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OWi III: Vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung?, oder: Verfahrensaussetzung und BVerfG 2 BvR 1167/20?

Und als dritte Entscheidung stelle ich dann heute den OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.09.2022 – 1 OLG 53 Ss-OWi 397/22 – vor. In ihm nimmt das OLG noch einmal u.a. zur Frage des Vorsatzes bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung Stellung.

Das OLG hat die Annahme von Vorsatz durch das AG nicht beanstandet:

„b) Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Schuldspruchs lässt keine Rechtsfehler erkennen. Die Feststellungen des Bußgeldgerichts tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 52 km/h, §§ 3 Abs. 3, 49 StVO, 24, 25 StVG, 3, 4 BKatV, Ziff. 11.3.8 der Anlage zur BKatV.

aa) Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass das Tatgericht aus objektiven Umständen, namentlich der erheblichen Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung, auf ein vorsätzliches Handeln des Betroffenen geschlossen hat (std. Rspr. des Senats, vgl. statt vieler Beschluss vom 19. Februar 2021, 1 OLG 53 Ss-OWi 864/20; Beschluss vom 22. Oktober 2020, (1 B) 53 Ss-OWi 433/20 [264/20]; Beschluss vom 22. September 2020, (1 B) 53 Ss-OWi 374/20 [220/20]; Beschluss vom 24. Juli 2020, (1 B) 53 Ss-OWi 318/20 [193/20]; jeweils m. w. N.; so auch BGH DAR 1997, 497; KG NZV 2004, 598; VRS 109, 132; OLG Rostock VRS 108, 376; OLG Bamberg DAR 2006, 464; OLG Jena VRS 111, 52). Bloße Fahrlässigkeit hätte nur damit begründet werden können, dass der Betroffene nicht bemerkt hätte, dass und in welchem Ausmaß er das generell auf Landstraßen außerhalb geschlossener Ortschaften geltende Tempolimit auf 100 km/h (§ 3 Abs. 3 Ziff. 2 c) S. 1 StVO) überschritt. Dies war nach den vom Bußgeldgericht getroffenen Feststellungen indes fernliegend. Schon angesichts des massiven Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung um 52 km/h drängte sich die Annahme vorsätzlicher Begehung geradezu auf (vgl. BGH DAR 1997, 497). Die Differenz zwischen erlaubter und gefahrener Geschwindigkeit war damit so erheblich, dass jeder Kraftfahrer merken musste, dass er nicht nur zu schnell, sondern erheblich zu schnell fuhr (vgl. OLG Düsseldorf NZV 1995, 161, 162). Auch ohne ständigen Blick auf den Tachometer seines Fahrzeugs kann im Normalfall davon ausgegangen werden, dass ein geübter Kraftfahrer, der die erlaubten 100 km/h um mehr als 50 % überschreitet, dies beispielsweise anhand der Motorengeräusche des ihm vertrauten Fahrzeugs, der sonstigen Fahrgeräusche, der Fahrzeugvibration und anhand der Schnelligkeit, mit der sich die Umgebung um ihn herum verändert, zuverlässig einschätzen und dadurch erkennen kann, dass er die erlaubte Höchstgeschwindigkeit erheblich überschreitet (BGH NJW 1993, 3081, 3084 m. w. N.). Selbst wenn der Betroffene nicht auf den Tachometer geschaut hätte, würde dies aus den genannten Gründen der Annahme von Vorsatz nicht entgegenstehen. Der Betroffene hatte auch ohne ständige Beobachtung des Tachometers eine ungefähre Vorstellung von der Größenordnung der gefahrenen Geschwindigkeit.

Dass dem Betroffenen der Umfang einer Geschwindigkeitsüberschreitung möglicherweise nicht exakt bekannt war, steht der Annahme von Vorsatz nicht entgegen. Vorsätzliches Handeln setzt eine solche Kenntnis nicht voraus, vielmehr genügt das Wissen, schneller als erlaubt zu fahren (KG, Beschluss vom 10. Dezember 2003, 3 Ws (B) 500/03 – 345 OWi 401/02, Juris; BayObLG NZV 1999, 97; OLG Koblenz DAR 1999, 227; OLG Jena VRS 111, 52). Dem Betroffenen war damit bewusst, dass er die zulässige Höchstgeschwindigkeit jedenfalls erheblich überschritt. Wenn er es im Bewusstsein dieses stark überhöhten Tempos unterließ, seine Geschwindigkeit durch den ihm jederzeit problemlos möglichen Blick auf den Tachometer zu kontrollieren und herabzusetzen, brachte er dadurch hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass er eine Geschwindigkeitsüberschreitung auch in dem tatsächlich realisierten Ausmaß von 52 km/h zumindest billigend in Kauf nahm. Vorsatz setzt – wie dargelegt – nicht die positive Kenntnis von der exakten Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung im Zeitpunkt der Messung voraus (std. Rspr. des Senats, vgl. statt vieler Beschluss vom 22. Oktober 2020, (1 B) 53 Ss-OWi 433/20 [264/20]; Beschluss vom 22. September 2020, (1 B) 53 Ss-OWi 374/20 [220/20]; Beschluss vom 24. Juli 2020, (1 B) 53 Ss-OWi 318/20 [193/20]; Beschluss vom 06. Juli 2020, (1 B) 53 Ss-OWi 286/20 [178/20]; s. a. OLG Düsseldorf NZV 1996, 463).“

Das OLG nimmt außerdem zur Höhe der Geldbuße bzw. zu den insowiet zu treffenden tatsächlichen Feststellungen Stellung – insoweit verweise ich auf den verlinkten Volltext – und macht Ausführungen zur Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf BVerfG 2 BvR 1167/20:

„bb) Das Verfahren ist nicht mit Blick auf das vor dem Bundesverfassungsgericht zum Aktenzeichen 2 BvR 1167/20 anhängige Verfassungsbeschwerdeverfahren auszusetzen. Eine Grundrechtsverletzung ist nicht zu besorgen. Die fehlende Reproduzierbarkeit der zum einzelnen Messwert führenden Berechnung wegen fehlender Rohmessdaten berührt weder den Anspruch des Betroffenen auf ein faires Verfahren noch denjenigen auf eine effektive Verteidigung (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 01. Dezember 2021, 1 OWi 2 SsBs 100/21, Rz. 15 m. w. N., Juris).“

Sonntagswitz, und da immer noch Witze zur Sommer-/Winterzeit möglich sind…..

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Seit einigen Jahren wird über die Abschaffung der Sommer-/Winterzeit bzw. der Umstellung diskutiert. Aber das soll EU-einheitlich laufen. Da man sich aber in der EU (mal wieder) nicht einigen kann, bleibt alles beim Alten. Für mich ganz gut, denn dann kann man immer nochmal Witze zur Sommer-/Winterzeit bringen. So dann auch heute mit – Vorsicht!, es können Doppelungen dabei sein, das habe ich nicht geprüft:

“Mist, diese Sommerzeit!”
“Aber warum denn?”
“Dieses blöde Uhren verstellen, ich musste 300 Euro Strafe zahlen.”
“Hä? Wieso Strafe?”
“Na ja, hatte die Gas- und Wasseruhr auch zurückgestellt!”


In der Deutschstunde werden die Zeitformen wiederholt.

,,Du wirst schwimmen, er wird schwimmen, sie wird schwimmen – welche Zeit ist das?“

,,Klarer Fall“, antwortet ein Schüler, ,,Sommerzeit“.


Im Frühjahr:

Diese blöde Zeitumstellung.

Mir fehlt genau die Stunde, in der ich Sport machen wollte.


Nächste Woche ist Zeitumstellung.

Ich wünsche mir die 80-ziger Jahre.

Ablehnung II: Spätester Zeitpunkt für die Ablehnung, oder: Bis zur Einlassung zur Sache

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Die zweite Entscheidung kommt – wie gesagt – auch aus dem Zivilrecht. Im LG Lübeck, Beschl. v. 21.03.2022 – 10 O 361/21 – nimmt das LG zum Verlust des Ablehnungsrechts und damit zum richtigen/spätesten Zeitpunkt für eine Ablehnung Stellung:

„Das Ablehnungsgesuch des Klägers vom 24. Februar 2022 ist unzulässig.

Gemäß § 42 Abs. 1, 2 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen.

Eine Partei kann einen Richter gemäß § 43 ZPO wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Einlassen in eine Verhandlung vor dem betreffenden Richter bedeutet jedes prozessuale, der Erledigung eines Streitpunktes dienende Handeln der Partei unter Mitwirkung des Richters, das der weiteren Sachbearbeitung und Streiterledigung des betreffenden Rechtsstreits dient (vgl. Hüßtege, in: Thomas/Putzo Zivilprozessordnung 41. Aufl. 2020, § 43 ZPO Rn. 4; Bendtsen, in: Sänger, Zivilprozessordnung 9. Aufl. 2021 § 43 ZPO Rn. 4; BGH NJW-RR 14, 382). Der Streiterledigung dient vor allem der Abschluss eines Vergleichs (OLG Frankfurt FamRZ 91, 839).

Die Parteien haben in dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2022 einen Widerrufsvergleich geschlossen und zudem durch Erklärung zu Protokoll Sachanträge (§ 297 ZPO) gestellt. Der Verlust des Ablehnungsrechts bezieht sich mithin auf alle Ablehnungsgründe, die vor dem Zeitpunkt vor Abschluss des Widerrufsvergleichs bzw. der Stellung der Sachanträge liegen (vgl. Bendtsen, in: Sänger, Zivilprozessordnung a. a. O. Rn. 6). Der Kläger nimmt in seinem Ablehnungsgesuch vom 24. Februar 2022 jedoch allein auf Vorgänge Bezug, die sich vor diesem Zeitpunkt zugetragen haben sollen.“

Unterbringung III: Nichtanordnung der Unterbringung, oder: Wirksamkeit der Ausnahme vom Rechtsmittel

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Und als dritte Entscheidung dann noch der BGH, Beschl. v. 19.07.2022 – 4 StR 116/22, Das LG hat A wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen und wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Von einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB hat es abgesehen. Dagegen die Revision des Angeklagten.

Der BGH hat die Verurteilung wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens aufgehoben. Aufgehoben hat er auch die Gesamtstrafe und den gesamten Maßregelausspruch. Wegen Letzterem führt er aus:

„b) Der Maßregelausspruch kann auch nicht bestehen bleiben, soweit das Landgericht ohne jede Erörterung von einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB abgesehen hat.

aa) Zwar hat der Angeklagte durch Verteidigerschriftsatz vom 24. Januar 2022 erklärt, die Nichtanordnung der Maßregel gemäß § 64 StGB von seinem Rechtsmittelangriff auszunehmen. Diese Revisionsbeschränkung ist jedoch unwirksam, weil die Revision sich mit der Sachrüge gegen den gesamten Schuldspruch wendet und dieser unter den hier gegebenen Umständen nicht losgelöst von der Maßregelfrage geprüft werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2011 – 2 StR 139/11 ,StV 2012, 72).

bb) Die unterbliebene Maßregelanordnung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die tatgerichtlichen Feststellungen zum Vorliegen eines Hangs im Sinne des § 64 StGB sind widersprüchlich. Das Landgericht hat einerseits das Vorliegen eines Hangs im Sinne des § 64 StGB ausdrücklich verneint und andererseits festgestellt, dass der Angeklagte die verfahrensgegenständlichen Taten aufgrund einer „Betäubungsmittelabhängigkeit“ begangen hat. Die Feststellung einer zu Beschaffungsdelikten führenden physischen oder jedenfalls psychischen Betäubungsmittelabhängigkeit trägt jedoch regelmäßig die Annahme eines Hangs im Sinne des § 64 StGB , ohne dass es auf den Grad oder die Ausprägung der Abhängigkeit im Einzelnen ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2019 – 4 StR 80/19 Rn. 12; Beschluss vom 18. September 2013 – 1 StR 456/13 Rn. 7).

c) Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht wird daher – unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (vgl. § 246a StPO ) – die Frage der Maßregelanordnung insgesamt neu zu prüfen und dabei auch zu beachten haben, dass § 64 StGB gegenüber einer Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG Vorrang hat (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2020 – 3 StR 195/20 Rn. 5; Beschluss vom 28. Juli 2020 – 2 StR 210/20 ,StV 2021, 362, 363; Beschluss vom 15. Juni 2010 – 4 StR 229/10 , NStZ-RR 2010, 319, 320). Ein „Wahlrecht“ des Angeklagten besteht insoweit nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2017 – 1 StR 646/16 Rn. 11).“