Archiv der Kategorie: Untersuchungshaft

Haft II: Auch Richter dürfen Urlaub machen, aber sonst bitte mehr als ein HV-Tag/Woche

HaftraumEbenfalls eine „klassische“ Verfahrenskonstellation behandelt der KG, Beschl. v. 29.06.2013 –  4 Ws 92/13 (vgl. zu klassischen Haftfragen zuletzt das Posting Haft I: Keine Doppelakten – kein Haftbefehl). Da hatte das LG dem Angeklagten Haftverschonung gewährt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat das KG verworfen. Begründung: Die Außervollzugsetzung war aus Gründen der Verhältnismäßigkeit geboten.

„b) Darüber hinaus ist die Haftverschonung mittlerweile auch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit veranlasst. Die Hauptverhandlung ist unter Berücksichtigung der von Verfassungs wegen zu beachtenden Anforderungen (vgl. nur BVerfG StV 2008, 198) – bei objektiver Betrachtung, bei der es auf eine wie auch immer geartete Vorwerfbarkeit oder ein Verschulden nicht ankommt, sondern allein zu prüfen ist, ob eine Verfahrensverzögerung der Sphäre des Staates zuzurechnen ist oder nicht (vgl. BVerfG NJW 2006, 672, 673 f.; StV 2006, 703, 704, 705) – nicht in der gebotenen konzentrierten Form durchgeführt worden.

Anfangs war dies allerdings noch der Fall. Der Senat hat die Fortdauer der Untersuchungshaft im Januar 2013 (auch) mit Blick darauf angeordnet, dass sich gegen die vorgesehene Gestaltung der Hauptverhandlung (zehn Hauptverhandlungstage in der Zeit vom 8. März bis 19. April 2013) keine Bedenken ergaben. In der Zeit danach kam es jedoch innerhalb eines Zeitraums von 13 Wochen zu lediglich sechs Verhandlungstagen, von denen einer nur eine knappe halbe Stunde und zwei weitere nur zwei Stunden bzw. wenig mehr als zwei Stunden dauerten und damit die Anforderungen an die gewöhnliche Verhandlungsdauer (vgl. dazu etwa BVerfG StraFo 2013, 160 m.w.N.) verfehlten.

Zwar war in den Monaten Mai und Juni ein Teil der Verhandlungspausen durch die Erkrankung eines Gerichtsmitglieds veranlasst und müssen auch Berufsrichter (wie auch weitere notwendige Verfahrensbeteiligte) nicht auf ihren Erholungsurlaub, der hier im Juli zu einer Verhandlungspause von drei Wochen geführt hat, verzichten. Überdies ist das Bestreben der Strafkammer erkennbar und anzuerkennen, ungeachtet ihrer Belastung mit weiteren Verfahren und der überraschenden Konfrontation mit neuen Beweismitteln durch die Staatsanwaltschaft die Hauptverhandlung in möglichst konzentrierten Form fortzusetzen, wobei allerdings in der bereits geplanten Zeit bis zum 19. September 2013 eine Hauptverhandlungsdichte von durchschnittlich mehr als einem ganztägigen Termin in der Woche nur knapp erreicht werden und somit ein Ausgleich für bereits eingetretene Verzögerungen nicht möglich sein wird. Soweit es die Belastung des Gerichts mit anderen umfangreichen Verfahren angeht, die einer bestmöglichen Verfahrenförderung im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG entgegenstand und -steht, wirkt sich dieser Gesichtspunkt, der Folge der gegebenen Ausstattung der Justiz mit personellen und sächlichen Mitteln ist, aber nicht zu Lasten des Angeklagten aus (vgl. nur BVerfG NJW 2006, 668, 671 m.w.N.). Hinzu kommt, dass in Fällen schon länger andauernder Untersuchungshaft die Anforderungen an die Verfahrensförderung im Regelfall besonders hoch sind; hier können schon kleinere Verzögerungen die Annahme eines Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip, das hinsichtlich seiner begrenzenden Wirkung auf die Dauer der Untersuchungshaft zugleich im Zusammenhang mit dem Beschleunigungsgebot steht (vgl. BVerfG NJW 2006, 1336, 1337), begründen (vgl. hierzu BVerfG NJW 2006, 677, 679; StV 2006, 703, 704). In derartigen Fällen ist die Fortdauer der Untersuchungshaft bei Verzögerungen, die der staatlich verfassten Gemeinschaft zuzurechnen sind, jedenfalls für Angeklagte, die nicht ihrerseits durch unangemessenes Prozessverhalten vermeidbare Verzögerungen verursachen, nicht mehr vertretbar.“

M.E. hätte das LG sogar noch weiter gehen müssen. Denn ist der Haftbefehl nicht mehr verhältnismäßig, stellt sich immer auch die Frage, ober er überhaupt aufrecht erhalten werden darf. M.E. nicht. Das hatte das KG aber hier aufgrund der Verfahrenslage – Beschwerde der StA – nicht zu prüfen.

Haft I: Keine Doppelakten – kein Haftbefehl

© Avanti/Ralf Poller

© Avanti/Ralf Poller

So ganz häufig sind (Haft)Entscheidungen, in denen die OLG Haftbefehle der Instanzgerichte aufheben m.E. in der Praxis nicht. Ich habe jetzt aber ein paar Entscheidungen des KG vorliegen, über die ich in nächster Zeit berichten will, in denen das anders. Beginnen möchte ich mit einem Klassiker, nämlich der versäumten Anlegung von Doppelakten. Ein Fehler, der bei AG häufiger gemacht wird, und dann, wenn es dadurch zu Verzögerungen kommt, doch immer wieder zur Aufhebung führt. So auch im KG, Beschl. v. 28.10.2013 – 4 Ws 132/13 —141 AR 558/13 -, in dem das KG, nachdem es allgemeine Ausführungen zum Beschleunigungsgrundsatz gemacht hat, die ich hier als bekannt voraussetze, ausführt:

„Zwar sind die polizeilichen Ermittlungen in dieser Sache mit großer Beschleunigung geführt worden. Die Amtsanwaltschaft hat am 2. September 2013 und damit weniger als zwei Wochen nach Festnahme der Angeschuldigten Anklage erhoben. Die Strafrichterin hat die Anklageübersendung zeitnah unter kurzer Fristsetzung verfügt. Zur Eröffnungsentscheidung und Terminierung sollte ihr die Akte unmittelbar nach Fristrablauf am 12. September 2013 vorgelegt werden. Für den Fall der Eröffnung des Hauptverfahrens war mit beiden Verteidigern der 23. September 2013, 9.00 Uhr, als Termin zur Hauptverhandlung abgesprochen. Damit war eine bei der gegebenen Sachlage angemessene Verfahrensdauer von viereinhalb Wochen zwischen Festnahme der Angeschuldigten und Hauptverhandlung, in der angesichts der übersichtlichen Beweislage und des wenig komplexen Tatgeschehens auch mit dem Abschluss des Verfahrens in erster Instanz zu rechnen gewesen wäre, abgesteckt.

Zu der in Aussicht genommenen gerichtlichen Entscheidung über die der Angeschuldigten vorgeworfenen Tat in angemessener Zeit konnte es aber nicht kommen, weil nach Eingang der Haftbeschwerde der Angeschuldigten am 6. September 2013 beim Amtsgericht kein Beschwerdeband gefertigt, sondern dem Landgericht die — zu diesem Zeitpunkt lediglich 86 Blatt umfassende — Originalakte zur Entscheidung über das Rechtsmittel übersandt worden ist. Da beim Amtsgericht auch keine Wiedervorlagefrist für ein anzulegendes Retent notiert wurde, ist der Vorgang dort aus dem. Blick geraten. Soweit der Beschwerdeband, den das Landgericht nach Eingang der weiteren Beschwerde hat anlegen lassen und in welchem die Kammer (offenbar zeitnah zum Eingang des Rechtsmittels) eine Nichtabhilfeentscheidung getroffen hat, in der Folgezeit in Verlust geraten ist, hat jedenfalls die Angeschuldigte (auch) die hier-durch eingetretene Verzögerung nicht zu vertreten.

Die gebotene Förderung des Verfahrens hat danach seit dem 11. September 2013 nicht mehr stattgefunden; über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist annähernd fünf Wochen nach der ursprünglich vorgesehenen Durchführung der Hauptverhandlung noch nicht entschieden. Die durch die fehlerhafte Sachbehandlung eingetretene, von der Angeschuldigten nicht zu vertretende und vermeidbare Verfahrensverzögerung ist nicht unerheblich und könnte auch durch besonders beschleunigte Bearbeitung nach Rückkehr der Akte zum Amtsgericht nicht mehr hinreichend ausgeglichen werden. Der Haftbefehl war danach ohne Rücksicht auf die Straferwartung aufzuheben, so dass es auf weitere Verhältnismäßigkeitserwägungen nicht mehr ankam.“

Besucherlaubnis für Eheleute? Nein, schreiben reicht…

© chris52 - Fotolia.com

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Klingt in meinen Ohren ein wenig eigenartig, was das LG Koblenz in Zusammenhang mit der der Verweigerung einer Besuchserlaubnis, die eine Ehefrau für den Besuch ihres inhaftierten Mannes beantragt, hatte, schreibt. Das Besondere an dem Fall vorab: Ehemann und Ehefrau sind Mitbeschuldigte in einem Verfahren wegen gewerbsmäßigen Betruges, gegen beide wird Untersuchungshaft vollstreckt. Der LG Koblenz, Beschl. v. 24.10.2013 –  2010 Js 8198/12 -9 KLs– lehnt die Erteilung einer Besuchserlaubnis ab. Begründung: Verdunkelungsgefahr:

„Zwar besteht das grundsätzliche Recht Besuche zu empfangen, doch kann eine Besuchserlaubnis versagt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass der Besuch etwa zu Fluchtvorbereitungen oder zu Verdunkelungszwecken wie dem verdeckten Austausch von Informationen missbraucht wird und diese Gefahr mit den Mitteln der Besuchsüberwachung nicht ausgeräumt werden kann (vgl. OLG Düsseldorf NStZ-RR 2003, 126, 127 m.w.N.).

Dies ist hier der Fall.

Die beiden Angeschuldigten sind des gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betruges in über 100 Fällen dringend verdächtig. Sie haben sich bislang zur Sache nicht eingelassen.

Im Rahmen der Postkontrolle mussten bereits am 11. und 23. Oktober 2013 zwei Briefe des Angeschuldigten beschlagnahmt werden, da sie einen Verfahrensbezug aufwiesen und den Eindruck vermittelten, dass der Angeschuldigte pp. bestrebt ist, die Verantwortung für die angeklagten Taten möglicherweise den Tatsachen widersprechend allein auf sich zu nehmen, um die Mitangeklagte pp. zu entlasten und um deren Entlassung aus der Untersuchungshaft zu erreichen.

Es ist daher konkret zu befürchten, dass die Angeschuldigten einen Besuch dazu missbrauchen würden, ihr Aussageverhalten aufeinander abzustimmen.

Der bestehenden Verdunkelungsgefahr kann nicht wirksam durch eine Überwachungsanordnung begegnet werden, etwa indem der Besuch vor einem der ermittelnden Beamten optisch und akustisch überwacht wird.

Denn wegen des außergewöhnlich großen Umfangs des Ermittlungsverfahrens kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Ermittlungsbeamter versteckte Anspielungen auf bestimmte Tatumstände oder Taten sofort verstehen und rechtzeitig unterbinden könnte. Erst recht könnte er dies nicht, wenn die Angeschuldigten, die sich bereits seit mehreren Jahren kennen, non-verbal, etwa mit ihnen bekannten und vertrauten Gesten, austauschen würden.

Es ist ferner auch nicht dargelegt, dass ein besonderer, gerade einen persönlichen Kontakt erfordernder Anlass für den beantragten Besuch besteht.

Die Versagung der Besuchserlaubnis ist auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die beiden Angeschuldigten verheiratet sind, nicht unverhältnismäßig. Die Angeschuldigten, die sich erst seit kurzer Zeit in Untersuchungshaft befinden, haben die Möglichkeit brieflichen Kontakt zu pflegen und machen von dieser auch regen Gebrauch.“

Probleme habe ich insbesondere damit, dass mir nicht einleuchtet, warum ein mit dem Verfahren vertrauter Ermittlungsbeamter nicht doch das Gespräch der beiden Eheleute überwachen kann. Jedenfalls fehlen mir dafür im Beschluss die konkreten Anknüpfungstatsachen. Und der letzte Absatz klingt für mich „eigenartig“, so nach: Könnt Euch ja schreiben, das reicht.

Pflichtverteidiger: Noch eher und transparenter beim „Haft-Beschuldigten“

© Andy Dean - Fotolia.com

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Mich haben die Ergebnisse der Studie, die die ARGE Strafrecht im DAV zum 2009 eingeführten § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO eingeholt hat, nicht überrascht. Die Vorschrift schreibt u.a. dann einen Pflichtverteidiger vor, wenn gegen den Beschuldigten Untersuchtungshaft nach den §§ 112 f. StPO vollstreckt wird. Dass es bei Anwendung der Vorschrift in der Praxis zu Schwierigkeiten kommen würde – Stichwort: Urteilsbegleiter, war 2009 vorauszusehen. Dass es dann auch zu Schwierigkeiten gekommen ist, zeigt m.E. die doch verhältnismäßig große Zahl von Entscheidungen – auch von OLG -, die es zu der (neuen) Vorschrift gibt.

Da war eine Studie zur Umsetzung und ggf. zur Novellierung der Vorschrift, die ja dem Beschuldigten mehr Rechtsschutz bringen sollte, sicherlich sinnvoll. Sie liegt vor und ist gestern auf dem 30. Herbstkolloquim der ARGE Strafrecht vorgestellt wordne. Darüber berichtet auch LTO. Von dort habe ich mir mal den ganzen Beitrag geklaut – und nicht nur „geteasert“ :-). Da heißt es:

„Der DAV fordert, dass ein Pflichtverteidiger schon vor Beginn der Haft beigeordnet wird und dass die Auswahl durch die Gerichte transparenter erfolgt.

2010 wurde die Strafprozessordnung (StPO) geändert. Seitdem muss einem Beschuldigten, der sich in Untersuchungshaft befindet, zwingend ein Verteidiger beigeordnet werden, § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO. Zuvor musste dies nur auf Antrag geschehen und erst dann, wenn die Untersuchungshaft länger als drei Monate andauerte.

Im Auftrag des DAV hat nun die Forschungsstelle für Recht und Praxis der Strafverteidiung der Universität Frankfurt am Main diese Gesetzesänderung evaluiert. Professor Matthias Jahn stellte die Ergebnisse der Studie am Freitag anlässlich des 30. Herbstkolloquiums der DAV-AG Strafrecht vor.

Verteidiger und Ermittlungsrichter nicht einig

Die Wissenschaftler haben einen empirischen Ansatz gewählt und alle Mitglieder der DAV-AG Strafrecht sowie alle hessischen Ermittlungsrichter befragt. Von rund 3.2000 Strafverteidigern nahmen etwa 30 Prozent an der Befragung teil, von 60 Ermittlungsrichtern antwortete die Hälfte. Die meisten der Befragten haben mehr als zehn Jahre Berufserfahrung.

Im Ergebnis plädieren 80 Prozent der Strafverteidiger dafür, dass ein Pflichtverteidiger noch früher bestellt wird und zwar bereits zum Vorführungstermin beim Ermittlungsrichter (§ 115, 115a StPO) und nicht erst mit Beginn der Vollstreckung der Untersuchungshaft. Fast 70 Prozent der Ermittlungsrichter sehen das anders. Sie befürchten, dass der Beschuldigte übereilt einen Verteidiger auswählt und später an diese Wahl gebunden ist.

Anwälte fordern mehr Möglichkeit des Verteidigerwechsels

Die Anwälte kritisierten zudem, dass sich Richter, die über die Beiordnung eines Pflichtverteidiger entscheiden, bei ihrer Auswahl davon leiten ließen, ob ein Anwalt zu ihrem persönlichen Bekanntenkreis gehört und ob er einen Verteidigungsstil ohne Konfliktbereitschaft pflegt. In der Regel werden bei den Gerichten sogenannte Verteidigerlisten geführt. Nach der Angabe von mehr als der Hälfte der Richter, aber weniger als einem Drittel der Verteidiger, können Dritte die Listen einsehen.

Nach dem Ergebnis der Studie sind die Listen meistens alphabetisch sortiert, selten nach formalen Qualifikationen wie einem Fachanwaltstitel. Erstellt werden die Listen in der Regel von den örtlichen Anwaltvereinen, den Rechtsanwaltskammern, den Strafverteidigervereinigungen, den Ermittlungsrichtern selbst oder sehr selten auch von den Staatsanwaltschaften. Eher selten werden diese Listen an die Beschuldigten weitergegeben.

Der DAV fordert mehr Transparenz bei der Auswahl der Pflichtverteidiger. Außerdem solle in der StPO klargestellt werden, dass ein Beschuldigter einen Verteidiger wechseln kann, den er während seiner Untersuchungshaft aus Verlegenheit gewählt, obwohl 64 Prozent der Befragten bestätigten, dass die Gerichte nach einer solchen „Verlegenheitswahl“ in der Regel einen vereinfachten Verteidigerwechsel ermöglichten. Ein Drittel der Strafverteidiger teilt diese Einschätzung allerdings nicht.“

Zusammenfassen lassen sich die Ergebnis – man muss sich das mal genauer ansehen – in der Forderung: Beiordnung noch eher und transparenter. Da ist sicherlich auch Änderungspotential. Ich bezweifle aber, dass es auf absehbare Zeit zu einer Änderung der Vorschrift kommt. M.E. haben die Parteien das derzeit nicht auf dem Schirm.

Der unzulässige Deal: Geständnis gegen „Absehen von U-Haft“

© FotolEdhar - Fotolia.com

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Im U-Haftrecht kennen wir die Diskussion um die sog. apokryphen Haftgründe, also andere als in § 112 StP0 im Gesetz normierte Gründe für die Anordnung der U-Haft, die im Verborgenen schlummern. Wir kennen auch die Diskussion und den plakativen Satz: U-Haft schafft Rechtskraft. Mit einer Fallkonstellation, die darüber noch hinausging, hatte sich vor einiger Zeit das OLG Köln im OLG Köln, Beschl. v. 24.06.2013 – 2 Ws 264/13 – zu befassen.

Dort hatte der Beschuldigte ein Geständnis abgelegt. Das hatte das LG aber wegen eines Verstoßes gegen § 136a Abs. 1 Satz 3 StPO als unverwertbar angesehen und deshalb die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Beschuldigten abgelehnt. Das LG ist davon ausgegangen, dass dem Angeschuldigten, gegen den der Haftgrund der Fluchtgefahr  zum Zeitpunkt dessen Festnahme vorgelegen habe, ein i.S. des § 136a StPO unzulässiger Vorteil versprochen worden sei, und zwar: „Der Angeschuldigte habe gegenüber dem ihn vernehmenden Polizeibeamten seine Aussagebereitschaft von dem Nichtergehen eines Untersuchungshaftbefehls abhängig gemacht.  Der Vernehmungsbeamte habe daraufhin mit der Staatsanwaltschaft Rücksprache gehalten und ihm anschließend erklärt, dass kein Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gestellt werde. Diese Vorgehensweise habe das Versprechen eines nicht vorgesehenen Vorteils beinhaltet“.

Das hat die Staatsanwaltschaft natürlich nicht hingenommen und ist in die Beschwerde gegangen. Damit hatte sie aber beim OLG keinen Erfolg:

Nach dem Inhalt der vorbezeichneten Vermerke ist der in Aussicht gestellte Vorteil (der „Nichtinhaftierung“) mit dem Erfordernis eines Geständnisses verknüpft worden, indem seitens der Ermittlungsbehörden eine nach Maßgabe des § 136a Abs. 1 Satz 3  Alt. 2 StPO unzulässige enge Verbindung zwischen einem Geständnis und einer Entlassung gezogen worden ist. Dies ergibt sich schon aus der Formulierung unter Ziffer 04 des polizeilichen Abschlussvermerks vom 02.01.2013, nach dem auf den Antrag auf Untersuchungshaft „insbesondere“ verzichtet worden sei, „da der Tatverdächtige im Rahmen des Vorgesprächs bereits signalisiert hatte, nur ein Geständnis abzulegen, wenn er nicht in Untersuchungshaft ginge“. Dafür spricht auch die Formulierung in dem nach Anklageerhebung auf Veranlassung der Strafkammer gefertigten dritten Vermerk vom 28.01.2013, wonach die geständige Einlassung des Beschuldigten die Begründung „untermauert“, dass er sich dem Verfahren stellt und sich nicht durch Flucht entziehen will. Bereits diese Formulierungen stehen im Widerspruch zu den Ausführungen in der Beschwerdebegründung, nach der die Auskunft, es werde von der Beantragung eines Haftbefehls abgesehen werden, nicht mit der geständigen Einlassung verknüpft, sondern ausschließlich aufgrund der Prüfung und Verneinung der Haftgründe durch den zuständigen Staatsanwalt erfolgt sei.

Die Darstellung der Beschwerdebegründung überzeugt aus weiteren Gründen nicht. Aus den von der Strafkammer zutreffend aufgeführten Gründen hat der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO – auch bereits zum Zeitpunkt der vorläufigen Festnahme und der Beschuldigtenvernehmung durch die Polizei – objektiv vorgelegen; auf die diesbezüglichen Ausführungen der Kammer, die neben der konkreten Straferwartung auf die laufenden Bewährungen verwiesen hat, mit deren Widerruf der Angeschuldigte rechnen musste, nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Von Fluchtgefahr ist offenbar auch die Polizei selbst ausgegangen, die den Beschuldigten im Anschluss an die Wohnungsdurchsuchung am 19.12.2012 vorläufig festgenommen hat. Zum Zeitpunkt der vorläufigen Festnahme war der Angeschuldigte nicht auf frischer Tat betroffen oder verfolgt worden, so dass für die vorläufige Festnahme allein der Festnahmegrund des § 127 Abs. 2 StPO in Betracht kam. Der Hinweis der Staatsanwaltschaft Köln, für die vorläufige Festnahme gemäß § 127 StPO genüge ein Fluchtverdacht, geht insoweit fehl, als dass das Vorliegen eines Fluchtverdachts nur für den Fall einer vorläufigen Festnahme nach § 127 Abs. 1 StPO, nicht aber für den hier einschlägigen Festnahmegrund des § 127 Abs. 2 StPO genügt (vgl. Karlsruher Kommentar-Schultheiß, a.a.O., § 127 Rn. 16, 36 Meyer-Goßner, a.a.O., § 127 Rn. 9 f, 18). Für eine Festnahme auf Grundlage der letztgenannten Vorschrift ist das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 112 f., 126 a StPO erforderlich.“