Archiv für den Monat: Januar 2019

OWi II: Geldbuße bei Fahrlässigkeitstat, oder: Keine Erhöhung wegen Uneinsichtigkeit

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Und als zweite Entscheidung dann der OLG Oldenburg, Beschl. v. 26.11.2018 – 2 Ss (OWi) 286/18, der sich zur Bemessung der Geldbuße äußert.

Das AG hat in seinem Urteil „die Regelgeldbuße erhöht. Es hat ausgeführt, dass die Betroffene sich völlig uneinsichtig gezeigt und darauf beharrt habe, sich vollkommen korrekt verhalten zu haben. Es sei ihr nicht zu vermitteln gewesen, dass sie sich falsch verhalten habe. Sie habe dem Unfallgegner erschwert, seine Ansprüche gegenüber ihr bzw. ihrer Haftpflichtversicherung durchzusetzen. Ein entsprechendes Nachtatverhalten sei bußgelderhöhend zu berücksichtigen.“

Dazu das OLG:

„Die Ausführungen des Amtsgerichtes widersprechen einhelliger Auffassung:

Uneinsichtigkeit des Betroffenen kann eine angemessene Erhöhung der Geldbuße nur dann rechtfertigen, wenn sie nach der Tat des Betroffenen und seiner Persönlichkeit darauf schließen lässt, dass er sich durch eine niedrige Geldbuße nicht hinreichend beeindrucken lassen wird, die Rechtsordnung künftig zu beachten (OLG Köln, VRS 81. Bd., 200; vgl. OLG Düsseldorf, VRS 78. Bd., 440; OLG Koblenz VRS 68. Bd., 223; Göhler, OWiG, 17. Aufl.-Gürtler, § 17 RN 26a m.w.N.).

Bei Fahrlässigkeitstaten im Straßenverkehr ist bei Würdigung des Verhaltens des Betroffenen vor Gericht besondere Zurückhaltung geboten, wenn auf Uneinsichtigkeit geschlossen werden soll (OLG Hamburg VRS 58. Bd., 52 OLG Koblenz a.a.O.)

Diesen Grundsätzen widersprechen die Ausführungen des Amtsgerichtes. Das Amtsgericht hat nicht festgestellt, dass hier, insbesondere vor dem Hintergrund einer fahrlässigen Begehungsweise, Umstände vorliegen, die Anlass zu der Annahme geben, die 83jährige Betroffene könne nur durch eine erhöhte Geldbuße von zukünftigen Zuwiderhandlungen abgehalten werden.

Das Urteil war daher im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben. Auf die Inbegriffsrüge kommt es deshalb nicht an.“

OWi I: Die Schulung des Messbeamten, oder: Nicht schlimm, wenn das 12 Jahre her ist?

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So, und heute dann noch einmal OWi. Ja, ist der dritte Tag hintereinander. Aber ich habe da derzeit viel Material, da vor einigen Tagen das Kammergericht „geliefert“ hat.

Der „Opener“ ist dann der KG, Beschl. v. 05.12.2018 – 3 Ws (B) 266/18 – mit einem „Klassiker“, nämlich der Frage nach der Schulung des Messbeamten, also der Frage, ob der Messbeamte ausreichend in der Handhabung des bei der Messung verwendeten Messgerätes geschult war. Das spielt insbesondere dann eine Rolle, wenn die Schulung des Messbeamten schon länger zurückliegt und sich danach z.B. die Bedienungsanleitung geändert hat. Dazu meint das KG:

„bb) Auch die tatrichterlichen Erkenntnisse zur Befähigung des Zeugen A als einem geschulten Messbeamten mussten die Bußgeldrichterin nicht zu Zweifeln an der Richtigkeit der in seiner Verantwortung durchgeführten Geschwindigkeitsmessung veranlassen. Es ist unstreitig, dass der Zeuge A am 12. August 2005 erfolgreich an einer „Ausbildung am Laser-Handmessgerät RIEGL FG21-P“ teilgenommen hat. Zwar lag diese Schulung somit zur hiesigen Tatzeit (4. September 2017) über zwölf Jahre zurück und es trifft zu – was dem Senat von Amts wegen bekannt ist –, dass der Hersteller des Handlasermessgeräts RIEGL FG21-P mit Stand Dezember 2008 (5. Auflage) eine neue Gebrauchsanweisung erstellt hat, aus der sich vor allem Änderungen für die Durchführung des vorgeschriebenen Funktionstests der Visiereinrichtung (sog. Align-Test) ergeben haben. Dem Senat ist bewusst, dass dieser Test, der den ordnungsgemäßen Zustand der entscheidend wichtigen Visiereinrichtung gewährleisten soll, von zentraler Bedeutung für eine einwandfreie Gerätefunktion ist (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 28. Januar 2013 – 3 Ws (B) 735/12 –; OLG Koblenz DAR 2006, 101). Indes geben die Urteilsgründe keinen Anlass zu der Annahme, dem Zeugen A könnte die Neufassung der Gebrauchsanweisung unbekannt geblieben sein und/oder die zuvor erfolgte Einweisung würde ihn nicht befähigt haben, die mit der Neufassung einhergehenden Veränderungen in der praktischen Handhabung des Geräts umzusetzen – wozu ihn der Betroffene in der Hauptverhandlung jeweils hätte befragen können (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Mai 2014 – 3 Ws (B) 200/14 –; s. auch OLG Hamm, Beschluss vom 10. März 2017 – 2 RBs 202/16 – [juris]). Im Übrigen ist gerichtsbekannt, dass die Berliner Polizeidirektionen mit Schreiben des Polizeipräsidenten in Berlin vom 24. April 2009 aufgefordert wurden, die Änderungen in der Gebrauchsanweisung „allen mit der Geschwindigkeitsüberwachung mittels Handlasermessgerät RIEGL FG21-P betrauten Polizeidienstkräften in geeigneter Form bekanntzugeben“. Auch nimmt die aktuelle Fassung des von den Messbeamten zu führenden Messprotokolls auf die Durchführung eines Align-Tests aus einer Entfernung zwischen 30 und 1.000 Metern zum Ziel Bezug – was der Neufassung der Gebrauchsanweisung entspricht. Die tatrichterliche Überzeugung, dass das Messgerät – auch betreffend den durchzuführenden Align-Test – „gemäß der Bedienungsanleitung des Herstellers aufgebaut und eingemessen“ wurde (UA Seite 4), ist hiernach nicht zu beanstanden.“

Ambitioniert 🙂 .

OWI III: (Nochmals) Zusatzzeichen „Montag bis Freitag …“ und„Vorsicht Kinder“, oder: Geltung auch am Feiertag

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Und als dritte Entscheidung heute dann noch der OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.06.2018 – Ss RS 13/2018 (28/18 OWi). es geht auch noch einmal um die Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit mit einem Zusatzzeichen, und zwar mit dem Zeichen „Montag bis Freitag, 07.00 – 17.00 h“ und dem weiteren Schild „Vorsicht Kinder“. Frage: Gilt das auch an gesetzlichen Feiertagen?

Das OLG sagt: Ja:

„Insbesondere ist – anknüpfend an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 22, 137, 140 f.; BGH NJW 1970, 2033) – in der obergerichtliehen Rechtsprechung – auch derjenigen des Senats – geklärt, wie eine durch Zusatzzeichen nach § 39 Abs. 3 StVO für bestimmte Wochentage (hier: Montag bis Freitag) und an diesen Tagen für bestimmte Uhrzeiten (hier: 7.00 Uhr bis 17.00 Uhr) durch Zeichen 274 (Nr. 49 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) angeordnete Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auszulegen ist. Der Senat hat hierzu mit Beschluss vom 2. März 2018 (Az.: Ss RS 56/2017 (12/18 OWi)) Folgendes ausgeführt:

„Danach gilt die angeordnete Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auch dann, wenn es sich bei dem betreffenden Wochentag um einen gesetzlicher Feiertag handelt und über dem Zeichen 274 das Zeichen 136 „Kinder‘ (Nr. 17 der Anlage 1 zu § 40 Abs. 6 StVO) angebracht ist (vgl. für einen gleichgelagerten Fall: Brandenburgisches OLG NStZ-RR 2014, 26 f.). Denn Erwägungen zum Schutzzweck der Anordnung lassen bei Geschwindigkeitsbeschränkungen eine einschränkende, fallbezogene Auslegung nicht zu. Die Gegebenheiten des fließenden Verkehrs und die für die Verkehrsteilnehmer damit verbundenen Sorgfaltsanforderungen ermöglichen bei der Erfassung von Verkehrsregelungen nicht die Berücksichtigung regelungsspezifischer Besonderheiten, die in den durch Verkehrszeichen geregelten Anordnungen nicht unmittelbar und unmissverständlich zum Ausdruck kommen. Insbesondere darf es im Interesse der Verkehrssicherheit nicht dem einzelnen Verkehrsteilnehmer überlassen bleiben, nach einer differenzierten Betrachtung selbst zu beurteilen, ob die Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung aufgrund der örtlichen Besonderheiten auch für gesetzliche Feiertage gewollt und geboten ist oder nicht. Da der Straßenverkehr einfache und klare Regeln erfordert, müssen Unbequemlichkeiten, die sich aus einem der Regel entsprechenden Verhalten ergeben und auch zumutbar sind, im Interesse der Verkehrssicherheit in Kauf genommen werden (vgl. BGHSt 22, 137, 140 f.; BGH NJW 1970, 2033; Brandenburgisches OLG NStZ-RR 2014, 26 f). Einer Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Untermauerung dieser Rechtsprechung bedarf es – unabhängig davon, ob dieser Gesichtspunkt die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts überhaupt rechtfertigen könnte (bejahend: Göhler/Seitz/Bauer, a. a. O., § 80 Rn. 3 m. w. N.; verneinend: KK OWiG-Hadamitzky, a. a. 0., § 80 Rn. 37 m. w. N.) – auch nicht mit Blick auf die hiervon abweichende, auf den Schutzzweck der Anordnung abstellende Auffassung des Amtsgerichts Wuppertal in dessen Urteil vom 28.01.2014 (12 OWi 224/13, NStZ-RR 2014, 257 f.). Denn abgesehen davon, dass sich dieser Auffassung – soweit ersichtlich – weitere Gerichte bislang nicht angeschlossen haben, unterscheidet sich die jenem Urteil zugrunde liegende Fallkonstellation von der vorliegenden dadurch, dass über dem Zeichen 274 nicht das Zeichen 136 „Kinder‘, sondern unter dem Zeichen 274 das Zusatzzeichen „Schule“ angebracht war. Ebenso wenig gebietet die abweichende, nicht näher begründete Auffassung von König (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 39 StVO Rn. 31 a) die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts.“

Der vorliegende Fall, der im Übrigen dieselbe Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung, die auch dem vorgenannten Senatsbeschluss zugrunde lag, betrifft, bietet keine Veranlassung zu einer abweichenden Würdigung.

OWi II: Elektroauto und Vorsatz bei der Geschwindigkeitsüberschreitung, oder: Nichts Besonderes

Die zweite Entscheidung des heutigen Tages, der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 05.11.2018 – 1 OWi 2 Ss Bs 75/18, passt ganz gut zum KG, Beschl. v. 13.12.2018 – 3 Ws (B) 296/18 (vgl. dazu: OWi I: Elektroauto und Lärmschutz, oder: Lärmschutz gilt für alle).

Verurteilt worden war der Betroffene wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung, begangen mit einem Elektrofahrzeug. Mit der Rechtsbeschwerde hatte er sich gegen die Vorsatzverurteilung gewendet. Dazu das OLG:

„Die Begründung des subjektiven Tatbestandes ist frei von durchgreifenden Rechtsfehlern. Auch bei einem Elektrofahrzeug, wie hier vom Betroffenen verwendet, steigen mit zunehmender Geschwindigkeit Art und Umfang der Fahr(außen)geräusche sowie der durch das Abrollen der Räder bewirkten Fahrzeugvibrationen; auch ist für den Fahrer das Maß der gefahrenen Geschwindigkeit anhand der schneller vorbeiziehenden Umgebung erkennbar. Die Tatrichterin musste in ihren Ausführungen zur Begründung des Tatvorsatzes auch mit Blick auf das Ausmaß des Verstoßes (Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit von 100 km/h um 74 km/h auf einer Bundesstraße) daher nicht ausdrücklich den Umstand erörtert, dass die antriebsbedingten Fahrgeräusche und Vibrationen bei einem Elektrofahrzeug deutlich geringer sind als bei einem PKW mit Verbrennungsmotor.“

OWi I: Elektroauto und Lärmschutz, oder: Lärmschutz gilt für alle

entnommen Wikimedia.org
Author Rex Gray

Und heute dann noch einmal ein OWi-Tag. Grund: Mein Blogordner ist reichlich gefüllt mit OWi-Entscheidungen, so dass ich ihn ein wenig leeren will/muss.

Und daraus entnehme ich dann als erste Entscheidung den KG, Beschl. v. 13.12.2018 – 3 Ws (B) 296/18. Der zeigt auch mal wieder: Neue Technik, neue Probleme, neue Entscheidungen. Es geht um die Frage, ob ein mit dem Zusatzzeichen „Lärmschutz“ versehenes Streckenverbot, hier war es das Zeichen 274, auch vom Führer  eines geräuscharmen Elektrofahrzeugs zu beachten ist. Das KG sagt: Ja:

„Der Schriftsatz des Verteidigers vom 10. Dezember 2018 lag vor, gab aber zu einer anderen Bewertung keinen Anlass. Die Rechtslage ist eindeutig, das Recht bedarf keiner Fortbildung. Lediglich zur Ergänzung der dem Betroffenen mitgeteilten Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft, welcher der Senat inhaltlich folgt, wird ausgeführt:

Nach der vom Verteidiger geäußerten Auffassung hinge die Frage, ob ein Verkehrszeichen 274 vom Führer eines Elektrofahrzeugs zu beachten ist, davon ab, wie viele derartige Fahrzeuge zugelassen sind. Die Wirksamkeit von Verkehrsregelungen muss aber klar, einfach und deutlich sein. Sie von empirischen Erhebungen abhängig zu machen, würde den Normappell schwächen und die Verkehrssicherheit gefährden.

Möchte der Betroffene schneller fahren dürfen als andere Verkehrsteilnehmer, so muss er dies dadurch erreichen, dass dem Zeichen 274 ein Zusatzzeichen hinzugefügt wird, das Elektrofahrzeuge vom Streckenverbot ausnimmt. Ein solches Verwaltungsverfahren wäre auch der Ort, an dem die Gefährlichkeit des Mitzieheffekts – hier wäre der Begriff der Normbeachtungserosion passender – erörtert werden könnte. Hier wäre gegebenenfalls auch die in der Rechtsmittelschrift aufgestellte Behauptung zu wiederholen, ein Elektrofahrzeug fahre – unabhängig von der Geschwindigkeit – stets „geräuschlos“. „

Also: Lärmschutz gilt für alle….