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beA I: Sammlung zum beA/elektronischen Dokument, oder: sicherer Weg, Ersatz, Wiedereinsetzung, Urteil

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In die 29. KW./2024 starte ich heute dann mit einigen Entscheidungen zum beA. Das sind weitgehend BGH-Entscheidungen, eine der vorgestellten Entscheidungen stammt aber vom OLG Düsseldorf.

Hier sind dann also:

„bb) Ihre einfach signierten Schriftsätze hat die Verteidigerin nicht auf dem hier einzig in Betracht kommenden sicheren Übermittlungsweg zwischen ihrem besonderen elektronischen Anwaltspostfach und der elektronischen Poststelle des Landgerichts eingereicht ( § 32a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 StPO ).

Das Adjektiv „sicher“ bezieht sich insoweit nicht auf Fragen der IT-Sicherheit oder des Ausfallschutzes, sondern darauf, dass aufgrund entsprechender technischer Sicherungsmaßnahmen bei Nutzung eines solchen Übermittlungswegs ein sicherer Rückschluss auf die Identität des Absenders möglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. September 2022 – 3 StR 251/22 Rn. 6). Der besondere Kommunikationskanal ersetzt die Identifikationsfunktion der Unterschrift (Müller, NZS 2018, 207, 209). Den hiermit verbundenen Anforderungen werden die Eingaben der Verteidigerin nicht gerecht. Die erforderliche eigenhändige Versendung aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach wird durch den vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis (vHN) dokumentiert. Dieser wird nur an einer Nachricht angebracht, wenn das Postfach in einem sicheren Verzeichnisdienst geführt wird und der Postfachinhaber zu dem Zeitpunkt, zu dem die Nachricht erstellt wird, sicher an dem Postfach angemeldet ist (vgl. BAGE 171, 28 Rn. 27; Müller, NZS 2018, 207, 209; Biallaß, NJW 2021, 789 [OLG Oldenburg 09.12.2020 – 6 W 68/20] ). Beim Empfänger führt die Übersendung dann zu dem Prüfergebnis „sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Anwaltspostfach“. Der vHN ist maßgeblich für die freibeweisliche Prüfung einer formgerechten Einreichung. Fehlt er, kann nicht von einem Eingang auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne von § 32a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 StPO ausgegangen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2023 – 4 StR 313/23 Rn. 2, 5; Beschluss vom 7. Februar 2023 – 2 StR 162/22 Rn. 6; s. auch BVerwG, NVwZ 2022, 649 [BVerwG 12.10.2021 – BVerwG 8 C 4.21] Rn. 6 ff.; BAGE 171, 28 [BAG 05.06.2020 – 10 AZN 53/20] Rn. 25 ff.). So liegt es hier. Denn die Prüfvermerke des Landgerichts weisen aus, dass die Revision und ihre Begründung lediglich „per EGVP“ übersandt wurden.

Ist die Revision wirksam elektronisch übermittelt worden, wegen technischer Störungen aber nicht zu den Sachakten gelangt, und hat das erkennende Gericht in Vertrauen auf die Rechtskraft der Entscheidung die Urteilsgründe abgekürzt abgefasst, kann es diese entsprechend § 267 Abs. 4 S. 4 ergänzen, wenn es vom Eingang des Rechtsmittels erfährt. Sofern dem Gericht zu diesem Zeitpunkt die Akten nicht mehr vorliegen, beginnt die Frist zur Absetzung des ergänzten Urteils mit erneutem Eingang der Akten.

Dem Angeklagten ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung von Verfahrensrügen zu gewähren, wenn er glaubhaft gemacht hat, dass seinem Verteidiger am letzten Tag der Revisionsbegründungsfrist um 23.49 Uhr die Übersendung einer fertiggestellten ergänzenden Revisionsbegründung zur Anbringung der Verfahrensrügen als elektronisches Dokument über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach nicht möglich war, weil das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des jeweiligen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen – was dem Verteidiger im Zeitpunkt des Übersendungsversuchs noch nicht bekannt war – in der Weise gestört war, dass die Gerichte und Behörden elektronische Dokumente nicht empfangen konnten. Denn dadurch war der Verteidiger durch ausschließlich im Bereich der Justiz gründende Umstände gehindert, eine die fristgemäß erhobene Sachrüge ergänzende Verfahrensrüge rechtzeitig formgerecht anzubringen (vgl. zum gestörten Empfangsgerät im Bereich der Justiz BGH, Beschluss vom 18. Juni 2008 – 2 StR 485/07, NStZ 2008, 705).

Ein Rechtsanwalt muss Vorkehrungen dafür treffen, dass ein Zustellungsdatum, das in einem von ihm abgegebenen elektronischen Empfangsbekenntnis eingetragen ist, auch in seiner – noch in Papierform geführten – Handakte dokumentiert wird. An die Zustellung anknüpfende Fristen müssen anhand der Angaben im elektronischen Empfangsbekenntnis berechnet werden.

    1. Im Falle einer Ersatzeinreichung hat die Glaubhaftmachung der vorübergehenden technischen Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung des Dokuments nach § 130d S. 3 ZPO möglichst gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung zu erfolgen. Eine unverzügliche Nachholung kommt ausschließlich dann in Betracht, wenn der Rechtsanwalt das technische Defizit erst kurz vor Fristablauf bemerkt und ihm daher nicht mehr genügend Zeit für die gebotene Darlegung und Glaubhaftmachung in dem ersatzweise einzureichenden Schriftsatz verbleibt.
    2. Die Mitteilung der Gründe für die Ersatzeinreichung nach mehr als einer Woche ist im Regelfall nicht mehr unverzüglich i.S.d. § 130d Satz 3 ZPO.
    3. Die Bekanntheit einer technischen Störung auf Seiten des Gerichts entbindet den Einreicher jedenfalls nicht gänzlich davon, die Ursächlichkeit der Störung für die Übermittlung in Papierform oder per Telefax glaubhaft zu machen (Anschluss an OLG Hamm, Beschl. v. 03.07.2023 – 31 U 71/23, NJOZ 2023, 1582).

StPO III: (Erneuter) Ausschluss der Öffentlichkeit, oder: Erneute Vernehmung eines Zeugen

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Urhber: Hichhich – Eigenes Werk

Und als dritte Entscheidung kommt hier das BGH, Urt. v. 28.02.2024 – 5 StR 413/23 – zur Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes in den fällen einer erneute Vernehmung eines Zeugen. Dazu der BGH:

„Das Landgericht hat mit der nichtöffentlichen Vernehmung der Nebenklägerin am sechsten Hauptverhandlungstag die Öffentlichkeit gesetzeswidrig beschränkt (§ 338 Nr. 6 StPO).

1. Die strafrechtliche Hauptverhandlung ist grundsätzlich öffentlich (§ 169 GVG). Die Öffentlichkeit kann nur ausnahmsweise nach Maßgabe der §§ 171 ff. GVG ausgeschlossen werden. Stets ist hierfür nach § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG ein Beschluss des erkennenden Gerichts notwendig. Dies gilt auch, wenn ein Zeuge in der laufenden Hauptverhandlung – nach seiner Entlassung (§ 248 StPO) – erneut unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen werden soll. Der erforderliche neue Beschluss kann nicht durch eine Anordnung des Vorsitzenden ersetzt werden, in der auf einen vorangegangenen, die Öffentlichkeit ausschließenden, Beschluss Bezug genommen wird (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Juni 2018 – 5 StR 159/18, NStZ 2018, 679; vom 9. April 2013 – 5 StR 612/12, NStZ 2013, 479, 480).

Da die Nebenklägerin nach ihrer ersten nichtöffentlichen Vernehmung am dritten Hauptverhandlungstag nach § 248 StPO entlassen worden war, hätte das Landgericht vor ihrer erneuten nichtöffentlichen Zeugenvernehmung am sechsten Hauptverhandlungstag einen weiteren Beschluss über den Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 174 Abs. 1 Satz 2 StPO treffen müssen. Angesichts des zeitlichen Ablaufs war ein neuerlicher Gerichtsbeschluss auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Denn eine solche Ausnahme kann nur in ganz engen zeitlichen Grenzen in Betracht kommen, etwa wenn die Entlassung des Zeugen sofort zurückgenommen und sich die erneute Vernehmung zusammen mit der vorausgegangenen als eine einheitliche Vernehmung darstellt (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 17. August 2011 – 5 StR 263/11; vom 30. Oktober 2007 – 3 StR 410/07, NStZ 2008, 476, 477). So liegt der Fall hier indes nicht.

Danach liegt ein Verstoß gegen die Vorschriften über die Öffentlichkeit vor, der den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO begründet.

2. Trotz des eindeutigen Wortlauts des § 338 Nr. 6 StPO hat der Bundesgerichtshof allerdings für zwei Fallkonstellationen entschieden, dass im Einzelfall ein Verstoß, der nur das Verfahren über den Ausschluss betrifft und (in der Sache) nicht zu deren unzulässiger Beschränkung führt, keinen absoluten Revisionsgrund darstellt. Voraussetzung hierfür ist aber, dass auf der Grundlage eines sicher feststehenden Verfahrensablaufs eine unzulässige Beschränkung der Öffentlichkeit auszuschließen ist und der Ausschlussgrund für alle Verfahrensbeteiligten und die Öffentlichkeit eindeutig zu erkennen war (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2019 – 4 StR 605/18, BGHSt 64, 64, 67). Der hier zu beurteilende Fall liegt jedoch anders und rechtfertigt eine einschränkende Auslegung der Vorschrift des § 338 Nr. 6 StPO nicht.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schadet es nicht, wenn das Gericht – unter den genannten Voraussetzungen – in dem die Öffentlichkeit ausschließenden Beschluss (§ 174 Abs. 1 Satz 2 GVG) entgegen § 174 Abs. 1 Satz 3 GVG keinen Grund hierfür angibt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 1999 – 1 StR 325/98, BGHSt 45, 117, 119 f.). Die eine restriktive Anwendung des § 338 Nr. 6 StPO rechtfertigende Fallkonstellation ist hier maßgeblich davon gekennzeichnet, dass ein nach § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG erforderlicher Beschluss des erkennenden Gerichts vorliegt, dem es lediglich an der Begründung mangelt. In dem hier zu entscheidenden Fall fehlt es aber schon an einem Gerichtsbeschluss über das Ob des Öffentlichkeitsausschlusses und damit an der Verantwortungsübernahme des erkennenden Gerichts in seiner Gesamtheit für die nichtöffentliche Vernehmung der Nebenklägerin.

b) Für den Fall des Fehlens des von § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG vorgeschrieben Gerichtsbeschlusses hat der Bundesgerichtshof eine restriktive Auslegung des § 338 Nr. 6 StPO bislang nur für den Ausschluss der Öffentlichkeit für die Schlussanträge (§ 171b Abs. 2 Satz 3 GVG) angenommen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2019 – 4 StR 605/18, BGHSt 64, 64, 67 ff.). Dies beruht auf folgenden Erwägungen: War die Öffentlichkeit von der Verhandlung wegen einer in § 171b Abs. 2 GVG genannten Straftat ganz oder teilweise ausgeschlossen, ist sie nach § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG für die Schlussanträge zwingend auszuschließen, ohne dass es eines hierauf gerichteten Antrags bedarf. Die Regelung lässt dem Gericht mithin weder zum Ob eines Ausschlusses noch zu dessen Umfang einen Ermessensspielraum. Vielmehr muss die Öffentlichkeit ohne weiteres für die gesamten Schlussvorträge ausgeschlossen werden, wenn die Hauptverhandlung auch nur teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat. Diese Folge steht ab dem Öffentlichkeitsausschluss für alle Verfahrensbeteiligten und die Öffentlichkeit fest (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2019 – 4 StR 605/18, BGHSt 64, 64, 68).

Ein derartiger tatbestandlicher Rückbezug auf eine feststehende innerprozessuale Tatsache lässt sich der Regelung des § 171b Abs. 3 Satz 1 GVG indes nicht entnehmen. Anders als § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG setzt sie schon einen hierauf gerichteten Antrag voraus, was – wie der hier zu entscheidende Fall zeigt – eine Auslegung von Prozesserklärungen der Personen erfordern kann, deren Lebensbereich von der Verhandlung betroffen ist (vgl. zur Auslegungsfähigkeit von Prozesserklärungen BGH, Beschlüsse vom 26. September 2019 – 5 StR 206/19, StraFo 2020, 72, 74; vom 10. Juli 1984 – 1 StR 13/84, BGHSt 32, 394, 400). Zudem müssen die Voraussetzungen von § 171b Abs. 1 oder 2 GVG vorliegen. Jedenfalls für die hier vorliegende Fallkonstellation des § 171b Abs. 1 GVG steht dem Gericht ein Ermessenspielraum zu. Denn es muss selbst beim Vorliegen eines Antrags auf Ausschließung der Öffentlichkeit der in ihrem Lebensbereich betroffenen Person deren schutzwürdige Belange mit dem Interesse der Allgemeinheit an der öffentlichen Erörterung der inmitten stehenden Umstände abwägen (§ 171b Abs. 1 Satz 1 und 2 GVG). Das erkennende Gericht muss deshalb in seiner Gesamtheit die Verantwortung für den Öffentlichkeitsausschluss durch die Fassung eines Beschlusses nach § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG übernehmen. Mit Blick auf die hohe Bedeutung der Öffentlichkeitsmaxime im demokratischen Rechtsstaat (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 – 1 BvR 2623/95, NJW 2001, 1633, 1635) ist daher nicht zu rechtfertigen, die Vorschrift des § 338 Nr. 6 StPO auch für die Fälle des zwingenden Ausschlusses nach § 171b Abs. 3 Satz 1 GVG restriktiv anzuwenden (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Januar 2021 – 2 StR 188/20, NStZ 2021, 760). Selbst wenn es angesichts der Besonderheiten des hier zu beurteilenden Verfahrensgeschehens nicht nahegelegen haben mag, dass die Strafkammer in ihrer Gesamtheit eine andere Entscheidung als ihr Vorsitzender getroffen hätte, handelt es sich bei dem gesetzlich vorgesehenen Beschlusserfordernis nicht um eine „bloße Förmlichkeit“ (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 9. Mai 2018 – 2 StR 543/17 Rn. 10, BGHR StPO § 338 Nr. 6 Ausschluss 7).

Ist ein Zeuge nach seiner ersten nichtöffentlichen Vernehmung nach § 248 StPO entlassen worden war, muss das Tatgericht vor seiner erneuten nichtöffentlichen Zeugenvernehmung einen weiteren Beschluss über den Ausschluss der Öffentlichkeit treffen. Eine Ausnahme kann nur in ganz engen zeitlichen Grenzen in Betracht kommen, etwa wenn die Entlassung des Zeugen sofort zurückgenommen und sich die erneute Vernehmung zusammen mit der vorausgegangenen als eine einheitliche Vernehmung darstellt.

StPO II: Faire Auslegung eines Beweisbegehrens, oder: Bedeutungslose Bedeutungslosigkeit?

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Die zweite Entscheidung betrifft auch eine Beweisfrage. Es handelt sich um den BGH, Beschl. v. 26.03.2024 – 2 StR 211/23 -, der sich zur Pflicht des Tatgerichts, ein Beweisbegehren auszulegen, äußert:

„2. Diese Ablehnung des Beweisantrags hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Genügt ein erkennbar als Beweisantrag vorgebrachtes Beweisbegehren seinem Wortlaut nach nicht den Anforderungen an die notwendige Konkretisierung der Beweistatsache, ist es in sonstiger Weise lückenhaft, ungenau formuliert oder mehrdeutig oder bleibt unklar, welcher einsichtige Prozesszweck mit ihm verfolgt werden soll, und lassen sich die hieraus resultierenden Zweifel nicht ohne weiteres eindeutig aus den gesamten Umständen der Antragstellung ausräumen, so ist der Vorsitzende aufgrund der Aufklärungspflicht, die ein Hinwirken auf eine sachdienliche Antragstellung gebietet, der Fürsorgepflicht sowie der Verfahrensfairness (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK) grundsätzlich gehalten, den Antragsteller zunächst auf die Bedenken gegen seinen Antrag hinzuweisen und ihm durch entsprechende Befragung Gelegenheit zu geben, die erforderliche Klarstellung vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 1996 ? 1 StR 120/96, NStZ-RR 1996, 336, 337; Beschluss vom 8. Februar 1996 ? 4 StR 776/95, NStZ 1996, 562; LR-StPO/Becker, 27. Aufl., § 244 Rn. 115; KK-StPO/Krehl, 9. Aufl., § 244 Rn. 78). Auch wenn dies nicht zum Erfolg führt, bleibt das Gericht verpflichtet, die vom Antragsteller tatsächlich gewollte Beweisbehauptung durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2000 ? 3 StR 410/99, NStZ 2000, 267, 268 mwN). Diese kann sich nicht nur aus dem Wortlaut des Antrags, sondern aus allen Umständen, die bei einer nach Sinn und Zweck fragenden Auslegung zu berücksichtigen sind, ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 2015 – 3 StR 516/14, StV 2016, 337, 338; Beschlüsse vom 11. April 2007 – 3 StR 114/07, juris Rn. 7; und vom 6. März 2014 – 3 StR 363/13, NStZ 2014, 419). Bei mehreren Interpretationsalternativen ist derjenigen der Vorzug zu geben, die zur Beweiserhebung führt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 1984 ? 2 StR 320/84, NStZ 1984, 564, 565; Beschluss vom 12. Mai 2022 – 5 StR 450/21, juris Rn. 15 mwN).

Ferner muss nach der ständigen Rechtsprechung der Beschluss, mit dem ein Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsache abgelehnt wird, die Erwägungen anführen, aus denen das Tatgericht der unter Beweis gestellten Tatsache aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen keine Bedeutung für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch beimisst. Für die zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung ist eine Tatsache nur dann, wenn ein Zusammentreffen zwischen ihr und der abzuurteilenden Tat nicht besteht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs nicht geeignet ist, die Entscheidung irgendwie zu beeinflussen, wobei sich das Gericht im Urteil nicht in Widerspruch zu der Ablehnungsbegründung setzen darf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. August 1996 – 4 StR 373/96, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 22; und vom 7. November 2023 – 2 StR 284/23, NStZ 2024, 177, 178; jew. mwN).

b) Hieran gemessen erweist sich die Ablehnung des Beweisantrags als rechtsfehlerhaft.

aa) Die Strafkammer hat das dem Beweisantrag bei verständiger Würdigung zugrundeliegende Beweisthema nur verkürzt behandelt und so den Antrag schon nicht in einem zur Beweiserhebung führenden Sinne ausgelegt.

Der notwendigen Behandlung als Beweisantrag steht zunächst nicht entgegen, dass der Antrag seinem Wortlaut nach zwar positiv formuliert, jedoch inhaltlich auf eine Negativtatsache gerichtet war. Denn der Antrag ist bei verständiger Auslegung – naheliegend ? dahingehend zu verstehen, dass unter Beweis gestellt war, es habe zwischen dem Angeklagten und Ü.   keine betäubungsmittelbezogenen Kontakte gegeben. Eine dahingehende Auslegung drängte sich auch deshalb auf, weil die Verteidigung des Angeklagten zuvor einen – von der Strafkammer mangels bestimmter Tatsachenbehauptung rechtsfehlerfrei abgelehnten – „Beweisantrag“ auf Einvernahme des Ü.   mit derselben Stoßrichtung gestellt hatte. Darin hatte sie beantragt, Ü.   als Zeugen zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass dieser ausschließlich mit J.    Betäubungsmittelhandel betrieben habe. Mit dem der Verfahrensrüge zugrunde liegenden ? in enger zeitlicher Abfolge gestellten ? Beweisantrag wollte die Verteidigung bei gleichem Beweisziel ihr Beweisthema konkretisieren, was sie im Beweisantrag durch die beispielhafte Aufzählung verschiedener Handlungssequenzen, die ausschließlich zwischen Ü.   und J.   stattgefunden haben sollten ? „Drogen verkauft“, „Absprachen gehalten“ und „geschäftlichen Beziehung“ ? zum Ausdruck brachte. Soweit die Strafkammer ausführt, dass schon unklar sei, was Gegenstand der „Absprache“ oder was mit „geschäftlichen Beziehung“ gemeint sei, und insoweit eine konkrete Tatsachenbehauptung vermisst, hat sie bei der gebotenen Auslegung des Beweisantrags dessen Beweisthema und Zielrichtung unzulässig verkürzt.

bb) Infolgedessen hat die Strafkammer den Beweisantrag rechtsfehlerhaft allein am Maßstab der rechtlichen Bedeutungslosigkeit gemessen und dabei den tatsächlichen Gehalt der unter Beweis gestellten Tatsachen außer Betracht gelassen. Sie hat deshalb bei ihrem Ablehnungsbeschluss verkannt, dass der Beweisantrag nicht darauf abzielte, aus dem Umstand der ausschließlichen betäubungsmittelbezogenen Kommunikation zwischen Ü. und J.    die Annahme einer bandenmäßigen Tatbegehung unter Beteiligung des Angeklagten zu widerlegen. Insofern hat sie zwar – für sich genommen rechtsfehlerfrei – angenommen, dass die unter Beweis gestellte Tatsache der Absprachen ausschließlich zwischen Ü.   und J.   eine Bandenabrede nicht ausschloss (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2009 – 3 StR 83/09, juris Rn. 9). Sie hat jedoch nicht in den Blick genommen, dass bei sachgerechter Auslegung des Antrags nachgewiesen werden sollte, dass – unabhängig von der rechtlichen Einordnung als Bande – zwischen dem Angeklagten und Ü.   zu keiner Zeit betäubungsmittelbezogene Kontakte bestanden und damit insbesondere Rückschlüssen in tatsächlicher Hinsicht entgegengetreten werden sollte, der Angeklagte und Ü.   hätten über den Kryptodienst A.   unter Pseudonymen miteinander kommuniziert. Mit diesem Gesichtspunkt befassen sich die Ablehnungsgründe nicht.

cc) Die Ablehnung des Beweisantrags erweist sich zudem aus einem weiteren Grund als rechtsfehlerhaft. Denn das Gericht muss sich an der dem Ablehnungsbeschluss zugrundeliegenden Annahme der Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache festhalten lassen. Es darf sich im Urteil nicht zu der Ablehnungsbegründung in Widerspruch setzen oder seine Überzeugung auf das Gegenteil der unter Beweis gestellten Tatsache stützen (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 2007 – 2 StR 248/07, StraFo 2008, 29; Beschlüsse vom 20. August 1996 – 4 StR 373/96, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 22; vom 29. April 2014 – 3 StR 436/13, juris Rn. 3).

Hiergegen hat die Strafkammer verstoßen, indem sie – allein orientiert an der defizitären Auslegung des Beweisantrags ? feststellte, dass Ü.   dem Angeklagten Anweisungen gab, an wen die Betäubungsmittel auszuliefern seien und wie – nach der Festnahme des J.    – im Hinblick auf die im Bunker vorrätig gehaltenen Drogen der Gruppierung zu verfahren sei. Damit hat sie entgegen dem vorgenannten Verständnis des Beweisantrags der behaupteten Beweistatsache nicht nur eine die Entscheidung tragende Bedeutung beigemessen, sondern sogar das Gegenteil davon festgestellt.“

Strafe I: Drei neuere Entscheidungen vom BGH, oder: Strafzumessungslotterie

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Und dann mal wieder etwas zur Strafzumessung. Hier zunächst ein paar BGH-Entscheidungen:

„Zwar begegnet die in allen verfahrensgegenständlichen Fällen strafschärfend berücksichtigte Erwägung, der Angeklagte habe „die für das Rechtsgut der Volksgesundheit riskante Einfuhrfahrt angetreten […], ohne die Art der Ware zu prüfen“, obwohl hierzu Anlass und unschwer Gelegenheit bestand, rechtlichen Bedenken. Denn sie umschreibt einen Fahrlässigkeitsvorwurf, für dessen schulderhöhende Berücksichtigung hier kein Raum war.

Zwar darf in Fällen, in denen der Täter eine Rauschgiftmenge einführt, die tatsächlich größer ist, als er sich vorgestellt hat, die von seinem Vorsatz nicht umfasste Mehrmenge tatschulderhöhend gewertet und strafschärfend berücksichtigt werden, wenn ihm insoweit Fahrlässigkeit zur Last liegt (vgl. BGH, Urteil vom 12. September 2019 ? 5 StR 325/19, Rn. 13; Urteil vom 10. Februar 2011 ? 4 StR 576/10, Rn. 9; Urteil vom 6. September 1995 ? 2 StR 310/95, StV 1996, 90; Urteil vom 21. April 2004 ? 1 StR 522/03, Rn. 13). Nach den bereits im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Feststellungen war der bedingte Vorsatz des Angeklagten aber jeweils auf die gesamte transportierte Rauschgiftmenge bezogen, so dass ein Fahrlässigkeitsvorwurf ausschied.“

Zwar begegnet die strafschärfende Berücksichtigung der Tatfolgen für die Angehörigen des Tatopfers teilweise rechtlichen Bedenken. Denn lediglich im Hinblick auf die zur Tatzeit noch kleinen Kinder der Getöteten lassen die Urteilsgründe eine einzelfallbezogene Differenzierung nach der Bedeutung des Vorhandenseins der getöteten Bezugsperson für die konkreten Angehörigen erkennen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 – 1 StR 574/14, NStZ 2015, 582); hinsichtlich der beiden Nebenklägerinnen, auf die das Schwurgericht ebenfalls abgestellt hat, fehlt es hingegen an entsprechenden Feststellungen. Der Senat schließt aber mit Blick auf das konkrete Tatbild und die Strafbemessung in ihrer Gesamtheit aus, dass die verhängte Strafe hierauf beruht.

„Das Landgericht hat das straffreie Vorleben des Angeklagten weder bei der Strafrahmenwahl noch bei der Strafzumessung im engeren Sinne erkennbar berücksichtigt. Insoweit handelt es sich jedoch um einen bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkt im Sinne von § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. März 2022 – 6 StR 61/22 und vom 6. Juni 2023 – 4 StR 133/23, jeweils mwN).

Dies führt zur Aufhebung des Strafausspruchs, denn der Senat kann trotz der maßvollen Strafen nicht ausschließen, dass die Strafkammer ohne den Rechtsfehler auf noch niedrigere Freiheitsstrafen erkannt hätte. Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben, weil es sich lediglich um einen Wertungsfehler handelt (§ 353 Abs. 2 StPO).“

Mal kann er ausschließen, mal nicht 🙂 . Lotterie beim BGH. 🙂

EÖB I: EÖB nicht von allen Richtern unterschrieben, oder: Das war es = Einstellung des Verfahrens

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Heute dann mal wieder etwas StPO, und zwar einiges zum Eröffnungsbeschluss.

Zunächst hier der BGH, Beschl. v. 16.05.2024 – 2 StR 528/23. Ein Klassiker, nämlich der nicht von allen Berufsrichtern unterschriebene Eröffnungsbeschluss. Ergebnis: Einstellung des Verfahrens:

„1. Es besteht ein von Amts wegen zu berücksichtigendes Verfahrenshindernis, weil es an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss fehlt.

a) Der Eröffnungsbeschluss vom 10. Mai 2023, den lediglich zwei statt nach § 199 Abs. 1 StPO, § 76 Abs. 1 Satz 2 GVG, § 33b Abs. 1 und 7, § 33a Abs. 2, § 107 JGG richtig drei zur Mitwirkung berufene Berufsrichter unterschrieben haben, ist mangels einer Entscheidung in der für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Besetzung unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2015 ‒ 2 StR 45/14, BGHSt 60, 248, 250).

Zwar ist die Unterzeichnung eines Eröffnungsbeschlusses durch die erlassenden Richter als solche keine Wirksamkeitsvoraussetzung (BGH, Beschlüsse vom 17. Oktober 2013 ‒ 3 StR 167/13, NStZ 2014, 400 f. mwN; vom 14. Juli 2016 ‒ 2 StR 514/15, NStZ 2017, 55, 56; vom 21. Oktober 2020 ‒ 4 StR 290/20, NStZ 2021, 179, 180; vom 6. Juni 2023 ‒ 5 StR 136/23, NStZ-RR 2023, 253). Vielmehr kann auch anderweit nachgewiesen werden, dass der Beschluss tatsächlich von allen hierzu berufenen Richtern gefasst worden ist. Das setzt jedoch eine mündliche Beschlussfassung oder eine dahin zu verstehende gemeinsame Besprechung oder Beratung voraus (BGH, Beschlüsse vom 13. März 2014 ‒ 2 StR 516/13, juris Rn. 3; vom 6. Juni 2023 ‒ 5 StR 136/23, aaO).

Eine Beschlussfassung durch alle hierzu berufenen Richter lässt sich nicht feststellen. Die seinerzeit der Jugendkammer als weiteres berufsrichterliches Mitglied zugewiesene Richterin am Landgericht, die den Eröffnungsbeschluss nicht unterschrieben hat, hat in ihrer dienstlichen Erklärung vom 18. März 2024 bekundet, der Eröffnungsbeschluss sei von ihr weder vorbereitet worden noch habe er ihr vorgelegen. Eine eigene Mitwirkung an der Beschlussfassung sei ihr nicht erinnerlich. Die beiden anderen berufsrichterlichen Mitglieder der Jugendkammer, die den Eröffnungsbeschluss unterzeichnet haben, haben jeweils dienstlich erklärt, keine Erinnerung an das Zustandekommen des Beschlusses vom 10. Mai 2023 zu haben. Eine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens konnte die Jugendkammer, die in der Besetzung mit zwei Berufsrichtern verhandelt hat, in der Hauptverhandlung nicht nachholen (BGH, Urteil vom 25. Februar 2010 ‒ 4 StR 596/09, juris Rn. 11 f.; Beschluss vom 29. September 2011 ‒ 3 StR 280/11, NStZ 2012, 225, 226).

b) Das Fehlen eines Eröffnungsbeschlusses stellt ein in der Revisionsinstanz nicht mehr behebbares Verfahrenshindernis dar, das die Einstellung des gerichtlichen Verfahrens, gemäß § 467 Abs. 1 StPO auf Kosten der Staatskasse, zur Folge hat (BGH, Urteil vom 14. Mai 1957 ‒ 5 StR 145/57, BGHSt 10, 278, 279; Beschlüsse vom 29. September 2011 ‒ 3 StR 280/11, NStZ 2012, 225, 226; vom 18. Juli 2019 ‒ 4 StR 310/19, juris Rn. 3). Zur Klarstellung hebt der Senat das angegriffene Urteil mit den Feststellungen auf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. September 2011 ‒ 3 StR 280/11, aaO; vom 13. März 2014 ‒ 2 StR 516/13, juris Rn. 4; vom 6. Juni 2023 ‒ 5 StR 136/23, NStZ-RR 2023, 253, 254).“

Und dann dasselbe noch einmal im BGH, Beschl. v. 15.05.2024 – 6 StR 161/14 – für den nach Verbindung in der Hauptverhandlung gefassten EÖB.