Und heute „köcheln“ im „Kessel Buntes“ zwei Entscheidungen mit berufsrechtlichem Bezug. Beide schon etwas älter, aber heute sind sie „dran.
Ich stelle zunächst den BGH, Beschl. v. 11.05.2023 – AnwZ (Brfg) 33/22 – vor. In der Entscheidung wird um den Widerruf der Zulassung eines Rechtsanwalts gestritten, der seit rund 25 Jahren als Strafverteidiger tätig gewesen ist. Als er in Vermögensverfall gerät, wird seine Zulsassung von der RAK nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO widerrufen. Der Rechtsanwalt wendet sich dagegen und macht geltend, er sei seit knapp 25 Jahren ausschließlich als Strafverteidiger tätig. Seine Arbeitsweise und seine Büroabläufe seien nicht darauf ausgerichtet, zivilrechtliche Mandate zu bearbeiten. Er könne er gar kein zivilrechtliches Mandat annehmen. Die fiktive Annahme eines lukrativen zivilrechtlichen Mandats – zur Lösung eigener finanzieller Probleme – sei bei einer derartigen Spezialisierung völlig aus der Luft gegriffen, zumal die zivilrechtlichen Gebühren nicht erheblich über den Pflichtverteidigergebühren in Umfangstrafsachen lägen. Damit greife auch der Schutzzweck des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO, der Gefährdung von Mandantengeldern durch Gläubigerpfändungen der Anwaltskonten zu begegnen, nicht. Die Verwendung von Fremdgeldern zur Lösung eigener finanzieller Probleme wäre zudem schlicht kriminell, was ihm nicht einfach unterstellt werden könne.
Der AnwGH Hamm hat die Klage gegen den Widerrufsbescheid abgewiesen. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hatte beim BGH keinen Erfolg:
„1. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist gegeben, wenn …..
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
a) Der Kläger führt zur Begründung der grundsätzlichen Bedeutung an, dass sein Vortrag, durch seine ausschließliche Tätigkeit als Strafverteidiger sei eine Gefährdung der Rechtsuchenden im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ausgeschlossen, nicht ausreichend und rechtlich nicht zutreffend gewürdigt worden sei.
Da er seit 24 ½ Jahren ausschließlich als Strafverteidiger tätig sei und seine Arbeitsweise sowie die seines Büros auf die Bearbeitung zivilrechtlicher Mandate überhaupt nicht eingerichtet seien, handele es sich bei seiner rein strafrechtlichen Berufsausübung nicht nur um eine selbst auferlegte, sondern um eine faktische Beschränkung. Die fiktive Annahme eines lukrativen zivilrechtlichen Mandats (zur Lösung eigener finanzieller Probleme) sei bei einer derartigen Spezialisierung völlig aus der Luft gegriffen, zumal die zivilrechtlichen Gebühren nicht erheblich über den Pflichtverteidigergebühren in Umfangstrafsachen lägen. Damit greife auch der Schutzzweck des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO, der Gefährdung von Mandantengeldern durch Gläubigerpfändungen der Anwaltskonten zu begegnen, nicht. Die Verwendung von Fremdgeldern zur Lösung eigener finanzieller Probleme wäre zudem schlicht kriminell, was ihm nicht einfach unterstellt werden könne. Außerdem arbeite er seit Jahren in einer inhaltlich eng verbundenen Strafverteidigerbürogemeinschaft, bei der aufgrund der wechselseitigen Kontrolle die plötzliche Annahme fachfremder Mandate ausgeschlossen sei.
Letztlich sei der Widerruf seiner Zulassung auch nicht verhältnismäßig, weil das anwaltliche Berufsrecht auch eine teilweise Untersagung des Tätigwerdens (§ 43a Abs. 4, §§ 45, 46c Abs. 2 BRAO) kenne und er bereit sei, dem Kammervorstand über seine ausschließlich strafrechtliche Tätigkeit Rechenschaft abzulegen.
b) Grundsätzlicher Klärungsbedarf ist damit nicht dargetan. Der Kläger wendet sich vielmehr gegen die Rechtsanwendung durch den Anwaltsgerichtshof in seinem konkreten Einzelfall, ohne aufzuzeigen, dass damit allgemein klärungsbedürftige Rechtsfragen verbunden wären. Das ist auch nicht der Fall. Die vom Kläger angesprochenen Fragen sind höchstrichterlich bereits grundsätzlich geklärt. Weiterer Klärungsbedarf ist auch nach dem Vorbringen des Klägers nicht gegeben.
aa) Die Grundsätze für die Beurteilung, ob eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Rechtsanwalts gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 1 BRAO verneint werden kann, sind in der Rechtsprechung des Senats geklärt.
Danach ist – wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat – nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft (vgl. etwa Senat, Beschlüsse vom 12. Dezember 2018 – AnwZ (Brfg) 65/18, juris Rn. 7; vom 5. April 2019 – AnwZ (Brfg) 3/19, ZInsO 2019, 1368 Rn. 6; vom 3. November 2021 – AnwZ (Brfg) 29/21, ZInsO 2022, 86 Rn. 11; vom 30. Dezember 2021 – AnwZ (Brfg) 27/21, juris Rn. 15; vom 10. Oktober 2022 – AnwZ (Brfg) 19/22, juris Rn. 7 und vom 14. Oktober 2022 – AnwZ (Brfg) 17/22, ZInsO 2022, 2682 Rn. 12; jeweils mwN). Von einem solchen Ausnahmefall kann nur ausgegangen werden, wenn im Zeitpunkt des Widerrufs eine sichere Prognose dahingehend getroffen werden kann, dass sich im zu entscheidenden Einzelfall die typischen Gefahren, die mit dem Vermögensverfall eines Anwalts verbunden sind, nicht realisieren werden. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlichen abgesicherten Maßnahme verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 12. Dezember 2018 – AnwZ (Brfg) 65/18, juris Rn. 7; vom 5. April 2019 – AnwZ (Brfg) 3/19, ZInsO 2019, 1368 Rn. 7; vom 3. November 2021 – AnwZ (Brfg) 29/21, ZInsO 2022, 86 Rn. 11; vom 30. Dezember 2021 – AnwZ (Brfg) 27/21, juris Rn. 15; vom 10. Oktober 2022 – AnwZ (Brfg) 19/22, juris Rn. 7 und vom 14. Oktober 2022 – AnwZ (Brfg) 17/22, ZInsO 2022, 2682 Rn. 12; jeweils mwN).
Anhand dieser Grundsätze lässt sich auch beurteilen, ob unter den vom Kläger genannten Umständen im Einzelfall eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ausgeschlossen werden kann. Einer weiteren Grundsatzentscheidung bedarf es danach nicht.
bb) Keine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits ergibt sich auch aus den Einwänden des Klägers gegen die Verhältnismäßigkeit des umfassenden Widerrufs seiner Zulassung.
Soweit der Kläger mit seinem Hinweis auf die in der Bundesrechtsanwaltsordnung geregelten Tätigkeits- und Vertretungsverbote (§ 43a Abs. 4, §§ 45, 46c Abs. 2 BRAO) sowie auf die Möglichkeit einer aufsichtsrechtlichen Kontrolle seiner ausschließlich strafrechtlichen Tätigkeit geltend machen will, dass in seinem Fall ein teilweiser Widerruf seiner Zulassung (etwa für den Bereich des Zivilrechts) bzw. eine Beschränkung seiner Zulassung (auf den Bereich des Strafrechts) ausreichend gewesen wäre, um dem Schutzzweck des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu genügen, hat der Senat bereits entschieden, dass ein solcher Teilwiderruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft vom Gesetz nicht vorgesehen ist und der gesetzlich verankerten Stellung des Rechtsanwalts widerspricht (BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2014 – AnwZ (Brfg) 45/14, juris Rn. 20 ff.; siehe auch Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 14 BRAO Rn. 16a). Mit dieser gesetzlich bestimmten Stellung des Rechtsanwalts ist eine hoheitliche Beschränkung seiner Tätigkeit im Sinne einer Teilzulassung zur Rechtsanwaltschaft oder eines Teilwiderrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht vereinbar. Vielmehr ist es die eigene Entscheidung des Rechtsanwalts, ob und inwieweit er von seiner grundsätzlich uneingeschränkten Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und der daraus folgenden umfassenden Befugnis zur Rechtsberatung Gebrauch machen oder sich beruflichen Selbstbeschränkungen unterwerfen will (BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2014 – AnwZ (Brfg) 45/14, juris Rn. 23 f.). Das Vorbringen des Klägers gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.
Ob die beruflichen Selbstbeschränkungen des Rechtsanwalts im Einzelfall ausreichen, um eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch seinen Vermögensverfall hinreichend auszuschließen, und vor diesem Hintergrund der umfassende Widerruf seiner Zulassung nicht geboten ist, ist nicht allgemein klärungsfähig, sondern auf der Grundlage der oben dargelegten Grundsätze der Senatsrechtsprechung nach den konkreten Umständen des jeweiligen Falles zu beurteilen……“