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Erstattung nach erfolgreichem Beschwerdeverfahren, oder: Da staunt der Laie, der Fachmann wundert sich

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Im zweiten Posting habe ich dann hier eine Entscheidung, die mich etwas ratlos zurücklässt. Es handelt sich um den AG Schwandorf, Beschl. v. 20.11.2025 – 9 Cs 145 Js 13171/22 (2) – zur  Auslagenerstattung nach einem (erfolgreichen) Beschwerdeverfahren.

Ergangen ist die Entscheidung in dem Verfahren, in dem das LG Amberg mit dem LG Amberg, Beschl. v. 12.04.2024 – 11 Qs 87/23 – über eine Beschwerde des Pflichtverteidigers gegen einen abgelehnten Pflichtverteidigerwechsel entschieden hatte (vgl. StPO II: Einiges Neues zu Pflichtverteidigerfragen, oder: Zweiter Verteidiger, Entpflichtung, Wechselfrist, Grund). Die sofortige Beschwerde war erfolgreich, die Kostenentscheidung lautete: „Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschwerdeführer insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Der Pflichtverteidiger hat dann Kosten- und Auslagenerstattung beantragt, nachdem er sich den Erstattungsanspruch hat abtreten lassen. Und darüber hat dann das AG entschieden. Und: Da staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich; das AG hat vollständig abgelehnt:

„Der Verteidiger beantragt mit Schriftsatz vom 29.07.2025 die Festsetzung einer Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG in Höhe von 319,00 EUR abzüglich der bereits ausgezahlten Pflichtverteidigergebühr, mithin 174,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer.

Grundlage hierfür seien die Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht Amberg, in denen jeweils die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt wurden und nun infolge Abtretung durch den Verteidiger direkt geltend gemacht werden.

pp. wurde mit Beschluss des Landgerichts Amberg vom 12.04.2025 dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet. Damit sind bei der Berechnung der Vergütung stets die reduzierten Gebührensätze nach § 49 RVG maßgeblich. Eine entsprechende Festsetzung und Auszahlung der Pflichtverteidigervergütung ist bereits am 12.06.2025 erfolgt. Hierin war u. a. bereits auch die Verfahrensgebühr nach Nr. 4106 VV RVG enthalten.

Die beiden Beschwerdeverfahren (11 Qs 87/23 und 11 Qs 111/23, jeweils LG Amberg) zählen gem. § 19 Abs. 1 S. 2. Nr. 10a RVG zum Rechtszug und lösen keinen eigenständigen Gebührentatbestand aus. Die Tätigkeiten des Anwalts im Rahmen der Beschwerdeverfahren sind mit der Verfahrensgebühr im Hauptverfahren abgegolten.

Der Pflichtverteidiger kann vom Angeklagten die Wahlverteidigervergütung gem. § 52 Abs. 2. S. 1 Alt. 1 RVG nur verlangen, soweit dem Angeklagten hierfür ein Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse zusteht. Eine Kostentragung seiner notwendigen Auslagen seitens der Staatskasse ergibt sich lediglich aus den beiden oben genannten Beschlüssen des Landgerichts und umfasst auch nur das jeweilige Beschwerdeverfahren. Dem Angeklagten sind jedoch – zumindest für seinen Verteidiger – keine zusätzlichen Auslagen im Beschwerdeverfahren entstanden, da der Verteidiger mangels Anspruchsgrundlage von seinem Mandanten keine gesonderten Gebühren und Auslagen für die Beschwerdeverfahren verlangen kann.

Durch die Kostenentscheidung im Urteil vom 17.04.2025 ist eine Erstattung der Verfahrensgebühr für das Hauptverfahren, die die Beschwerden inkludiert, an den Angeklagten ausgeschlossen. Folglich kann auch der Pflichtverteidiger gem. § 52 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 RVG von seinem Mandanten nicht die Erstattung der Verfahrensgebühr in Höhe der Wahlverteidigergebühr verlangen. Eine Festsetzung gegen die Staatskasse gem. § 464b StPO findet nicht statt.“

Wie gesagt: Gelinde ausgedrückt: Ich bin erstaunt. Denn, um es an dieser Stelle kurz zu machen: Die Rechtspflegerin hat offenbar noch nie etwas von der Differenztheorie gehört. Und warum soll die Kostenentscheidung aus dem LG-Beschluss durch die Kostenentscheidung im Urteil mit Verurteilung hinfällig geworden sein? Das ist doch eine eigenständige Kostenentscheidung, die für die Auslagen aus dem Beschwerdeverfahren gilt. Die Tätigkeit im Beschwerdeverfahren ist zwar grundsätzlich durch die Verfahrensgebühr abgegolten. Wenn aber durch das Beschwerdeverfahren eine Erhöhung der Rahmengebühr eingetreten ist, dann ist der Erhöhungsbetrag von der Staatskasse zu ersetzen. Die Differenztheorie lässt grüßen.

Eine ganz andere Frage ist, was denn nun zu ersetzen ist. Das ist eine Frage des Einzelfalls und hängt von den im Beschwerdeverfahren erbrachten Tätigkeiten ab. Der (Pflicht)Verteidiger hat hier für die Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG 319 EUR geltend gemacht. Das wäre – nach altem Recht – die Höchstgebühr. Die wird aber – ich kenne die Einzelheiten der beiden Beschwerdeverfahren nicht – übersetzt sein, so dass die – nach Abzug der Pflichtverteidigergebühr – verbleibenden 174 EUR kaum festgesetzt werden. Was festgesetzt wird, werden wir sicherlich (bald) erfahren, da der Pflichtverteidiger Rechtsmittel eingelegt hat.

 

Verfahrenseinstellung wegen Todes des Angeklagten, oder: Notwendige Auslagen i.d.R. bei der Staatskasse

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Und dann gibt es heute natürlich Gebühren- oder Kostenentscheidungen. Es ist ja schließlich Freitag 🙂 .

Ich beginne mit dem

Es geht in dem Beschluss um die Auslagenerstattung nach Einstellung des Verfahrens wegen Todes des Angeklagten im laufenden Berufunsgverfahren. Dazu führt das LG im LG Bremen, Beschl. v. 15.09.2025 – 63 NBs 220 Js 62977/23 (16/25) – aus:

„Die Kostenentscheidung richtet sich im Fall des Todes des Angeklagten entsprechend § 467 Abs. 1 StPO nach den Grundsätzen, die bei einer Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses allgemein anzuwenden sind (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 3).

Die Kammer macht keinen Gebrauch von der Ausnahmevorschrift des § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO, wonach davon abgesehen werden kann, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn der Angeklagte nur deshalb nicht rechtskräftig verurteilt wird, weil mit seinem Tod ein Verfahrenshindernis eingetreten ist. Denn der Angeklagte wäre bei Fortführung des Berufungsverfahrens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht (erneut) verurteilt, sondern freigesprochen worden.

1. Die Vorschrift des § 188 StGB ist – auch unter Berücksichtigung ihrer Erweiterung in Absatz 1 Satz 2 durch das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität v. 30.03.2021 (BGBl. 2021 I 441) – nicht auf (leitende) Mitarbeiter eines Jugendamtes zugeschnitten. Denn den besonderen Schutz des § 188 StGB genießen nur Personen, die im politischen Leben des Volkes stehen und die deshalb, weil sie besonders exponiert sind, in erhöhtem Maß auch das Ziel von Ehrverletzungen sind. Schon wegen des relativ hohen Maßes an Unbestimmtheit des damit umschriebenen Personenkreises und der damit bestehenden Gefahr einer Ausuferung sind die Grenzen jedoch eng zu ziehen. Für den Sonderschutz des § 188 StGB genügt insbesondere nicht schon die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, auch wenn dies in einer herausragenden Stellung geschieht (vgl. Eisele/Schittenhelm, in: Tübinger Kommentar zum Strafgesetzbuch, 31. Auflage 2025, § 188 Rdnr. 2 m.w.N.). Dass der Geschädigte B.L. über seine berufliche Funktion hinausgehend bzw. unabhängig von ihr (kommunal-) politisches Engagement entfaltet hätte und in dieser Funktion zur Zielscheibe der unzulässigen Äußerungen geworden wäre, ist hingegen nicht ersichtlich.

Der vorstehenden Rechtsauffassung der Kammer ist die vor Erlass des hiesigen Einstellungsbeschlusses angehörte Staatsanwaltschaft Bremen nicht entgegengetreten.

2. Darüber hinausgehend bestehen auch auf tatsächlicher Ebene durchgreifende, einem hinreichenden Tatverdacht entgegenstehende Zweifel daran, dass der Angeklagte nach Durchführung des Berufungsverfahrens – auch wegen anderer in Betracht kommender Straftatbestände nach den §§ 185 ff. StGB – (erneut) verurteilt worden wäre.

Die Person, die am 11.08.2023 auf dem Parkplatz des … in der C-Straße in [Ort 1] mindestens 14 Notizzettel mit den maschinell-schriftlichen Aufdrucken „B.L. fickt Kinder“ und „B.L. vergewaltigt Kinder“ hinter die Scheibenwischerblätter dort geparkter Fahrzeuge geklemmt hatte, ist polizeilich nicht festgestellt worden. Die Person flüchtete vielmehr, bevor ihre Identität durch die eingesetzten Polizeibeamten aufgeklärt werden konnte.

Das Amtsgericht stützte seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten insbesondere auf die Aussage des vernommenen Zeugen W und in noch größerem Maß auf die Angaben des Zeugen E. Hierzu merkt die Kammer an, dass diese beiden Zeugen zwar am Tattag vor Ort mit dem Täter in Kontakt standen und sich mit ihm unterhielten. Gleichwohl haben beide im Laufe des Ermittlungsverfahrens erklärt, von dem Gesicht der betreffenden Person wenig gesehen zu haben, da diese an dem regnerischen Tattag eine Kapuze bis tief in die Stirn getragen habe. Zu etwaigen Details wie Brille oder Bart konnte der Zeuge W gar nichts sagen; der Zeuge E seinerseits konnte ebenfalls nicht viele Einzelheiten benennen und schätzte den Täter auf ca. 40 Jahre und damit rund 10 Jahre jünger als den Angeklagten.

Bei einer polizeilichen Wahllichtbildvorlage haben die Zeugen den Angeklagten nicht sicher identifiziert; vielmehr ging der Zeuge W von einer Wiedererkennungswahrscheinlichkeit von 85% aus, der Zeuge E (der nach Aktenlage und insbesondere nach den Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil in wesentlich intensiverem Kontakt zu dem Täter gestanden hatte) sogar nur von einer solchen von 70% bzw. 75%. Hierbei bezog sich der höhere Prozentwert auf das Lichtbild einer Person, die nicht der Angeklagte gewesen ist.

Dass der Angeklagte Konflikte mit dem Jugendamt hatte, könnte zwar ein mögliches Motiv für die ihm vorgeworfene Tat darstellen; gleichwohl ist u.a. aus dem Verfahren 63 NBs … Js … (…/…)) gerichtsbekannt – und liegt im Übrigen auch auf der Hand –, dass das Jugendamt [Ort 1] vor dem Hintergrund seiner im Einzelfall besonders eingriffsintensiven Maßnahmen und einer damit verbundenen Machtfülle oftmals Adressat besonders starker Kritik ist.

Der frühere Angeklagte selbst hat den Tatvorwurf über eine Verteidigererklärung abgestritten und war in der ersten Hauptverhandlung auch nicht anwesend. Bei der am 22.12.2023 erfolgten Wohnungsdurchsuchung sind keine Beweismittel gefunden worden, die den früheren Angeklagten belastet hätten, wobei die eingesetzten Beamten u.a. seine elektronischen Medien eingesehen hatten. Dass der Täter am Tattag gegenüber dem Zeugen E erklärt hatte, er käme aus [Ort 2] – was auf den Angeklagten zutrifft – fällt auch in einer Gesamtschau der Indizien nicht entscheidend ins Gewicht, zumal es für den wahren Täter nahegelegen hätte, unzutreffende Angaben zu seiner Herkunft zu machen, um seine Identifikation zu erschweren.

Nach alledem wäre der Angeklagte bei Fortführung des Berufungsverfahrens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit freigesprochen worden, sodass die Kammer von der Ausnahmevorschrift des § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO keinen Gebrauch gemacht hat. Vielmehr hat sie neben den Kosten des Verfahrens auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt.

III.

Die Entscheidung über die Entschädigung des früheren Angeklagten für die am 22.12.2023 erfolgte Durchsuchung seiner Wohnung in der A-Straße … in [Ort 1] dem Grunde nach folgt aus § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 StrEG.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG kann die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen ganz oder teilweise versagt werden, wenn der Beschuldigte wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis bestand. Für die Anwendbarkeit der Ausnahmevorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG bestehen hierbei die gleichen Voraussetzungen wie für § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 20.07.2010 – 1 Ws 218/10, NStZ 2011, 176 (Ls.)). Auf die Ausführungen unter Ziffer II. des vorstehenden Beschlusses wird daher Bezug genommen. Die Kammer hat auch von der Ausnahmevorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG keinen Gebrauch gemacht.“

2 x zur Auslagenerstattung im Bußgeldverfahren, oder: Tod des Betroffenen und Verjährungseintritt

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Und im zweiten Posting dann mal wieder etwas zur Auslagenerstattung nach Einstellung des Bußgeldverfahrens wegen Verjährungseintritt. Auch nichts Neues, aber ganz brauchbar 🙂 .

Es reichen die Leitsätze:

Hatte die Hauptverhandlung vor dem Tod der früheren Betroffenen noch nicht begonnen, sodass weder eine Schuldspruchreife noch eine Verdichtung des Tatverdachts vorlagen, hat bei der Verfahrenseinstellung die Staatskasse die notwendigen Auslagen des Betroffenen zu tragen.

Wenn im Zeitpunkt der Aktenabgabe der Verwaltungsbehörde an die Staatsanwaltschaft zwar noch keine Verfolgungsverjährung eingetreten ist, die Akte jedoch an die Verwaltungsbehörde mit der Bitte um weitere Sachaufklärung gem. § 69 Abs. 5 S. 1 OWiG zurückgesandt wird und bei der dann vollständigen Ausermittlung Verfolgungsverjährung eingetreten ist, sind die notwendigen Auslagen des Betroffenen regelmäßig von der Staatskasse zu tragen.

Erledigterklärung einer Verfassungsbeschwerde, oder: Auslagenerstattung?

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Am Gebührentag stelle ich heute mal wieder Entscheidungen zur Auslagenerstattung vor.

Den Opener macht der BVerfG, Beschl. v. 19.09.2025 – 2 BvR 539/25 – zur Anordnung der Auslagenerstattung nach Erledigterklärung einer Verfassungsbeschwerde. Nichts Neues, aber immerhin 🙂 :

„1. Über die Verfassungsbeschwerde und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht mehr zu entscheiden, weil der Beschwerdeführer das Verfassungsbeschwerdeverfahren und das einstweilige Rechtsschutzverfahren mit Schriftsatz vom 14. April 2025 für erledigt erklärt hat.

2. Der Antrag auf Erstattung der notwendigen Auslagen des Verfassungsbeschwerdeverfahrens und des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet.

a) Nach Erledigung der Verfassungsbeschwerde ist über die Auslagenerstattung gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden. Die Erstattung der Auslagen nach dieser Vorschrift stellt im Hinblick auf die Kostenfreiheit des Verfahrens (§ 34 Abs. 1 BVerfGG), den fehlenden Anwaltszwang und das Fehlen eines bei Unterliegen der beschwerdeführenden Person erstattungsberechtigten Gegners die Ausnahme von dem Grundsatz des Selbstbehalts der eigenen Auslagen dar (vgl. BVerfGE 66, 152 <154>). Bei der Entscheidung über die Auslagenerstattung kann insbesondere dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, wesentliche Bedeutung zukommen. So ist es billig, einer beschwerdeführenden Person die Erstattung ihrer Auslagen zuzuerkennen, wenn die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt beseitigt oder der Beschwer auf andere Weise abhilft, weil in diesem Fall – falls keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind – davon ausgegangen werden kann, dass sie deren Begehren selbst für berechtigt erachtet hat (vgl. BVerfGE 85, 109 <114 ff.>; 87, 394 <397 f.>). Im Hinblick auf die Funktion und die Tragweite der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts findet eine überschlägige Beurteilung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde im Rahmen der Entscheidung über die Auslagenerstattung nicht statt (vgl. BVerfGE 33, 247 <264 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Mai 2018 – 2 BvR 2767/17 -, Rn. 13).

b) Nach diesen Maßstäben entspricht es der Billigkeit, die Auslagenerstattung anzuordnen. Das Verwaltungsgericht hat den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss vom 13. März 2025 von Amts wegen, und ohne dass es vom Vorliegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände ausgegangen ist, abgeändert und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13. Februar 2025 angeordnet. Damit hat es zum Ausdruck gebracht, dass es das Begehren des Beschwerdeführers selbst für berechtigt erachtet hat.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit (§ 37 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 14 Abs. 1 RVG) ist für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 10.000 Euro und für das Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 5.000 Euro festzusetzen. Mit der Entscheidung über die Auslagenerstattung erledigt sich der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers.“

Auslagenerstattung II: Privates SV-Gutachten, oder: Verzicht auf gerichtliches Gutachten

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Im zweiten Posting geht es noch einmal um die Erstattung der Kosten eines privaten Sachverständigengutachten. Leider ist das auch so ein Thema, mit dem sich viele Verwaltungsbehörden und auch Amtsgerichte schwer tun. Dazu hat sich jetzt noch einmal das LG Ravensburg im LG Ravensburg, Beschl. v. 05.08.2025 – 1 Qs 37/25 – geäußert.

Das AG hatte gegen den (ehemaligen) Beschuldigten durch Strafbefehl wegen einer fahrlässigen Körperverletzung, die der Beschuldigte im Straßenverkehr begangen haben sollte, eine Geldstrafe festgesetzt. Dem Beschuldigten wurde zur Last gelegt, als Lenker eines Lastkraftwagens bei der Einfahrt von einem Waldweg auf eine Kreisstraße einen vorfahrtsberechtigten Motorradfahrer übersehen und hierdurch die Kollision beider Fahrzeuge verursacht zu haben, wodurch sich der Motorradfahrer mehrere Frakturen zugezogen habe.

Zu dem nach Einspruchseinlegung auf den 15.11.2024 bestimmten Hauptverhandlungstermin wurden lediglich der Motorradfahrer und der mit der Verkehrsunfallanzeige befasste Polizeibeamte als Zeugen geladen. Mit Schreiben vom 21.10.2024 reichte der Verteidiger ein – an die Kanzlei des Verteidigers adressiertes – schriftliches Gutachten eines Unfallsachverständigen vom 26.09.2024 ein. Dieses kam zum Ergebnis, dass sich der Kradfahrer bei Beginn des Einfahrvorgangs seitens des Beschuldigten außerhalb von dessen Sichtbereich befunden habe. Der Verteidiger beantragte eine Verfahrenseinstellung gern. § 153 Abs. 2 StPO. Mit Verfügung vom 28.10.2024 lehnte die Staatsanwaltschaft die Zustimmung zur Einstellung des Verfahrens ab.

In der auf den 24.02.2025 verlegten Hauptverhandlung wurden der Beschuldigte sowie die beiden geladenen Zeugen gehört. Sodann wurde das Privatgutachten vom 26.09.2024 im Selbstleseverfahren eingeführt und hierauf die Beweisaufnahme geschlossen. Entsprechend den allseitigen Anträgen wurde der Beschuldigte freigesprochen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer den Kradfahrer übersehen habe und der Unfall für ihn vermeidbar gewesen wäre. Die notwendigen Auslagen des Beschuldigten wurden der Staatskasse auferlegt.

Der Beschuldigte hat Erstattung der an den Unfallsachverständigen für die Erstellung des Sachverständigengutachtens gezahlten 1.931,37 EUR beantragt. Die Bezirksrevisorin hat der Festsetzung widersprochen. Das AG hat daraufhin die Auslagen für das eingeholte Privatgutachten nicht festgesetzt.

Dagegen hat der Beschuldigte sofortige Beschwerde erhoben. Zur Begründung hat er sich darauf berufen, dass der Freispruch „final“ auf dem vorgelegten Privatgutachten beruhe und das Gericht anderenfalls selbst dazu veranlasst gewesen wäre, ein Gutachten einzuholen.

Das LG ist ihm gefolgt:

„… Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Die Kosten für das Privatgutachten sind dem Beschwerdeführer als notwendige Auslagen zu ersetzen.

Dabei ist der angefochtenen Entscheidung im Ausgangspunkt zuzugeben, dass Aufwendungen für die Einholung eines Privatgutachtens nach allgemeiner Rechtsprechung aus den dargelegten Gründen grundsätzlich nicht als notwendige Auslagen erstattungsfähig sind. Hiervon werden in der jüngeren Rechtsprechung zunehmend Ausnahmen gemacht, z. B. wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen seien oder wenn der Tatvorwurf auf einem standartisierten Messverfahren beruhe. Zudem sind zahlreiche Gerichte vom ausschließlichen Maßstab der Ex-ante-Betrachtung für die Beurteilung der Notwendigkeit der Gutachteneinholung abgerückt. Stattdessen wird eine Erstattungsfähigkeit jedenfalls dann bejaht, wenn das Privatgutachten ur-sächlich für den Freispruch oder die Einstellung des Verfahrens geworden ist (LG Dresden, Beschluss vom 7. Oktober 2009 — 5 Qs 50/07 —, Rn. 12; LG Zwickau, Beschluss vom 19. Juli 2024 — 1 Qs 77/24 —, jeweils zitiert nach juris).

Andere Gerichte halten es sogar bereits für ausreichend, wenn das eingeholte Gutachten zu dem Freispruch beigetragen hat (LG Münster, Beschluss vom 14. Juni 2024 — 12 Qs 16/24 —, Rn. 37, m.w.N., zitiert nach juris).

Ob die dargelegten Ausnahmen vom Grundsatz der fehlenden Erstattungsfähigkeit allgemein zu machen sind, bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls besteht dann kein Grund, die Auslagen für die Einholung eines Privatgutachtens dem Angeklagten zu belassen, wenn sich das Gericht dieses Gutachten quasi zu eigen macht und im Hinblick hierauf auf die Einholung eines Gutachtens, die ohne Vorlage des Privatgutachtens erforderlich gewesen wäre, verzichtet. Für diese Sachverhaltsgestaltung sind keine rechtsdogmatischen Gründe ersichtlich, welche die Nicht-erstattung der Auslagen rechtfertigen würde, Vielmehr streiten Billigkeit und Rechtsempfinden ganz entschieden für den Ersatz der Aufwendungen, wenn auf der Grundlage des Gutachtens eine Verurteilung nicht erfolgt. Es leuchtet nicht ein, weshalb sich Gerichte die Auslagen für die Einholung eines Sachverständigengutachtens auf Kosten eines nicht verurteilten Angeklagten ersparen können sollten.

Dies zugrunde gelegt steht die Erstattungsfähigkeit der Gutachterkosten des Beschwerdeführers außer Frage. Nach dem Verfahrensgang und insbesondere dem Ablauf der Hauptverhandlung drängt sich geradezu auf, dass das Gericht ohne Heranziehung des Privatgutachtens zur Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens verpflichtet gewesen wäre. Mit den vorhandenen Erkenntnisquellen – Zeugen, polizeiliche Ermittlungsergebnisse – wurde ein hinreichender Tatverdacht bejaht und Strafbefehl erlassen. Eine Verfahrenseinstellung kam aufgrund der Zustimmungsverweigerung der Staatsanwaltschaft nicht in Betracht. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die mittels Zeugenaussagen in der Hauptverhandlung erlangten Erkenntnisse bereits die Grundlage für einen Freispruch bereitet hätten. Zum einen ergeben sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll keine nennenswerten Abweichungen der Aussagen vom Akteninhalt, zum anderen hätte es in diesem Fall der Einführung des Privatgutachtens im Wege des Selbstleseverfahrens gar nicht bedurft. Bei dieser Verfahrenskonstellation wäre das Gericht somit gem. § 244 Abs. 2 StPO zur Einholung eines Gutachtens verpflichtet gewesen, hätte es sich zur Negierung des ursprünglich bejahten hinreichenden Tatverdachts nicht des vom Beschwerdeführer in Auftrag gegebenen Gutachtens bedienen können. Aufgrund dieses Gutachtens erfolgte – wie den Urteilsgründen hinreichend zu entnehmen ist – schließlich der Freispruch des Verteidigers. Nachvollziehbare Gründe, weshalb bei einer solchen Sachverhaltskonstellation zwingend und ausschließlich die ex-ante-Bewertung des Beschuldigten maßgeblich sein sollte, vermag die Kammer nicht zu erkennen.

An seiner Rechtsauffassung fühlt sich das Gericht auch nicht durch die Entscheidung des OLG Stuttgart in NStZ-RR 2003, 127 gehindert, da der dort zugrunde liegende Verfahrensgegenstand von dem hier zu entscheidenden abweicht. Das OLG hatte nämlich über die Erstattungsfähigkeit der Auslagen für das In-die-Sitzung-Stellen eines Sachverständigen zu entscheiden. Die insoweit aufgestellten Grundsätze – insbesondere zur ausschließlichen Maßgeblichkeit der Ex-ante-Betrachtung – lassen sich schon wegen § 245 Abs. 2 StPO und der eingeschränkten gerichtlichen Möglichkeiten, die Anhörung eines präsenten Sachverständigen abzulehnen, nicht vollumfänglich auf die Einholung eines Privatgutachtens und den hier zu bescheidenden Verfahrensgang übertragen.“

Die Entscheidung ist zutreffend. Wenn man den Verfahrensgang liest, fragt man sich: Wenn nicht in diesem Fall eine Erstattung erfolgt, wann dann? Der Beschuldigte ist hier quasi in Vorlage für die Staatskasse getreten. Von daher kann man sich über die Stellungnahme der Bezirksrevisorin gegen die Festsetzung der Gutachterkosten nur wundern. IM Übrigen verweise ich zu den sich in dem Zusammenhang stellenden Fragen und zur Rechtsprechung auf Burhoff, Erstattungsfähigkeit von Kosten für Privatgutachten im Straf- oder Bußgeldverfahren, aus AGS 2023, 193.

Und: Als Verteidiger darf man in solchen Fällen nicht übersehen, seine Gebühren für das Beschwerdeverfahren geltend zu machen. Denn es entsteht in diesen Fällen nach Vorbem. 4 Abs. 5 Nr. 1 1. Alt. VV RVG eine Gebühr nach Nr. 3500 VV RVG (dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 7. Aufl. 2025, Vorbem. 4 VV Rn 120). Deren Höhe richtet sich nach dem Gegenstandswert, der sich nach dem Umfang richtet, in dem eine Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses beantragt wird (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 7. Aufl. 2025, Vorbem. 4 VV Rn 121). Das waren hier 1.931,37 EUR. Also ist hier eine Gebühr in Höhe von 88 EUR nebst Auslagen entstanden. Die sollte man nicht verschenken. Die Staatskasse verschenkt auch nichts.