Archiv für den Monat: März 2019

StPO: Längerfristige Observation, oder: Verwendung der Erkenntnisse aus einem anderen Verfahren

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Und zum Schluss des Tages dann ein Beschluss, der eine Thematik behandelt, mit der man es nicht jeden Tag zu tun hat. Nämlich die Frage der Verwendung von Erkenntnissen aus einer längerfristigen Observation. Dazu hat das KG im KG, Beschl. v. 20.12.2018 – 3 Ws 309/18 – Stellung genommen.

Nach dem Sachverhaltist der Beschuldigte aufgrund eines Haftbefehls festgenommen worden Vorgeworfen wurden ihm im Haftbefehl 22 Fälle des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, eine falsche Verdächtigung und ein versuchter Einbruchsdiebstahl. Der Verdacht des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gründete teilweise auf Erkenntnissen, welche polizeilichen Zeugen in einem anderen Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Straftat nach § 29a BtMG durch längerfristige Observation des Beschuldigten  gem. § 163f StPO gewonnen hatten. Der Haftbefehl wurde vor Anklageerhebung außer Vollzug gesetzt. Nachdem die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hatte, beantragte der Verteidiger die Aufhebung des Haftbefehls in Bezug auf diese Fälle, um die Rechtsfrage eines Verwertungsverbots nach § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO höchstrichterlicher Klärung zuzuführen. Das AG hat den Antrag abgelehnt, die dagegen gerichtete Beschwerde hatte beim LG keinen Erfolg. Das KG hat den Haftbefehl aufgehoben.

Das KG führt aus:

Die weitere Beschwerde richte sich zwar nicht gegen den Haftbefehl, sondern ziele darauf ab, im Vorfeld der Hauptverhandlung die im Gerichtsbezirk des KG streitige Rechtsfrage der Anwendbarkeit des § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO zu klären. Das KG hat das jedoch als zulässig angesehen.

Die Beschwerde sei auch begründet, weil – so das KG – wegen der Vorwürfe vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis teilweise eine sich aus § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO ergebendes Beweisverwertungsverbot bestehe. Der Wortlaut der Vorschrift erlaube es, den Terminus „Verdacht bestimmter Straftaten“ im Sinne eines Verdachts auf einen in irgendeiner Form eingeschränkten Kreis von Taten zu verstehen. Der Gesetzgeber habe das Gesamtsystem der strafprozessualen heimlichen Ermittlungsmethoden harmonisieren und systematisieren sowie grundrechtssichernd und dem datenschutzrechtlichen Zweckbindungsgrundsatz entsprechend ausgestalten wollen. Die Gesetzesbegründung führe zu § 101 Abs. 3 StPO aus, dass die in § 101 Abs. 1 StPO aufgeführten Maßnahmen – zu denen auch die längerfristige Observation (§ 163f StPO) zähle – vom Verdacht bestimmter, in den jeweiligen Regelungen näher umschriebener Straftaten abhängig seien und damit das Eingreifen der Verwendungsbeschränkungen in § 477 Abs. 2 StPO auslösen würden. Nach der systematischen, historischen und teleologischen Auslegung werde deutlich, dass unter bestimmte Straftaten im Sinn des § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht nur so genannte Katalogtaten – also konkret und gegebenenfalls enumerativ bezeichnete Straftatbestände – sondern auch generalklauselartig umschriebene Delikte wie Straftaten von erheblich Bedeutung im Sinn des § 163f Abs. 1 StPO zu verstehen seien. Zur Aufklärung des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis hätte aber eine längerfristige Observation – auch bei serieller Tatbegehung – nicht angeordnet werden dürfen, weil es sich dabei nicht um Straftaten von erheblicher Bedeutung handele. Solche Taten seien nicht dem Bereich mittlerer Kriminalität zuzuordnen und wiesen eine geringe Strafrahmenobergrenze von einem Jahr aus. Zudem entsprächen die vorliegenden Taten einem durchschnittlichen Erscheinungsbild. Zwar gelte das Verwendungsverbot des § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO dann nicht, wenn die zufälligen Erkenntnisse, die bei einer zulässig angeordneten Überwachung gewonnen wurden (sog. Zufallsfunde), eine Straftat betreffen und belegen, die im Zusammenhang mit der in der Anordnung bezeichneten Katalog stehe. Indes bestehe ein solch enger innerer Zusammenhang zwischen der Tat nach § 29a BtMG, wegen der die Maßnahme der längerfristigen Observation angeordnet worden sei, und der tatsächlich festgestellten Tat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis offensichtlich nicht. Schließlich sei nicht von einer Einwilligung des Beschuldigten auszugehen.

Es handelt sich – soweit  ich das sehe – um die erste obergerichtliche Entscheidung, bei der der vom KG eingeschlagene Weg, wonach unter den Begriff bestimmter Straftaten im Sinn des § 477 Abs. 2 StPO nicht nur konkret und numerisch bezeichnete Katalogtaten, sondern auch generalklauselartig eingegrenzte Delikte wie etwa Straftaten von erheblicher Bedeutung gem. § 163f StPO fallen, beschritten worden ist (zur [längerfristigen] Observation Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 8. Aufl., 2019, Rn 2925 ff.). Zur Bestellung 🙂 hier. Werbemodus aus >>

StPO II: Richtiger Beweisantrag, oder: Ablehnung wegen Bedeutungslosigkeit

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Die zweite „StPO-Entscheidung“, der OLG Hamm, Beschl. v. 30.10.2018 – 4 RVs 143/18, hat mir der Kollege Ramloh aus Duisburg übersandt. Er behandelt u.a. die Ablehnung eines Beweisantrages wegen „Bedeutungslosigkeit“. Das LG hatte einen Beweiantrag des Verteidigers abgelehnt. Das ist in der Revision erfolgreicht gerügt worden:

„1. Die Revision hat mit der Rüge der Verletzung formellen Rechts Erfolg.

a) Mit Beschluss vom 17. Januar 2018 (vgl. Anlage III zum Tagesprotokoll vom 17. Januar 2018) hat die Strafkammer den im Hauptverhandlungstermin vom selben Tage und als Anlage II zum Tagesprotokoll genommenen Beweisantrag der Angeklagten verfahrensfehlerhaft unter Verstoß gegen § 244 Abs. 3 S. 2 StPO abgelehnt.

aa) Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:

Die Angeklagte hat beantragt, Herrn F. zu laden und zum Beweis folgender Tatsachen zu vernehmen:

[1]. Bei Frau M. handelt es sich um eine Prostituierte, die regelmäßig Kunden in ihrer Wohnung empfängt und dieser Tätigkeit mindestens seit 2009 nachgeht,

[2] Im Rahmen dieser Tätigkeit gehörte Herr pp.. nach den Mitteilungen der Frau M. Herrn J. gegenüber zu ihren Kunden.

[3] Im Rahmen dieser Tätigkeit erhielt Frau C. 2009 oder 2010 ihrer Mitteilung an Herrn J. nach als „Gegenleistung“ für die regelmäßige Hingabe an Herrn R. verbunden mit einem vorherigen –  nicht sexuell geprägten Zusammensein – die Finanzierung eines Urlaubs in der dominikanischen Republik im Werte von ca. 3.000,00 Euro.“

Aus diesen Tatsachenbekundungen des Zeugen — so die Angeklagte in ihrem Antrag – sei zu folgern, dass der Zeuge R.  der Frau C. eine Zuwendung in Höhe von 3.000,00 Euro habe zukommen lassen. Dies rechtfertige den Schluss, dass die äußerst große Wahrscheinlichkeit bestehe, dass weitere Leistungen durch Herrn R. an Frau C. erfolgt seien. Dies wiederum belege, dass Herr pp. im Kernbereich seiner Angaben, bewusst unwahre Tatsachen bekundet habe. Er habe nämlich behauptet, mit Ausnahme zu Frau S.  Frau E., Frau K. und Frau A. keine weiteren Beziehungen zu Frauen gehabt zu haben. Den Angaben des Zeugen R.  könne insgesamt keinerlei Glauben mehr geschenkt werden.

In ihrem als Anlage III zum Tagesprotokoll vom 17. Januar 2018 genommenen Beschluss hat die Strafkammer die Frage, ob es sich bei dem o.g. Antrag um einen Beweisantrag oder einen Beweisermittlungsantrag handelt, dahinstehen lassen und ausgeführt, der Antrag sei jedenfalls gemäß § 244 Abs. 3 3. 2 Var. 2 StPO abzulehnen. Die unter Beweis gestellte Behauptung sei für die Entscheidung der Kammer ohne Bedeutung, da sie lediglich mögliche, aber keine zwingenden Schlüsse zulasse. Diese nur möglichen Schlüsse wolle die Kammer angesichts der bisherigen Beweisaufnahme nicht ziehen.

bb) Vorgenannte Begründung hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

(1) Zunächst handelt es sich bei dem o.g. Antrag um einen „echten“ Beweisantrag, dessen Ablehnung eines begründeten Gerichtsbeschlusses bedarf, vgl. § 244 Abs. 5 und 3 StPO, und nicht um einen bloßen Beweisermittlungsantrag, dessen Ablehnung allein an § 244 Abs. 2 StPO zu messen ist.

Ein Beweisantrag ist das ernsthafte, unbedingte oder an eine Bedingung geknüpfte Verlangen eines Prozessbeteiligten, über eine die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betreffende Behauptung durch bestimmte, nach der StPO zulässige Beweismittel Beweis zu erheben (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage 2018, § 244 Rn. 18, m.w.N.).

Ein Beweisantrag muss bestimmte Beweistatsachen bezeichnen (vgl. BGH NStZ 1993, 550 – zitiert nach beckonline; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 244 Rn. 20). Wird – wie hier – ein Zeuge als Beweismittel benannt, müssen diese Beweistatsachen dem Zeugenbeweis zugänglich sein (vgl. BGH, a.a.O.). Ein Zeuge kann grundsätzlich nur über seine eigene Wahrnehmung vernommen werden (vgl. BGH, a.a.O.; m.w.N.). Gegenstand des Zeugenbeweises können nur solche Umstände sein, die mit dem benannten Beweismittel unmittelbar bewiesen werden sollen. Soll aus den Wahrnehmungen des Zeugen auf ein bestimmtes weiteres Geschehen geschlossen werden, ist nicht dieses weitere Geschehen, sondern nur die Wahrnehmung des Zeugen tauglicher Gegenstand des Zeugenbeweises (vgl. BGH, a.a.O.).

Nach dem Vorbringen der Angeklagten in ihrem Beweisantrag kann der benannte Zeuge J. den letztlich behaupteten Sachverhalt – nämlich Kontakte des Zeugen R. zu Frau C. und Schenkung eines Betrages von 3.000,00 Euro für eine Urlaubsreise nicht aus unmittelbarer eigener Wahrnehmung, sondern lediglich als Zeuge vom Hörensagen bekunden. Dies bedingt, dass Gegenstand des Zeugenbeweises hier nur die Wahrnehmungen des Zeugen aus seinen Unterredungen mit Frau C. sein können.

Gemessen hieran sind die Beweisbehauptungen hinreichend bestimmt. Denn jedenfalls aus den Formulierungen „nach den Mitteilungen der Prostituierten Frau C. gegenüber“ und „ihrer Mitteilung an Herrn J. nach“ sowie dem Gesamtzusammenhang ergibt sich, dass Gegenstand des Zeugenbeweises die Wahrnehmungen des Zeugen F. aus Gesprächen mit Frau C        . sein sollen, und nicht etwaige Schlussfolgerungen seinerseits hieraus.

(2) Indes eröffnet die seitens der Strafkammer vorgenommene Begründung der Ablehnungsentscheidung dem Senat nicht die Möglichkeit, deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen.

Wird ein Beweisantrag – wie vorliegend – wegen Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsache abgelehnt, muss der Beschluss die Erwägungen anführen, aus denen der Tatrichter ihr aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen keine Bedeutung für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch beimisst (vgl. BGH Beschluss vom 27. März 2012, Az. 3 StR 47/17 — zitiert nach juris; BGH Beschluss . vom 29. Dezember 2014, Az. 2 StR 211/14 — zitiert nach juris; Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung/Krehl, 7. Auflage, § 244 Rn. 144 — zitiert nach beckonline; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 244 Rn. 56). Verfolgt der Beweisantrag seiner Stoßrichtung nach das Ziel, die Glaubwürdigkeit eines Zeugen und die Glaubhaftigkeit seiner Bekundungen zu erschüttern, bedarf die Ablehnungsentscheidung der Begründung, warum die zu beweisende (Indiz-) Tatsache das Gericht auch im Falle ihres Nachweises unbeeinflusst ließe (vgl. BGH Beschlüsse vom 27. März 2012 und 29. Dezember 2014, a.a.O.). Hierbei entsprechen die Anforderungen an die Begründung grundsätzlich denjenigen, denen das Gericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf die Entscheidungsbildung ohne Einfluss geblieben ist (vgl. BGH Beschlüsse vom 27. März 2012 und 29. Dezember 2014, a.a.O.). Dies nötigt zu einer Einführung der behaupteten Beweistatsache in das bis dahin gewonnene Beweisergebnis (vgl. BGH Beschluss vom 29. Dezember 2014, a.a.O.).

Diesem Begründungserfordernis genügt der Beschluss des Landgerichts vom 17. Januar 2018 nicht. Er erschöpft sich in der pauschalen Erwägung, dass die Kammer die nur möglichen Schlüsse nicht ziehen wolle, ohne dies mit konkreten Erwägungen zu belegen oder das Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme darzustellen. Insoweit weist die Angeklagte in ihrer Gegenerklärung zutreffend darauf hin, dass es der Strafkammer oblegen hätte, eine den vorgenannten Anforderungen genügende Begründung ihres Beschlusses vorzunehmen und dass eine solche nicht durch die Erwägungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift ersetzt oder nachgeholt werden kann.

Auf diesem Verfahrensfehler beruht der Schuldspruch, vgl. § 337 Abs. 1 StPO. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass das Urteil insoweit bei gesetzeskonformer Behandlung des Beweisantrages anders ausgefallen wäre. Denn es ist insbesondere nicht auszuschließen, dass die Strafkammer die Glaubwürdigkeit des Zeugen R. und die Glaubhaftigkeit seiner Bekundungen abweichend beurteilt hätte.

Beanstandet hat das OLG zudem, dass die Strafkammer den Beweisantrag der Angeklagten verfahrensfehlerhaft unter Verstoß gegen § 245 Abs. 2 S. 3 StPO abgelehnt hat. Insoweit: Selbststudium 🙂 .

StPO I: Beweisantrag, oder: Der wird in der Hauptverhandlung gestellt

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Heute dann noch einmal drei „StPO-Entscheidungen“.

An der Spitze der KG, Beschl. v. 12.09.2018 – (2) 161 Ss 141/18 (40/18). Es geht um außerhalb der Hauptverhandlung gestellte Beweisanträge. Mit der Revisin war gerügt worden, dass das Tatgericht nicht vor der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträgen nachgegangen ist. Dazu das KG:

„1. Die von der Revision erhobene Verfahrensrüge genügt nicht der gebotenen Form. Nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO sind bei Erhebung der Verfahrensrüge die den geltend gemachten Verstoß begründenden Tatsachen anzugeben. Sie müssen ohne Bezugnahmen und Verweisungen so umfassend und vollständig mitgeteilt werden, dass das Revisionsgericht allein aufgrund dieser Angaben prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen der Revi­sion zutrifft (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2016 – 1 StR 579/15 –, juris; KG Berlin, Beschluss vom 12. Juli 2017 – 3 Ws (B) 166/17 –, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl. § 344 Rdn. 21, mwN).

Die Revision rügt einen Verstoß gegen § 244 Abs. 3 und 6 StPO, obwohl – insoweit in der Gegenerklärung klargestellt – in der Hauptverhandlung am 17. April 2018 ein Beweisantrag nicht gestellt wurde. Dabei handelt es sich auch nicht – wie der Revisionsführer meint – um eine bloße Förmelei, weil der Zeuge zu den zuvor stattge­fundenen Hauptverhandlungsterminen regelmäßig geladen worden war. Nur für Beweisanträge in der Hauptverhandlung sind Ablehnungsgründe abschließend normiert (§ 244 Abs. 3, 4 und 5 StPO) und hat eine Ablehnung durch Beschluss zu erfolgen (§ 244 Abs. 6 Satz 1 StPO). Bei der Behandlung von Beweisanträgen die vor der Hauptverhandlung gestellt wurden, ist der Tatrichter gerade nicht an § 244 Abs. 3 und 6 StPO gebunden, sondern kann im Rahmen seiner Amtsaufklärungspflicht entscheiden (vgl. Trüg/Habetha, Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2016, § 244 Rn. 93, Rn. 55). Diese verpflichtet ihn nur dann zur Erhebung des Beweises, wenn bekannte oder erkennbare Umstände vorliegen, die zur Erhebung des Beweises drängen (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1952 – 3 StR 374/52 –, BGHSt 3, 169; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 244 Rn. 12 mwN). Zudem handelt es sich bei dem von der Revision vorgetragenen Begehren schon nicht um einen Beweisantrag, da er bereits eine dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung vermissen lässt. Ob der Angeklagte sich „aggressiv“ verhalten und die Zeugin „verbal angegriffen“ hat, ist eine reine Wertungsfrage, die einem Beweis nicht zugänglich ist (vgl. BGHSt 37, 162).

Eine fehlerhafte Nichterhebung des beantragten Beweises könnte somit lediglich mit der Aufklärungsrüge beanstandet werden. Eine solche Verfahrensrüge ist vorliegend aber nicht erhoben worden. Die Revision rügt (nur) einen Verstoß gegen § 244 Abs. 3 und 6 StPO. Doch selbst wenn die Aufklärungsrüge in der Beweisantragsrüge mit angelegt wäre – wovon der Senat nicht ausgeht –, wäre sie erfolglos geblieben. Die Verfahrensrüge der Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO wäre bereits nicht ordnungsgemäß unter Beachtung des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ausgeführt und daher unzulässig. Es sind weder konkrete Tatsachen bezeichnet, die der Tatrichter unterlassen hat zu ermitteln (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt aaO, § 244 Rn. 102) noch ist vorgetragen, welche konkreten Umstände das Gericht zu weiteren Ermittlungen hätte drängen müssen (vgl. BGH NStZ 1999, 45 mwN; KG, Beschluss vom 16. Oktober 2017 – [5] 121 Ss 143/17 [65/17] –, juris).“

StPO III: Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung, oder: Sollte man wissen

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Und als letzte Entscheidung des Tages weise ich dann auf das KG, Urt. v. 05.11.2018 – (2) 161 Ss 33/18 (5/18) – hin, u.a. betreffend die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung. Die Entscheidung habe ich ja schon einmal vorgestellt wegen der vom KG entschiedenen materiellen Frage (vgl. Gewerbsmäßig?, oder: Auch wer sparen will, kann “gewerbsmäßig” handeln…).

Heute geht es um den verfahrensrechtlichen Aspekt. Worum es dabei geht, ergibt sich aus dem Leitsatz der Entscheidung:

„Die Feststellung des Amtsgerichts, der Angeklagte sei betäubungsmittelabhängig im Sinne des § 17 Abs. 2 BZRG, ist nicht Teil des Schuldspruchs. Daher ist das Berufungsgericht auch bei einer Beschränkung des Rechtsmittels auf den Strafausspruch nicht gehindert, zu einer etwaigen Betäubungsmittelabhängigkeit eigene und vom Urteil des Amtsgerichts abweichende Feststellungen zu treffen.“

Sollte man eigentlich wissen.

StPO II: Schlussvortrag des Verteidiges, oder: Keine Hinweispflicht

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In der zweiten Entscheidung, dem OLG Hamm, Beschl. v. 08.01.2019 – 4 RBs 360/18 -, geht es um den Schlussvortrag des Verteidigers (§ 258 StPO); insoweit hatte der Verteidiger Versäumnisse des AG gerügt. Ergangen ist der Beschluss im Rechtsbeschwerdeverfahren.

Das OLG hat die Zulassung der Rechtsbeschwerde abgelehnt:

„…Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist die Rechtsbeschwerde nur zuzulassen, wenn andernfalls schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen und fortbestehen würden, wobei es auch darauf ankommt, welche Bedeutung die Entscheidung für die Rechtsprechung im Ganzen hat (zu vgl. OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2000, 180 f.). Bei einer Fehlentscheidung im Einzelfall ist die Einheitlichkeit der Rechtsprechung selbst dann nicht gefährdet, wenn sie offensichtlich wäre. Die Entscheidung des Tatrichters muss – über einen etwaigen ihr innewohnenden Rechtsfehler hinaus – vielmehr besorgen lassen, dass der die Entscheidung fällende Tatrichter auch künftig die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht beachten wird (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 07.12.2015, III – 5 RBs 177/15, zit. nach juris). Ein entsprechender Rechtsfehler ist jedoch bereits nicht ersichtlich.

So haben die Verfahrensbeteiligten zur Wahrung des rechtlichen Gehörs nach § 258 Abs. 1 StPO zwar das Recht, nach Beendigung der Beweisaufnahme und vor der endgültigen Entscheidung des Gerichts zum gesamten Sachverhalt und zu allen Rechtsfragen zusammenfassend Stellung zu nehmen (zu vgl. BVerfGE, Urteil vom 13.05.1980, 2 BvR 705/79, BVerfGE 54, 140). Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, dem Verteidiger hinreichend Gelegenheit zum Schlussvortrag zu geben. Eines förmlichen Hinweises bedarf es jedoch nicht (BGH, Beschluss vom 21.03.1989 – 5 StR 120/88 -). Insoweit wäre jedoch selbst bei unterstellter Richtigkeit des Vorbringens des Betroffenen ein über die Gewährung des Wortes zur Antragstellung hinausgehender Hinweis des Gerichts nicht erforderlich gewesen.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung. Auch die Ausführungen des Verteidigers in dem Schriftsatz vom 05. Dezember rechtfertigen insoweit keine andere Entscheidung.

2. Auch der geltend gemachte Zulassungsgrund der Versagung des rechtlichen Gehörs gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG ist nicht gegeben.

Es kann dahinstehen, ob die insoweit erhobene Rüge überhaupt den formellen Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG genügt (vgl. zu diesem Erfordernis nur Göhler OWiG, 17. Auflage 2017, § 80 Rn. 16a m.w.N.). Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil das Amtsgericht weder dem Betroffenen noch der Verteidigung die Möglichkeit des Schlussvortrages eingeräumt habe, ist jedenfalls unbegründet.

Die Rechtsbeschwerde kann zwar grundsätzlich darauf gestützt werden, dass einem Berechtigten keine Gelegenheit zum Schlussvortrag gegeben wurde, nicht aber darauf, dass dem Verteidiger nicht ausdrücklich neben dem Betroffenen das Wort zum Schlussvortrag von Amts wegen erteilt wurde (vgl. Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 258 Rn. 32 m.w.N.). Eines über die Gewährung des Wortes zur Antragstellung hinausgehenden Hinweises des Gerichts bedurfte es nicht (s.o.). Dass das Amtsgericht nach Schluss der Beweisaufnahme die Möglichkeit zum Schlussvortrag verwehrt hätte, dass dem Verteidiger das Wort auf sein Verlangen hin nicht erteilt worden wäre, wird indes nicht vorgebracht. Dem Verteidiger wurde vielmehr das Wort zur Antragsstellung gewährt, was genügt.“