Archiv für den Monat: Juni 2018

Ablehnung III: „Die spinnen beim OLG“ schreibt man besser nicht

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Die dritte Entscheidung kommt nicht aus dem strafverfahrensrechtlichen Bereich, sondern aus dem Zivilverfahren. Etwas ungewöhnlich für einen Dienstag, der Beschluss passt aber gut in die Thematik „Ablehnung“.

Das OLG Frankfurt hatte ein landgerichtliches Urteil aufgehoben und an das LG zurückverwiesen. In seiner Entscheidung hatte das OLG u.a. festgestellt, dass „die erstinstanzliche Beweiserhebung auch im Zusammenhang mit der Übertragung der Durchführung der Beweisaufnahme auf eines der Kammermitglieder als beauftragtem Richter gemäß § 375 Abs. 1 a ZPO verfahrensfehlerhaft gewesen sei.“ Der später abgelehnte Richter nimmt dann in einem Schreiben an die Parteien dazu sowie zum Inhalt des Berufungsurteils Stellung. Hierbei äußerte er unter anderem die Ansicht, dass „die Ausführung des Einzelrichters im OLG-Urteil (…) Unsinn (sei)“, wonach die Übertragung der Beweisaufnahme auf ein Kammermitglied als beauftragtem Richter gemäß § 375 Abs. 1 a ZPO bereits deshalb verfahrensfehlerhaft gewesen sei, weil nicht von vornherein davon habe ausgegangen werden könne, dass das Prozessgericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck sachgerecht zu würdigen vermag. Darüber hinaus kündigte er an, dass die Kammer auch weiterhin von der Möglichkeit des § 375 Abs. 1 a ZPO Gebrauch machen müsse, da sie erheblich überlastet sei und im Übrigen den Kammermitgliedern nicht abverlangt werden könne, an sämtlichen Zeugenvernehmungen teilzunehmen.

Daruf wird dann von der Beklagten ein Ablehnungsantrag gestützt (§ 42 ZPO), der im OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.04.2018 – 13 W 8/18 – Erfolg hat:

„Das Ablehnungsgesuch erweist sich nach Auffassung des erkennenden Senats als begründet, weshalb der angefochtene Beschluss hinsichtlich der Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs betreffend den Richter A abzuändern war.

Zwar ist dem Landgericht zuzugeben, dass die „deutlich formulierte Kritik“ des abgelehnten Richters an der Entscheidung des Berufungsgerichts ihrem Inhalt nach „keine Position zugunsten der einen oder anderen Partei beinhalte, da sie sich ausschließlich gegen das Berufungsgericht wende“. Hierbei darf jedoch nicht verkannt werden, dass die Besorgnis der Befangenheit nicht nur bei unmittelbar parteibezogenen Verfahrens- bzw. Verhaltensweisen eines Richters begründet sein kann, sondern auch dann, wenn andere Verhaltensweisen des Richters das Misstrauen in dessen unparteiliche und sachliche Amtsführung rechtfertigen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn eine unsachgemäße Verfahrensleitung oder grobe Verfahrensverstöße vorliegen, die zu einer Beeinträchtigung des richterlichen Vertrauensverhältnisses führen können (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO 32. Aufl. § 42 Rz 25 mit Beispielen).

Eine solche – in dieser Weise aus Sicht der Parteien unsachgemäß erscheinende – Verfahrensleitung mag noch nicht allein in der von dem abgelehnten Richter in seiner Verfügung vom 5.9.2017 in Teilen geübten Kritik an dem Berufungsurteil liegen, insbesondere in Verbindung mit der getroffenen Wortwahl („Unsinn“).

Dem abgelehnten Richter ist es selbstverständlich unbenommen, eine von der Auffassung des Berufungsgerichts im vorliegenden Verfahren zu den streitgegenständlichen verfahrensrechtlichen Fragen abweichende Rechtsauffassung zu vertreten, diese zu äußern und den Prozessparteien zur Kenntnis zu bringen. Dies folgt bereits aus der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 GG) und bedarf insoweit keiner näheren Erläuterung. Der Senat erinnert jedoch daran, dass das Gebot der Sachlichkeit und Zurückhaltung im Prozess nicht nur für die Parteien und deren Prozessbevollmächtigte, sondern auch für den Richter gilt. Mit diesen Grundsätzen dürfte die Wortwahl in der Verfügung des abgelehnten Richters nach Ansicht des Senats zumindest insoweit nicht vereinbar sein, als darin die Ausführungen des Einzelrichters im Berufungsurteil zur Verfahrensfehlerhaftigkeit der erstinstanzlichen Beweisaufnahme als „Unsinn“ bezeichnet werden.

Hierbei geht es nicht um etwaige Empfindlichkeiten des erkennenden Senats als Berufungsgericht, der ebenso wie alle anderen Verfahrensbeteiligten offene und sachliche Kritik an seiner Rechtsauffassung und Verfahrensweise hinzunehmen hat, sondern vielmehr um die Gewährleistung einer sachlichen Verfahrensleitung. Gleichwohl mag dies vorliegend auf sich beruhen.

Entscheidend ist im vorstehenden Zusammenhang vielmehr, dass die von dem abgelehnten Richter in seiner Verfügung in mehrfacher Hinsicht geäußerte Kritik an der im Berufungsurteil vertretenen Rechtsauffassung bei der hierdurch begünstigten Partei (hier der Beklagten) berechtigterweise die Besorgnis der Befangenheit auslösen kann, auch wenn diese tatsächlich nicht vorgelegen haben mag.

Eine entsprechende Besorgnis ist jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn – wie vorliegend – der abgelehnte Richter nach Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das Landgericht durch ein beharrliches Festhalten an der früheren, im Rechtsmittelzug für unrichtig erklärten Rechtsansicht zum Ausdruck bringt, dass beabsichtigt sei, im Wesentlichen in gleicher Weise prozessual erneut zu verfahren (OLG Frankfurt am Main MDR 1984, 408; 1988, 415).

So wird auch hier durch den Inhalt der Verfügung des abgelehnten Richters das Vertrauen in eine zukünftige sachgerechte Amtsführung deshalb beeinträchtigt, weil für das weitere Verfahren aus der maßgeblichen Sicht der Beklagten ein Verfahrensverstoß angekündigt wird. Nach dem Wortlaut der Verfügung des abgelehnten Richters hat es nämlich zumindest den Anschein, dass das Landgericht nicht beabsichtigt, die Bindungswirkung an die Rechtsansicht des Berufungsgerichts gemäß § 563 Abs. 2 Analog ZPO zu beachten. Ein Verstoß gegen die Bindungswirkung durch das im Rechtszug untergeordnete Gericht rechtfertigt aber regelmäßig die Besorgnis der Befangenheit (vgl. OLG Frankfurt am Main MDR 1988, 413; OLG München MDR 2003, 1070 ).

Ebenso wie das Berufungsgericht an die Rechtsansicht des Bundesgerichtshofs als Revisionsgericht gebunden ist, soweit der Verstoß einer Aufhebung und Zurückverweisung zugrunde liegt (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 31. Auflage, § 563 Rz. 3 a), bindet die der Aufhebung zugrunde liegende Rechtsansicht des Berufungsgerichts das Landgericht in entsprechender Anwendung des § 563 Abs. 2 ZPO (vgl. BGHZ 51, 135; OLG Hamm FamRZ 1986, 1138). Diese Bindungswirkung besteht unabhängig davon, ob die Auffassung des Rechtsmittegerichts zutrifft oder ob sie das erstinstanzliche Gericht teilt. Nicht bindend sind lediglich Hinweise für das weitere Verfahren. Entstehen zwischen erstinstanzlichem Gericht und Rechtsmittelgericht Meinungsverschiedenheiten über den Umfang der Bindungswirkung, so ist die Auffassung des Rechtsmittelgerichts verbindlich. Das Erstgericht ist somit auch in der Frage, wie weit die Bindung geht, an die Auslegungen des Rechtsmittelgerichts gebunden (vgl. Zöller/Heßler, ZPO a. a. O., § 538 Rn. 60).“

Wie gesagt: Die Entscheidung stammt aus dem Zivilverfahren, aber entsprechende Konstellationen kann ich mir im Straf-/Bußgeldverfahren auch vorstellen 🙂 . Man schreibt als Richter der Instanz zu einer Rechtsmittelentscheidung (im übertragenen Sinn): „Die spinnen beim OLG..“ besser nicht.

Ablehnung II, oder: Das Gericht hat ein „Heimspiel“ und „Dreck am Stecken“

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Die zweite „Ablehnungsentscheidung“ kommt vom 2. Strafsenat des BGH. Es handelt sich um das BGH, Urt. v. 10.01.2018 – 2 StR 76/17. Es geht in ihm um eine Äußerung des Vorsitzenden einer Strafkammer in der Hauptverhandlung. Und zwar:

Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der frühere Mitangeklagte W. ein Unternehmen, das Kunden größere Darlehen ohne Kreditsicherheiten und Bonitätsprüfung in Aussicht stellte. Die Vergabe der Darlehen sollte angeblich nur von der Zahlung einer Bearbeitungsgebühr abhängig sein. Tatsächlich hatte W. weder die Absicht noch eine Möglichkeit dazu, entsprechende Darlehen zu gewähren. Es ging ihm nur darum, im Rahmen eines Schneeballsystems eine sogenannte Bearbeitungsgebühr zu kassieren. Der Angeklagte, der früher selbst von W. betrogen worden war, und der frühere Mitangeklagte N. unterstützten die betrügerischen Machenschaften insbesondere dadurch, dass sie in Kenntnis der Täuschung solche Kunden hinhielten, welche die Darlehensauszahlung anmahnten. Bisweilen kam es dazu, dass der Angeklagte Telefongespräche führte, die von anwesenden Kunden mitgehört werden konnten. Dabei wurde ihnen mitunter ein „Theaterstück“ eines Gesprächs mit einem angeblich angerufenen „Banker G. “ über ausstehende Darlehenszahlungen vorgespielt. W. spielte dabei die Rolle des angeblich zur bevorzugten Behandlung des das Telefonat mithörenden Darlehenskunden bereiten Bankiers.

II.

Die Revision ist im Wesentlichen bereits aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift genannten Gründen unbegründet. Der Erörterung bedarf nur eine Verfahrensrüge. Damit macht der Beschwerdeführer die Fehlerhaftigkeit der Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs des Angeklagten gegen den Vorsitzenden der Strafkammer als unzulässig wegen Verspätung im Sinne von § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO geltend.

1. Dem lag Folgendes zugrunde:

Am ersten Verhandlungstag hatte der Vorsitzende gegenüber dem Verteidiger geäußert, der Angeklagte könne ein Geständnis ablegen. Aufgrund des Zeitablaufs könne die Strafe dann etwas geringer als im ersten Urteil ausfallen. Falls kein Geständnis abgelegt werde, könne das Gericht das erste Urteil praktisch „abschreiben“. Daraufhin hatte der Verteidiger auf seine Ausführungen zur Sachrüge gegen das erste Urteil verwiesen. Der Vorsitzende hatte erwidert, der Angeklagte könne auch freigesprochen werden. Die Hauptverhandlung könnte dann sieben Tage oder länger andauern. Das Gericht habe ein „Heimspiel“. Der Verteidiger hatte dazu bemerkt, dass der Angeklagte kein Geständnis ablegen werde.

Am zweiten Tag der Hauptverhandlung, dem 16. März 2016, vernahm das Gericht unter anderem den Zeugen F. Nach der Entlassung dieses Zeugen erklärte der Vorsitzende gegenüber dem Verteidiger: „Sie können sich überlegen, ob Sie ein Geständnis ablegen. Das mit dem Banker G. macht nur Sinn, wenn er Dreck am Stecken hat.“ Der Verteidiger erwiderte, er selbst könne kein Geständnis ablegen, weil er beim Tatgeschehen nicht anwesend gewesen sei. Dazu bemerkte der Vorsitzende, er könne sich doch nur an ihn, den Verteidiger, wenden, weil der Angeklagte sich nicht zur Sache äußere.“

Darauf stützt der Angeklagte dann später ein Ablehnungsgesuch, das keinen Erfolg hat. Es wird als verspätet zurückgewiesen.Der BGh lässt die Frage, ob das Ablehnungsgesuch noch gem. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO unverzüglich angebracht worden ist, offen und entscheidet in der Sache:

„c) Der Senat kann danach offen lassen, ob das Ablehnungsgesuch tatsächlich verspätet war. Ist keine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG im Ablehnungsverfahren festzustellen, hat das Revisionsgericht nach Beschwerdegrundsätzen über das Ablehnungsgesuch zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 29. August 2006 – 1 StR 371/06, NStZ 2007, 161, 162; Senat, Beschluss vom 27. August 2008 – 2 StR 261/08, NStZ 2009, 223, 224; Beschluss vom 12. Dezember 2008 – 2 StR 479/08, NStZ-RR 2009, 142; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 338 Rn. 28). Diese Prüfung führt zu dem Ergebnis, dass die Richterablehnung durch den Beschwerdeführer jedenfalls unbegründet ist und deshalb nicht mit Unrecht verworfen wurde. Der Hinweis des abgelehnten Vorsitzenden an den Verteidiger: „Sie können sich überlegen, ob Sie ein Geständnis ablegen. Das mit dem Banker G. macht nur Sinn, wenn er Dreck am Stecken hat“, rechtfertigte im Ergebnis nicht die Besorgnis, er stehe dem Angeklagten nicht unvoreingenommen gegenüber.

aa) …..

bb) Gemessen hieran erweist sich das Ablehnungsgesuch als unbegründet.

Die beanstandete Äußerung des Vorsitzenden begründet unter den hier gegebenen Umständen des Einzelfalls nicht die Besorgnis der Befangenheit. Zwar hat der Vorsitzende mit seiner an den Verteidiger adressierten Bemerkung dem Angeklagten nahe gelegt, ein Geständnis abzulegen. Der diese Anregung erläuternde Hinweis, „das mit dem Banker G. mache nur Sinn, wenn er Dreck am Stecken“ habe, nahm ersichtlich auf die nach Aktenlage bestehende Beweislage Bezug und erscheint – ungeachtet der unangemessen anmutenden Wortwahl – vor dem Hintergrund des Verfahrensstands noch als nachvollziehbar; der Angeklagte war in einem ersten Durchgang – maßgeblich auf der Grundlage der Angaben des Zeugen W. , der die Taten sowie die Beteiligung des Angeklagten an ihnen einschließlich des vom Vorsitzenden angesprochenen „Theaterstücks“ geschildert hatte – als Mittäter verurteilt worden.

Vor diesem Hintergrund war die Äußerung des Vorsitzenden als eine vorläufige Bewertung der Beweislage zu verstehen und deutete weder für sich genommen noch im Hinblick auf die vorangegangenen Äußerungen des Vorsitzenden auf eine Vorfestlegung hin.

Eine vorläufige Bewertung der Sach- und Rechtslage durch einen Richter ist grundsätzlich nicht zu beanstanden (BGH, Urteil vom 14. April 2011 – 4 StR 571/10, NStZ 2011, 590, 591 mwN). Liegt eine erdrückende Beweislage vor, kann der Richter darauf und auf die verbleibenden Möglichkeiten einer sinnvollen Strafmaßverteidigung hinweisen, ohne seine Pflicht zur Neutralität und Objektivität zu verletzen. Nur in diesem Sinn sind die beanstandeten Bemerkungen hier auch in der Gesamtschau zu verstehen. Ein Hinweis auf das aktuelle Vorliegen einer erdrückenden Beweislage lässt schließlich nicht besorgen, dass andere Verteidigungsmittel als ein Geständnis nicht mehr berücksichtigt werden würden, wenn sie später vorgebracht würden; dass dies geschehen sei, hat die Revision im Übrigen nicht behauptet.“

Na ja, für mich nicht unbedingt zwingend/überzeugend. Wenn man den Kontext und den Gesamtzusammenhang sieht, liegt m.E. die Besorgnis der Befangenheit nicht fern.

Kurzer Hinweis: Die Ausführungen des BGH zur „Unverzüglichekti“ sollte man beachten. Folge: Mit einem Ablehungsantrag nicht (zu) lange zögern.

Ablehnung I: Vorbefassung, oder: Wenn der Richter in einem abgetrennten Verfahren auch tätig war…

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Heute sollen Ablehnungsfragen im Mittelpunkt der Postings stehen. Und ich eröffne mit dem BGH, Beschl. v. 10.01.2018 – 1 StR 571/17, über den ich schon einmal berichtet habe (vgl. BVV I: Raum-/Hintergrundgespräch bei der TKÜ, oder: Natürlich verwertbar). Heute dann also noch einmal, und zwar wegen der Ablehnungsproblematik.

Gerügt worden ist ein Verstoß gegen § 338 Nr. 3 StPO. Begründet worden war das Ablehnungsgesuch mit so.g „Vorbefassung“ der abgelehnten Richter in Verfahren wegen Verstoßes gegen das BtMG. Das Verfahren war nämlich ursprünglich außer gegen den Angeklagten auch gegen zwei mittlerweile rechtskräftig Verurteilte geführt worden. Am dritten Hauptverhandlungstag (06.03.2017) war dieses Verfahren nach einem entsprechenden Antrag des Angeklagten gegen ihn abgetrennt und ausgesetzt worden. Das LG verurteilte anschließend unter Mitwirkung der beiden im hiesigen Verfahren abgelehnten Richter die im Ausgangsverfahren verbliebenen (damaligen) Angeklagten teils ausschließlich, teils auch wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in mehreren Fällen. In dem Urteil vom 06.03.2017 sind einzelne von der Revision mitgeteilte Passagen enthalten, die sich auf die Rolle des hiesigen Angeklagten als Haupttäter im Hinblick auf die Strafbarkeit seiner früheren Mitangeklagten beziehen.

Der Angeklagte dringt mit seiner Verfahrensrüge nicht durch. Die scheitert nach Auffassung des BGH schon an nicht ausreichendem Vortrag (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO):

„b) Die Revision trägt keine Tatsachen vor, bei deren Vorliegen die Besorgnis der Befangenheit gegen die die beiden abgelehnten Richter begründet wäre.

aa) Eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vortätigkeit eines erkennenden Richters, soweit sie nicht gesetzliche Ausschlussgründe erfüllt, ist regelmäßig nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit des Richters i.S.v. 24 Abs. 2 StPO zu begründen, wenn nicht besondere Umstände hinzukommen, die diese Besorgnis rechtfertigen (st. Rspr.; etwa BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2012 – 3 StR 400/11, NStZ 2012, 519, 520 Rn. 19 und vom 8. Mai 2014 – 1 StR 726/14, NJW 2014, 2372, 2373 Rn. 12 jeweils mwN). Das gilt auch dann, wenn Verfahren gegen einzelne Angeklagte zur Verfahrensbeschleunigung abgetrennt werden und in dem abgetrennten Verfahren ein Schuldspruch ergeht, zu dem sich das Gericht im Ursprungsverfahren gegen den oder die früheren Angeklagten später ebenfalls noch eine Überzeugung zu bilden hat (BGH, Urteile vom 29. Juni 2006 – 5 StR 485/05, NJW 2006, 2864, 2866 Rn. 20 und vom 30. Juni 2010 – 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44, 46 Rn. 23 f.; Beschluss vom 10. Januar 2012 – 3 StR 400/11, NStZ 2012, 519, 520 Rn. 20; siehe auch Beschluss vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216, 221).

Anders verhält es sich lediglich beim Hinzutreten besonderer Umstände, die über die Tatsache bloßer Vorbefassung als solcher und die damit notwendig verbundenen inhaltlichen Äußerungen hinausgehen. Dies wird etwa angenommen, wenn Äußerungen in früheren Urteilen unnötige und sachlich unbegründete Werturteile über einen der jetzigen Angeklagten enthalten oder wenn ein Richter sich bei seiner Vorentscheidung in sonst unsachlicher Weise zum Nachteil des Angeklagten geäußert hat (st. Rspr.; etwa BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2012 – 3 StR 400/11, NStZ 2012, 519, 520 f. Rn. 20 und vom 8. Mai 2014 – 1 StR 726/14, NJW 2014, 2372, 2373 Rn. 12 jeweils mwN; siehe auch Urteil vom 30. Juni 2010 – 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44, 46 Rn. 24 sowie Beschluss vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216, 222).

bb) Da nach der Angriffsrichtung der Rüge die Befangenheit der beiden abgelehnten Berufsrichter ausschließlich aus der behaupteten Festlegung auf die Täterschaft des Angeklagten in dem gegen die beiden früheren Mitangeklagten ergangenen Urteil vom 6. März 2017 abgeleitet wird, hängt der Erfolg der Rüge nach den vorgenannten Maßstäben allein vom Vorliegen „besonderer Umstände“ ab. Denn die Beteiligung an dem vorangegangenen Urteil als solche ist aus den dargelegten normativen Erwägungen von vornherein nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.

An dem gebotenen Vortrag von Tatsachen, die „besondere Umstände“ in dem vorgenannten Sinne enthalten, mangelt es jedoch. Tatsächliches Geschehen, das außerhalb des Urteils gegen die früheren Mitangeklagten selbst derartige Umstände enthält, teilt die Revision nicht mit. Aus der Begründung des genannten Urteils werden lediglich solche Passagen vorgetragen, die von vornherein keine die Besorgnis der Befangenheit aufgrund Vorbefassung ausnahmsweise stützenden „besonderen Umstände“ ergeben. Die zitierten Urteilspartien (S. 16 und 17 der Revisionsbegründungsschrift vom 11. September 2017) beinhalten ausschließlich für die Begründung der Schuldsprüche gegen die früheren Mitangeklagten wegen Beilhilfe zu Haupttaten des Angeklagten erforderliche Feststellungen. Das ist jedoch stets zur Begründung von Befangenheit ungeeignet (vgl. BGH, Urteile vom 29. Juni 2006 – 5 StR 485/05, NJW 2006, 2864, 2866 Rn. 20 f. und vom 30. Juni 2010 – 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44, 46 Rn. 23 f.; Beschluss vom 10. Januar 2012 – 3 StR 400/11, NStZ 2012, 519, 520 f. Rn. 20; siehe auch Beschluss vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216, 221). Umstände, die als unnötige oder unsachliche Werturteile gedeutet werden könnten, enthält der Revisionsvortrag nicht.

Im Übrigen genügt in Konstellationen wie der vorliegenden eine lediglich auszugsweise Wiedergabe eines in einem anderen Verfahren ergangenen Urteils regelmäßig den Anforderrungen aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht, weil die sonstigen Urteilspartien Inhalte aufweisen können, die für die Beurteilung des Vorliegens „besonderer Umstände“ zu berücksichtigen wären.“

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: PV-Bestellung aufgehoben, was ist mit meinen Gebühren?

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Am Freitag hatte ich die Frage: Ich habe da mal eine Frage: PV-Bestellung aufgehoben, was ist mit meinen Gebühren?, zur Diskussion gestellt. Darauf sind ein paar Antworten bei Facebook eingegangen, die alle richtig lagen. Denn ich hatte dem Kollegen geantwortet:

„Hallo,

wo ist das Problem? Natürlich bleiben die entstandenen Gebühren erhalten. Das folgt aus den Regelungen zu § 48 RVG – im RVG-Kommentar Teil A Rn 2152, und da dann 2154.“

Der Kollege hatte darauf noch einmal geantwortet:

„Ich sehe ehrlich gesagt auch kein Problem, aber die Kostenbeamtin.

Die StA hatte Bestellung eines PV für eine richterliche Zeugenvernehmung beantragt. Bestellt wurde ich als Vollverteidiger. Zwischenzeitlich habe ich Tätigkeiten erbracht. Auf Hinweis der StA zum beschränkten Bestellungsantrag hat der ERi den Umfang der Bestellung abgeändert, aber erst nach der Vernehmung.

Ich habe GG, VG und 4102 abgerechnet, aber die Rechtspflegerin will mir nur 4302 Nr. 4 geben.“

Die „Meldung“ zeigt m.E., dass es im Grunde um eine andere Frage geht, nämlich daraum, wie der nach § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO bestellte Pflichtverteidiger abrechnet. Ich habe den Kollegen dazu auf den LG Magdeburg, Beschl. v. 19.03.2018 – 25 Qs 14/18 und meinen Beitrag in RVGreport 2017, 402 hingewiesen. Danach ganz eindeutig: Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG und keine Einzeltätigkeit. War aber (leider) zu erwarten, dass die Hüter der Staatskasse diese Diskussion vom Zaun brechen würden.

Sechs-Monats-Haft-Prüfung, oder: Wenn der Beschuldigte mit einer SV-Exploration (zunächst) nicht einverstanden ist

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Die zweite Entscheidung am Wochenanfang kommt ebenfalls aus Nürnberg und betrifft auch Haftfragen. Im OLG Nürnberg, Beschl. v. 03.04.2018 – 1 Ws 104/1 -8 hat das OLG im Rahmen der Sechs-Monats-Haftprüfung (§ 121 StPO) die Fortdauer der U-Haft beschlossen. In dem Zusammenhang spielt u.a. die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 20, 21 und 64 StGB eine Rolle. Dazu geht das OLG von folgendem Verfahrensablauf aus:

„Mit Schreiben vom 30.11.2017 hatte der Verteidiger auf ausdrückliche Nachfragen der Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 04.10.2017 und vom 24.11.2017 zwar noch mitgeteilt, dass mit einer Begutachtung des Angeschuldigten kein Einverständnis bestehe. Erst mit Schreiben vom 01.02.2018 erklärte er dann aber doch das Einverständnis des Angeschuldigten mit einer entsprechenden Begutachtung. Die Strafkammer hat daraufhin nach Anhörung der Staatsanwaltschaft am 12.02.2018 beschlossen, ein fachpsychiatrisches Gutachten zum Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 20, 21 und 64 StGB zu erholen, und mit der Erstellung dieses Gutachtens den Gerichtsärztlichen Dienst des Oberlandesgerichts Nürnberg beauftragt. Die Akten wurden am 15.02.2018 von der Staatsanwaltschaft an den Gerichtsärztlichen Dienst des Oberlandesgerichts Nürnberg versandt. Nachdem letzterer mit Schreiben 22.02.2018, bei der Staatsanwaltschaft eingegangen am 26.02.2018, bei der Strafkammer eingegangen am 01.03.2018, mitgeteilt hatte, dass aufgrund sehr hohen Auftragsaufkommens und personeller Engpässe eine Bearbeitung des Auftrags innerhalb der nächsten vier Wochen nicht möglich sei, hat die Strafkammer mit Beschluss vom 12.03.2018 den Landgerichtsarzt a.D. Dr. pp. mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt; es liegt noch nicht vor.“

Das OLG sieht den Beschleunigungsgrundsatz nicht verletzt:

„Insbesondere besteht eine solche Verzögerung nicht im Zusammenhang mit der Erholung eines fachpsychiatrischen Gutachtens zum Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 20, 21 und 64 StGB vor. Die Erstellung eines solchen Gutachtens verschafft dem Gericht mangels vorliegend anderweitig ausreichender Tatsachenplattform erst dann eine aussagekräftige Grundlage, wenn sich der Angeschuldigte vom Sachverständigen explorieren lässt. Dieses Einverständnis hatte der Angeschuldigte mit Schreiben seines Verteidigers vom 30.11.2017 noch verweigert und erst mit Schreiben seines Verteidigers vom 01.02.2018 erklärt. Die Strafkammer hat anschließend unverzüglich die Erholung des Gutachtens in Auftrag gegeben, wobei sie angesichts der bisherigen Praxis davon ausgehen durfte, dass der Gerichtsärztliche Dienst des Oberlandesgerichts Nürnberg zu einer zeitnahen Erstellung des Gutachtens in der Lage sein würde. Letzterer hat – entgegen der Behauptung des Verteidigers im Schreiben vom 27.03.2018 – nach Akteneingang nach dem 15.02.2018 bereits mit Schreiben vom 22.02.2018 der Strafkammer seine Überlastung angezeigt, wobei die Aktenrückleitung wie die Aktenzusendung über die Staatsanwaltschaft erfolgte und deshalb bis zum 01.03.2018 dauerte. Die Strafkammer hat sich sodann unverzüglich um einen weiteren Sachverständigen bemüht, wobei nicht ersichtlich ist, welche zeitliche Verkürzung jetzt durch Einschaltung des Verteidigers hätte erreicht werden können.

Der Einwand des Verteidigers im Schreiben vom 27.03.2018, die Strafkammer hätte gleichwohl schon eröffnen und terminieren können, da angesichts einer erstrebten Verständigung mit einer geständigen Einlassung des Angeschuldigten gerechnet werden könne, widerspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen. Gegenstand einer Verständigung kann nämlich weder sein, ob beim Angeschuldigten von einer vollen oder eingeschränkten Schuldfähigkeit oder von einer Schuldunfähigkeit auszugehen ist, noch ob § 64 StGB zur Anwendung kommen soll oder nicht (vgl. § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO betreffend Maßregeln der Besserung und Sicherung sowie Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl. § 257c Rn. 10 bezüglich etwaiger Strafrahmenverschiebungen).

Die Strafkammer hat die diesbezüglichen Voraussetzungen vielmehr vor einer etwaigen Verständigung zwingend festzustellen und deshalb den Eingang des fachpsychiatrischen Gutachtens abzuwarten.“