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Rechtsmittel I: Zweifel an Wirksamkeit der Rücknahme, oder: Wer muss was tun?

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Und dann mal wieder Rechtsmittelentscheidungen, also StPO.

Den Reigen beginne ich mit dem BGH, Beschl. v. 11.10.2023 – 4 StR 226/23. Ist schon älter und hängt schon länger in meinem Blogordner. Ich habe die Entscheidung bisher aber immer übersehen.

Es geht um die Frage, wie eigentlich damit umgegangen werden muss, wenn die Revision zurückgenommen, dann aber die Wirksamkeit der Rücknahme bezweifelt wird. Wer muss was tun?. Der BGH sagt: Es muss eine feststellende Entscheidung über die Wirksamkeit geben, und zwar vom Revisions-/Rechtsmittelgericht, und nicht, wie hier, vom Tat-/Ausgangsgericht:

„1. Der Senat ist zur Entscheidung über die Frage der Wirksamkeit der Revisionsrücknahme berufen.

a) Wird die Wirksamkeit der Revisionsrücknahme von einem Verfahrensbeteiligten in Zweifel gezogen, ist es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Sache des Revisionsgerichts, über die Frage der Wirksamkeit der Revisionsrücknahme zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 23. März 2022 ? 3 StR 29/22 Rn. 2; Beschluss vom 17. Februar 2011 ? 4 StR 691/10, wistra 2011, 314; Beschluss vom 8. März 2005 ? 4 StR 573/04, NStZ-RR 2005, 211, 212; Beschluss vom 20. Juli 2004 ? 4 StR 249/04, NStZ 2005, 113; Beschluss vom 12. Juli 2000 ? 3 StR 257/00, NStZ 2001, 104; KK-StPO/Paul, 9. Aufl., § 302 Rn. 14a). Die Zuständigkeit ist auch in Fällen begründet, in denen ? wie hier ? die Frage der Wirksamkeit der Revisionsrücknahme aufgeworfen wird, bevor die Akten dem Revisionsgericht zur Entscheidung vorgelegt worden sind. Dies ergibt sich aus Folgendem:

aa) Die Strafprozessordnung enthält insoweit keine ausdrückliche Regelung darüber, welches Gericht zu entscheiden hat, wenn Zweifel darüber bestehen, ob die Revision wirksam zurückgenommen worden ist (vgl. MüKo-StPO/Allgayer, 1. Aufl., § 302 Rn. 51). Da die Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme ? ähnlich wie die Frage der Wirksamkeit eines erklärten Rechtsmittelverzichts ? implizit die Frage der Zulässigkeit des Rechtsmittels aufwirft, ist die Beantwortung der Zuständigkeitsfrage an dem insoweit maßgeblichen Regelungsgefüge der §§ 346 Abs. 1, 349 Abs. 1 StPO auszurichten. Da § 346 Abs. 1 StPO nach seinem eindeutigen Wortlaut eine Zuständigkeit des Tatgerichts nur in den Fällen verspäteter Revisionseinlegung oder einer nicht rechtzeitigen Revisionsbegründung vorsieht, bleibt es im Übrigen bei der Regel des § 349 Abs. 1 StPO. Danach hat in Fällen, in denen die Wirksamkeit einer Rechtsmittelrücknahme von einem Verfahrensbeteiligten ernsthaft in Zweifel gezogen wird, das Revisionsgericht hierüber eine feststellende Entscheidung zu treffen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2023 ? 4 StR 171/23 Rn. 3).

Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Danach soll § 346 Abs. 1 StPO der Entlastung der Revisionsgerichte sowie der Verfahrensbeschleunigung in einfachen und klaren Fällen dienen, indem der judex a quo selbst über die Frage der Zulässigkeit der Revision entscheidet (vgl. Franke, in: Löwe-Rosenberg, 26. Aufl., § 346 Rn. 1; kritisch zur gesetzgeberischen Entscheidung Meyer-Goßner, Hamm-FS (2008), S. 443, 455 [„übervorsichtig“]). In allen anderen Fällen bleibt es bei der Zuständigkeit des Revisionsgerichts nach § 349 Abs. 1 StPO. § 346 Abs. 1 StPO ist eine Ausnahmevorschrift und daher eng auszulegen. Kann sich die Unzulässigkeit der Revision aus einem anderen als den in § 346 Abs. 1 StPO aufgezählten Gründen ergeben, obliegt die Prüfung allein dem Revisionsgericht. Dies gilt auch dann, wenn ein solcher Grund mit Mängeln der Form- und Fristwahrung zusammentrifft (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2006 ? 4 StR 375/06, NJW 2007, 165; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 346 Rn. 2). Deshalb ist anerkannt, dass die Prüfung der Zulässigkeit der Revision trotz Rechtsmittelverzichts allein dem Revisionsgericht obliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2006 ? 4 StR 375/06, NJW 2007, 165).

bb) Zwar wird in der Literatur teilweise die Auffassung vertreten, das Tatgericht sei zu einer Entscheidung über die Wirksamkeit der Revisionsrücknahme berufen, solange das Verfahren dort noch anhängig ist und die Akten dem Revisionsgericht noch nicht zur Entscheidung vorgelegt worden sind (vgl. Hanack, in Löwe-Rosenberg, 25. Aufl., § 302 Rn. 76; Albrecht in KMR, 92. EL, § 302 Rn. 10; ablehnend BGH, Beschluss vom 2. Mai 2007? 1 StR 192/07 Rn. 4 aE; Jesse, in: Löwe-Rosenberg, 26. Aufl., § 302 Rn. 98 („nur im Umfang des […] § 346 Abs. 1 StPO“; Momsen in KMR, 55. EL, § 346 Rn. 5; Hoch in SSW-StPO, 5. Aufl., § 302 Rn. 37 [„in der Regel“]).

Dieser Rechtsauffassung vermag der Senat nicht beizutreten (zweifelnd auch BGH, Beschluss vom 23. März 2022 ? 3 StR 29/22 Rn. 2; Beschluss vom 17. Februar 2011 ? 4 StR 691/10 Rn. 4; Beschluss vom 20. September 2007 ? 4 StR 297/07 Rn. 4; Beschluss vom 20. Juli 2004 ? 4 StR 249/04, NStZ 2005, 113; Beschluss vom 14. September 2006 ? 4 StR 300/06 Rn. 5; Beschluss vom 8. März 2005 ? 4 StR 573/04, NStZ-RR 2005, 211, 212). Mit Blick auf das dargestellte Regelungsgefüge kann dem Umstand, ob das Verfahren noch beim Landgericht oder schon beim Bundesgerichtshof anhängig ist, eine zuständigkeitsbegründende Wirkung nicht beigemessen werden. Dass das Tatgericht über die Frage der Kostentragung zu entscheiden hat, solange die Akten dem Revisionsgericht noch nicht zur Entscheidung vorgelegt worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1958 ? 1 StR 485/58, BGHSt 12, 217, 219; RGSt 67, 145, 146 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 464 Rn. 13), vermag hieran nichts zu ändern.

b) Die Tatsache, dass das Landgericht „deklaratorisch“ über die Frage der Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme entschieden hat, steht dem nicht entgegen. Der Senat kann offenlassen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Tatgericht aus Gründen prozessualer Fürsorgepflicht und im Interesse der Verfahrensbeschleunigung gehalten sein kann, die von einem der Verfahrensbeteiligten geäußerten Zweifel an der Frage der Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme durch Bekanntgabe seiner Rechtsauffassung zu beseitigen. Führt dies zu einer Behebung der Zweifel, kann es sich erübrigen, eine Entscheidung des Revisionsgerichts herbeizuführen. Hier hat der Angeklagte aber trotz der Entscheidung des Tatgerichts an seiner Revision festgehalten und damit zum Ausdruck gebracht, dass er die Revisionsrücknahme für unwirksam halte. Da der Angeklagte aufgrund des Inhalts des Beschlusses davon ausgehen durfte, dass das Landgericht dem Senat die Akten zur Herbeiführung einer Entscheidung über die Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme vorlegen werde, konnte schließlich auch weiterhin offenbleiben, ob eine Entscheidung im Revisionsverfahren in analoger Anwendung des § 346 Abs. 2 StPO einen entsprechenden (fristgebundenen) Antrag voraussetzt oder ob die Entscheidung des Revisionsgerichts formlos und ohne Einhaltung einer Frist herbeigeführt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juli 2004 ? 4 StR 249/04, NStZ 2005, 113 mwN; siehe auch BGH, Beschluss vom 28. Mai 2013 ? 3 StR 426/12 Rn. 5).

2. Die Revision des Angeklagten ist wirksam zurückgenommen (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO). Der Angeklagte hatte seinen Verteidiger mit der Revisionsrücknahme beauftragt. Die Rücknahmeerklärung, die als Prozesshandlung unwiderruflich und unanfechtbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2021 ? 1 StR 285/21; Beschluss vom 17. Juli 2019 ? 4 StR 85/19), wurde daher mit ihrem Eingang beim Landgericht wirksam. Anhaltspunkte für schwerwiegende Willensmängel oder Hinweise auf das Fehlen der prozessualen Handlungsfähigkeit des Angeklagten (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2020 ? 3 StR 595/19 Rn. 5; Beschluss vom 15. Dezember 2015 ? 4 StR 491/15 Rn. 6) sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dass der Angeklagte sich später ? wie er ausdrücklich mitteilt ? „umentschieden“ hat, ist als nachträgliche Willensänderung für die Frage der Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung bedeutungslos.

Ablehnung III: „Die spinnen beim OLG“ schreibt man besser nicht

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Die dritte Entscheidung kommt nicht aus dem strafverfahrensrechtlichen Bereich, sondern aus dem Zivilverfahren. Etwas ungewöhnlich für einen Dienstag, der Beschluss passt aber gut in die Thematik „Ablehnung“.

Das OLG Frankfurt hatte ein landgerichtliches Urteil aufgehoben und an das LG zurückverwiesen. In seiner Entscheidung hatte das OLG u.a. festgestellt, dass „die erstinstanzliche Beweiserhebung auch im Zusammenhang mit der Übertragung der Durchführung der Beweisaufnahme auf eines der Kammermitglieder als beauftragtem Richter gemäß § 375 Abs. 1 a ZPO verfahrensfehlerhaft gewesen sei.“ Der später abgelehnte Richter nimmt dann in einem Schreiben an die Parteien dazu sowie zum Inhalt des Berufungsurteils Stellung. Hierbei äußerte er unter anderem die Ansicht, dass „die Ausführung des Einzelrichters im OLG-Urteil (…) Unsinn (sei)“, wonach die Übertragung der Beweisaufnahme auf ein Kammermitglied als beauftragtem Richter gemäß § 375 Abs. 1 a ZPO bereits deshalb verfahrensfehlerhaft gewesen sei, weil nicht von vornherein davon habe ausgegangen werden könne, dass das Prozessgericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck sachgerecht zu würdigen vermag. Darüber hinaus kündigte er an, dass die Kammer auch weiterhin von der Möglichkeit des § 375 Abs. 1 a ZPO Gebrauch machen müsse, da sie erheblich überlastet sei und im Übrigen den Kammermitgliedern nicht abverlangt werden könne, an sämtlichen Zeugenvernehmungen teilzunehmen.

Daruf wird dann von der Beklagten ein Ablehnungsantrag gestützt (§ 42 ZPO), der im OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.04.2018 – 13 W 8/18 – Erfolg hat:

„Das Ablehnungsgesuch erweist sich nach Auffassung des erkennenden Senats als begründet, weshalb der angefochtene Beschluss hinsichtlich der Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs betreffend den Richter A abzuändern war.

Zwar ist dem Landgericht zuzugeben, dass die „deutlich formulierte Kritik“ des abgelehnten Richters an der Entscheidung des Berufungsgerichts ihrem Inhalt nach „keine Position zugunsten der einen oder anderen Partei beinhalte, da sie sich ausschließlich gegen das Berufungsgericht wende“. Hierbei darf jedoch nicht verkannt werden, dass die Besorgnis der Befangenheit nicht nur bei unmittelbar parteibezogenen Verfahrens- bzw. Verhaltensweisen eines Richters begründet sein kann, sondern auch dann, wenn andere Verhaltensweisen des Richters das Misstrauen in dessen unparteiliche und sachliche Amtsführung rechtfertigen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn eine unsachgemäße Verfahrensleitung oder grobe Verfahrensverstöße vorliegen, die zu einer Beeinträchtigung des richterlichen Vertrauensverhältnisses führen können (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO 32. Aufl. § 42 Rz 25 mit Beispielen).

Eine solche – in dieser Weise aus Sicht der Parteien unsachgemäß erscheinende – Verfahrensleitung mag noch nicht allein in der von dem abgelehnten Richter in seiner Verfügung vom 5.9.2017 in Teilen geübten Kritik an dem Berufungsurteil liegen, insbesondere in Verbindung mit der getroffenen Wortwahl („Unsinn“).

Dem abgelehnten Richter ist es selbstverständlich unbenommen, eine von der Auffassung des Berufungsgerichts im vorliegenden Verfahren zu den streitgegenständlichen verfahrensrechtlichen Fragen abweichende Rechtsauffassung zu vertreten, diese zu äußern und den Prozessparteien zur Kenntnis zu bringen. Dies folgt bereits aus der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 GG) und bedarf insoweit keiner näheren Erläuterung. Der Senat erinnert jedoch daran, dass das Gebot der Sachlichkeit und Zurückhaltung im Prozess nicht nur für die Parteien und deren Prozessbevollmächtigte, sondern auch für den Richter gilt. Mit diesen Grundsätzen dürfte die Wortwahl in der Verfügung des abgelehnten Richters nach Ansicht des Senats zumindest insoweit nicht vereinbar sein, als darin die Ausführungen des Einzelrichters im Berufungsurteil zur Verfahrensfehlerhaftigkeit der erstinstanzlichen Beweisaufnahme als „Unsinn“ bezeichnet werden.

Hierbei geht es nicht um etwaige Empfindlichkeiten des erkennenden Senats als Berufungsgericht, der ebenso wie alle anderen Verfahrensbeteiligten offene und sachliche Kritik an seiner Rechtsauffassung und Verfahrensweise hinzunehmen hat, sondern vielmehr um die Gewährleistung einer sachlichen Verfahrensleitung. Gleichwohl mag dies vorliegend auf sich beruhen.

Entscheidend ist im vorstehenden Zusammenhang vielmehr, dass die von dem abgelehnten Richter in seiner Verfügung in mehrfacher Hinsicht geäußerte Kritik an der im Berufungsurteil vertretenen Rechtsauffassung bei der hierdurch begünstigten Partei (hier der Beklagten) berechtigterweise die Besorgnis der Befangenheit auslösen kann, auch wenn diese tatsächlich nicht vorgelegen haben mag.

Eine entsprechende Besorgnis ist jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn – wie vorliegend – der abgelehnte Richter nach Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das Landgericht durch ein beharrliches Festhalten an der früheren, im Rechtsmittelzug für unrichtig erklärten Rechtsansicht zum Ausdruck bringt, dass beabsichtigt sei, im Wesentlichen in gleicher Weise prozessual erneut zu verfahren (OLG Frankfurt am Main MDR 1984, 408; 1988, 415).

So wird auch hier durch den Inhalt der Verfügung des abgelehnten Richters das Vertrauen in eine zukünftige sachgerechte Amtsführung deshalb beeinträchtigt, weil für das weitere Verfahren aus der maßgeblichen Sicht der Beklagten ein Verfahrensverstoß angekündigt wird. Nach dem Wortlaut der Verfügung des abgelehnten Richters hat es nämlich zumindest den Anschein, dass das Landgericht nicht beabsichtigt, die Bindungswirkung an die Rechtsansicht des Berufungsgerichts gemäß § 563 Abs. 2 Analog ZPO zu beachten. Ein Verstoß gegen die Bindungswirkung durch das im Rechtszug untergeordnete Gericht rechtfertigt aber regelmäßig die Besorgnis der Befangenheit (vgl. OLG Frankfurt am Main MDR 1988, 413; OLG München MDR 2003, 1070 ).

Ebenso wie das Berufungsgericht an die Rechtsansicht des Bundesgerichtshofs als Revisionsgericht gebunden ist, soweit der Verstoß einer Aufhebung und Zurückverweisung zugrunde liegt (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 31. Auflage, § 563 Rz. 3 a), bindet die der Aufhebung zugrunde liegende Rechtsansicht des Berufungsgerichts das Landgericht in entsprechender Anwendung des § 563 Abs. 2 ZPO (vgl. BGHZ 51, 135; OLG Hamm FamRZ 1986, 1138). Diese Bindungswirkung besteht unabhängig davon, ob die Auffassung des Rechtsmittegerichts zutrifft oder ob sie das erstinstanzliche Gericht teilt. Nicht bindend sind lediglich Hinweise für das weitere Verfahren. Entstehen zwischen erstinstanzlichem Gericht und Rechtsmittelgericht Meinungsverschiedenheiten über den Umfang der Bindungswirkung, so ist die Auffassung des Rechtsmittelgerichts verbindlich. Das Erstgericht ist somit auch in der Frage, wie weit die Bindung geht, an die Auslegungen des Rechtsmittelgerichts gebunden (vgl. Zöller/Heßler, ZPO a. a. O., § 538 Rn. 60).“

Wie gesagt: Die Entscheidung stammt aus dem Zivilverfahren, aber entsprechende Konstellationen kann ich mir im Straf-/Bußgeldverfahren auch vorstellen 🙂 . Man schreibt als Richter der Instanz zu einer Rechtsmittelentscheidung (im übertragenen Sinn): „Die spinnen beim OLG..“ besser nicht.

Genauer Hinsehen/Prüfen – so das BVerfG zur Prüfungspflicht beim „behaupteten Deal“…

Ds BVerfG meldet sich gerade mit seiner PM Nr. 19/2012 zum BVerfG, Beschl. v. 05.03.2012 – 2 BvR 1464/11, mit dem eine Entscheidung des OLG Dresden betreffend die Prüfung des Zustandeskommens eines „Deals“ im Strafverfahren durch das Rechtsmittelgericht aufgehoben worden ist.

Hier dann zunächst mal nur der Text der PM – die Entscheidung muss man sich dann mal in Ruhe durchlesen:

„Der Beschwerdeführer wurde auf der Grundlage seines Geständnisses vom Amtsgericht wegen diverser Straftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Nach der Urteilsverkündung und der Aufhebung des Haftbefehls verzichteten die Staatsanwaltschaft und der Beschwerdeführer auf Rechtsmittel. Der Beschwerdeführer legte später Berufung gegen das Urteil ein und machte die Unwirksamkeit seines Rechtsmittelverzichts geltend, weil die Verurteilung auf einer Absprache zwischen den Verfahrensbeteiligten beruhe. Weder Hauptverhandlungsprotokoll noch Urteil enthalten einen Hinweis auf das Zustandekommen einer Absprache oder die Angabe, dass eine Verständigung nicht erfolgt sei. Im Protokoll ist lediglich vermerkt, dass die Hauptverhandlung vor der Einlassung des Beschwerdeführers für ein „Rechtsgespräch“ unterbrochen wurde, dessen Inhalt und Verlauf von den Verfahrensbeteiligten jedoch unterschiedlich geschildert wird. Während nach der schriftlichen Erklärung der Verteidigerin des Beschwerdeführers im Ergebnis eine Verständigung auf ein Strafmaß von zwei Jahren und zehn Monaten bei gleichzeitiger Aufhebung des Haftbefehls getroffen worden sei, erklärte die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft in der von ihr eingeholten dienstlichen Stellungnahme, es habe kein regelrechtes Gespräch über ein bestimmtes Strafmaß gegeben; ihr sei es vor allem um die Fortsetzung der Untersuchungshaft gegangen, während der Beschwerdeführer in erster Linie eine Aufhebung des Haftbefehls habe erreichen wollen. Dem Vorsitzenden des Schöffengerichts war nach seiner dienstlichen Erklärung der Vorgang nicht mehr genau erinnerlich.

Das Landgericht verwarf die Berufung des Beschwerdeführers als unzulässig, weil es das Zustandekommen einer Absprache für nicht erwiesen und deshalb den Rechtsmittelverzicht für wirksam hielt. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde blieb vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg. Die Annahme der Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts sei nicht zu beanstanden. Da das Verhandlungsprotokoll die von § 273 Abs. 1a StPO geforderten Angaben nicht enthalte, sei seine Beweiskraft entfallen. Im Freibeweisverfahren habe der Beschwerdeführer aufgrund der sich widersprechenden Erklärungen der Verteidigerin und der Vertreterin der Staatsanwaltschaft den Nachweis einer Verständigung nicht zur Überzeugung des Senats führen können.

Die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts aufgehoben, weil er den Beschwerdeführer in seinem Prozessgrundrecht auf ein faires Strafverfahren (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt, und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Der Beschluss des Oberlandesgerichts weicht in einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Weise von den Anforderungen an die richterliche Sachaufklärung ab. Einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts hätte es schon im Hinblick auf die augenfällige Ungereimtheit in der dienstlichen Erklärung der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft bedurft, die einerseits primär das Ziel einer Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft verfolgt haben will, andererseits aber in der Hauptverhandlung selbst die Aufhebung des Haftbefehls beantragte. Ferner hätte das Oberlandesgericht Stellungnahmen der Schöffen und der Urkundsbeamtin einholen müssen, da nach der widerspruchsfreien Erklärung der Verteidigerin die Gespräche im Sitzungssaal fortgesetzt worden sein sollen.

Darüber hinaus hätten verbleibende Zweifel nicht zulasten des Beschwerdeführers gewertet werden dürfen. Zwar ist es grundsätzlich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass nach der auch im Freibeweisverfahren gebotenen Sachaufklärung nicht zu beseitigende Zweifel am Vorliegen von Verfahrenstatsachen grundsätzlich zulasten des Angeklagten gehen. Dies gilt jedoch dann nicht mehr, wenn die Unaufklärbarkeit des Sachverhalts auf einem Verstoß gegen eine gesetzlich angeordnete Dokumentationspflicht beruht.“

Liest sich aber hier schon „unschön“:

„…auf die augenfällige Ungereimtheit in der dienstlichen Erklärung der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft…“