Sechs-Monats-Haft-Prüfung, oder: Wenn der Beschuldigte mit einer SV-Exploration (zunächst) nicht einverstanden ist

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Die zweite Entscheidung am Wochenanfang kommt ebenfalls aus Nürnberg und betrifft auch Haftfragen. Im OLG Nürnberg, Beschl. v. 03.04.2018 – 1 Ws 104/1 -8 hat das OLG im Rahmen der Sechs-Monats-Haftprüfung (§ 121 StPO) die Fortdauer der U-Haft beschlossen. In dem Zusammenhang spielt u.a. die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 20, 21 und 64 StGB eine Rolle. Dazu geht das OLG von folgendem Verfahrensablauf aus:

„Mit Schreiben vom 30.11.2017 hatte der Verteidiger auf ausdrückliche Nachfragen der Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 04.10.2017 und vom 24.11.2017 zwar noch mitgeteilt, dass mit einer Begutachtung des Angeschuldigten kein Einverständnis bestehe. Erst mit Schreiben vom 01.02.2018 erklärte er dann aber doch das Einverständnis des Angeschuldigten mit einer entsprechenden Begutachtung. Die Strafkammer hat daraufhin nach Anhörung der Staatsanwaltschaft am 12.02.2018 beschlossen, ein fachpsychiatrisches Gutachten zum Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 20, 21 und 64 StGB zu erholen, und mit der Erstellung dieses Gutachtens den Gerichtsärztlichen Dienst des Oberlandesgerichts Nürnberg beauftragt. Die Akten wurden am 15.02.2018 von der Staatsanwaltschaft an den Gerichtsärztlichen Dienst des Oberlandesgerichts Nürnberg versandt. Nachdem letzterer mit Schreiben 22.02.2018, bei der Staatsanwaltschaft eingegangen am 26.02.2018, bei der Strafkammer eingegangen am 01.03.2018, mitgeteilt hatte, dass aufgrund sehr hohen Auftragsaufkommens und personeller Engpässe eine Bearbeitung des Auftrags innerhalb der nächsten vier Wochen nicht möglich sei, hat die Strafkammer mit Beschluss vom 12.03.2018 den Landgerichtsarzt a.D. Dr. pp. mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt; es liegt noch nicht vor.“

Das OLG sieht den Beschleunigungsgrundsatz nicht verletzt:

„Insbesondere besteht eine solche Verzögerung nicht im Zusammenhang mit der Erholung eines fachpsychiatrischen Gutachtens zum Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 20, 21 und 64 StGB vor. Die Erstellung eines solchen Gutachtens verschafft dem Gericht mangels vorliegend anderweitig ausreichender Tatsachenplattform erst dann eine aussagekräftige Grundlage, wenn sich der Angeschuldigte vom Sachverständigen explorieren lässt. Dieses Einverständnis hatte der Angeschuldigte mit Schreiben seines Verteidigers vom 30.11.2017 noch verweigert und erst mit Schreiben seines Verteidigers vom 01.02.2018 erklärt. Die Strafkammer hat anschließend unverzüglich die Erholung des Gutachtens in Auftrag gegeben, wobei sie angesichts der bisherigen Praxis davon ausgehen durfte, dass der Gerichtsärztliche Dienst des Oberlandesgerichts Nürnberg zu einer zeitnahen Erstellung des Gutachtens in der Lage sein würde. Letzterer hat – entgegen der Behauptung des Verteidigers im Schreiben vom 27.03.2018 – nach Akteneingang nach dem 15.02.2018 bereits mit Schreiben vom 22.02.2018 der Strafkammer seine Überlastung angezeigt, wobei die Aktenrückleitung wie die Aktenzusendung über die Staatsanwaltschaft erfolgte und deshalb bis zum 01.03.2018 dauerte. Die Strafkammer hat sich sodann unverzüglich um einen weiteren Sachverständigen bemüht, wobei nicht ersichtlich ist, welche zeitliche Verkürzung jetzt durch Einschaltung des Verteidigers hätte erreicht werden können.

Der Einwand des Verteidigers im Schreiben vom 27.03.2018, die Strafkammer hätte gleichwohl schon eröffnen und terminieren können, da angesichts einer erstrebten Verständigung mit einer geständigen Einlassung des Angeschuldigten gerechnet werden könne, widerspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen. Gegenstand einer Verständigung kann nämlich weder sein, ob beim Angeschuldigten von einer vollen oder eingeschränkten Schuldfähigkeit oder von einer Schuldunfähigkeit auszugehen ist, noch ob § 64 StGB zur Anwendung kommen soll oder nicht (vgl. § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO betreffend Maßregeln der Besserung und Sicherung sowie Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl. § 257c Rn. 10 bezüglich etwaiger Strafrahmenverschiebungen).

Die Strafkammer hat die diesbezüglichen Voraussetzungen vielmehr vor einer etwaigen Verständigung zwingend festzustellen und deshalb den Eingang des fachpsychiatrischen Gutachtens abzuwarten.“

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