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Pflichti III: 4 x nachträgliche Bestellung zulässig, oder: Schritt(e) in die richtige Richtung

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Und dann – wie fast immer an „Pflichti-Tagen“ – noch etwas zum Dauerbrenner: Rückwirkende Bestellung. Dazu habe ich dann vier Entscheidungen, und zwar:

Alle vier Entscheidungen bejahen die rückwirkende Bestellung. Interessant in dem Zusammenhang vor allem der Beschluss des LG Braunschweig. Das „übergeordnete“ OLG lehnt die nachträgliche Bestellung nämlich ab. Anders also das LG, allerdings nur bei inhaftierten Beschuldigten. Aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung.

 

StGB I: Wieder: Sexueller Missbrauch eines Kindes, oder: „Bestimmen“ eines schlafenden Kindes?

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Und heute dann noch einmal StGB-Entscheidungen, also sog. materielles Recht; die Entscheidungen werden sonst – zumindest zum Teil – zu alt.

In den Tag starte ich mit dem BGH, Beschl. v. 24.08.2023 – 3 StR 257/23 -, der sich zum sexuellen Missbrauch von Kindern äußert, und zwar wie folgt:

„Ergänzend bemerkt der Senat:

Indem der Angeklagte bei der Tat 2 der Urteilsgründe die Hand eines Anderen, für jenen überraschend, auf den entblößten Penis eines schlafenden Jungen legte, bestimmte er letzteren nicht zu sexuellen Handlungen mit Dritten im Sinne des § 176 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Es ist schon begrifflich ausgeschlossen, ein schlafendes Kind zu etwas i.S. des § 176 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu bestimmen (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1997 – 3 StR 567/97, BGHSt 43, 366, 369). Unter „Bestimmen“ ist vielmehr jede Einwirkung auf den Willen des Kindes zu verstehen, die es zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen veranlasst. Wenngleich deren sexuelle Bedeutung von dem Kind nicht erfasst werden muss, ist es erforderlich, dass der Täter dessen Verhalten in irgendeiner Form beeinflusst hat und das tatsächliche Einverständnis des Kindes mit dem Geschehen – jedenfalls auch – darauf beruht (vgl. BeckOK StGB/Ziegler, 58. Ed., § 176 Rn. 11; NK-StGB/Papathanasiou, 6. Aufl., § 176 Rn. 20; MüKoStGB/Renzikowski, 4. Aufl., § 176 Rn. 33 ff.).

Dieser Rechtsfehler gefährdet den Bestand des Urteils allerdings nicht. Der Schuldspruch wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176c Abs. 1 Nr. 1 StGB beruht nicht auf ihm, weil der Angeklagte durch das festgestellte Tatgeschehen im Sinne des § 176 Abs. 1 Nr. 1 StGB sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren vornahm. Auf den Strafausspruch wirkt er sich ebenfalls nicht aus. Soweit das Landgericht dort ausgeführt hat, der Angeklagte habe „tateinheitlich weitere Straftatbestände verwirklicht“, hat es sich erkennbar darauf bezogen, dass der Angeklagte sich durch seine Handlung auch wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) und sexuellen Übergriffs (§ 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB) strafbar gemacht hat.“

Sonntagswitz, heute (noch) von Borkum zu Ostfriesen

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Ich war „über die Jahre“ ein paar Tage auf Borkum. Heute geht es heim. Aber es gehen dann ja wohl noch Ostfriesenwitze im ersten  Sonntagswitzposting des Jahres. Hier sind dann/daher:

Zwei Ostfriesen unterhalten sich.

Sagt der eine: „Gestern war ja Stromausfall, und da bin ich zwei Stunden im Aufzug steckengeblieben!“

Sagt der andere: „Da hast du aber Glück gehabt, ich musste vier Stunden auf der Rolltreppe stehen!“


Und noch einer zum Aufzug 🙂 :

Ein Ostfriese und ein Bayer begegnen sich im Fahrstuhl.

Sagt der Bayer: „Grüß Gott.“

Darauf der Ostfriese: „So hoch fahre ich nicht.“


Und auch immer wieder schön:

Zwei Ostfriesen unterhalten sich.

„Pass auf“, sagt der eine, „ich habe hier Geld in der Hand, wenn du errätst wie viel, gehören die zwei Euro dir!“

„Ach“, sagt der andere, „wozu soll ich mir wegen lumpiger zwei Euro den Kopf zerbrechen!“


Und dann der Klassiker:

Warum ist es in Ostfriesland so flach?

Damit man am Mittwoch schon weiß, wer am Sonntag zu Besuch kommt.

Nochmals: Wenn die Kerzen am Adventskranz brennen, oder: Ablenkung verboten, egal wodurch

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Und dann die zweite Entscheidung. Das ist aber nichts Neues zu/von Weihanchten. Denn das  OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.09.1999 – 4 U 182/98  – habe ich schon ein paar Mal berichtet, zwar nicht alle Jahre wieder, aber schon in 2011, 2015 und auch in 2017. Jetzt ist es, da ich aktuelle Entscheidungen mit weihnachtlichem Bezug nicht gefunden habe, mal wieder dran.

Der ein oder andere wird sich vielleicht erinnern: In der Entscheidung geht es um die Folgen eines Adventskranzbrandes am 1. Weihnachtsfeiertag. Das ist nun sicherlich ein Ereignis, das man nun gar nicht braucht. Aber es kommt, wie es kommt, so auch in dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall. Da heißt es:

…..Am 1. Weihnachtsfeiertag 1997 entzündete der Kläger nach dem Aufstehen zunächst im Wohnzimmer die Kerzen des aus echtem Tannengrün gebundenen Adventskranzes, der auf einer Glasplatte auf dem mit einer Kunststofftischdecke gedeckten Wohnzimmertisch stand. Anschließend bereitete er in der Küche den Frühstückskaffee zu und begab sich nach einem Blick auf den Adventskranz wieder in das Schlafzimmer, um seine Lebensgefährtin zu wecken, von der er danach aufgehalten wurde. Er verließ das Schlafzimmer erst einige Zeit später. Dabei bemerkte er Brandgeruch und Rauchschwaden im ganzen Haus, die durch den Adventskranz im Wohnzimmer verursacht wurden, der sich zwischenzeitlich entzündet hatte. Die alarmierte Feuerwehr mußte nicht mehr eingreifen, da es dem Kläger bis zu ihrem Eintreffen gelang, den Brand selbst zu löschen.

In seiner „Brandschaden-Anzeige“ vom 2. Januar 1998 und in der „Verhandlungs-Schrift“ vom 6. Januar 1998 gab der Kläger an, um 10. 00 Uhr aufgestanden zu sein. In seinem Anspruchsschreiben vom 30. Januar 1998 berichtigte er diese Angabe auf 8. 00 Uhr. Den Zeitpunkt des Schadenseintritts und der Alarmierung der Feuerwehr gab er – damit übereinstimmend – im Prozeß zunächst mit ca. 9. 00 Uhr an. In seinem Schriftsatz vom 21. Juli 1998 trug er hiervon abweichend vor, die Nachfrage bei der Feuerwehr habe ergeben, daß die ursprünglichen Angaben zum Schadenszeitpunkt mit ca. 10. 00 Uhr zutreffend gewesen seien. Es verbleibe dabei, daß der ganze Vorgang vom Anzünden der Kerzen bis zum Anruf bei der Feuerwehr ca. 1 Stunde gedauert habe…..“

Ich habe ja schon früher geschrieben:

„Schön vorsichtig formuliert hat das OLG: „“… und begab sich nach einem Blick auf den Adventskranz wieder in das Schlafzimmer, um seine Lebensgefährtin zu wecken, von der er danach aufgehalten wurde“. Das lässt, manche Deutungen zu 🙂 🙂 🙂 . „

Dabei bleibt es.

Noch einen schönen 2. Weihnachtsfeiertag. Morgen geht es „normal“ weiter. Wer rastet, rostet.

Vertrauensgrundsatz beim querenden Fußgänger, oder: Darf man auf verkehrsgerechtes Verhaltens vertrauen?

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Die zweite Entscheidung kommt heute dann auch vom BGH. Der hat im schon etwas älteren BGH, Urt. v. 04.04.2023 – VI ZR 11/21 –  zur Reichweite des Vertrauensgrundsatzes hinsichtlich des verkehrsgerechten Verhaltens eines Fußgängers beim Überqueren einer Fahrbahn Stellung genommen

Der Beklagte befuhr am 07.06.2014 gegen 23 Uhr eine Brücke mit einem Pkw auf dem dafür vorgesehenen rechten Fahrstreifen, während der Kläger von dem aus der Fahrtrichtung des Beklagten gesehen linken Gehweg aus begann, zu Fuß die Brücke zu überqueren. Die Fahrbahn der Brücke bestand aus zwei durch eine Mittellinie getrennten Fahrstreifen mit jeweils einem Randstreifen, der als Fahrradweg markiert ist. Die Gesamtbreite der Fahrbahn beträgt rund 12,5 m.

Nach Erreichen des von dem Beklagten genutzten Fahrstreifens kam es zur Kollision, wodurch der Kläger erheblich verletzt wurde. Der Kläger erklärte, er habe die Fahrbahn der Brücke mit „normaler“ Geschwindigkeit überquert. Der Beklagte habe erst gebremst, nachdem er mit dem Kläger kollidiert sei. Der Beklagte hat behauptet, der Kläger habe die Fahrbahn rennend und unmittelbar hinter einem Lieferwagen ohne anzuhalten überquert, weshalb der Beklagte ihn erst kurz vor der Kollision habe wahrnehmen können und dann eine Vollbremsung vorgenommen habe, ohne dass dadurch jedoch der Zusammenstoß vermeidbar geworden wäre.

Der Kläger hat unter Berücksichtigung eines ihn treffenden Mitverschuldens von 50 % den Ersatz materieller und immaterieller Schäden geltend gemacht sowie die Feststellung beantragt, dass die Beklagten ihm 50 % seines zukünftigen Schadens zu ersetzen habe. Das LG Berlin und das KG haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das KG zurückverwiesen:

„1. Das Berufungsgericht hat im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass es für die Frage der Haftung der Beklagten darauf ankommt, ob dem Beklagten zu 1 ein unfallursächliches schuldhaftes Verhalten nachgewiesen werden kann. Gelingt dem Kläger dieser Nachweis nicht, scheiden Schadensersatzansprüche nach §§ 823, 249 BGB, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG aus, ohne dass es auf die Frage einer Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens (§ 254 BGB) ankäme. Da der Kläger bei dem Betrieb des vom Beklagten zu 1 geführten und bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Kraftfahrzeuges verletzt wurde, haben die Beklagten zwar auch ohne den Beweis eines Verschuldens des Beklagten zu 1 grundsätzlich aufgrund der Betriebsgefahr des Fahrzeuges für den unfallbedingten materiellen und immateriellen Schaden gemäß § 7 Abs. 1, § 18 Abs. 1, § 11 StVG, § 115 Abs. 1 VVG einzustehen, weil sie den Beweis der Verursachung durch höhere Gewalt gemäß § 7 Abs. 2 StVG nicht führen können. Da der Kläger weder Halter noch Führer eines beteiligten Fahrzeuges war, kommt eine Anspruchskürzung nach den §§ 17, 18 StVG nicht in Betracht. Die Beklagte zu 2 und der Beklagte zu 1 (letzterer vorbehaltlich einer Entlastung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG; Feststellungen zur Haltereigenschaft des Beklagten zu 1 haben die Instanzgerichte nicht getroffen) haften dem Kläger grundsätzlich als Gesamtschuldner in vollem Umfang. Die Haftung kann jedoch im Rahmen der – im Revisionsverfahren nur eingeschränkt überprüfbaren (vgl. dazu etwa Senatsurteil vom 13. Dezember 2016 – VI ZR 32/16, VersR 2017, 374 Rn. 8 mwN) – Abwägung nach § 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB entfallen, wenn die im Vordergrund stehende Schadensursache ein grob verkehrswidriges Verhalten des Geschädigten darstellt (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 24. September 2013 – VI ZR 255/12, VersR 2014, 80 Rn. 7; vom 13. Februar 1990 – VI ZR 128/89, VersR 1990, 535, 536, juris Rn. 20; vom 18. März 1969 – VI ZR 242/67, VersR 1969, 571, 572, juris Rn. 16; vom 12. Oktober 1965 – VI ZR 81/64, VersR 1966, 39; vom 21. Dezember 1955 – VI ZR 63/55, VersR 1956, 238 f.). Für diese Abwägung ist von Bedeutung, ob den Beklagten zu 1 ein Schuldvorwurf hinsichtlich der Verursachung des Unfalls trifft.

2. Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht ein unfallursächliches Verschulden des Beklagten zu 1 verneint, weil er weder entgegen § 3 Abs. 1 StVO mit einer den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen nicht angepassten Geschwindigkeit gefahren sei noch gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht des § 1 Abs. 2 StVO verstoßen habe, sind jedoch rechtsfehlerhaft. Sie beruhen auf der Prämisse, eine Reaktionspflicht des Beklagten zu 1 habe erst zu dem Zeitpunkt bestanden, als der Kläger den Mittelstreifen überquerte und in die vom Beklagten zu 1 genutzte Fahrbahn geriet, weil ein Fahrzeugführer nicht damit zu rechnen brauche, dass ein Fußgänger das Überqueren einer mehrspurigen Straße über die Mittellinie hinaus fortsetze, obwohl das Kraftfahrzeug bereits nahe sei. Damit überdehnt das Berufungsgericht den Vertrauensgrundsatz, der jedenfalls auf der Grundlage der hier getroffenen Feststellungen nicht zu Gunsten des Beklagten zu 1 herangezogen werden kann.

a) Nach dem im Straßenverkehr geltenden Vertrauensgrundsatz kann ein Verkehrsteilnehmer, der sich verkehrsgemäß verhält, damit rechnen, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer den Verkehr nicht durch pflichtwidriges Verhalten gefährdet, solange die sichtbare Verkehrslage zu keiner anderen Beurteilung Anlass gibt (vgl. nur Senatsurteile vom 20. September 2011 – VI ZR 282/10, NJW-RR 2012, 157 Rn. 9; vom 25. März 2003 – VI ZR 161/02, VersR 2003, 783, 785, juris Rn. 16 mwN; vom 3. Dezember 1991 – VI ZR 98/91, VersR 1992, 203, 204, juris Rn. 13 mwN; vom 15. Mai 1973 – VI ZR 62/72, VersR 1973, 765, 766, juris Rn. 13; vom 24. November 1959 – VI ZR 213/58, VersR 1960, 495, 496; BGH, Urteil vom 15. März 1956 – 4 StR 74/56, BGHSt 9, 92, 93 f., juris Rn. 9; Beschlüsse vom 27. Mai 1959 – 4 StR 49/59, BGHSt 13, 169, 172, juris Rn. 12; vom 12. Juli 1954 – VGS 1/54, BGHZ 14, 232, 237). Der Kraftfahrer ist dabei grundsätzlich auch bei breiteren Straßen verpflichtet, die gesamte Straßenfläche vor sich zu beobachten (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 1987 – VI ZR 19/86, NJW 1987, 2378, juris Rn. 18 mwN).

Dementsprechend muss ein Kraftfahrer am Fahrbahnrand befindliche oder vor ihm die Fahrbahn überquerende Fußgänger im Auge behalten und in seiner Fahrweise erkennbaren Gefährdungen Rechnung tragen (vgl. Senatsurteile vom 24. Februar 1987 – VI ZR 19/86, NJW 1987, 2377, juris Rn. 18 mwN; vom 7. Juli 1959 – VI ZR 154/58, VersR 1959, 833; vom 11. Dezember 1956 – VI ZR 267/55, VersR 1957, 128). Er braucht aber weder damit zu rechnen, dass ein erwachsener Fußgänger versuchen wird, kurz vor seinem Fahrzeug die Fahrbahn zu betreten, noch darauf gefasst zu sein, dass ein Fußgänger, der beim Überschreiten der Fahrbahn vor oder in der Mitte der Straße anhält, unerwartet weiter in seine Fahrbahn laufen werde, solange er bei verständiger Würdigung aller Umstände keinen Anlass hat, an dem verkehrsgerechten Verhalten des Fußgängers zu zweifeln (vgl. Senatsurteile vom 21. Mai 1968 – VI ZR 19/67, VersR 1968, 848, 849, juris Rn. 10; vom 7. Februar 1967 – VI ZR 132/65, VersR 1967, 457, 458, juris Rn. 18 f.; vom 24. November 1959 – VI ZR 213/58, VersR 1960, 495, 496; vom 7. Juli 1959 – VI ZR 154/58, VersR 1959, 833; vom 11. Dezember 1956 – VI ZR 267/55, VersR 1957, 128; BGH, Urteile vom 22. Januar 1960 – 4 StR 540/59, BGHSt 14, 97, 99, juris Rn. 6 mwN; vom 15. März 1956 – 4 StR 74/56, BGHSt 9, 92, 94, juris Rn. 9).

Hat – wie im Streitfall – ein aus Sicht des Kraftfahrers von links die Fahrbahn querender Fußgänger die Fahrbahn bereits betreten und ist noch in Bewegung, darf der Kraftfahrer nach der Senatsrechtsprechung nicht in jedem Fall darauf vertrauen, der Fußgänger werde in der Mitte der Fahrbahn stehenbleiben und ihn vorbeilassen (vgl. Senatsurteile vom 24. Februar 1987 – VI ZR 19/86, NJW 1987, 2377, juris Rn. 20; vom 29. April 1975 – VI ZR 225/73, VersR 1975, 858, 859, juris Rn. 12; vom 3. Mai 1966 – VI ZR 178/65, VersR 1966, 736, 737, juris Rn. 15; vom 26. Mai 1964 – VI ZR 52/63, VersR 1964, 846 f.). Richtig handelt zwar ein Fußgänger, der beim Überschreiten einer belebten und nicht allzu schmalen Straße zunächst, soweit es der von links kommende Verkehr gestattet, bis zur Mitte geht und dort wartet, bis er auch die andere Fahrbahnhälfte überqueren kann (vgl. Senatsurteile vom 29. April 1975 – VI ZR 225/73, VersR 1975, 858, 859, juris Rn. 12; vom 7. Juni 1966 – VI ZR 255/64, VersR 1966, 873, 874, juris Rn. 22). Ob der Kraftfahrer darauf immer nur dann vertrauen darf, wenn er sicher sein kann, dass der Fußgänger ihn gesehen und sich erkennbar auf die Verkehrslage eingestellt hat, wie der Senat in seinem Urteil vom 29. April 1975 – VI ZR 225/73 formuliert hat (VersR 1975, 858, 859, juris Rn. 12), kann im Streitfall dahinstehen. Jedenfalls ist nach den oben genannten allgemeinen Grundsätzen dem Vertrauen darauf, der Fußgänger werde an einer vorhandenen Mittellinie anhalten und das bevorrechtigte Fahrzeug passieren lassen, dann die Grundlage entzogen, wenn bei verständiger Würdigung aller Umstände Anlass für den Kraftfahrer besteht, am verkehrsgerechten Verhalten des Fußgängers zu zweifeln, wie es im Übrigen auch in dem vom Senat in seinem oben genannten Urteil vom 29. April 1975 zu entscheidenden Sachverhalt der Fall war.

b) Derartige Anhaltspunkte lagen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Streitfall vor. Das Berufungsgericht hat die Behauptung des Klägers, er sei lediglich gegangen, für widerlegt erachtet und ist auf der Grundlage der Beweisaufnahme entsprechend dem Vortrag der Beklagten davon ausgegangen, dass der Kläger die Brücke rennend überquert hat, ohne anzuhalten. Da das Berufungsgericht offen gelassen hat, ob die Sicht des Beklagten zu 1 auf den Kläger – wie von den Beklagten behauptet – durch ein entgegenkommendes Fahrzeug behindert wurde, ist im Revisionsverfahren ferner davon auszugehen, dass der Beklagte zu 1 bei ordnungsgemäßer Beobachtung der gesamten Straßenfläche das Verhalten des Klägers ab dem Betreten der Fahrbahn wahrnehmen konnte. Dass der Kläger beim Überqueren der Straße hätte erkennen lassen, den Beklagten zu 1 gesehen zu haben, etwa indem er in dessen Richtung blickte, oder die Parteien dies behauptet hätten, ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt. Unter diesen Umständen durfte der Beklagte zu 1 nach den oben dargelegten Grundsätzen nicht darauf vertrauen, der Kläger werde ihn passieren lassen. Vielmehr musste der Beklagte zu 1 die Möglichkeit berücksichtigen, dass der Kläger seinen Lauf über die Fahrbahn bei Erreichen der Mittellinie nicht abrupt abbrechen würde, sondern die Brücke unter Verstoß gegen seine sich aus § 25 Abs. 3 StVO ergebende Pflicht, den Fahrzeugverkehr zu beachten, in einem Zug noch vor dem Fahrzeug des Beklagten zu 1 überqueren wollte. Hierauf hätte er sein Fahrverhalten einstellen müssen.