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Corona I: Ausgangssperre in Sachsen, oder: Nochmals – der Gerichtsbesuch als „triftiger Grund“

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Auch nach einem Jahr Corona geht kein Weg daran vorbei: Es wird weitere Entscheidungen zur Pandemie bzw. zu Pandemiefragen geben. Und es nutzt nichts. Man muss darüber berichten.

Heute zu der Thematik daher wieder zwei „Corona-Entscheidungen“, und zwar zunächst der BGH, Beschl. v. 06.01.2021 – 5 StR 363/20 – zur Frage der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung in Corona-Zeiten. Der Angeklagte hatte mit der Verfahrensrüge gegen seine Verurteilung durch das LG Dresden einen Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes geltend gemacht. Ohne Erfolg:

„2. Die Revision kann mit der Verfahrensrüge der Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes (§ 169 GVG, § 338 Nr. 6 StPO), ungeachtet der in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts aufgezeigten Zulässigkeitsbedenken, nicht durchdringen. Die aufgrund der COVID-19-Pandemie durch die Allgemeinverfügung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Vollzug des Infektionsschutzgesetzes vom 22. März 2020 angeordneten Ausgangsbeschränkungen stellen kein Verbot dar, als Zuhörer und damit als Teil der Saalöffentlichkeit an einer Hauptverhandlung teilzunehmen (ebenso BGH, Beschluss vom 17. November 2020 – 4 StR 390/20).

a) Der in § 169 GVG niedergelegte Öffentlichkeitsgrundsatz als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips (BVerfG, Beschluss vom 14. März 2012 – 2 BvR 2405/11, BVerfGK 19, 352; Urteil vom 24. Januar 2001 – 1 BvR 2623/95, BVerfGE 103, 44) gewährleistet, dass jedermann grundsätzlich die Möglichkeit hat, an Verhandlungen der Gerichte als Zuhörer teilzunehmen (BGH, Urteil vom 6. Oktober 1976 – 3 StR 291/76, BGHSt 27, 13). Dadurch soll eine Kontrolle der Justiz durch die am Verfahren nicht beteiligte Öffentlichkeit – als historisch unverzichtbares Institut zur Verhinderung obrigkeitlicher Willkür – ermöglicht werden (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10, BVerfGE 133, 168, 217 f., Rn. 88; vgl. zum Ganzen Wickern, in: Löwe-Rosenberg StPO, 26. Aufl., vor § 169 GVG Rn. 2.ff..mwN).

b) Das Landgericht hat die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens nicht verletzt.

Nach Nr. 1 der sächsischen Allgemeinverfügung ist lediglich das Verlassen der häuslichen Unterkunft ohne triftigen Grund untersagt. Welche Gründe triftig sind, zählt Nr. 2 auf, so in Nr. 2.9 die Wahrnehmung unaufschiebbarer Termine bei Behörden, Gerichten, Gerichtsvollziehern, Rechtsanwälten und Notaren. Durch die Formulierung „insbesondere“ wird klargestellt, dass es sich um keine abschließende Aufzählung handelt. Auch die Teilnahme an öffentlichen Gerichtsverhandlungen begründet einen triftigen Grund (BGH, Beschluss vom 17. November 2020 – 4 StR 390/20; zur fast wortgleichen bayerischen Regelung OLG München, NJW 2020, 1381; ebenso Rau in Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 2. Aufl., § 19 Rn. 83; Meßling in Schlegel/Meßling/Bockholdt, COVID-19-Corona-Gesetzgebung – Gesundheit und Soziales, § 20 Verfahrensrecht Rn. 60; aA Kulhanek, NJW 2020, 1183,1184; Arnoldi, NStZ 2020, 313, 315).

Dies ist damit in Einklang zu bringen, dass die gesundheitspolizeilichen Maßnahmen der Allgemeinverfügung auf die Eindämmung des pandemischen Infektionsgeschehens gerichtet sind und einen Ausgleich zwischen dem Schutz vor der weiteren Ausbreitung des Corona-Virus und der Aufrechterhaltung elementarer Lebensbereiche suchen. Durch Nr. 2.9 der Allgemeinverfügung wird klargestellt, dass die Funktionstüchtigkeit der Justiz als wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaats aufrechterhalten bleiben soll. Auch das Bundesverfassungsgericht hat im Zusammenhang mit der Gefährdungslage durch die COVID-19-Pandemie darauf hingewiesen, dass die Sicherung des Rechtsfriedens durch das Strafrecht in der Ausnahmesituation einer Pandemie weiterhin eine wichtige Aufgabe staatlicher Gewalt bleibt (BVerfG, Beschluss vom 16. November 2020 – 2 BvQ 87/20, Rn. 50; ebenso SächsVerfGH, NJW 2020, 1285, 1286). Dessen Aufrechterhaltung bedingt nicht nur die Teilnahme der unmittelbar am Gerichtsverfahren Beteiligten, sondern auch die Gewährleistung der Saalöffentlichkeit.

c) Ungeachtet, ob sich Interessierte durch die Ausgangsbeschränkungen von dem Besuch von Gerichtsverhandlungen haben abhalten lassen, wozu die Revision § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Vortrag indes vermissen lässt, gilt Folgendes:

Selbst wenn Einzelne aufgrund der gesundheitspolizeilichen Maßnahmen auf den Besuch einer Hauptverhandlung verzichtet haben sollten, läge auch in diesem Fall keine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes durch das Tatgericht vor. Denn ein trotz eines nicht bestehenden Teilnahmeverbots vorgenommener Verzicht Einzelner würde in diesen Fällen auf Umständen beruhen, die nicht in den Verantwortungsbereich des Gerichts fielen (vgl. OLG München, NJW 2020, 1381; Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl., § 169 Rn. 25a; Arnoldi, NStZ 2020, 313, 316; offen gelassen BGH, Beschluss vom 17. November 2020 – 4 StR 390/20; zur Frage des Vertretenmüssens etwa BGH, Beschluss vom 7. April 2016 – 1 StR 579/15, NStZ-RR 2016, 245; Urteile vom 18. Dezember 1968 – 3 StR 297/68, BGHSt 22, 297, 301 f.; vom 10. Juni 1966 – 4 StR 72/66, BGHSt 21, 72, 73; Franke, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 338 Rn. 113; MüKo-StPO/Knauer/Kudlich, § 338 Rn. 134 ff.; KK-StPO/Gericke, 8. Aufl., § 338 Rn. 89; jeweils mwN).

Bei einer von ihm nicht zu vertretenden Sachlage wäre das Tatgericht schließlich nicht verpflichtet, dem Öffentlichkeitsgrundsatz durch eine Unterbrechung oder eine Aussetzung noch weitergehende Wirkung zu verschaffen. Anders als im Einzelfall kurzfristiger Beschränkungen (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 11. Juli 1979 – 3 StR 165/79) kann dies insbesondere dann nicht gelten, wenn die Dauer der möglichen Einschränkungen wie bei der aktuellen Pandemie nicht absehbar ist. Denn die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Pflicht des Staates, eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten, umfasst auch in Ausnahmesituationen die Pflicht, die Einleitung und Durchführung des Strafverfahrens sicherzustellen (BVerfG, Beschluss vom 16. November 2020 – 2 BvQ 87/20, Rn. 50; SächsVerfHG, NJW 2020, 1285, 1286). Durch den – während des hier laufenden Strafverfahrens noch nicht geltenden – § 10 EGStPO sollte ebenfalls nur eine Reduktion des Geschäftsbetriebs ermöglicht, aber keinesfalls ein Stillstand über möglicherweise Wochen oder Monate – in denen Angeklagte sich in Untersuchungshaft befänden, Taten verjährten etc. – herbeigeführt werden (vgl. Arnoldi, aaO, 317).“

Hatten wir schon mal ähnlich: Corona I: Öffentlichkeitsgrundsatz versus Aussgangssperre, oder: Der Gerichtsbesuch als “triftiger Grund”?

Corona II: Corona-Schutz-VO, oder: Zeitgesetze?

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Bei der zweiten „Corona-Entscheidung“, die ich vorstelle, handelt es sich um den OLG Hamburg, Beschl. v. 17.2.2021 – 2 RB 69/20. Thematik: Die Corona-VO als Zeitgesetz? Dazu das OLG:

„2. Die – auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung beruhenden – Feststellungen zur Sache tragen den Schuldspruch.

a) Das Amtsgericht hat im Wesentlichen festgestellt:

Der Betroffene war am 17. April 2020 um 17:20 Uhr in Hamburg auf dem Mittelweg mit seiner Ehefrau und seinem Kleinkind unterwegs. Auf der Straße begrüßte er bei einem zufälligen Zusammentreffen die Schwester seiner Ehefrau und deren Ehemann durch Berührung des Ellenbogens des anderen mit dem eigenen Ellenbogen, wobei der Betroffene zu den anderen drei erwachsenen Personen einen Mindestabstand von 1,5 m nicht einhielt, obwohl ihm das Abstandsgebot bekannt war und die örtlichen und räumlichen Verhältnisse dessen Beachtung zugelassen hätte. Der Betroffene lebte mit seiner Ehefrau und dem gemeinsamen Kleinkind, nicht aber mit den übrigen Personen in derselben Wohnung. Ein Sorge- oder Umgangsrechtsverhältnis des Betroffenen bestand im Verhältnis des Betroffenen zu letzteren Personen nicht.

b) Die festgestellte Zuwiderhandlung stellte einen Verstoß gegen das Abstandsgebot gemäß § 1 Abs. 1 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO vom 2. April 2020 und damit eine Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG, 33 Abs. 1 Nr. 1 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO dar. Der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der genannten Verordnung greift nicht ein. Denn § 1 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung vom 2. April 2020 erlaubt nur die Begleitung einer weiteren Person, die nicht in derselben Wohnung lebt. Hier waren es deren zwei.

c) Die zur Tatzeit geltende Vorschrift des § 1 Abs. 1 und 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO vom 2. April 2020 ist unbeschadet ihres Außerkrafttretens und ihrer Ersetzung durch andere, für den Betroffenen etwa „günstigere“ Vorschriften, noch anzuwenden.

aa) Auch im Ordnungswidrigkeitsverfahren gilt, dass eine Geldbuße sich nach dem Gesetz bestimmt, das zur Zeit der Handlung gilt (§ 4 Abs. 1 OWiG). Wird dabei das Gesetz, das bei Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden (§ 4 Abs. 3 OWiG: Meistbegünstigungsprinzip).

Allerdings sieht § 4 Abs. 4 OWiG eine Ausnahme von dem Meistbegünstigungsprinzip für sogenannte Zeitgesetze vor, bei denen es für die Bußgelddrohung grundsätzlich bei dem Tatzeitprinzip zu verbeiben hat, da anderenfalls bei ausnahmsloser Anwendung des Gebots der Rückwirkung des mildesten Gesetzes diese Zeitgesetze gegen Ende ihrer Geltungsdauer nach und nach die erforderliche Achtung in der dann begründeten Erwartung verlieren, nach Außerkrafttreten des Gesetzes könnten Gesetzesübertretungen nicht mehr geahndet werden (vgl. BGHSt 6, 30; KK-OWiG/Rogall, § 4 Rn. 35 m.w.N.).

Ein derartiges Zeitgesetz (im engeren Sinne) ist dadurch gekennzeichnet, dass bereits bei seiner Verkündung oder später ein nach dem Kalender festgelegter Zeitpunkt oder ein sonstiges in der Zukunft liegendes Ereignis, an dem das Gesetz außer Kraft treten soll, ausdrücklich bestimmt wird (KK-OWiG/Rogall, § 4 Rn. 37; Göhler/Gürtler, § 4 Rn. 10).

Demgegenüber kann auch ohne eine solche Bestimmung ein Zeitgesetz (im weiteren Sinne) vorliegen, wenn es Regelungen enthält, denen nach ihrem Zweck und erkennbaren Willen des Gesetzgebers, etwa wegen eines dynamischen, nicht voraussehbaren Prozesses, nur vorübergehende Bedeutung und insoweit vorbehaltene Neubewertung zukommen soll (vgl. BGHSt 6, 30; KK-OWiG/Rogall, § 4 Rn. 37), vgl. BGHSt 6, 30; KK-OWiG/Rogall, § 4 Rn. 35 m.w.N.). Allerdings wird das Meistbegünstigungsprinzip dann wieder eine Bedeutung erlangen, wenn diese Neubewertung nicht ausschließlich auf der Veränderung der in Betracht kommenden Lebensverhältnisse, sondern auf einem Wechsel in der Rechtsanschauung des Gesetzgebers beruht (vgl. RGSt 57, 209; LK/Dannecker/Schuhr, StGB, § 2 Rn. 159; Schönke/Schröder/Hecker, StGB, § 2 Rn. 38; KK-OWiG/Rogall, § 4 Rn. 36): Denn wenn die außergewöhnlichen Verhältnisse nicht mehr in gleicher Weise geregelt werden wie zur Zeit der Einführung des Zeitgesetzes, liegt eine Bewertungsänderung durch den Gesetzgeber vor, mit der zum Ausdruck gebracht wird, dass das Zeitgesetz auch für die Altfälle nicht mehr als die zutreffende Regelung Geltung beanspruchen will (LK/Dannecker/Schuhr, § 2 Rn. 159). Das setzt allerdings voraus, dass das ursprüngliche Zeitgesetz nicht wegen Änderung seiner tatsächlichen Voraussetzungen, sondern deswegen gemildert wird, weil sich der Gesetzgeber zu der ursprünglich schärferen Regelung nicht mehr bekennt (vgl. KK-OWiG/Rogall, § 4 Rn. 37).

bb) Hieran gemessen erweist sich die Vorschrift des § 33 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 und 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO vom 2. April 2020 als Zeitgesetz, dessen Änderung durch spätere Verordnungen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus in der Freien und Hansestadt Hamburg für die Ahndung der Zuwiderhandlung des Betroffenen außer Betracht zu bleiben hat, weil diese zeitgesetzlichen Änderungen lediglich auf einer Anpassung an den Verlauf des Infektionsgeschehens beruhen.

(1) § 33 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO vom 2. April 2020 sollte von vornherein gemäß § 34 der Verordnung mit Ablauf des 30. April 2020 außer Kraft treten, § 1 der Verordnung bereits mit Ablauf des 19. April 2020, und ist daher als Zeitgesetz im engeren Sinne zu qualifizieren.

(2) Spätere Lockerungen des kontaktbeschränkenden Abstandsgebots im Sinne einer Ausweitung des Ausnahmetatbestandes für Aufenthalte von Personen, die in derselben Wohnung leben, und Personen, die gemeinsam in einer anderen Wohnung leben, bei einer Höchstzahl von zehn Personen (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO vom 26. Mai 2020) sowie von Personen, zwischen denen ein bestimmtes familienrechtliches Verhältnis besteht (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO vom 30. Juni 2020) oder allgemein bis zu zehn Personen (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO vom 30. Juni 2020) beruhten ersichtlich auf einem Rückgang der Neuinfektionen im Frühling und Sommer 2020.

(3) Mit der Verordnung vom 7. Januar 2021 (HmbGVBl. Nr. 1/2021, S. 1), der 27. Verordnung zur Änderung der HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO vom 30. Juni 2020, ist der Verordnungsgeber, soweit es das Abstandsgebot bei Zusammenkünften von Angehörigen eines gemeinsamen Haushalts mit Personen eines weiteren Haushalts ohne Sorge- oder Umgangsrechtsverhältnisse betrifft, zu der strengen Regelung wie zur Tatzeit erneut zurückgekehrt.

Dies wurde mit der aktuellen epidemiologischen Lage und Infektionsdynamik begründet, die eine Reduktion persönlicher Kontakte dringend erforderlich mache, um die Gesundheit zu schützen sowie eine Überlastung der Kapazitäten des Gesundheitswesens zu verhindern (HmbGVBl. Nr. 1/2021, S. 3). Der Umstand, dass der Verordnungsgeber zuvor in der Begründung zur 23. Verordnung zur Änderung der HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO vom 30. Juni 2020 (HmbGVBl. Nr. 65/2020, S. 595, 608) trotz kritischer Entwicklung des Infektionsgeschehens in Hamburg zum Schutz der grundrechtlichen Freiheiten von Familie und Wohnung für Haushaltsangehörige und Familienmitglieder sowie zum Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit für Zusammenkünfte mit Angehörigen eines weiteren Haushalts eine weitergehende Ausnahme vom Abstandsgebot geregelt hat, deutet nicht auf eine grundsätzliche Neubewertung der Situation in dem Sinne hin, dass grundrechtlichen Belangen und sozialen Bedürfnissen in jedem Falle vor effektiver Bekämpfung der Pandemie (auch) durch Kontaktbeschränkungen der Vorzug gegeben werden sollte.

Vielmehr handelte der Verordnungsgeber in der Erwartung, das Gesamtkonzept der Neuregelung – welches in anderen Bereichen auch Verschärfungen vorsah, wie etwa Beschränkungen von Zusammenkünften auch in privaten Wohnräumen, die keine Feierlichkeiten darstellen (vgl. § 4a HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO vom 30. Juni 2020 i.d.F. des § 1 Nr. 3 der 23. Änderungsverordnung gegenüber § 2 Abs. 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO vom 2. April 2020) und die Maskenpflichten (vgl. § 10a HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO vom 30. Juni 2020 i.d.F. des § 1 Nr. 4 der 23. Änderungsverordnung) – führe zu einer Verringerung der Verbreitungsgeschwindigkeit des Coronavirus (HmbGVBl. Nr. 65/2020, S. 603). Dass die Begründung der Änderungsverordnung nicht allein auf empirische, sondern auch normative Aspekte (geringstmögliche Einschränkung der Ausübung grundrechtlicher Freiheiten) Bezug nimmt, gibt der Änderungsverordnung nicht schon den Charakter einer Milderung des früheren Zeitgesetzes durch späteres Zeitgesetz (vgl. auch Kießling/Lorenz/ O?lakc?o?lu, IfSG, vor §§ 73 Rn. 22), denn der Verordnungsgeber hielt das Abstandsgebot weiterhin für geeignet und erforderlich, um die Zahl der Neuinfektionen zu begrenzen.

cc) Fehlt es nach alledem an einer relevanten Bewertungsänderung, kann für die Rechtsverordnungen zur Gefahrenabwehr im Rahmen von Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz die Rückwirkung des mildesten Gesetzes nicht in Betracht kommen; dem früheren Normbefehl ist die nachwirkende Autorität nicht zu versagen.

d) Die Regelungen in §§ 1 Abs. 1 und 2, 33 Abs. 1 Nr. 1 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO vom 2. April 2020 in Verbindung mit §§ 28 Abs. 1, 32 Satz 1, 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG genügen dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG und § 3 OWiG.

…….“

Corona I: CoronaschutzVO NRW ist ok, oder: Das OLG Hamm pfeift das AG Dortmund zurück

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Ich beginne die Woche dann wieder mit zwei Entscheidungen zu Corona. Es lässt sich leider nicht ändern. Die Fragen werden uns sicherlich auch noch längere Zeit „begleiten“.

Es geht zunächst noch einmal um das Ansammlungsverbot in NRW nach der im April 2020 geltenden Corona-VO. Die hatte das AG Dortmund im AG Dortmund, Urt. v. 02.11.2020 – 733 OWi 127 Js 75/20-64/20 – als unwirksam angesehen.

Dem AG hat jetzt auf die Rechtsbeschwerde der StA der 1. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 08.02.2021 – 1 RBs 2, 4-5/21 – geantwortet.

Der 1. Senat für Bußgeldsachen meint, dass das „Ansammlungsverbot“ nach der im April 2020 geltenden Coronaschutzverordnung eine ausreichende gesetzliche Grundlage hat und nicht gegen höherrangiges Recht verstößt.

Damit gibt es beim OLG Hamm eine eine einheitlliche Rechtsprechung. Denn auch der 4. Senat für Bußgeldsachen hatte die VO ja schon als wirksam angesehen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 28.01.2021 – 4 RBs 446/20 und dazu: Corona II: “Zusammenkunft oder Ansammlung” schon bei zwei Personen, oder: CoronaschutzVO NRW ist ok).

Auch der 1. Senat für Bußgeldsachen geht davon aus, dass das „Ansammlungsverbot“ nach dem im April 2020 geltenden § 12 der CoronaschutzVO eine ausreichende gesetzliche Grundlage in den Regelungen des Infektionsschutzgesetzes (§§ 32, 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG in der Fassung vom 27.03.2020) findet. Sowohl die vorgenannte Regelung in der CoronaschutzVO als auch das InfektionsschutzG würden – entgegen der Auffassung des Amtsgerichts – nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Insbesondere sei die Verordnungsermächtigung des Infektionsschutzgesetztes hinreichend bestimmt und auch mit dem so genannten Vorbehalt des Gesetzes in seiner Ausprägung als Parlamentsvorbehalt vereinbar.

Also: Noch einmal neu beim AG Dortmund.

Pflichti I: Beiordnungsgründe, oder: Gesamtstrafübel, Nebenfolgen und/oder Corona

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Seit meinem letzten Tag mit Pflichtverteidigungsentscheidungen ist wieder einiges an neuen Entscheidungenaufgelaufen. Daher kann ich dann heute wieder einige Entscheidungen vorstellen.

Ich starte mit zwei Entscheidungen zu den Beiordnungsgründen, und zwar zunächst mit dem LG Stralsund, Beschl. v. 02.202.2021 – 26 Qs 4/21. Gegenstand der Entscheidung: Beiordnung in den Fällen einer Gesamtstrafe. Das LG sagt/meint:

Die Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge ist in der Regel bei einer Straferwartung von einem (nicht über einem) Jahr und mehr anzunehmen. Diese Grenze gilt auch, wenn sie nur durch eine Gesamtstrafenbildung erreicht wird.

Insoweit nicht viel Neues aus Stralsund, außer: Das haben wir immer schon so gemacht, was dieses Mal auch richtig ist.

Interessanter ist da schon der LG Aurich, Beschl. v. 05.02.2021 – 12 Qs 28/21. In ihm geht es auch um die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach § 140 Abs. 2 StPO. Und es geht auch um das sog. Gesamtstrafübel – hier Nebenfolge: Einziehung – und das „gepaart“ mit Corona. Dazu das LG:

„Vorliegend erscheint die Beiordnung eines Pflichtverteidigers wegen der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge geboten.

1. Allerdings hat das Amtsgericht zu Recht darauf verwiesen, dass die Schwere der zu erwartenden Strafe eine Beiordnung nicht rechtfertigt.

Auch im Zuge der Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung, im Rahmen derer die „Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge“ ausdrücklich in den Wortlaut des § 140 Abs. 2 StGB aufgenommen worden ist, sind die im Rahmen der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze weiterhin von Bedeutung, da sich bislang die Schwere der Tat ebenfalls nach der zu erwartenden Rechtsfolgenentscheidung beurteilt hat (vgl. BeckOK StPO/Krawczyk, 38. Ed. 01.10.2020, StPO § 140 Rn. 23). Die Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge beurteilt sich mithin in erster Linie nach der zu erwartenden Rechtsfolge im Fall einer Verurteilung, wobei eine Verteidigerbeiordnung bei einer zu erwartenden Freiheitsstrafe ab einem Jahr in der Regel geboten ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 140 Rn. 23 m.w.N.).

Vorliegend ist lediglich eine Geldstrafe zu erwarten. Bei den 24 angeklagten Steuerstraftaten handelt es sich um Vergehen i.S.d. § 370 Abs. 1 und 2 AO. Das Vorliegen eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung — mit der Folge einer Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten (§ 370 Abs. 3 AO) — ist nicht ersichtlich. Die im Einzelnen hinterzogenen Beträge liegen jeweils unterhalb der Wertgrenze von 50.000,00 E, die die Rechtsprechung für eine Steuerhinterziehung großen Ausmaßes i.S.d. § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO zieht (BGH, Urteil vom 27.10.2015 — 1 StR 373/15 = NStZ 2016, 288 [289 f.]). Die im Falle des Schuldspruches vom Strafgericht zu bildende Gesamtstrafe ist mithin höchstwahrscheinlich eine Geldstrafe, da das Gericht aus einzelnen Geldstrafen nicht eine Gesamtfreiheitsstrafe bilden darf (BGH, Urteil vom 17.11.1994 —4 StR 492/94 = NStZ 1995, 178).

2. Nichtsdestotrotz erscheint der Kammer aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falls die Beiordnung eines Pflichtverteidigers geboten.

Zum einen sind angesichts der Klarstellung in § 140 Abs. 2 StPO für die Beurteilung der Voraussetzungen einer Pflichtverteidigerbestellung die insgesamt zu erwartenden Rechtsfolgen, d.h. auch Nebenstrafen oder Nebenfolgen, in den Blick zu nehmen. Dies betrifft beispielsweise eine drohende Unterbringung nach § 64 StGB, die Entziehung der Fahrerlaubnis oder ein Fahrverbot bei entsprechender Berufstätigkeit (KK-StPO/Willnow, 8. Aufl. 2019 Rn. 21, StPO § 140 Rn. 21). In Bezug auf eine drohende Einziehung hat das Kammergericht entschieden, dass der Antrag auf Einziehung wertvoller Gegenstände die Beiordnung eines Pflichtverteidigers gebieten kann (KG, Beschluss vom 02.12.1996 — 1 Ss 285/96). Zum anderen ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch schwerwiegende mittelbare Nachteile aus einer Verurteilung zu berücksichtigen sind, z.B. der drohende Widerruf einer Bewährung in anderer Sache, erhebliche disziplinarrechtliche Folgen, drohender Widerruf der Zurückstellung nach § 35 BtMG, weitreichende haftungsrechtliche Folgen oder drohende Ausweisung (KK-StPO/Willnow, 8. Aufl. 2019 Rn. 21, StPO § 140 Rn. 21 m.w.N. aus der Rechtsprechung).

Vorliegend ist aufgrund der drohenden Einziehungsentscheidung, der beruflichen Stellung des Angeklagten und der allgemein bekannten Pandemielage eine Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge anzunehmen, die eine Pflichtverteidigerbestellung gebietet. Der Einwand des Angeklagten, im Falle einer antragsgemäßen Verurteilung und Einziehung wäre seine wirtschaftliche Existenz bedroht, ist glaubhaft. Das Amtsgericht hat mit Strafbefehl vom 03.04.2020 die Einziehung der (mutmaßlich) hinterzogenen Steuerbeträge von insgesamt 19.173,27 € angeordnet. Schon die Höhe des Einziehungsbetrages lässt vermuten, dass eine entsprechende Einziehungsentscheidung den Angeklagten als (faktischen) Inhaber des Imbissbetriebes wirtschaftlich bedrohen würde. Hinzu kommt, dass gerade das Gastronomiegewerbe in besonderer Weise unter den Infektionsschutzmaßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie leidet. Die Einnahmesituation der Gastronomie ist trotz Gewährung staatlicher Hilfen derzeit außerordentlich schlecht. Eine zeitnahe Besserung ist derzeit nicht absehbar. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass eine Verurteilung mittelbare Nachteile für den Angeklagten mit sich bringen könnte, beispielsweise die Untersagung des Gaststättenbetriebs wegen gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit nach der GewO und dem NGastG.“

Geldbuße I: Verstöße gegen Corona-VO, oder: Vorsatz bzw. Jugendlicher

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Heute dann Entscheidungen zur Geldbuße – mal nicht nur zu Corona, wie an den letzten Montagen. Aber ganz ohne Corona geht es auch nicht. Denn hier im ersten Posting habe ich zwei OLG-Entscheidungen, die sich mit der Höhe der Gledbuße bei Corona-Verstößen befassen.

In dem Zusammenhnag weise ich zunächst noch einmal auf den OLG Hamm, Beschl. v. 28.01.2021 – 4 RBs 446/20 – hin, über den ich ja schon berichtet hatte (Corona II: “Zusammenkunft oder Ansammlung” schon bei zwei Personen, oder: CoronaschutzVO NRW ist ok). In der Entscheidung hat das OLG auch Ausführungen zur Bußgeldbemessung gemacht, und zwar:

b) Die Höhe der verhängten Geldbuße hat jedoch keinen Bestand.

Die Bußgeldbemessung liegt grundsätzlich im Ermessen des Tatrichters, weshalb sich die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht darauf beschränkt, ob der Tatrichter von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist und von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat (OLG Karlsruhe NStZ-RR 2001, 278).

Der Bußgeldkatalog der CoronaSchVO NRW (Stand 30.03.2020) sieht für vorsätzliche oder fahrlässige Verstöße gegen das Ansammlungsverbot gemäß § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW für jeden Beteiligten ein Bußgeld in Höhe von 200,00 Euro vor. Auch wenn dieser als Verwaltungsrichtlinie keine Rechtsatzqualität hat und damit für die Gerichte nicht bindend ist, darf er mit Blick auf eine möglichst gleichmäßige Behandlung aller gleichgelagerten Fällen nicht gänzlich außer Betracht bleiben (vgl. Göhler/Gürtler, a.a.O, § 17 Rn. 32).

Vorliegend hat das Amtsgericht allein unter Hinweis auf die vorsätzliche Begehung der Tat auf eine erhöhte Geldbuße von 230,00 Euro erkannt. Den Urteilsgründen ist jedoch nicht zu entnehmen, ob das Amtsgericht überhaupt bedacht hat, dass der Bußgeldkatalog grundsätzlich für einen vorsätzlichen Verstoß, sofern es sich nicht um eine Wiederholungstat handelt, eine Geldbuße von 200,00 Euro vorsieht. Die Begründung für die Höhe der verhängten Geldbuße reicht deshalb nicht aus. Einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht bedarf es deswegen jedoch nicht. Der Senat entscheidet vielmehr nach § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst und hält eine Geldbuße in Höhe von 200,00 Euro für schuldangemessen. Erschwerende Tatumstände waren nicht ersichtlich. Insbesondere handelte es sich um einen Erstverstoß. Soweit der Betroffene nach den Urteilsfeststellungen einige Tage zuvor gemeinsam mit anderen Personen beim Picknick bzw. Grillen von der Polizei angetroffen worden war, ist es lediglich zu einer Verwarnung gekommen.“

Die zweite Entscheidung kommt vom OLG Oldenburg. Das AG hatte die Betroffene, die zur Tatzeit knapp 16 Jahre alt war, wegen Verstoßes gegen die Niedersächsische Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona Pandemie vom 7.4.2020 zu einer Geldbuße von 250 € verurteilt. Das passt dem OLG so nicht. Es hat im OLG Oldenburg, Beschl. v. 11.01.2021 – 2 Ss (OWi) 3/21 – den Rechtsfolgenausspruch des AG-Urteils aufgehoben:

„2. Als rechtsfehlerhaft erweist sich allerdings die Bemessung der Geldbuße durch das Amtsgericht.

Das Amtsgericht hat insoweit festgestellt, dass die Betroffene Schülerin sei. Sie lebe mit ihren älteren Geschwistern und ihren Eltern in einem Haushalt. Ihr Vater bestreite das Familieneinkommen. Derzeit beziehe dieser ein Krankengeld in Höhe von 1.000 €. Die Betroffene verfüge über ein monatliches Taschengeld in Höhe von 15 €. Über sonstiges Einkommen verfüge sie nicht.

Nicht zu beanstanden ist, dass das Amtsgericht eine Geldbuße gegen die Betroffene verhängt und sich dabei zunächst an der vorgesehenen Regelgeldbuße orientiert hat.

Eine Reduzierung allein deshalb, weil ein Betroffener Jugendlicher oder Heranwachsender ist, ist nicht geboten. Umgekehrt ist es aber nicht geboten, allein deshalb nicht zu reduzieren, weil gemäß § 98 OWiG die Geldbuße bei Nichtzahlung unter anderem in die Erbringung von Arbeitsleistungen umgewandelt werden kann, da diese Vorschrift lediglich das Vollstreckungsverfahren betrifft.

Es gelten vielmehr die allgemeinen Grundsätze für die Geldbußenbemessung (vgl. OLG Düsseldorf NZV 1992, 418; BeckOK OWiG, Stand 01.10.2020 – Graf, § 17 Rn. 21). Gemäß § 17 Abs. 3 OWiG ist Grundlage für die Zumessung der Geldbuße die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft. Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters kommen in Betracht; bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten bleiben sie jedoch in der Regel unberücksichtigt.

Dem angefochtenen Urteil lässt sich nicht entnehmen, ob die eingeschränkten wirtschaftlichen Möglichkeiten der Betroffenen berücksichtigt worden sind.

Dabei kann dahinstehen, ab wann eine geringfügige Ordnungswidrigkeit anzunehmen ist (vergleiche hierzu OLG Hamm DAR 2020, 214), da auch bei einer solchen die wirtschaftlichen Verhältnisse gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG nur „in der Regel“ unberücksichtigt bleiben. Liegen aber Anhaltspunkte für schlechte finanzielle Verhältnisse des Betroffenen vor, was unter anderem auch bei jugendlichem Alter der Fall sein kann (vergleiche Göhler-Gürtler/Thoma, OWiG 18. Aufl. § 17 Rn. 24), ist die Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse angezeigt.

Dementsprechend hat das Amtsgericht hier in jedem Fall zu Recht Feststellungen getroffen.

Die Betroffene verfügt danach nur über ein „Einkommen“ in Höhe von 15 Euro, das im Hinblick auf die Regelgeldbuße außergewöhnlich niedrig ist. Die Geldbuße beträgt nämlich das knapp 17fache eines „Monatseinkommens“. Die Regelsätze des Bußgeldkataloges gehen aber von durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen aus. Die nach den bisher getroffenen Feststellungen deutlich unterdurchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnisse wären deshalb im Rahmen der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen gewesen.

Zwar sind die Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Betroffenen rechtsfehlerfrei getroffen worden. Gleichwohl hebt der Senat sie auf, da nicht auszuschließen ist, dass sich zum Zeitpunkt der neuen Hauptverhandlung insoweit Änderungen ergeben haben. Maßgebend ist nämlich der Zeitpunkt der Entscheidung (Göhler a.a.O. Rn. 21). Um einer derartigen zumindest denkbaren Änderung Rechnung tragen zu können und die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Taschengeldempfängers nicht nur aus dem Taschengeld, sondern im wesentlichen aus allen ihm zufließenden Leistungen, insbesondere auch Unterhalt und seinem Vermögen bestehen (vergleiche OLG Düsseldorf NZV 1997, 410) und auch nicht gänzlich auszuschließen ist, dass die Betroffene über Vermögenswerte verfügt, entscheidet der Senat nicht in der Sache selbst, sondern verweist die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurück.“