Archiv für den Monat: August 2023

Klima II: Erkennungsdienstliche Behandlung zulässig?, oder: Verwerflichkeit und Wiederholungsgefahr

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Urheber Fotografie: Frank C. Müller, Baden-Baden

Und im zweiten „Klima-Posting“ dann mal etwas Verfahrensrechtliches, und zwar geht es um die eine Klimaaktivisten betreffende erkennungsdienstliche Behandlung. Zu deren Zulässigkeit hat das VG Trier, Urt. v. 07.08.2023 – 8 K 1253/23.TR – Stellung genommen.

Gegen die Klägerin sind in der Vergangenheit wegen der Teilnahme an Versammlungen mehrfach Ermittlungsverfahren geführt worden. Gegen sie wird dann nach einer Blockadeaktion im Juni 2021 wegen des Verdachts der Nötigung und des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte ermittelt. Im Zuge dieser Ermittlungen ist die erkennungsdienstliche Behandlung der Klägerin angeordnet worden (§ 81b Abs. 1 2. Alt StPO) angeordnet und es sind Finger- und Handflächenabdrücke und Lichtbilder gemacht worden. Außerdem hat man äußere körperliche Merkmale genommen sowie Messungen durchgeführt.

Dagegen richtet sich die Klage, die beim VG keinen Erfolg hatte. Ich verweise wegen der Einzelheiten auf die umfangreiche Begründung des VG-Urteils. Hier stelle ich nur die Ausführungen des VG zur Verwerflichkeit und zur Wiederholungsgefahr ein:

„……

Vor diesem Hintergrund besteht jedenfalls ein hinreichender Tatverdacht wegen der der Klägerin vorgeworfenen Nötigung, was auch durch die Anklageerhebung selbst bestätigt wird (vgl. § 170 Abs. 1 StPO). Das Verhalten der Klägerin ist auch als verwerflich im Sinne von § 240 Abs. 2 Strafgesetzbuch – StGB – anzusehen. Denn bereits eine gewaltsame, gezielte Blockade von Verkehrsteilnehmern mit dem Zweck mediale Aufmerksamkeit zu erlangen, kann genügen, um ein Verhalten im Rahmen der Zweck-Mittel-Relation als verwerflich einzustufen – der Inhalt des politischen Ziels, wie etwa der in Art. 20a GG verankerte Klimaschutz, spielt dabei grundsätzlich keine Rolle (vgl. LG Berlin, Urteil vom 18. Januar 2023 – [518] 237 Js 518/22 Ns [31/22] –, juris). Im hier vorliegenden Fall kommt erschwerend hinzu, dass das Verhalten der Klägerin jedenfalls deshalb in besonderem Maße als verwerflich zu bewerten ist, weil sie wissentlich ein im Einsatz befindliches Rettungsfahrzeug an der Weiterfahrt gehindert und damit bewusst die Gefährdung von Gesundheit und Leben unbeteiligter Dritter in Kauf genommen hat, um ihre eigenen (politischen) Interessen durchzusetzen.

Das Verhalten der Klägerin ist auch nicht durch die in Art. 8 Abs. 1 GG verankerte Versammlungsfreiheit gedeckt. Denn diese schützt zwar die Teilhabe an der Willensbildung, nicht aber die zwangsweise oder sonst wie selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen. Die mit der Ausübung des Versammlungsrechts unvermeidbaren nötigenden Wirkungen in Gestalt von Behinderungen Dritter und Zwangswirkungen sind demnach nur dann durch Art. 8 GG gerechtfertigt, soweit sie als sozial-adäquate Nebenfolgen mit rechtmäßigen Demonstrationen verbunden sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 – 1 BvR 1190/90 –, juris, Rn. 44, 54). Dies war hier jedoch – wie dargestellt – offenkundig nicht der Fall.

Auch handelt es sich bei der Anlasstat nicht um eine einmalige Jugendverfehlung, die als Ausdruck jugendlichen Leichtsinns oder jugendlicher Unreife gewertet werden kann. Straßenblockaden zum Zwecke der Durchsetzung politischer Ziele sind im Allgemeinen nicht typischerweise nur auf Jugendliche beschränkt. Vielmehr werden sie generationsübergreifend von Menschen verschiedener Altersklassen begangen. Unbeschadet dessen hätte – selbst wenn man der Klägerin infolge eines jugendlichen Reiferückstand ein fehlendes Bewusstsein für die Folgen des eigenen Handelns unterstellte – jedenfalls nach Ansprache und Bewusstwerdens eines medizinischen Notfalls ein Umdenken stattfinden müssen, was hier jedoch unterblieb. Vielmehr hat sie sich bewusst dazu entschieden, die Blockadeaktion in Kenntnis dieser Tatsache ohne Rücksicht auf die Gesundheit und das Leben unbeteiligter Personen fortzusetzen.

Dass es sich hier auch nicht um bloß einmaliges Fehlverhalten handelt, wird im Übrigen auch durch die weiteren in der Vergangenheit gegen sie geführten Ermittlungsverfahren und die damit zutage getretene Persönlichkeitsstruktur der Klägerin bestätigt. Die Klägerin ist in Zusammenhang mit der Teilnahme an Versammlungen seit 2019 immer wieder in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren aufgefallen, wobei jeweils Delikte wie etwa Nötigung (§ 240 StGB), Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) und Verstöße gegen das Versammlungsgesetz (§ 21 Versammlungsgesetz – VersammlG –, § 25 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 VersammlG, § 26 VersammlG) im Raum standen. Auch wenn die Klägerin in Bezug auf das Verfahren *** freigesprochen und die übrigen Ermittlungsverfahren eingestellt wurden, zeigen diese eindrücklich, dass sich die Klägerin bereits in der Vergangenheit stets an der Grenze zur Strafbarkeit bewegte, die sie jedenfalls mit dem ihr im Anlassermittlungsverfahren zur Last gelegten Verhalten überschritt. Damit hat sie ihre Vorgehensweise in Bezug auf die von ihr verfolgten politischen Anliegen über die Jahre verfestigt und in den gewählten Mitteln zunehmend dergestalt radikalisiert, dass sie zu strafbewehrtem Verhalten übergegangen ist.

Die Prognose des Beklagten hinsichtlich der Wiederholungsgefahr erweist sich auch als sachgerecht und vertretbar. Trotz des zunehmenden zeitlichen Abstands – die Anlasstat liegt mittlerweile mehr als zwei Jahre zurück – bestehen im konkreten Fall der Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weiterhin genügende Anhaltspunkte für die Annahme, sie werde künftig wieder Verdächtige noch aufzuklärender strafbarer Handlungen werden. Insbesondere die aus den Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften Trier und D*** *** und *** gewonnenen Erkenntnisse und die Persönlichkeitsstruktur der Klägerin lassen auf eine drohende Wiederholung schließen.

……“

Klima I: Rechtsprechung zu Klimaktivisten-Fällen, oder: Straßenblockade, Hausfriedensbruch, Festkleben

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Zum Wochenanfang der 35 KW. stelle ich – seit längerem – mal wieder einige Entscheidungen auf Verfahren betreffend Klimaktivisten vor. Mehr als diese insgesamt vier Entscheidungen habe ich leider nicht. Ich habe zwar versucht, an die Volltextevon Entscheidungen zu kommen, über die in der letzten Zeit berichtet worden ist, aber das hat leider nur in einem Fall, der vom AG München stammt, geklappt. Alle anderen Anfragen hatten keinen Erfolg. Die StA Neuruppin gibt den „Kriminelle Vereinigung“-Beschluss des LG Potsdam nicht heraus, weil es esich um ein laufendes Verfahren handelt, das LG hatte ich zuvor bereits hinter der StA versteckt. Und auch das AG Tiergarten ist sehr zögerlich. Schade.

Vorstellen kann ich dann aber:

Eine Straßenblockade durch Klimaaktivisten stellt nach der sog. „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ des BGH Gewalt im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB dar. Denn die Fahrer in der zweiten Reihe und den nachfolgenden Reihen werden durch unüberwindbare physische Hindernisse, nämlich den Fahrzeugen vor und hinter ihnen, an der Weiterfahrt gehindert, womit auch der erstrebte Nötigungserfolg eingetreten ist. Die darin liegende Nötigung anderer Verkehrsteilnehmer kann jedoch nach Abwägung aller Umstände gem. § 240 Abs. 2 StGB gerechtfertigt sein,

Zur Rechtfertigung des unerlaubten Betretens eines Fußballfeldes während eines laufenden Spieles aus „Klimaschutzgründen“.

1. Bei der den Protestierenden sog. „Letzten Generation“ vorgeworfenen Nötigung sind bei Anwendung und Auslegung der Verwerflichkeitsklausel nach § 240 Abs. 2 StGB im Lichte des Art. 8 GG die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 24. Oktober 2001 – 1 BvR 1190/90 -, BVerfGE 104, 92-126, Rn. 64) zu beachten. Wichtige Abwägungselemente sind unter anderem die Dauer und Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten über andere Zufahrten, die Dringlichkeit des blockierten Transports, aber auch der Sachbezug zwischen den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen und dem Protestgegenstand.
2. Wurden Autofahrende auf einer der staubelasteten Autobahn Deutschlands durch die Blockade rund 30 Minuten an der Weiterfahrt gehindert, wobei sich ein Stau von mehreren Metern bildete, die Blockadeaktion jedoch zumindest abstrakt im Vorfeld medial angekündigt wurde und ein konkreter Sachbezug („Öl sparen statt Bohren“ und „Nordseeöl? Nö!“) gegeben war, stellt sich die Nötigung nicht als verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB dar, wenn die Polizei die Blockade vor der Räumung versammlungsrechtlich nicht beschränkt oder aufgelöst hat.
3. Ist die Nötigung nicht verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB, kommt ein Verstoß gegen das VersFG Bln in Betracht, wenn die Polizei die Versammlung beschränkt bzw. aufgelöst hat, die Protestierenden hierauf jedoch nicht reagiert haben.1. Bei der den Protestierenden sog. „Letzten Generation“ vorgeworfenen Nötigung sind bei Anwendung und Auslegung der Verwerflichkeitsklausel nach § 240 Abs. 2 StGB im Lichte des Art. 8 GG die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 24. Oktober 2001 – 1 BvR 1190/90 -, BVerfGE 104, 92-126, Rn. 64) zu beachten. Wichtige Abwägungselemente sind unter anderem die Dauer und Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten über andere Zufahrten, die Dringlichkeit des blockierten Transports, aber auch der Sachbezug zwischen den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen und dem Protestgegenstand.
2. Wurden Autofahrende auf einer der staubelasteten Autobahn Deutschlands durch die Blockade rund 30 Minuten an der Weiterfahrt gehindert, wobei sich ein Stau von mehreren Metern bildete, die Blockadeaktion jedoch zumindest abstrakt im Vorfeld medial angekündigt wurde und ein konkreter Sachbezug („Öl sparen statt Bohren“ und „Nordseeöl? Nö!“) gegeben war, stellt sich die Nötigung nicht als verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB dar, wenn die Polizei die Blockade vor der Räumung versammlungsrechtlich nicht beschränkt oder aufgelöst hat.
3. Ist die Nötigung nicht verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB, kommt ein Verstoß gegen das VersFG Bln in Betracht, wenn die Polizei die Versammlung beschränkt bzw. aufgelöst hat, die Protestierenden hierauf jedoch nicht reagiert haben.

Und der Vollständigkeit halber weise ich dann auch noch einmal hin auf den KG, Beschl. v. 16.08.2023 – 3 ORs 46/23 – 161 Ss 61/23 -, über den ich ja schon in der vergangenen Woche berichtet habe (vgl. StGB III: Widerstand durch Festkleben auf der Straße, oder: Das hätte das KG gern in den Urteilgründen). Die Leitsätze:

1. Um die Beweiswürdigung des Tatrichters auf sachlich-rechtliche Fehler hin überprüfen zu können, bedarf es einer geschlossenen und zusammenhän-genden Wiedergabe wenigstens der wesentlichen Grundzüge der Einlassung des Angeklagten. Der bloße Hinweis, das Geständnis entspreche dem „akten-kundigen Ermittlungsergebnis“, genügt dafür nicht.
2. Eine Strafbarkeit wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 Abs. 1 StGB kommt auch dann in Betracht, wenn sich der Täter bereits vor Beginn der Vollstreckungshandlung auf der Fahrbahn mit Sekundenkleber o.ä. festklebt, um die von ihm erwartete alsbaldige polizeiliche Räumung der Fahrbahn nicht nur unwesentlich zu erschweren.
3. Um ein gezieltes Verhalten des Täters vom bloßen Ausnutzen eines bereits vorhandenen Hindernisses abzugrenzen, muss in derartigen Fallgestaltungen der Wille des Täters dahin gehen, durch seine Tätigkeit den Widerstand vor-zubereiten.
4. Dass Polizeibeamte das durch Festkleben entstandene physische Hindernis durch Geschicklichkeit – hier unter Verwendung eines Lösungsmittels – zu be-seitigen in der Lage sind, steht dem Merkmal der Gewalt nicht grundsätzlich entgegen und nimmt ihm in Bezug auf den dem Vollstreckungsbeamten nicht ohne weiteres die körperliche Spürbarkeit.

Sonntagswitz, zum „Tag der Senioren“ hier heute dann Seniorenwitze

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Am 21.08.2023 wurde der „Tag der Senioren“ gefeiert. Passt doch 🙂 . Und ich nehme den Aktionstag zum Anlass hier mal wieder „Seniorenwitze“ zu bringen. Kann ich mir ja erlauben 🙂 .

Hier sind dann:

Ein älterer Herr wird um 2 Uhr früh von der Polizei angehalten und gefragt, wo er denn um diese Zeit in der Nacht noch hinfahre.

Der Mann antwortet: “Ich bin auf dem Weg zu einem Vortrag über Alkoholmissbrauch, die Auswirkungen auf den menschlichen Körper, sowie die Einflüsse durch Rauchen und spätes nach Hause kommen.”

Der Polizist: “Wirklich? Und wer hält um diese Zeit noch solche Vorträge?”

Der Mann antwortet: “Meine Frau!”


Drei ältere Freundinnen im Alter von 82, 83 und 85 machen einen gemeinsamen Urlaub in einer schönen Villa.

Die erste will ein Bad im zweiten Stock nehmen. In dem Moment, als sie ihre Füße ins Wasser taucht, fragt sie rufend nach unten: „War ich gerade dabei ins Bad oder aus dem Bad zu gehen?”

Schreit die zweite Freundin: „Warte, ich komme hoch.” Mitten auf der Treppe ruft sie: „Wollte ich die Treppen hoch oder runter laufen?”

Klopft die dritte auf den Tisch und sagt: „Ich hoffe, ich werde nie so vergesslich.“ und ruft dann: „Moment, ich gehe schnell zur Tür, es hat geklopft.”


Eine Seniorin feiert ihren 100. Geburtstag.

Sie erhält Besuch von einem Redakteur der örtlichen Zeitung und wird nach dem Geheimnis ihres langen Lebens gefragt.

Die alte Dame antwortet: “Zur besseren Verdauung trinke ich Bier, bei Appetitlosigkeit trinke ich Weißwein, bei niedrigem Blutdruck Rotwein, bei hohem Blutdruck gönne ich mir Cognac und wenn ich erkältet bin, nehme ich Slivovitz.”

Der Journalist ist überrascht und fragt: “Und wann trinken Sie Wasser?”

Sagt die Hundertjährige: “So eine schwere Krankheit hatte ich noch nie.”


Wie nennt man Menschen, die auch am Montag gute Laune haben?

Rentner!

Wochenspiegel für die 34. KW., das war beA-Update, DSGVO, Cum-Ex, Corona und Klimakleber

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Und dann am Sonntagmorgen der Wochenspiegel für die ablaufende 34. KW., und zwar mit folgenden Hinweisen auf Beiträge und Berichte aus anderen Blogs:

  1. beA-Update 3.20 – Admin-Zugang wird benötigt

  2. Der Minister, ein Flugblatt und viele offene Fragen

  3. OVG Rheinland-Pfalz: DSGVO steht Übermittlung von personenbezogenen Daten an Polizei und Bußgeldbehörden zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nicht entgegen
  4. Verteidigerwechsel und Schraubenschlüssel
  5. BAG erleichtert Kündigung wegen rassistisch-sexistischer Chats

  6. VG Düsseldorf: Kein Anspruch auf Info-Zugang zu Staatsanwalt-Berichten in Cum-Ex-Ermittlungsverfahren

  7. Im Juraexamen stillen oder Milch abpumpen – geht das?

  8. Background-Check: Dürfen Arbeitgeber Bewerber googeln?

  9. Corona-Richter erhält Haftstrafe auf Bewährung

  10.  und aus meinem Blog: StGB III: Widerstand durch Festkleben auf der Straße, oder: Das hätte das KG gern in den Urteilgründen

beA II: Der als Berufsbetreuer tätige Rechtsanwalt, oder: Vergütungsantrag elektronisch, ja oder nein?

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Und als zweite „beA-Entscheidung“ dann hier noch der BGH, Beschl. v. 31.05.2023 – XII ZB 428/22. Der kommt aus dem Betreuungsrecht, und zwar mit folgendem Sachverhalt:

Für die 1960 geborene Betroffene ist eine Betreuung eingerichtet und der als Rechtsanwalt zugelassene Beteiligte zum Berufsbetreuer bestellt worden. Mit Schriftsatz vom 04.052022 hat der Betreuer beantragt, für seine Tätigkeit im Zeitraum vom 28.012022 bis zum 27.04.2022 eine Vergütung in Höhe von 513 EUR gegen die Staatskasse festzusetzen. Das AG hat den Vergütungsantrag nach vorangegangenem Hinweis als unzulässig zurückgewiesen, weil er nicht als elektronisches Dokument eingereicht worden sei. Dagegen hat sich der Betreuer mit seiner vom AG zugelassenen und in schriftlicher Form eingelegten Beschwerde gewendet, die das LG verworfen hat. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Betreuers, die keinen Erfolg hatte:

„Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht ist von der Unzulässigkeit der Erstbeschwerde ausgegangen, weil die Beschwerdeschrift von einem Rechtsanwalt eingelegt, aber entgegen § 14 b Abs. 1 FamFG nicht als elektronisches Dokument übermittelt worden sei.

2. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand.

Gemäß § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG sind durch einen Rechtsanwalt, durch einen Notar, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts bei Gericht schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln. Wird diese Form nicht eingehalten, ist die Erklärung unwirksam und wahrt die Rechtsmittelfrist nicht.

a) § 14 b FamFG wurde ursprünglich durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 ( I S. 3786) in das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingefügt. Die Vorschrift orientierte sich in ihrer damaligen Fassung inhaltlich an dem gleichzeitig eingeführten und weitgehend wortgleichen § 130 d ZPO. Noch vor dem Inkrafttreten von § 14 b FamFG zum 1. Januar 2022 erfolgte durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 5. Oktober 2021 (BGBl. I S. 4607) zur Klarstellung eine inhaltliche Änderung der Vorschrift, wonach die Pflicht zur elektronischen Übermittlung ausdrücklich auf schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen beschränkt (§ 14 b Abs. 1 FamFG) wurde. Für sämtliche anderen Anträge und Erklärungen, die keinem Schriftformerfordernis unterliegen, ist die elektronische Einreichung nach § 14 b Abs. 2 FamFG nur eine Sollvorschrift. Damit sollte den Besonderheiten des Familienverfahrensrechts Rechnung getragen werden, in dem der Schriftformzwang die Ausnahme bildet (vgl. BT-Drucks. 19/28399 S. 39 f.).

b) Der sachliche Anwendungsbereich des § 14 b 1 Satz 1 FamFG ist bei der Einlegung einer Beschwerdeschrift durch einen Rechtsanwalt eröffnet.

Zwar sieht § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG vor, dass die Beschwerde – außer in Ehe- und Familienstreitsachen (§ 64 Abs. 2 Satz 2 FamFG) sowie in Folgesachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 215, 1 = FamRZ 2017, 1151 Rn. 19) – nicht nur durch Einreichung einer Beschwerdeschrift, sondern auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt werden kann. Diese Möglichkeit soll einen erleichterten Zugang zu den Rechtsmittelgerichten gewähren, um damit insbesondere den Rechtsschutz für rechtsunkundige oder schreibungewandte Beteiligte zu wahren. § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG räumt daher dem Verfahrensbeteiligten ein Wahlrecht ein. Entscheidet er sich aber dafür, die Beschwerde schriftlich einzureichen, muss seine Beschwerdeschrift als bestimmender Schriftsatz besonderen gesetzlich vorgesehenen Formerfordernissen (§ 64 Abs. 2 Satz 3 und 4 FamFG) entsprechen. Zu diesen Formerfordernissen gehört für Rechtsanwälte seit dem 1. Januar 2022 auch § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG. Daher ist ein Rechtsanwalt seit diesem Zeitpunkt zur Übermittlung der Beschwerdeschrift als elektronisches Dokument verpflichtet, wenn er die Beschwerde – wie hier – schriftlich und nicht zur Niederschrift der Geschäftsstelle einlegt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 7. Dezember 2022 – XII ZB 200/22FamRZ 2023, 461 Rn. 7 f. und vom 21. September 2022 – XII ZB 264/22FamRZ 2022, 1957 Rn. 7; BGH Beschluss vom 31. Januar 2023 – XIII ZB 90/22FamRZ 2023, 719 Rn. 14). Hiervon ist ersichtlich auch der Gesetzgeber ausgegangen, denn in der Entwurfsbegründung des Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften wird § 64 Abs. 2 FamFG ausdrücklich als Beispiel für eine Vorschrift genannt, die dem Anwendungsbereich des § 14 b Abs. 1 FamFG unterfallen soll (vgl. BT-Drucks. 19/28399 S. 39).

c) Auch der persönliche Anwendungsbereich des § 14 b 1 FamFG ist eröffnet. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist mittlerweile geklärt, dass für Rechtsanwälte die Pflicht zur elektronischen Übermittlung gemäß § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG auch dann besteht, wenn sie – wie hier als anwaltlicher Berufsbetreuer – berufsmäßig im eigenen Namen auftreten (vgl. BGH Beschluss vom 31. Januar 2023 – XIII ZB 90/22FamRZ 2023, 719 Rn. 16 ff. [Verfahrenspfleger]; vgl. zu § 130 d ZPO: BGH Beschluss vom 24. November 2022 – IX ZB 11/22WM 2023, 89 Rn. 13 ff. [Insolvenzverwalter]).

aa) Dem Wortlaut des § 14 b 1 FamFG lässt sich für eine Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs auf den Fall der Vertretung eines Beteiligten durch einen Rechtsanwalt nichts entnehmen.

Vielmehr deuten sowohl die auf eine „Nutzungspflicht für Rechtsanwälte“ abstellende amtliche Überschrift der Vorschrift als auch der Wortlaut von § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG, wonach „durch einen Rechtsanwalt“ bei Gericht einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln sind, auf eine generelle Nutzungspflicht für Rechtsanwälte unabhängig von ihrer Rolle im Verfahren hin (vgl. BGH Beschluss vom 31. Januar 2023 – XIII ZB 90/22FamRZ 2023, 719 Rn. 17). Dies verdeutlicht auch ein Vergleich des Wortlauts der Parallelvorschrift des § 130 d Satz 1 ZPO mit dem Wortlaut des ebenfalls durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 geschaffenen § 130 a Abs. 1 ZPO: Während nämlich in § 130 a Abs. 1 ZPO von Schriftsätzen der Parteien die Rede ist und damit womöglich ein Vertretungsverhältnis beim Handeln eines Rechtsanwalts gegenüber dem Gericht vorausgesetzt wird, wird in § 130 d Satz 1 ZPO – wie auch in § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG – statusbezogen allein darauf abgestellt, dass Schriftsätze, Anträge und Erklärungen „durch einen Rechtsanwalt“ bei Gericht eingereicht werden (vgl. BGH Beschluss vom 24. November 2022 – IX ZB 11/22WM 2023, 89 Rn. 14).

bb) Der Gesetzesbegründung zu § 130 d ZPO, auf die hinsichtlich der Nutzungspflicht in den Materialien zu § 14 b FamFG inhaltlich verwiesen wird (BT-Drucks. 17/12634 S. 36), lässt sich für die Beurteilung der Frage nach einer rollen- oder statusbezogenen Nutzungspflicht des Rechtsanwalts nichts entnehmen. Einerseits spricht die Begründung zu § 130 d ZPO zwar davon, dass die Bestimmung „für alle anwaltlichen schriftlichen Anträge und Erklärungen nach der ZPO“ gelte, andererseits in Übereinstimmung mit dem Wortlaut der Vorschrift aber auch davon, dass für alle Rechtsanwälte eine Pflicht zur Nutzung des elektronischen Übermittlungswegs bestehe (BT-Drucks. 17/12634 S. 27). Es ist nicht auszuschließen, dass die Ausführungen an dieser Stelle im Regierungsentwurf von sprachlichen Ungenauigkeiten beeinflusst sind, denen eine besondere Bedeutung nicht beigemessen werden kann (vgl. BGH Beschlüsse vom 31. Januar 2023 – XIII ZB 90/22FamRZ 2023, 719 Rn. 19 und vom 24. November 2022 – IX ZB 11/22WM 2023, 89 Rn. 16).

cc) Entscheidend für ein weites und damit statusbezogenes Verständnis der Nutzungspflicht nach § 14 b 1 FamFG ist der Zweck der Norm, der ausweislich der Begründung (vgl. BT-Drucks. 17/12634 S. 27) darin besteht, durch eine Verpflichtung für alle Rechtsanwälte und Behörden zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten den elektronischen Rechtsverkehr einzuführen. Die Rechtfertigung eines Nutzungszwangs ergibt sich für den Gesetzgeber daraus, dass selbst bei freiwilliger Mitwirkung einer Mehrheit von Rechtsanwälten an diesem Ziel die Nichtnutzung durch eine Minderheit immer noch zu erheblichem Aufwand insbesondere bei den Gerichten führen würde. Es sei nicht hinzunehmen, erhebliche Investitionen der Justiz auszulösen, wenn die für einen wirtschaftlichen Betrieb erforderliche Nutzung nicht sichergestellt sei. Dieser Gesetzeszweck lässt es nur konsequent erscheinen, anwaltliche Verfahrensbeteiligte, die ohnehin ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach für die elektronische Kommunikation vorzuhalten haben (§ 31 a BRAO), in die Nutzungspflicht einzubeziehen, auch wenn sie in dem Verfahren nicht im anwaltlichen Erstberuf tätig sind (vgl. BGH Beschlüsse vom 31. Januar 2023 – XIII ZB 90/22FamRZ 2023, 719 Rn. 20 und vom 24. November 2022 – IX ZB 11/22WM 2023, 89 Rn. 19).

dd) Der Anwendbarkeit von § 14 b FamFG auf den anwaltlichen Berufsbetreuer steht auch nicht entgegen, dass dieser dadurch anders als der nichtanwaltliche Berufsbetreuer behandelt wird, der weiterhin alle Anträge und Erklärungen gegenüber dem Gericht schriftlich vornehmen kann, solange er nicht seinerseits einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung betraut. Die sachliche Rechtfertigung für diese unterschiedliche Behandlung liegt darin, dass der anwaltliche Betreuer ohnehin über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach verfügen muss und auch jenseits des Betreuungsverfahrens einem Zwang zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten unterliegt (vgl. BGH Beschlüsse vom 31. Januar 2023 – XIII ZB 90/22FamRZ 2023, 719 Rn. 20 und vom 24. November 2022 – IX ZB 11/22WM 2023, 89 19). Im Übrigen lässt die jüngere Gesetzgebung deutlich das Bestreben des Gesetzgebers erkennen, den elektronischen Rechtsverkehr mit der Justiz auch auf nichtanwaltliche Berufsbetreuer und Betreuungsvereine auszuweiten. Mit der Einführung des besonderen elektronischen Bürger- und Organisationenpostfachs (§ 10 ERVV) durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 5. Oktober 2021 sollen auch sonstige Beteiligte an Gerichtsverfahren künftig die Möglichkeit erhalten, mit dem Gericht elektronisch zu kommunizieren; beispielhaft werden in der Gesetzesbegründung Betreuerinnen und Betreuer genannt (vgl. BT-Drucks. 19/28399 S. 23).

ee) Vor diesem Hintergrund spricht es ebenfalls nicht gegen eine Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs durch einen anwaltlichen Betreuer, dass er diese Tätigkeit als Zweitberuf ausübt und seine Tätigkeit – abgesehen von anwaltsspezifischen Diensten für den Betreuten – nicht nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vergütet wird. Ebenso wenig kann es darauf ankommen, dass die Höhe der nach Fallpauschalen bestimmten Betreuervergütung (§§ 7 VBVG) nicht an die Zulassung als Rechtsanwalt, sondern an die abgeschlossene juristische Hochschulausbildung des Anwaltsbetreuers anknüpft.

Im Hinblick auf die für Rechtsanwälte ohnehin bestehende Vorhaltungs- und Nutzungspflicht der elektronischen Kommunikationsmittel spricht auch nichts für die Annahme, dass der Justizgewährungsanspruch verletzt werden könnte, wenn der Rechtsanwalt diese Kommunikationsmittel bei seiner beruflichen Tätigkeit als Betreuer zu nutzen hat. Ob im Einzelfall anders zu entscheiden wäre, wenn der als Rechtsanwalt zugelassene Betreuer seine Tätigkeit bewusst als Privatperson in eigener Sache entfaltet oder sein (ehrenamtliches) Betreueramt – nach außen erkennbar – von seiner Stellung als Rechtsanwalt trennt (vgl. Prütting/Helms/Ahn-Roth FamFG 6. Aufl. § 14 b Rn. 5; Sternal/Sternal FamFG 21. Aufl. § 14 b Rn. 8; Fritzsche NZFam 2022, 1, 3), bedarf unter den hier obwaltenden Umständen keiner Entscheidung, weil der Betreuer bei der Führung des Amtes als Berufsbetreuer auftritt.

III.

Die Entscheidung des Beschwerdegerichts, die schriftlich eingelegte Beschwerde des Betreuers zu verwerfen, hat daher Bestand.

Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Vergütungsantrag des anwaltlichen Betreuers nicht als elektronisches Dokument eingereicht werden muss (insoweit zutreffend LG Hildesheim NJW-RR 2022, 1518, 1519). Der Vergütungsantrag des Betreuers nach § 292 Abs. 1 FamFG unterliegt, auch wenn mit ihm das Vergütungsfestsetzungsverfahren eingeleitet wird, vorbehaltlich (bislang nicht bestehender) abweichender landesrechtlichen Bestimmungen über die Verpflichtung zur Benutzung von Vordrucken (§ 292 Abs. 6 FamFG) keinem zwingenden Schriftformerfordernis. Nach § 25 Abs. 1 FamFG können Anträge und Erklärungen gegenüber dem zuständigen Gericht schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle abgegeben werden, soweit eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht notwendig ist. Werden verfahrenseinleitende Anträge nicht zur Niederschrift der Geschäftsstelle, sondern schriftlich abgegeben, hängt deren Wirksamkeit – anders als nach § 64 Abs. 2 Satz 3 und 4 FamFG bei bestimmenden Schriftsätzen im Beschwerdeverfahren – nicht von der Beachtung zwingender Formvorschriften ab (vgl. § 23 FamFG), zu denen § 14 b Abs. 1 FamFG für Rechtsanwälte hinzutreten könnte. Auch die Gesetzesmaterialien gehen davon aus, dass für den Großteil von Anträgen und Erklärungen in Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit kein Schriftformerfordernis besteht und diese deshalb dem § 14 b Abs. 2 FamFG unterfallen (BT-Drucks. 19/28399 S. 40). Der Betreuer darf seinen Vergütungsantrag deshalb auch dann in gewöhnlicher Schriftform stellen, wenn er als Rechtsanwalt zugelassen ist. Er ist in diesem Fall allerdings verpflichtet, auf Anforderung des Gerichts ein elektronisches Dokument nachzureichen (§ 14 b Abs. 2 Satz 2 FamFG).