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Pflichti I: Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung, oder: Voraussetzungen für einen Sicherungsverteidiger

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Ich stelle heute dann mal wieder Pflichtverteidigungsentscheidungen vor. Im Moment ist an der „Front“ allesdings Ruhe, Ich heb nicht so viel Entscheidungen vorliegen wie noch vor einiger Zeit.

ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 26.06.2024 – StB 35/24 -, der sich noch einmal zur Entbindung des Pflichtverteidigers äußert. Es handelt sich um ein Verfahren in Zusammenhang mit der (versuchten) Erstürmung des Reichstagsgebäudes.

Der Vorsitzendes des OLG-Senats hatte den Antrag auf Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung abgelehnt. Dagegen die Beschwerde, die keinen Erfolg hatte. Der BGH führt aus:

„Die gemäß § 143a Abs. 4, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1, § 306 Abs. 1, § 311 Abs. 1 und 2 StPO statthafte, fristgerechte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der zur Entscheidung berufene Vorsitzende des mit der Sache befassten Oberlandesgerichtssenats (§ 142 Abs. 3 Nr. 3 StPO) hat den Antrag auf Aufhebung der Bestellung von Rechtsanwalt T. zu Recht abgelehnt. Weder ist das Vertrauensverhältnis zwischen diesem und dem Angeklagten endgültig zerstört, noch ist aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Angeklagten gewährleistet (s. § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO). Auch im Übrigen besteht kein Anlass zur Aufhebung der Verteidigerbeiordnung gemäß § 143a Abs. 1 Satz 1 StPO.

1. a) Nach § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO ist die Bestellung des Pflichtverteidigers aufzuheben und ein neuer Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Angeklagtem endgültig zerstört oder aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Angeklagten gewährleistet ist. Mit dieser am 13. Dezember 2019 in Kraft getretenen Vorschrift (BGBl. I S. 2128, 2130, 2134) sollten zwei von der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannte Fälle des Rechts auf Verteidigerwechsel normiert werden. Deshalb kann für die Frage, wann im Einzelnen eine endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zu bejahen ist, auf die in dieser Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätze zurückgegriffen werden (vgl. BT-Drucks. 19/13829 S. 48). Danach ist anerkannt, dass Maßstab für die Störung des Vertrauensverhältnisses die Sicht eines verständigen Angeklagten und eine solche von diesem oder seinem Verteidiger substantiiert darzulegen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2020 – StB 4/20, BGHR StPO § 143a Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Aufhebung 2 Rn. 6 f. mwN).

b) Daran gemessen ergibt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers kein Grund für eine Rücknahme der Verteidigerbestellung. Aus den zutreffenden und auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens fortgeltenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die Bezug genommen wird, ist weder von einem endgültigen Vertrauensverlust auszugehen, noch ist das Vorliegen einer groben Pflichtverletzung erkennbar (§ 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO). Ergänzend ist nur Folgendes auszuführen:

aa) Es ist schon nicht ersichtlich, dass die behauptete Unkenntnis des Angeklagten von seiner Kostentragungspflicht für die angefallenen Pflichtverteidigergebühren eine grobe Pflichtverletzung von Rechtsanwalt T. darstellt. Hinzu kommt, dass der Angeklagte Rechtsanwalt T. zuvor selbst bevollmächtigt hatte. Dem Angeklagten war damit bewusst, dass er für dessen Tätigkeit als Wahlverteidiger honorarpflichtig ist. Die nachfolgende Beiordnung wurde sodann mit Zustimmung des Angeklagten vorgenommen. Hierdurch ist er auch vor dem Hintergrund nicht beschwert, dass er etwaig zu einem späteren Zeitpunkt mit den Kosten des Pflichtverteidigers belastet wird (vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2023 – StB 27/23).

bb) Der weiterhin behauptete Umstand, Rechtsanwalt T. habe hohe Honorarforderungen gestellt und seine Tätigkeiten als Wahlverteidiger später überhöht abgerechnet, begründet weder einen Vertrauensverlust noch eine grobe Pflichtverletzung. Zwar kommt die Zurücknahme der Beiordnung wegen einer Störung des Vertrauensverhältnisses in Betracht, wenn der Pflichtverteidiger den Angeklagten ungeachtet dessen erklärter Ablehnung wiederholt bedrängt, eine schriftliche Vereinbarung über ein Honorar abzuschließen, das die gesetzlichen Gebühren um ein Mehrfaches übersteigen würde, und hierbei zum Ausdruck bringt, ohne den Abschluss dieser Vereinbarung sei seine Motivation eingeschränkt, für den Angeklagten tätig zu werden (vgl. KG, Beschluss vom 23. Januar 2012 – 4 Ws 3/12, StV 2013, 142, 143; KK-StPO/Willnow, 9. Aufl., § 143a Rn. 12). Indes ist dem Vortrag des Angeklagten bereits ein derartiges pflichtwidriges Verhalten von Rechtsanwalt T. nicht zu entnehmen. Dessen Honorarforderungen standen zudem im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Wahlverteidiger und lagen zeitlich vor seiner Bestellung zum Pflichtverteidiger.

cc) Ferner rechtfertigen die vom Angeklagten vorgetragenen Umstände zum Schließfach in der Sch. nicht die Rücknahme der Beiordnung von Rechtsanwalt T. . Dass sich dieser zumindest vorübergehend gehindert sah, auf Wunsch des Angeklagten und seines Wahlverteidigers den Schlüssel für das Schließfach an den Sohn des Angeklagten auszuhändigen, erscheint in der konkreten Konstellation vertretbar. Im Übrigen gibt es keinen Anhalt dafür, dass der Pflichtverteidiger von der Unrichtigkeit seiner Angaben überzeugt war, das Schließfach sei von den Ermittlungsbehörden aufgebohrt worden.

2. Die Bestellung von Rechtsanwalt T. zum Pflichtverteidiger ist auch nicht gemäß § 143a Abs. 1 Satz 1 StPO aufzuheben, weil der Angeklagte mit Rechtsanwalt Dr. S. einen anderen Verteidiger gewählt hat. Denn es begegnet keinen durchgreifenden Bedenken, dass der zur Entscheidung berufene Vorsitzende des mit der Sache befassten Staatsschutzsenats des Oberlandesgerichts die Aufrechterhaltung der Beiordnung von Rechtsanwalt T. als Pflichtverteidiger gemäß § 143a Abs. 1 Satz 2 StPO aus den Gründen des § 144 StPO weiterhin für erforderlich gehalten hat.

a) Nach § 144 Abs. 1 StPO können in Fällen der notwendigen Verteidigung einem Beschuldigten zu seinem Wahl- oder (ersten) Pflichtverteidiger „bis zu zwei weitere Pflichtverteidiger zusätzlich“ bestellt werden, „wenn dies zur Sicherung der zügigen Durchführung des Verfahrens, insbesondere wegen dessen Umfang oder Schwierigkeit, erforderlich ist“. Von einer solchen Notwendigkeit ist auszugehen, wenn sich die Hauptverhandlung voraussichtlich über einen besonders langen Zeitraum erstreckt und zu ihrer regulären Durchführung sichergestellt werden muss, dass auch bei dem Ausfall eines Verteidigers weiterverhandelt werden kann, oder der Verfahrensstoff so außergewöhnlich umfangreich oder rechtlich komplex ist, dass er nur bei arbeitsteiligem Zusammenwirken mehrerer Verteidiger in der zur Verfügung stehenden Zeit durchdrungen und beherrscht werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. März 2024 – StB 19/24, NStZ-RR 2024, 178, 179; vom 5. Mai 2022 – StB 12/22, juris Rn. 12; vom 24. März 2022 – StB 5/22, NStZ 2022, 696 Rn. 16; vom 31. August 2020 – StB 23/20, BGHSt 65, 129 Rn. 14 mwN; s. auch BT-Drucks. 19/13829 S. 49 f.).

Bei der Entscheidung über die Bestellung eines Sicherungsverteidigers kommt dem hierzu gemäß § 142 Abs. 3 StPO berufenen Richter ein nicht voll überprüfbarer Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu. Dessen Beurteilung, dass die Sicherung der zügigen Durchführung des Verfahrens die Beiordnung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers erfordert, kann das Beschwerdegericht daher nur beanstanden, wenn sie sich nicht mehr im Rahmen des Vertretbaren hält; anderenfalls hat es sie hinzunehmen (vgl. zur Fallkonstellation der Ablehnung der Bestellung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers BGH, Beschlüsse vom 5. Mai 2022 – StB 12/22, juris Rn. 8, 13; vom 24. März 2022 – StB 5/22, NStZ 2022, 696 Rn. 18).

b) Gemessen daran ist gegen das Vorgehen des Vorsitzenden nichts zu erinnern. Zwar fehlt es an einer ausdrücklichen Erörterung des § 144 StPO in den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich jedoch, dass der Vorsitzende die Verfahrenssicherung im Blick gehabt und nach den dargelegten Maßstäben keinen Anlass gesehen hat, Rechtsanwalt T. zu entpflichten. Der Vorsitzende ist im Rahmen der Beurteilung des Entpflichtungsgrundes nach § 143a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO auf entsprechende sachliche Gesichtspunkte eingegangen. Seine daraus hervorgehende Wertung, die Rechte des Angeklagten an einer effektiven Verteidigung (s. Art. 6 Abs. 3 Buchst. c EMRK) geböten aufgrund des außergewöhnlich umfangreichen und schwierigen Verfahrens die Bestellung von zwei Pflichtverteidigern neben dem Wahlverteidiger, überschreitet den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht und ist frei von Ermessensfehlern.“

Hatten wir alles schon mal.

Strafe II: Viele Vorstrafen und schneller Rückfall, oder: Keine Bewährung

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Und dann mal wieder etwas zur Bewährung, und zwar den BGH, Beschl. v. 23.05.2024 – 4 StR 42/24. Nichts Besonderes, aber immerhin 🙂 .

Das LG hat den Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung und „vorsätzlicher“ Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es nicht zur Bewährung ausgesetzt hat, und ihn im Übrigen freigesprochen. Die Revision des Angeklagten hatte einen Teilerfolg, soweit das LG den Angeklagten wegen Körperverletzung verurteilt hatte. Insoweit fehlte es an der Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses (§ 203 StPO). Die diesem Tatvorwurf zugrundeliegende Anklageschrift hatte das LG im Hauptverhandlungstermin zur Hauptverhandlung zugelassen, allerdings nur in der „Spruchbesetztung“. Infolgedessen war ist der Eröffnungsbeschluss nicht wirksam, was ein im Revisionsverfahren nicht behebbares Verfahrenshindernis zur Folge hatte.

Die erfolgte hatte die Neufassung des Schuld- und Strafausspruchs durch den BGH zur Folgem der zur Bewährungsentscheidungs ausführt:

„Die Entscheidung der Strafkammer über die (versagte) Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung kann hingegen bestehen bleiben. Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht zur Begründung der negativen Sozialprognose gemäß § 56 Abs. 1 StGB auch auf den Umstand abgehoben hat, dass der Angeklagte die – der Einstellung unterliegende – Körperverletzungstat im Rahmen einer Untersuchungshaft begangen hat. Es kann dahinstehen, ob diese Erwägung außer Betracht bleiben muss, nachdem der Senat auf Antrag des Generalbundesanwalts die Verurteilung wegen dieser Tat mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben hat, oder ob das an sich rechtsfehlerfrei festgestellte Körperverletzungsgeschehen hierdurch lediglich insoweit entfallen ist, als es Grundlage der Verurteilung wegen der Tat zu II.B der Urteilsgründe war, für die Aussetzungsentscheidung wegen der verbleibenden Einzelstrafe betreffend die andere prozessuale Tat (II.A der Urteilsgründe) jedoch weiter herangezogen werden kann. Denn der Senat schließt angesichts der weiteren vom Landgericht angeführten Prognosegesichtspunkte jedenfalls aus, dass es für die Entscheidung des Landgerichts, die Strafvollstreckung nicht zur Bewährung auszusetzen, tragend war und diese ohne die Berücksichtigung der Körperverletzungstat anders ausgefallen wäre. Die Strafkammer hat ihre Prognoseentscheidung maßgeblich auf die Vielzahl von Vorstrafen, die Hafterfahrung des Angeklagten sowie den Umstand gestützt, dass er die hier gegenständliche versuchte räuberische Erpressung weniger als ein Jahr nach seiner letzten Haftentlassung, ersichtlich unbeeindruckt von der Haft, beging.“

Strafe I: Die besonderen persönliche Merkmale, oder: Tatbestandsmerkmal „als Zeuge“

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Und dann auf zu Strafzumessungsentscheidungen bzw. Entscheidungen, die mit Strafe zu tun haben.

Ich stelle dazu zunächst den zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmten BGH, Beschl. v. 05.02.2024 – 3 StR 470/23 – vor. Es geht um das Tatbestandsmerkmal „als Zeuge“ in § 153 StGB.

Das LG hatte den Angeklagten im Juni wegen Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage in Tateinheit mit Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Auf seine Revision hatte der BGH mit Beschluss vom 08.03.2022 (3 StR 398/21, NStZ-RR 2022, 133) das Urteil im Strafausspruch unter Aufrechterhaltung der zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des LG zurückverwiesen.

Im zweiten Rechtsgang hatte das Landgericht Aurich den Angeklagten mit Urteil vom 19.09.2022 auf Grundlage des rechtskräftigen Schuldspruchs zu derselben Freiheitsstrafe wie zuvor verurteilt. Auf seine Revision hatte der BGH mit Beschluss vom 11.01.2023 (3 StR 445/22, NStZ 2024, 154) das Urteil unter Aufrechterhaltung der Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine Strafkammer eines anderen LG zurückverwiesen.

Nunmehr hat dieses LG den Angeklagten im dritten Rechtsgang zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Hiergegen wendet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel war unbegründet:

„Die sachlichrechtliche Nachprüfung des Urteils hat zum noch allein in Rede stehenden Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Das Landgericht hat insbesondere rechtsfehlerfrei den sich aus den §§ 153, 26 StGB ergebenden Strafrahmen zu Grunde gelegt und keine Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen. Denn das die Strafbarkeit begründende und vom Angeklagten als Anstifter nicht verwirklichte Tatbestandsmerkmal „als Zeuge“ in § 153 StGB ist kein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB, sondern ein tatbezogenes persönliches Merkmal, auf welches die Norm keine Anwendung findet (vgl. ohne ausdrückliche Erörterung BGH, Urteile vom 18. März 1976 – 4 StR 77/76, BGHSt 27, 74, 76; vom 18. Oktober 1978 – 2 StR 368/78, BGHSt 28, 155, 156; vom 5. April 2007 – 4 StR 5/07, wistra 2007, 341, 342; Beschlüsse vom 11. Dezember 2013 – 2 StR 478/13, NJW 2014, 1403; vom 29. August 2017 – 4 StR 116/17, juris Rn. 7 f.).“

Das begründet der BGH umfangreich. Die Einzelheiten bitte im Volltext nachlesen.

Hier nur noch der Leitsatz des BGH; nämlich:

Das die Strafbarkeit begründende Tatbestandsmerkmal „als Zeuge“ in § 153 StGB ist kein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB, sondern ein tatbezogenes persönliches Merkmal, auf welches die Norm keine Anwendung findet.

beA: Übereinstimmung von Versender und Urheber, oder: Wenn der Urheber nicht über sein beA versendet

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Und dann kommen hier die beA-Entscheidungen, auch Zivil- und/oder Strafverfahren, und zwar:

Den Anforderungen der §§ 32a Abs. 3, 32d Satz 2 StPO ist nicht Genüge getan, wenn die Revisionseinlegungsschrift den bestellten Verteidiger des Angeklagten  maschinenschriftlich als Urheber ausweist, der Schriftsatz aber von einem Kanzleikollegen qualifiziert signiert und über dessen Postfach versandt worden. Etwas anderes kann gelten, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Versender als Vertreter des Pflichtverteidigers gemäß § 53 BRAO oder als sonstiger Bevollmächtigter des Angeklagten tätig geworden ist. Diese ergeben sich im Zweifel auch  nicht aus einer etwaigen vormaligen Verteidigerstellung, da die Vollmacht des Wahlverteidigers mit Niederlegung des Wahlmandats bei Bestellung zum Pflichtverteidiger erloschen ist.

Die sog. Kongruenz von Versender und Urheber des elektronischen Dokuments ist nicht erforderlich, wenn der Schriftsatz nach § 32a Abs. 3 Var. 1 StPO mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des verantwortenden Rechtsanwalts versehen und das elektronische Anwaltspostfach eines anderen Anwalts gleichsam nur zur technischen Übermittlung genutzt wird.

Reicht ein Rechtsanwalt über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach einen Schriftsatz, den ein anderer Rechtsanwalt verfasst, aber nicht qualifiziert elektronisch signiert hat, bei Gericht ein, ist dies nicht wirksam (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 28.02.2024 – IX ZB 30/23NJW 2024, 1660).

Wiedereinsetzung: Ausreichende Antragsbegründung?, oder: Rechtsanwalt ohne Kanzleischlüssel

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Heute mache ich dann mal einen „Rechtsmittelfristentag“, oder: Heute gibt es nur Entscheidungen zur Wiedereinsetzung und zum beA. Alle Entscheidungen kommen von ganz oben, also vom BGH. Und: Sie kommen aus dem Zivilrecht und aus dem Strafrecht.

Ich beginne mit den Wiedereinsetzungsentscheidung, und zwar:

1. Zur Erfüllung der Darlegungserfordernissen des § 45 Abs. 1 StPO muss der Antragsteller einen Sachverhalt vortragen, aus dem sich fehlendes eigenes Verschulden an der fristgerechten Revisionseinlegung ergibt. Es genügt nicht, lediglich geltend zu machen, seinen Verteidiger mit der Rechtsmitteleinlegung beauftragt zu haben, was dieser indes nicht getan habe. Eigenes Verschulden des Antragstellers wäre in dieser Konstellation nur zu verneinen, wenn der Verteidiger ihm daraufhin die Revisionseinlegung zugesagt hätte. Dazu muss vorgetragen werden.

2. Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Wiedereinsetzungsantrag ist zudem, dass  mitgeteilt wird, wann der Antragsteller von der Fristversäumung erfahren hat.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand muss unter konkreter Behauptung von Tatsachen so vollständig begründet und glaubhaft gemacht werden, dass ihm die unverschuldete Verhinderung des Antragstellers entnommen werden kann. Daran fehlt es hier. wenn der Vortrag widersprüchlich ist, weil einerseits ausgeführt wird, der Angeklagte habe seinen früheren Verteidiger mit der Begründung des Rechtsmittels beauftragt, es aber andererseits heißt, er habe aufgrund der Revisionseinlegung seines Verteidigers bloß darauf vertraut, dass dieser das Rechtsmittel rechtzeitig begründen werde.

Ist ein Rechtsanwalt nicht in der Lage, die Büroräume seiner Kanzlei zu betreten, weil er den Büroschlüssel im Büro vergessen hat, bedarf eine ein Verschulden des Rechtsanwalts an einer Fristversäumnis ausschließende Darlegung Ausführungen dazu, dass und aus welchen Gründen keine der naheliegenden Möglichkeiten, innerhalb der noch zur Verfügung stehenden Frist einen Zugang zu den Büroräumen zu ermöglichen oder einen anderen Rechtsanwalt mit der Vornahme der fristwahrenden Handlung zu beauftragen, einen Erfolg gehabt hätte.