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beA I: Beschwerde geht als Irrläufer beim AG ein, oder: AG leitet per Post und nicht per beA weiter

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Heute dann zum Wochenstart zwei Entscheidungen zum beA/elektronischen Dokument.

Die erste kommt vom BGH. Sie hat folgenden Sachverhalt: In einem (familienrechtlichen) Verfahren beantragte eine Rechtsanwälting für ihre Mandantin sechs Tage vor Fristablauf per beA, die Frist zur Beschwerdebegründung erstmals um einen Monat zu verlängern. Diesen Schriftsatz sandte sie nicht an das zuständige Beschwerdegericht, sondern an die erste Instanz, das AG. Die Geschäftsstelle druckte den Antrag aus und leitete ihn per Post an das OLG weiter. Dort kam er neun Tage später an, drei Tage nach Ablauf der Begründungsfrist, an.

Das OLG hat die Beschwerde wegen Verfristung als unzulässig verworfen. Der Wiedereinsetzungsantrag der Rechtsanwältin wurde wegen Anwaltsverschulden zurück gewiesen. Begründung: Selbst, wenn der Verlängerungsantrag noch rechtzeitig beim OLG eingegangen wäre, wäre er in jedem Fall nicht formgerecht – per beA – eingereicht worden, da er – unstreitig – in Papierform beim OLG eingegangen war. Die Rechtsanwältin habe auch nicht darauf vertrauen dürfen, dass das AG ihn elektronisch weiterleiten würde.

Der BGH hat im Rechtsbeschwerdeverfahren mit dem BGH, Beschl. v. 24.10.2024 – XII ZB 411/23 – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt:

„Ausgehend hiervon hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei ein der Antragstellerin zurechenbares Verschulden ihrer Verfahrensbevollmächtigten darin gesehen, dass diese den von ihrer Mitarbeiterin gefertigten Fristverlängerungsantrag vor Versendung nicht darauf überprüft hat, ob er an das zuständige Rechtsmittelgericht adressiert war. Dass die Verfahrensbevollmächtigte diesen anwaltlichen Sorgfaltspflichten nicht genügt hat (vgl. zu den Sorgfaltsanforderungen nur BGH Beschluss vom 20. April 2023 – I ZB 83/22 – MDR 2023, 932 Rn. 11 mwN), wird von der Rechtsbeschwerde nicht in Frage gestellt.

bb) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts wird die Kausalität des Anwaltsverschuldens für die Fristversäumung jedoch dadurch ausgeschlossen, dass bei im ordentlichen Geschäftsgang erfolgender postalischer Weiterleitung des am 13. Juni 2023 beim Amtsgericht als elektronisches Dokument iSd § 113 Abs. 1 FamFG iVm §§ 130 a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, 130 d Satz 1 ZPO per beA eingegangenen Fristverlängerungsantrags dieser am 19. Juni 2023 und damit noch vor Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist beim Beschwerdegericht eingehen hätte müssen.

(1) Geht ein fristgebundener Schriftsatz statt beim Rechtsmittelgericht bei dem erstinstanzlichen Gericht ein, ist dieses nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich verpflichtet, den Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Dies folgt aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch des Rechtsuchenden auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip). Geht der Schriftsatz so zeitig ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf der Beteiligte darauf vertrauen, dass der Schriftsatz noch rechtzeitig beim Rechtsmittelgericht eingeht. Geschieht dies tatsächlich nicht, wirkt sich das Verschulden des Beteiligten oder seines Verfahrensbevollmächtigten nicht mehr aus, so dass ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Juli 2016 – XII ZB 203/15 – FamRZ 2016, 1762 Rn. 12 mwN; BGH Beschluss vom 20. April 2023 – I ZB 83/22 – MDR 2023, 932 Rn. 14 mwN).

(2) Gemessen daran durfte die Antragstellerin darauf vertrauen, dass ihr Fristverlängerungsantrag bei einer Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist beim Beschwerdegericht eingeht. Dahinstehen kann dabei, ob die Annahme des Beschwerdegerichts zutrifft, dass die Antragstellerin eine elektronische Weiterleitung ihres Fristverlängerungsantrags nicht erwarten durfte. Denn nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts wäre im Rahmen eines ordentlichen Geschäftsgangs zu erwarten gewesen, dass bei postalischer Weiterleitung des am 13. Juni 2023 beim Amtsgericht als elektronisches Dokument iSd § 113 Abs. 1 FamFG iVm §§ 130 a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, 130 d Satz 1 ZPO per beA eingegangenen Fristverlängerungsantrags dieser am 19. Juni 2023 und damit noch vor Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist beim Beschwerdegericht eingegangen wäre. Damit entfällt die Kausalität des anwaltlichen Verschuldens für die Fristversäumnis.

(a) Ob die postalische Weiterleitung eines als elektronisches Dokument eingegangenen Schriftsatzes zu einem fristwahrenden Eingang des Fristverlängerungsantrags beim Beschwerdegericht führen kann, ist allerdings umstritten.

Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass es – bezogen auf den maßgeblichen Zugang beim zuständigen Beschwerdegericht – im Falle einer postalischen Weiterleitung eines per beA beim unzuständigen Gericht eingegangenen Schriftsatzes an der Wahrung der elektronischen Form iSd §§ 130 d Satz 1, 130 a Abs. 3 und 4 ZPO fehle (vgl. OLG Bamberg FamRZ 2022, 1382, 1384; VGH Baden-Württemberg Beschluss vom 6. September 2022 – 12 S 1365/22 – juris Rn. 24 zu § 55 d VwGO; so wohl auch jurisPK-ERV/Jansen 2. Aufl. § 233 ZPO Rn. 87; Anders/Gehle/Göertz ZPO 82. Aufl. § 519 Rn. 5; Musielak/Borth/Frank/Borth FamFG 7. Aufl. § 14 Rn. 2). Nach anderer Ansicht wird das Formerfordernis aus §§ 130 d Satz 1, 130 a Abs. 3 und 4 ZPO auch durch die Einreichung eines mit einer einfachen Signatur versehenen Schriftsatzes per beA bei einem nicht zuständigen Gericht erfüllt (vgl. Bacher MDR 2022, 1441, 1443; so wohl auch Müller NVwZ 2022, 1150 f. bei elektronischer Weiterleitung).

(b) Die letztgenannte Auffassung ist zutreffend…….“

Wegen der weiteren Begründung des BGH für seine Auffassung verweise ich auf den verlinkten Volltext.

Pflichti II: Ablehnung im Wiederaufnahmeverfahren, oder: Erstreckung im Adhäsionsverfahren

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Im zweiten Posting dann hier zwei Entscheidungen zu verfahrensrechtlichen Fragen, und zwar einmal BGH und einmal OLG.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 16.10.2024 – StB 58/24. In dem Verfahren hatte das OLG München einen Antrag des Verurteilten auf Bestellung eines Pflichtverteidigers für die Vorbereitung eines Wiederaufnahmeverfahrens hinsichtlich eines rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens abgelehnt. Hiergegen wendete sich der Verurteilte mit seiner Beschwerde, die der BGH als unzulässig verworfen hat. Denn:

„Der auf der Grundlage des § 364b StPO ergangene Beschluss des Oberlandesgerichts ist nach § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 StPO der Anfechtung entzogen, weil keiner der in § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StPO geregelten Ausnahmetatbestände erfüllt ist. Satz 2 Halbsatz 2 Nummer 5 erfasst Entscheidungen, welche die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffen (§ 372 Satz 1 StPO), nicht aber solche, die gemäß §§ 364a, 364b StPO die Bestellung eines Pflichtverteidigers zum Gegenstand haben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. August 2022 – 3 ARs 9/22, juris Rn. 6; vom 18. Dezember 1975 – StB 64/75, NJW 1976, 431 f.; BeckOK StPO/Singelnstein, 52. Ed., § 364a Rn. 9, § 364b Rn. 10; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 364b Rn. 10). Auch Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 findet keine Anwendung, da ein im Wiederaufnahmeverfahren nach § 364a StPO zu bestellender Verteidiger kein Pflichtverteidiger im Sinne dieser Vorschrift ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 2022 – 3 ARs 9/22, juris Rn. 6).“

Und als zweite Entscheidung hier der OLG Bamberg, Beschl. v. 05.09.2024 – 1 Ws 187/24 – zur Erstreckung der Pflichtverteidigerbestellung auf das Adhäsionsverfahren. Das OLG schließt sich der inzwischen wohl h.M. – Nachweise im Beschluss – in der Frage an und hat, was ja auch gebührenrechtliche Auswirkungen hat, entschieden – hier nur der Leitsatz:

Die Bestellung eines Pflichtverteidigers umfasst auch die Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren.

StPO III: Teilweises Schweigen des Angeklagten, oder: Entweder reden oder Mund halten

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Und dann habe ich noch den BGH, Beschl. v. 16.07.2024 – 5 StR 178/24, in dem sich der BGH noch einmal zum Teilschweigen äußert, allerdings nur in einem Zusatz. Da heißt es:

„Ergänzend bemerkt der Senat:

Soweit die Revision des Angeklagten K. dessen Schweigerecht als verletzt ansieht, weil das Landgericht zu seinem Nachteil Schlussfolgerungen darauf gestützt habe, dass er die Adressen seiner Begleiter vom Tattag nicht benannt habe, zeigt sie keinen Rechtsfehler auf, weil sich der Angeklagte im Übrigen umfassend zur Sache eingelassen hat und sein teilweises Schweigen daher als Beweisanzeichen zu seinem Nachteil verwertet werden durfte (zur Würdigung eines Teilschweigens vgl. nur BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2021
3 StR 380/21, NStZ 2022, 761).“

Also: Vorsicht, oder: Entweder oder.

StPO II: Für Schuld-/Strafausspruch nur Strengbeweis, oder: Dienstliche Erklärungen reichen nicht

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Als zweite Entscheidung dann der BGH, Beschl. v. 20.08.2024 – 1 StR 116/24 -, m.E. auch eine Entscheidung, bei der der 1. Strafsenat während der Beratung wahrscheinlich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hat.

Das LG hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags  verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensbeanstandung, mit der der Angeklagte eine Verletzung des § 261 StPO geltend macht, Erfolg:

„1. Nach den Feststellungen (UA S. 23) und dem referierten Protokoll der Hauptverhandlung (SA Bd. III Bl. 476) hat die Strafkammer die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung „im Rahmen einer dienstlichen Erklärung“ zu Angaben des – sich auf sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufenden – Zeugen S. „gehört“, die dieser als Angeklagter in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren mittels Verteidigererklärung gemacht hatte. Das Strafverfahren gegen den Zeugen S. war (nicht rechtskräftig) abgeschlossen; an ihm hatte die Sitzungsvertreterin gleichfalls als Vertreterin der Staatsanwaltschaft mitgewirkt. Nach der genannten Erklärung habe der Zeuge S. mitgeteilt, dass er am Tattag vor allem deshalb mit einer scharfen Schusswaffe unterwegs gewesen sei, weil er am Vortag „von einer Person, von der er wisse, dass diese bewaffnet sei, nicht unerheblich verletzt worden sei“ (UA S. 23). Unter anderem diese Angabe hat die Strafkammer unter Ziffer 6. der Urteilsgründe „Täterschaft des Angeklagten“ im Rahmen der abschließenden „Gesamtwürdigung“ herangezogen zur Begründung ihrer Überzeugung, der Angeklagte habe am Tattag zwei Mal mit scharfer Munition in Richtung der Gruppe um den Zeugen S. geschossen (UA S. 47). Nach dem gleichfalls durch das Verhandlungsprotokoll bewiesenen Revisionsvorbringen ist im Verlauf der Hauptverhandlung über den Inhalt der Erklärung des Zeugen S.  nicht mit Mitteln des Strengbeweises Beweis erhoben worden.

2. Die Verwertung der dienstlichen Erklärung der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft verstößt gegen § 261 StPO, weil diese als Beweismittel für die Schuldfrage des Angeklagten nicht in zulässiger Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist.

a) Feststellungen, die für den Schuld- oder Strafausspruch (möglicherweise) von Bedeutung sein können, können allein nach den Regeln des Strengbeweises getroffen werden. Dienstliche Erklärungen des Richters über seine Erkenntnisse aus anderen Verfahren scheiden im Bereich des Strengbeweises als zulässige Beweismittel aus (vgl. BGH, Urteile vom 22. März 2002 – 4 StR 485/01, BGHSt 47, 270, 272 ff., 274 und vom 9. Dezember 1999 – 5 StR 312/99, BGHSt 45, 354, 356 ff.; Beschlüsse vom 25. April 2012 – 4 StR 30/12 Rn. 6-8 und vom 22. Februar 2012 – 1 StR 349/11 Rn. 36; ferner Urteil vom 16. Dezember 2021 – 3 StR 302/21 Rn. 28-30; jeweils mwN). Für entsprechende dienstliche Erklärungen des Staatsanwalts gilt nichts anderes.

b) Die Angaben über die frühere Einlassung des Zeugen S.  betreffen unmittelbar die Schuldfrage. Sie spiegeln das Spannungsverhältnis des Zeugen zum Angeklagten wider und belegen die Reaktion des Zeugen auf die von ihm angenommene Gefährlichkeit des Angeklagten. Schon für sich genommen kam ihnen damit für die Frage der Täterschaft und Bewaffnung des Angeklagten Bedeutung zu. Erst recht galt dies, wie vom Landgericht erkannt (UA S. 47), mit Blick auf die Motivlage des Angeklagten. Denn nachdem der Zeuge S.         am Vortag auf die Verletzung durch den Angeklagten mit der Ankündigung reagiert hatte, er (der Angeklagte) werde „sterben“ (UA S. 17), hatte der Angeklagte in besonderem Maße Motiv und Anlass, auf die mit scharfer Munition gegen die eigene Person gerichteten Schüsse aus der Gruppe des Zeugen S. in gleichem Maße zu erwidern. Die dienstliche Äußerung beschränkte sich mithin nicht darauf, den Verfahrensbeteiligten Umstände bekanntzugeben, die für den Fortgang des Verfahrens von Bedeutung waren und als solche in zulässiger Weise mit Mitteln des Freibeweises zum Gegenstand der Hauptverhandlung hätten gemacht werden können (vgl. BGH, Urteile vom 22. März 2002 – 4 StR 485/01, BGHSt 47, 270, 272 ff.; vom 9. Dezember 1999 – 5 StR 312/99, BGHSt 45, 354, 356 ff. und vom 28. Januar 1998 – 3 StR 575/96, BGHSt 44, 4, 9 ff.).

c) Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs mitsamt den Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Überzeugung des Landgerichts von der Täterschaft des Angeklagten auf dem Verfahrensfehler beruht. Denn nach den Urteilsgründen wird die Beweiswürdigung gegen den Angeklagten – wenn auch nur ergänzend – auch auf die Erklärung des Zeugen S. in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren gestützt.“

Ich hoffe dann aber doch, dass man in Stuttgart schon mal etwas vom Unmittelbarkeitsgrundsatz gehört hat. Sonst gerne <<Werbemodus an >>  bei Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung nachlesen; bestellen kann man hier <<Werbemodus aus>>.

StPO I: Ohne Einlassung, Feststellungen und Beweise, oder: Setzen, ungenügend!!

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Heute ist hier ein StPO-Tag mit drei BGH-Entscheidungen.

Ich stelle zunächst das BGH, Urt. v. 11.09.2024 – 5 StR 236/24 – vor. Ergangen ist es im Sicherungsverfahren. Das LG Leipzig hat die Unterbringung des Beschuldigten im psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision. Das Rechtsmittel hatte Erfolg:

„Nach der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Antragsschrift der Staatsanwaltschaft Leipzig vom 21. November 2022 liegt dem Beschuldigten zur Last, als Heranwachsender im Zustand der Schuldunfähigkeit in der Nacht vom 14. auf den 15. März 2020 die Tochter der Nebenkläger, Ze., getötet zu haben. Das Landgericht hat sich nicht von der Täterschaft des Beschuldigten überzeugen können und deshalb seine Unterbringung aus tatsächlichen Gründen abgelehnt.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg. Die Revisionsführerin beanstandet zu Recht, dass das Urteil in mehrfacher Hinsicht den rechtlichen Anforderungen nicht entspricht.

1. Das Urteil teilt schon nicht mit, wie sich der Beschuldigte zur Sache eingelassen hat. Dies stellt – auch im Sicherungsverfahren – einen auf die Sachrüge hin zu beachtenden Fehler der Beweiswürdigung dar (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2020 – 4 StR 371/20, NStZ 2022, 228; vom 12. Dezember 2019 – 5 StR 444/19, NStZ 2020, 625).

2. Das Urteil enthält keinen Feststellungsteil, so dass unklar bleibt, von welchem Geschehensablauf sich das Landgericht überzeugt hat und wovon es sich nicht überzeugen konnte. Spricht das Tatgericht einen Angeklagten aus tatsächlichen Gründen frei, muss es regelmäßig in einer geschlossenen Darstellung die als erwiesen angesehenen Tatsachen feststellen, bevor es in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden können; nur so kann das Revisionsgericht die Entscheidung auf mögliche Rechtsfehler nachprüfen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 14. April 2021 – 5 StR 102/20 Rn. 23 mwN). Nichts Anderes kann gelten, wenn das Tatgericht – wie hier – im Sicherungsverfahren die Unterbringung eines Schuldunfähigen wegen Nichterweislichkeit von Anlasstat oder Täterschaft ablehnt. Demgegenüber vermischt das landgerichtliche Urteil einzelne Feststellungen zur Sache mit einer Darstellung von Ergebnissen der Beweisaufnahme, mit deren Würdigung und mit Schilderungen zum Verfahrensgang zu einem letztlich unübersichtlichen Konglomerat. Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe wird nicht klar, wovon sich das Landgericht überzeugt hat.

3. Schließlich werden die für eine Täterschaft des Beschuldigten sprechenden Indizien nicht in der gebotenen Gesamtschau gewürdigt, sondern lediglich einzeln abgehandelt. Der Beweiswert einzelner Indizien ergibt sich jedoch regelmäßig erst aus dem Zusammenhang mit anderen Indizien, weshalb ihrer Inbezugsetzung zueinander im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung besonderes Gewicht zukommt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 2. Februar 2022 – 2 StR 442/21, NStZ-RR 2022, 213 mwN).

4. Auf diesen Rechtsfehlern beruht das Urteil (§ 337 Abs. 1 StPO). Soweit es Feststellungen enthält, waren diese schon deshalb aufzuheben, weil der Beschuldigte sie mangels Beschwer nicht angreifen konnte.“

Wenn man das liest, fragt man sich: Was machen die in Leipzig? Ist denn kein Kammermitglied da, dass die Notleine zieht und darauf hinweist, dass man so ein Urteil nicht begründen kann. In der Schule würde man sagen: Setzen sechs.