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Verfahrensrüge II: Vortrag bei Beweisantragsrügen. oder: Aufklärungsrüge, Bedeutungslos, Zeugenbeweis

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Und dann hier der BGH, Beschl. v. 22.02.2023 – 6 StR 509/22 -, in dem der BGH zu sog. Beweisantragsrügen und den Anforderungen an die Begründung Stellung genommen hat:

„a) Dem Senat ist es im Rahmen der erhobenen „Verfahrensrüge 1“ mangels vollständigen Vortrags der rügebegründenden Tatsachen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) verwehrt, eine Verletzung der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) abschließend zu prüfen. Es fehlt schon an ausreichendem Vortrag dazu, weshalb sich dem Gericht trotz der im Ablehnungsbeschluss vom 3. Juni 2022 ausgeführten gewichtigen Umstände die Beiziehung von „Rohdaten über das Bundeskriminalamt“ zum Zwecke der näheren Auswertung von Standortdaten aufdrängen musste (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. September 2022 – 5 StR 191/22, NStZ 2023, 116; vom 16. März 2021 – 5 StR 35/21, Rn. 13; im Einzelnen Becker in Löwe/Rosenberg, 27. Aufl., § 244 Rn. 369 mwN). Der Beschwerdeführer erwähnt zwar einzelne Umstände, die der vom Landgericht vorgenommenen Zuordnung des EncroChat-Accounts entgegenstehen könnten, insbesondere „auch“ Ergebnisse einer Wohnraumdurchsuchung. Diese werden indes nicht vollständig vorgetragen.

b) Die „Verfahrensrüge 2“ ist jedenfalls unzulässig. Für die Prüfung der vom Landgericht in seinem Beschluss vom 5. August 2022 angenommenen Bedeutungslosigkeit der mit Antrag vom selben Tage behaupteten Beweistatsachen (§ 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO) hätte auch die im Ablehnungsbeschluss hinsichtlich der übrigen Gründe für die Zuschreibung des EncroChat-Accounts in Bezug genommene weitere Entscheidung der Strafkammer vom 3. Juni 2022 vorgetragen werden müssen. Dass dieser Beschluss Gegenstand des Vortrags einer weiteren Verfahrensrüge war, enthebt von dieser Vortragspflicht nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 1986 – 4 StR 496/86, NStZ 1987, 36; Urteil vom 21. September 2022 – 6 StR 47/22, Rn. 17).

c) Soweit der Beschwerdeführer die Ablehnung der beantragten Vernehmung eines Zeugen mit Blick auf ein diesem zugestandenes umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 StPO) beanstandet, erfüllt auch diese Rüge die gesetzlichen Vortragspflichten nicht. Insoweit wird schon der vom Ablehnungsbeschluss in Bezug genommene, inhaltlich allerdings nicht erschöpfend wiedergegebene Vermerk der Strafkammervorsitzenden über ein Telefonat mit dem Zeugen nicht vollständig mitgeteilt. Dies war zur Beurteilung etwaiger Willensmängel des Zeugen bei der Ausübung seines Zeugenrechts ebenso notwendig wie für die Frage, ob der Zeuge für den Fall seines Erscheinens zu einer Aussage hätte veranlasst werden können (vgl. Bachler in BeckOK-StPO, 46. Ed., § 244 Rn. 84 f. mwN.).

d) Erfolglos bleibt schließlich die Beanstandung, die Strafkammer habe zu Unrecht den Antrag als bedeutungslos abgelehnt (§ 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO), zum Beweis der Tatsache, dass „in den Jahren 2016-2019“ an einer näher bezeichneten Anschrift „Personen aus Durres/Albanien“ angetroffen worden sind, Auskunft „über sämtliche Polizeieinsätze“ einzuholen. Insoweit fehlt es dem Antrag an der Angabe eines Strengbeweismittels (vgl. Alsberg/Güntge, Der Beweisantrag im Strafprozess, 8. Aufl., Kap. 3 A.II Rn. 5 mwN) und – auch für eine etwaige Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) – an einer hinreichend konkreten Beweisbehauptung.“

Das was der BGH hier verlangt, ist aber nun kein Hexenwerk.

Beweisantrag mit Negativtatsache, oder: Ablehnung wegen Bedeutungslosigkeit

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Heute ist dann Ostermontag, ich denke aber, dass wir es heute hier ganz normal laufen lassen. Vor allem, nachdem mein „Blogbetreuer“ 🙂 auch schon fleißig war und die neuesten Updates aufgespielt hat usw. Das kann ich nicht bzw.: Da mache ich mehr kaputt als heile 🙂 . Daher besten Dank Mirko Laudon für das Osterei, das ich noch nicht einmal suchen musste. Ja, der kann auch so etwas und nicht nur Strafrecht (vgl. zum Strafrecht hier bei „seiner“ Strafakte).

Hier dann heute zunächst zwei BGH-Entscheidungen. Zunächst ein Klassiker aus dem Beweisantragrecht, nämlich der

Heute ist dann Ostermontag, ich denke aber, dass wir es heute hier ganz normal laufen lassen. Vor allem, nachdem mein „Blogbetreuer“ 🙂 auch schon fleißig war und die neuesten Updates aufgespielt hat usw. Das kann ich nicht bzw.: Da mche ich mehr kaputt als heile :_). Daher besten Dank Mirko Laudon. Ja, der kann auch so etwas und nicht nur Strafrecht (vgl. hier bei „seiner“ Strafakte).

Hier dann heute bei mir zunächst zwei BGH-Entscheidungen. Zunächst ein Klassiker aus dem Beweisantragrecht, nämlich der BGH, Beschl. v. 19.12.2018 – 3 StR 516/18, der sich zu Frage der Ablehnung eines Beweisantrages als für die Entscheidung ohne Bedeutung. Das war der Strafkammer nicht rechtsfehlerfrei gelungen:

„b) Der Angeklagte S.    hat in der Hauptverhandlung beantragt, den Zeugen Ke.   zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, der Angeklagte H.   habe nach der Tat nicht jenem gegenüber gesagt, „wenn er (der Angeklagte H.   ) von der Polizei abgeholt werde, würden die anderen beiden ihn (den A.   T.  ) platt machen“. Solches hatte aber der Geschädigte A.   T.   gegenüber einem polizeilichen Vernehmungsbeamten nach dessen Vermerk vom 4. Oktober 2017 geäußert. Damit hat die Verteidigung des Angeklagten S.     – neben weiteren ähnlich gelagerten Beweisanträgen – ersichtlich die Glaubwürdigkeit des Zeugen A.   T.   angreifen wollen. Das Landgericht hat diesen Antrag mit der Begründung abgelehnt, die Beweistatsache sei aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung ohne Bedeutung. Selbst wenn diese Tatsache erwiesen sei, folge daraus nicht, dass der Zeuge A.   T.   die Unwahrheit gesagt habe. c) Diese Begründung trägt die Zurückweisung des Antrags nicht. aa) Zwar darf das Tatgericht Indiz- oder Hilfstatsachen als für die Entscheidung tatsächlich bedeutungslos erachten (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Variante 2 StPO), wenn es aus diesen eine mögliche Schlussfolgerung, die der Antragsteller erstrebt, nicht ziehen will. Hierzu ist die unter Beweis gestellte Tatsache so, als sei sie erwiesen, in das aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme erlangte Beweisergebnis einzustellen und im Wege einer prognostischen Betrachtung zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung – gegebenenfalls in Anwendung des Zweifelsatzes – in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 220). Diese antizipierende Würdigung ist in dem den Antrag ablehnenden Beschluss (244 Abs. 6 StPO) näher darzulegen. Denn dieser hat zum einen den Antragsteller sowie die weiteren Prozessbeteiligten so weit über die Auffassung des Tatgerichts zu unterrichten („formalisierter Dialog“), dass diese sich auf die neue Verfahrenslage einstellen und das Gericht von der Erheblichkeit der Beweistatsache überzeugen oder aber neue Anträge mit demselben Beweisziel stellen können; zum anderen muss der Ablehnungsbeschluss dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglichen, ob der Beweisantrag rechtsfehlerfrei zurückgewiesen worden ist sowie ob seine Feststellungen und Schlussfolgerungen mit denjenigen des Urteils übereinstimmen. Deshalb ist mit konkreten Erwägungen zu begründen, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserhebliche Schlussfolgerung ziehen will. Nach diesen Maßstäben erweist es sich in aller Regel als rechtsfehlerhaft, wenn die Ablehnung wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit allein auf die Aussage gestützt wird, die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache ließe keinen zwingenden, sondern lediglich einen möglichen Schluss zu, den das Gericht nicht ziehen wolle (BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 – 3 StR 322/15, NStZ-RR 2016, 117 f.; vom 9. Juli 2015 – 1 StR 141/15, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 29; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 225). bb) An diesen Grundsätzen gemessen hält der Ablehnungsbeschluss der Überprüfung nicht stand. (1) Der Antrag ist seinem Wortlaut nach zwar auf eine sogenannte Negativtatsache gerichtet. Dennoch stellt er eine bestimmte Tatsache unter Beweis, denn er ist bei verständiger Auslegung dahin zu verstehen (vgl. LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 117 mwN), der Angeklagte H.   habe nach der Tat nur zu anderen Personen Kontakt aufgenommen oder im Falle eines Zusammentreffens mit Ke.   habe er diesem anderes berichtet. (2) Das Tatgericht hat nicht begründet, warum es dem Zeugen A.   T.   zum Tatgeschehen weiterhin geglaubt hat, auch wenn dieser zum Randgeschehen gelogen haben sollte. Es hätte die für die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen sprechenden Gesichtspunkte und gegebenenfalls die weiteren Umstände, auf die es in den Urteilsgründen rechtsfehlerfrei seine Überzeugungsbildung gestützt hat (§ 261 StPO), bereits in seinem Ablehnungsbeschluss mitteilen müssen. Freilich kann und muss die Beschlussbegründung in der Regel weder die Ausführlichkeit noch die Tiefe der Beweiswürdigung der späteren Urteilsgründe aufweisen; die wesentlichen Hilfstatsachen wären indes jedenfalls in Grundzügen mitzuteilen gewesen. Nur dann hätte sich die Verteidigung auf die Umstände, die nach Ansicht des Landgerichts für die Glaubwürdigkeit des Zeugen A.   T.   sprachen, einstellen und diese gegebenenfalls mit weiteren Beweisanträgen angreifen können.

StPO II: Richtiger Beweisantrag, oder: Ablehnung wegen Bedeutungslosigkeit

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Die zweite „StPO-Entscheidung“, der OLG Hamm, Beschl. v. 30.10.2018 – 4 RVs 143/18, hat mir der Kollege Ramloh aus Duisburg übersandt. Er behandelt u.a. die Ablehnung eines Beweisantrages wegen „Bedeutungslosigkeit“. Das LG hatte einen Beweiantrag des Verteidigers abgelehnt. Das ist in der Revision erfolgreicht gerügt worden:

„1. Die Revision hat mit der Rüge der Verletzung formellen Rechts Erfolg.

a) Mit Beschluss vom 17. Januar 2018 (vgl. Anlage III zum Tagesprotokoll vom 17. Januar 2018) hat die Strafkammer den im Hauptverhandlungstermin vom selben Tage und als Anlage II zum Tagesprotokoll genommenen Beweisantrag der Angeklagten verfahrensfehlerhaft unter Verstoß gegen § 244 Abs. 3 S. 2 StPO abgelehnt.

aa) Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:

Die Angeklagte hat beantragt, Herrn F. zu laden und zum Beweis folgender Tatsachen zu vernehmen:

[1]. Bei Frau M. handelt es sich um eine Prostituierte, die regelmäßig Kunden in ihrer Wohnung empfängt und dieser Tätigkeit mindestens seit 2009 nachgeht,

[2] Im Rahmen dieser Tätigkeit gehörte Herr pp.. nach den Mitteilungen der Frau M. Herrn J. gegenüber zu ihren Kunden.

[3] Im Rahmen dieser Tätigkeit erhielt Frau C. 2009 oder 2010 ihrer Mitteilung an Herrn J. nach als „Gegenleistung“ für die regelmäßige Hingabe an Herrn R. verbunden mit einem vorherigen –  nicht sexuell geprägten Zusammensein – die Finanzierung eines Urlaubs in der dominikanischen Republik im Werte von ca. 3.000,00 Euro.“

Aus diesen Tatsachenbekundungen des Zeugen — so die Angeklagte in ihrem Antrag – sei zu folgern, dass der Zeuge R.  der Frau C. eine Zuwendung in Höhe von 3.000,00 Euro habe zukommen lassen. Dies rechtfertige den Schluss, dass die äußerst große Wahrscheinlichkeit bestehe, dass weitere Leistungen durch Herrn R. an Frau C. erfolgt seien. Dies wiederum belege, dass Herr pp. im Kernbereich seiner Angaben, bewusst unwahre Tatsachen bekundet habe. Er habe nämlich behauptet, mit Ausnahme zu Frau S.  Frau E., Frau K. und Frau A. keine weiteren Beziehungen zu Frauen gehabt zu haben. Den Angaben des Zeugen R.  könne insgesamt keinerlei Glauben mehr geschenkt werden.

In ihrem als Anlage III zum Tagesprotokoll vom 17. Januar 2018 genommenen Beschluss hat die Strafkammer die Frage, ob es sich bei dem o.g. Antrag um einen Beweisantrag oder einen Beweisermittlungsantrag handelt, dahinstehen lassen und ausgeführt, der Antrag sei jedenfalls gemäß § 244 Abs. 3 3. 2 Var. 2 StPO abzulehnen. Die unter Beweis gestellte Behauptung sei für die Entscheidung der Kammer ohne Bedeutung, da sie lediglich mögliche, aber keine zwingenden Schlüsse zulasse. Diese nur möglichen Schlüsse wolle die Kammer angesichts der bisherigen Beweisaufnahme nicht ziehen.

bb) Vorgenannte Begründung hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

(1) Zunächst handelt es sich bei dem o.g. Antrag um einen „echten“ Beweisantrag, dessen Ablehnung eines begründeten Gerichtsbeschlusses bedarf, vgl. § 244 Abs. 5 und 3 StPO, und nicht um einen bloßen Beweisermittlungsantrag, dessen Ablehnung allein an § 244 Abs. 2 StPO zu messen ist.

Ein Beweisantrag ist das ernsthafte, unbedingte oder an eine Bedingung geknüpfte Verlangen eines Prozessbeteiligten, über eine die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betreffende Behauptung durch bestimmte, nach der StPO zulässige Beweismittel Beweis zu erheben (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage 2018, § 244 Rn. 18, m.w.N.).

Ein Beweisantrag muss bestimmte Beweistatsachen bezeichnen (vgl. BGH NStZ 1993, 550 – zitiert nach beckonline; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 244 Rn. 20). Wird – wie hier – ein Zeuge als Beweismittel benannt, müssen diese Beweistatsachen dem Zeugenbeweis zugänglich sein (vgl. BGH, a.a.O.). Ein Zeuge kann grundsätzlich nur über seine eigene Wahrnehmung vernommen werden (vgl. BGH, a.a.O.; m.w.N.). Gegenstand des Zeugenbeweises können nur solche Umstände sein, die mit dem benannten Beweismittel unmittelbar bewiesen werden sollen. Soll aus den Wahrnehmungen des Zeugen auf ein bestimmtes weiteres Geschehen geschlossen werden, ist nicht dieses weitere Geschehen, sondern nur die Wahrnehmung des Zeugen tauglicher Gegenstand des Zeugenbeweises (vgl. BGH, a.a.O.).

Nach dem Vorbringen der Angeklagten in ihrem Beweisantrag kann der benannte Zeuge J. den letztlich behaupteten Sachverhalt – nämlich Kontakte des Zeugen R. zu Frau C. und Schenkung eines Betrages von 3.000,00 Euro für eine Urlaubsreise nicht aus unmittelbarer eigener Wahrnehmung, sondern lediglich als Zeuge vom Hörensagen bekunden. Dies bedingt, dass Gegenstand des Zeugenbeweises hier nur die Wahrnehmungen des Zeugen aus seinen Unterredungen mit Frau C. sein können.

Gemessen hieran sind die Beweisbehauptungen hinreichend bestimmt. Denn jedenfalls aus den Formulierungen „nach den Mitteilungen der Prostituierten Frau C. gegenüber“ und „ihrer Mitteilung an Herrn J. nach“ sowie dem Gesamtzusammenhang ergibt sich, dass Gegenstand des Zeugenbeweises die Wahrnehmungen des Zeugen F. aus Gesprächen mit Frau C        . sein sollen, und nicht etwaige Schlussfolgerungen seinerseits hieraus.

(2) Indes eröffnet die seitens der Strafkammer vorgenommene Begründung der Ablehnungsentscheidung dem Senat nicht die Möglichkeit, deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen.

Wird ein Beweisantrag – wie vorliegend – wegen Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsache abgelehnt, muss der Beschluss die Erwägungen anführen, aus denen der Tatrichter ihr aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen keine Bedeutung für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch beimisst (vgl. BGH Beschluss vom 27. März 2012, Az. 3 StR 47/17 — zitiert nach juris; BGH Beschluss . vom 29. Dezember 2014, Az. 2 StR 211/14 — zitiert nach juris; Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung/Krehl, 7. Auflage, § 244 Rn. 144 — zitiert nach beckonline; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 244 Rn. 56). Verfolgt der Beweisantrag seiner Stoßrichtung nach das Ziel, die Glaubwürdigkeit eines Zeugen und die Glaubhaftigkeit seiner Bekundungen zu erschüttern, bedarf die Ablehnungsentscheidung der Begründung, warum die zu beweisende (Indiz-) Tatsache das Gericht auch im Falle ihres Nachweises unbeeinflusst ließe (vgl. BGH Beschlüsse vom 27. März 2012 und 29. Dezember 2014, a.a.O.). Hierbei entsprechen die Anforderungen an die Begründung grundsätzlich denjenigen, denen das Gericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf die Entscheidungsbildung ohne Einfluss geblieben ist (vgl. BGH Beschlüsse vom 27. März 2012 und 29. Dezember 2014, a.a.O.). Dies nötigt zu einer Einführung der behaupteten Beweistatsache in das bis dahin gewonnene Beweisergebnis (vgl. BGH Beschluss vom 29. Dezember 2014, a.a.O.).

Diesem Begründungserfordernis genügt der Beschluss des Landgerichts vom 17. Januar 2018 nicht. Er erschöpft sich in der pauschalen Erwägung, dass die Kammer die nur möglichen Schlüsse nicht ziehen wolle, ohne dies mit konkreten Erwägungen zu belegen oder das Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme darzustellen. Insoweit weist die Angeklagte in ihrer Gegenerklärung zutreffend darauf hin, dass es der Strafkammer oblegen hätte, eine den vorgenannten Anforderungen genügende Begründung ihres Beschlusses vorzunehmen und dass eine solche nicht durch die Erwägungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift ersetzt oder nachgeholt werden kann.

Auf diesem Verfahrensfehler beruht der Schuldspruch, vgl. § 337 Abs. 1 StPO. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass das Urteil insoweit bei gesetzeskonformer Behandlung des Beweisantrages anders ausgefallen wäre. Denn es ist insbesondere nicht auszuschließen, dass die Strafkammer die Glaubwürdigkeit des Zeugen R. und die Glaubhaftigkeit seiner Bekundungen abweichend beurteilt hätte.

Beanstandet hat das OLG zudem, dass die Strafkammer den Beweisantrag der Angeklagten verfahrensfehlerhaft unter Verstoß gegen § 245 Abs. 2 S. 3 StPO abgelehnt hat. Insoweit: Selbststudium 🙂 .

StPO I: Bedeutungslose Tatsache, oder: Was bedeutungslos ist, muss es auch bleiben

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Nachdem ich gestern drei Entscheidungen zum StGB gebracht habe, kommen heute dann drei Entscheidungen zum Verfahrensrecht. Ja, drei, obwohl in Teilen der Republik Feiertag ist. Im Rest des Landes wird aber gearbeitet. Daher: Drei Entscheidungen 🙂 .

Zunächst bringe ich den BGH, Beschl. v. 24.07.2018 – 3 StR 132/18, und zwar wegen der vom BGH angesprochenen verfahrensrechtlichen Problematik. Das LG hat den Angeklagten wegen Untreue verurteilt. Mit seiner Revision hat der Angeklagte beanstandet, die Urteilsgründe stünden in Widerspruch zu einem Beschluss, mit dem die Strafkammer einen Beweisantrag wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache abgelehnt hat (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Variante 2 StPO). Der BGH folgt dem:

„a) Der Verteidiger hat in der Hauptverhandlung beantragt, ein psychiatrisches Sachverständigengutachten zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass neun weitere (namentlich benannte) Personen, für die der Angeklagte ebenfalls als gerichtlich bestellter Betreuer tätig gewesen sei, zu den (konkret datierten) Zeitpunkten, als sie ihre notariellen Testamente errichtet hätten, nicht testierunfähig gewesen seien. Zur Begründung des Antrags hat der Verteidiger vorgebracht, in diesen neun Fällen habe die Ernennung des Angeklagten zum Testamentsvollstrecker dem rechtlich beachtlichen Willen der jeweiligen betreuten Person entsprochen. Beweisziel sei der Nachweis der Tatsache, dass sich der Angeklagte nicht unrechtmäßig von einer Vielzahl vormals von ihm Betreuter als Testamentsvollstrecker habe einsetzen lassen.

Die Strafkammer hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, die Beweistatsache sei für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung, weil die Beweisbehauptung selbst im Fall der Erwiesenheit die Entscheidung nicht zu beeinflussen vermöge. Eine Einflussnahme des Angeklagten auf die Testamentserrichtung der im Antrag benannten Personen sei nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

b) In den Urteilsgründen hat die Strafkammer der im Ablehnungsbeschluss als unerheblich bezeichneten Beweistatsache Bedeutung beigemessen und sich somit hierzu in Widerspruch gesetzt (s. dazu BGH, Beschlüsse vom 27. November 2012 – 5 StR 426/12, juris Rn. 5; vom 29. April 2014 – 3 StR 436/13, NStZ 2015, 179; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 227).

Die Strafkammer hat ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auch darauf gestützt, dass – über die drei verfahrensgegenständlichen Fälle hinaus – im tatrelevanten Zeitraum mindestens neun weitere Fälle mit im Kern übereinstimmenden Geschehensabläufen belegt seien. Diese Fälle, in denen ausweislich der Urteilsgründe der Angeklagte ebenfalls von wegen geistiger Einschränkungen unter Betreuung Stehenden mit notariellem Testament zum Testamentsvollstrecker ernannt wurde, betreffen eben die in dem Beweisantrag benannten Personen (s. UA S. 46 ff.). In diesem Zusammenhang führt das Urteil aus, der Angeklagte habe die Betreuten zur Testamentserrichtung „in Ausnutzung ihrer aufgehobenen Einsichtsfähigkeit bewegt“ (UA S. 48). Das lässt sich mit einer noch vorhandenen Testierfähigkeit, wie sie der Ablehnungsbeschluss unterstellt hat, nicht in Einklang bringen.

Hiernach ist dem Generalbundesanwalt nicht darin zu folgen, dass die Strafkammer im Rahmen der Beweiswürdigung lediglich „den äußeren Ablauf der Beurkundungen bei den übrigen neun Betreuten als Indiz hinsichtlich des Zustandekommens der verfahrensgegenständlichen Testamente und des Ablaufs der Beurkundungen verwertet“ habe, jedoch davon ausgegangen sei, nur in den drei abgeurteilten Fällen seien die Betreuten „zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht mehr testierfähig“ gewesen (Antragsschrift S. 4 f.). Es kann deshalb dahingestellt bleiben, inwieweit die Strafkammer mit Blick auf das im Beweisantrag angegebene Beweisziel gehalten gewesen wäre, bereits im Ablehnungsbeschluss solche – für sich gesehen nicht zu beanstandende – Erwägungen mitzuteilen (zu den grundsätzlich geltenden Anforderungen an die Begründung der Bedeutungslosigkeit s. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2016 – 3 StR 193/16, NStZ-RR 2017, 119; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 225 f.).“

Nichts Neues, da der BGH das häufiger beanstanden muss. Denn es wird häufig übersehen: Was als bedeutungslos angesehen worden ist, darf dann keine Bedeutung erlangen.

Die Glaubwürdigkeit der Zeugin – ist nicht bedeutungslos

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So richtig „knallige“ Entscheidungen des BGH oder anderer Obergerichte zum Beweisantragsrecht gibt es im Moment nicht. Allerdings spielen Beweisanträge und deren Ablehnung in der Rechtsprechung des BGH immer wieder ein Rolle. Und wenn man sich die Revisions-Rechtsprechung anschaut, dann nimmt die Ablehnung eines Beweisantrages wegen Bedeutungslosigkeit in der Praxis breiten Raum ein (§ 244 Abs. 3 StPO). An der Stelle werden von den Tatgerichten aber auch immer wieder Fehler gemacht, weil die Voraussetzungen für eine Ablehnung eines Beweisantrages aus dem Raum verkannt bzw. nicht richtig angewendet werden. Exemplarisch zeigen das zwei BGH-Beschlüsse aus neuerer Zeit, nämlich der BGH, Beschl. v. 30.07.2015 – 4 StR 199/15 – und der BGH, Beschl. v. 09.07.2015 – 1 StR 141/15.

Im ersten Verfahren ging es um einen Beweisantrag der Nebenklage, mit dem ein möglicher Tötungsvorsatz nachgewiesen werden sollte. Den hatte die Strafkammer mit der Begründung abgelehnt: „Die Beweisbehauptung … ist für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung (§ 244 Abs. 3 S. 2, 2. Var. StPO). Ein möglicher Tötungsvorsatz ist für die angeklagte gefährliche Körperverletzung und den gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr ohne Bedeutung. Darüber hinaus will die Kammer weitere mögliche Schlüsse aus einem solchen Gespräch nicht ziehen.“ Im zweiten Fall ging es in einem Vergewaltigungsverfahren um die Glaubwüridgkeit der Geschädigten. Auch da ist ein Beweisantrag abgelehnt worden wegen Bedeutungslosigkeit. In beiden Fällen haben die Ablehnungsbegründungen der LG dem BGH – neben anderen Gründen – nicht gepasst und er hat die landgerichtlichen Urteile aufgehoben.

Ich nehme dann mal die Begründung aus dem ersten Verfahren – die im zweiten klingt ähnlich:

2. Ferner ist der Beschluss, mit dem das Landgericht den Beweisantrag abgelehnt hat, unzureichend begründet.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Beschluss, mit dem ein Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsachen abgelehnt wird, die Erwägungen anführen, aus denen der Tatrichter ihnen keine Bedeutung beimisst. Wird die Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Umständen gefolgert, so müssen die Tatsachen angegeben werden, aus denen sich ergibt, warum die unter Beweis gestellte Tatsache, selbst wenn sie erwiesen wäre, die Entscheidung des Gerichts nicht beeinflussen könnte. Die erforderliche Begründung entspricht dabei grundsätzlich den Be-gründungserfordernissen bei der Würdigung von durch die Beweisaufnahme gewonnenen Indiztatsachen in den Urteilsgründen; sie ist auf konkrete Erwägungen zu stützen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. Oktober 2013 – 3 StR 135/13, NStZ-RR 2014, 54, 55; vom 18. März 2015 – 2 StR 462/14, juris Rn. 5). Geht es um den Angeklagten belastende Beweisbehauptungen, muss die Ablehnung das ganze Beweisthema ohne Einengung, Verkürzung oder Unterstellung erfassen und darlegen, warum dem Tatrichter die im Beweisantrag behauptete Tatsache in Verbindung mit dem bisherigen Beweisergebnis nicht ausreichen würde, um zu einer Verurteilung zu gelangen (zum Ganzen: BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 – 4 StR 293/14, NStZ 2015, 355, 356; vgl. insbesondere zu einem Beweisantrag des Nebenklägers ferner BGH, Urteil vom 7. April 2011 – 3 StR 497/10, NStZ 2011, 713, 714 jeweils mwN)…..“

Das ist im Grunde der Textbaustein, mit dem so oder ähnlich die BGH-Senate in dieser Frage „agieren“. Ist im Grunde genommen ganz einfach und keine besondere Kunst…..