte ist durch Urteil des LG Braunschweig vom 09.01.2023 wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen und unter Einbeziehung weiterer Strafen aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt. Zugleich wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Nach Verbüßung von Untersuchungs- und Organisationshaft wurde der Verurteilte am 04.04.2023 im Maßregelvollzug in der Psychiatrischen Klinik L. aufgenommen.

Mit Beschluss vom 10.10.2023 hat die Strafvollstreckungskammer des LG Lüneburg die Unterbringung in der Entziehungsanstalt für erledigt erklärt, die Reststrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt, den Eintritt der Führungsaufsicht festgestellt und diese näher ausgestaltet. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, der Überprüfung sei die seit dem 01.10.2023 geltende neue Rechtslage zugrundezulegen. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, den Beschwerdeführer durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Abs. 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf seinen Hang zurückgehen, seien angesichts der fehlenden Erreichbarkeit und der ablehnenden Haltung des Beschwerdeführers zu der ihm angebotenen Behandlung nicht gegeben.

Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde. die keinen Erfolg hatte. Das OLG führt zum anwendbaren Recht aus:

„Der Erörterung bedarf lediglich die Frage, welche Fassung des § 64 StGB der gem. § 67e Abs. 2 StGB durch das Landgericht zu treffenden Entscheidung zugrunde zu legen war.

Gem. § 67d Abs. 5 StGB hat das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt zu erklären, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 StGB nicht mehr vorliegen.

Diese Vorschrift des § 64 StGB wurde durch das am 1. Oktober 2023 in Kraft getretene Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vom 26.07.2023 (BGBl. I Nr. 203) neu gefasst. Während nach § 64 a. F. StGB eine Fortdauer der angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt „eine hinreichend konkrete Aussicht“ voraussetzte, den Verurteilten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen, bedarf es nunmehr „tatsächlicher Anhaltspunkte“, aufgrund derer diese Erwartung gerechtfertigt ist.

Da die Anordnung der Unterbringung des Beschwerdeführers gem. § 64 StGB bereits vor dem 1. Oktober 2023 rechtskräftig wurde, stellt sich die Frage, ob sich die Frage der Fortdauer der Vollstreckung nach altem oder neuem Recht richtet.

Der Senat erachtet unter Berücksichtigung des Wortlautes der einschlägigen Vorschriften (vgl. im Folgenden die Ausführungen unter 1.), des gesetzgeberischen Willens und aufgrund systematischer Erwägungen (im Folgenden 2.) sowie nach Sinn und Zweck der Gesetzesänderung (3.) die Anwendung des § 64 StGB in der derzeit gültigen Fassung für angezeigt. Diesem Verständnis stehen auch weder das Rückwirkungsverbot (4.) noch unüberwindbare Schwierigkeiten bei der Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung gem. § 67e StGB entgegen (5.).

Im Einzelnen:

1. Durch das Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vom 26. Juli 2023 wurde auch das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch geändert und ein neuer Artikel 316o eingefügt. In Abs. 2 dieser Vorschrift wird für die Vollstreckung von vor dem 1. Oktober 2023 rechtskräftig angeordneten Unterbringungen nach § 63 oder § 64 des Strafgesetzbuches § 67 StGB in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung für anwendbar erklärt.

Nach dem eindeutigen Wortlaut von Artikel 316o Abs. 2 EGStGB haben mithin – von Fragen der Reihenfolge der Vollstreckung gem. § 67 StGB abgesehen – die aktuell gültigen Vorschriften für die Vollstreckung von vor dem 1. Oktober 2023 rechtskräftig angeordneten Unterbringungen nach § 63 oder § 64 Anwendung zu finden.

2. Diese Auslegung entspricht auch dem aus den Gesetzgebungsmaterialien ersichtlichen gesetzgeberischen Willen.

Dem Gesetzgeber war – wie aus der in Artikel 316o Abs. 2 EGStGB getroffenen Regelung deutlich wird – bewusst, dass sich infolge der Neufassung des § 64 StGB die Frage stellt, ob die Vollstreckung von vor dem 1. Oktober 2023 rechtskräftig gewordenen Unterbringungen nach altem oder neuem Recht erfolgt und dass es einer expliziten Regelung bedarf, wenn das bisherige Recht im Rahmen der Vollstreckung Anwendung finden soll. Denn in den Gesetzgebungsmaterialien ist festgehalten, dass die in Artikel 316o Abs. 2 EGStGB neu eingeführte Regelung der Anwendbarkeit von § 67 StGB a.F. eine Abweichung von dem in § 2 Absatz 6 StGB enthaltenen Grundsatz, wonach bei Maßregeln der Besserung und Sicherung das zum Zeitpunkt der Entscheidung geltende Recht anwendbar ist, darstellt (BT-Drucksache 20/5913, S. 77).

Während § 67 StGB in der bis zum 1. Oktober 2023 geltenden Fassung für den Fall der Vollstreckung der Maßregel vor der Strafe die Möglichkeit einer Aussetzung der Maßregel nach Verbüßung der Hälfte der Strafe unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 zur Bewährung vorsah, ist nach der Neufassung dieser Vorschrift eine derart frühzeitige Entlassung zur Bewährung nur noch möglich, wenn die (deutlich strengeren) Voraussetzungen des § 57 Absatz 2 StGB entsprechend erfüllt sind.

Der Umstand, dass durch Art. 316o Abs. 2 EGStGB eine explizite Regelung der Fortgeltung alten Rechts allein für § 67 StGB und insbesondere für die dort geregelte Frage der frühst möglichen Aussetzung der Maßregel zur Bewährung getroffen wurde, lässt im Umkehrschluss den gesetzgeberischen Willen, dass sich die Vollstreckung von vor dem 1. Oktober 2023 rechtskräftig gewordenen Unterbringungen nach neuem Recht richten muss, eindeutig erkennen.

Denn über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich – wie hier – nichts anderes bestimmt ist, gem. § 2 Abs. 6 StGB nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt. Nach dieser Vorschrift sind die Voraussetzungen der seit 1. Oktober 2023 geltenden Neufassung des § 64 StGB auch im Erkenntnisverfahren auf „Altfälle“ anzuwenden (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2023 – 5 StR 246/23 –, juris; BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2023 – 6 StR 405/23 –, juris).

3. Dieses Verständnis entspricht auch dem Sinn und Zweck, der mit der Gesetzesänderung angestrebt wurde. Denn die Neufassung des § 64 StGB erfolgte insbesondere mit dem Ziel, die Maßregel wieder stärker auf die tatsächlich behandlungsbedürftigen Straftäter zu konzentrieren und so zur Entlastung der Entziehungsanstalten beizutragen (BT-Drucksache 20/5913, S. 77). Gerade die nach der alten Fassung des § 67 StGB vorgesehene, lediglich vom Vorliegen der Voraussetzungen gem. § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 abhängige Möglichkeit der Halbstrafenentlassung stellte zur Überzeugung des Gesetzgebers einen sachwidrigen Anreiz für eigentlich therapieunwillige Angeklagte mit hohen Begleitstrafen dar und führte zu einer Überbelegung der Maßregelvollzugskliniken mit „falschem Klientel“ (BT-Drucksache 20/5913, S. 77). Dem Ziel, die Überbelegung zu reduzieren, dient auch die Neufassung des § 64 StGB im Hinblick auf das Erfordernis der „tatsächlichen Anhaltspunkte“ (BT-Drucksache 20/5913, S. 48).

4. Ungeachtet des Umstandes, dass die h.M. in Rechtsprechung und Literatur von der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 6 StGB ausgeht und ein Eingreifen des Art. 103 Abs. 2 GG bei Maßregeln der Besserung und Sicherung von vornherein verneint (Dannecker/Schuhr in: Leipziger Kommentar zum StGB, § 2 Zeitliche Geltung, Rn. 170 m.w.N.), steht auch das Rückwirkungsverbot einer Anwendung des neuen Rechts auf „Altfälle“ nicht entgegen.

Denn während die vom Gesetzgeber gem. Artikel 316o Abs. 2 EGStGB vorgenommene Durchbrechung des Grundsatzes aus § 2 Abs. 6 StGB erforderlich war, um denjenigen, der durch eine vor dem 1. Oktober 2023 rechtskräftig angeordneten Unterbringung nach § 64 im Maßregelvollzug untergebracht ist, vor einem mit der Änderung des § 67 StGB einhergehenden Nachteil – namentlich der höheren Anforderungen unterliegenden Möglichkeit einer Halbstrafentlassung – zu bewahren, ist dies hinsichtlich der übrigen Neuregelungen durch das Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vom 26. Juli 2023 nicht zwingend der Fall. Denn die Dauer der Unterbringung im Maßregelvollzug gem. § 64 StGB kann bei zugleich verhängter niedriger Begleitstrafe die Dauer der Inhaftierung im Strafvollzug deutlich übersteigen, so dass mit einer vorzeitigen Entlassung aus dem Maßregelvollzug gem. § 67d Abs. 5 i.V.m. § 64 S. 2 StGB in zahlreichen Fällen ein kürzerer Freiheitsentzug einhergehen kann.

5. Schließlich stehen der dargelegten Anwendbarkeit des § 64 StGB in der aktuellen Fassung auf die Vollstreckung von vor dem 1. Oktober 2023 rechtskräftig angeordneten Unterbringungen in einer Entziehungsanstalt auch keine hiermit einhergehenden gravierenden Schwierigkeiten in der vollstreckungsrechtlichen Prüfung entgegen.

Zwar hat die Strafvollstreckungskammer gem. § 67e Abs. 1 StGB von Amts wegen nicht nur ein Prüfungsrecht; vielmehr ist sie von Amts wegen verpflichtet, allen Anhaltspunkten nachzugehen, die darauf hinweisen, dass die Erledigung einer Maßregel angezeigt ist, was grundsätzlich auch der Fall sein kann, wenn sich der Prüfungsmaßstab für die Zulässigkeit der weiteren Unterbringung vor Ablauf der Prüfungsfristen des § 67e StGB ändert (OLG Hamm, Beschluss vom 28. März 2019 – III-3 Ws 99/19 –, juris; Peglau in: Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Auflage 2022, § 67e, Rn. 12, Fischer, StGB 70. Auflage 2023, § 67e, Rn. 2). Dies führt jedoch nicht zu einer Verpflichtung, nunmehr von Amts wegen die Fortdauer jeder vor dem 1. Oktober 2023 rechtskräftig gewordenen Unterbringung gem. § 64 StGB zu prüfen. Denn Anhaltspunkte für eine Erledigung der Maßregel ergeben sich aus einer Gesetzesänderung erst dann, wenn Untergebrachter, Vollstreckungsbehörde oder Maßregelvollzugseinrichtung aufgrund der Gesetzesänderung zu der Einschätzung gelangen, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung nicht mehr vorliegen, und dies der Strafvollstreckungskammer zur Kenntnis bringen. „