Archiv für den Monat: Januar 2018

Achtung! Hier die erste Gebührenentscheidung zur (neuen) Einziehung nach neuem Recht….

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So, und hier dann der erste Beschluss zur zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG nach den Änderungen der Vermögensabschöpfung zum 1.7.2017. Er kommt vom LG Berlin. Erstritten hat ihn der Kollege Cetinkaya aus Berlin, dem ich für die Übersendung danke.

Im LG Berlin, Beschl. v. 16.01.2018 – 501 Qs 127/17 – heißt es:

„1. Die Entscheidung beruht zu 1. und 3. auf dem Umstand, dass, soweit ersichtlich obergerichtliche Rechtsprechung zu der Frage, ob die Verfahrensgebühr gem. Nr. 4142 VV-RVG auch dann entsteht, wenn die gem. §§ 73, 73c, 73d StGB n. F. angeordnete Einziehung nicht Strafcharakter hat, sondern allein der Entziehung durch die Straftat erlangter unrechtmäßiger wirtschaftlicher Vorteile dient (s. u. zu 2.b.), noch nicht vorhanden ist, und der sich daraus ergebenden „grundsätzlichen Bedeutung“ der zur Entscheidung stehenden Frage, S 56 Abs. 2 S 1 i. V. mit § 33 Abs. 8 S. 2 2. Alt RVG (zu 1.) bzw. § 56 Abs. 2 S. 1 i. V. mit § 33 Abs. 6 S. 1 RVG (zu 3.).

2. Die (der insoweit unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses gemäß) als „Erinnerung“ bezeichnete sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie fristgemäß erhoben und überschreitet sie die Wertgrenze gem. § 56 Abs. 2 i. V. mit § 33 Abs. 3 S. RVG

a) Das Rechtsmittel ist hinsichtlich der in Ansatz gebrachten Gebühr gem. Nr. 4141 VV-RVG indes unbegründet, weil die Voraussetzungen für die Entstehung des Gebührentatbestands — Entbehrlichwerden der Hauptverhandlung — in hiesigem Verfahren nicht vorliegen. Auf die hilfsweise beantragte Entscheidung über die Erstreckung der Beiordnung auf das bei der Staatsanwaltschaft Berlin geführte Ermittlungsverfahren – und die Frage, ob dem Verteidiger die hier geltend gemachte Gebühr in jener Sache zusteht, kommt es dabei nicht an.

b) Hinsichtlich der mit dem Kostenfestsetzungsantrag weiter geltend gemachten „Verfahrensgebühr bei Einziehung und verwandten Maßnahmen“ gem. Nr. 4142 VV-RVG ist die sofortige Beschwerde demgegenüber begründet.

Die Voraussetzungen für die Entstehung dieser Gebühr liegen vor, hat sich die Tätigkeit des Verteidigers nämlich auch auf die — bereits mit der Anklageschrift genannte — Einziehung des durch die Betrugstaten erlangten Betrages von 4.139, 12 € bezogen.

Auf den Umstand, dass die angeordnete Einziehung hier schon nicht etwa einen rein „zivilrechtlichen Schadensersatzcharakter“ hat, worauf das Amtsgericht seine Entscheidung stützen will — die durch die Einziehungsentscheidung begünstigte Landeskasse Berlin war durch die Betrugstaten nicht geschädigt worden —, kommt es dabei nicht entscheidend an. Einer Einschränkung des Gebührentatbestands auf solche Einziehungen, die Straf- und nicht nur zivilrechtlichen Schadensersatzcharakter haben, steht hier nämlich der ausdrückliche Wortlaut der (zwingenden) Vorschrift der Nr. 4142 VV-RVG (und gerade der mit der angefochtenen Entscheidung hervorgehobene Umstand, dass der Gebührentatbestand im Zuge der Neufassung der §§ 73 ff StGB durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 nicht ebenfalls geändert worden ist) entgegen.

Dass die in Ansatz gebrachte Gebühr dem Verteidiger nach der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung geltenden Rechtslage nicht zugebilligt worden wäre, eignet sich nicht, die Versagung des Gebührenansatzes nach neuem Recht zu begründen. Wenn nach der alten, zwischen Verfall und Einziehung unterscheidenden Rechtslage hier nämlich der Verfall von Wertersatz gem. §§ 73, 73a StGB a. F. (sowie das Absehen davon gem. § 73 Abs. 1 S. 2 StGB a. F.) in Frage gekommen und bei der Frage, ob der Verfall des Wertersatzes als i. S. des genannten Gebührentatbestandes der Einziehung „gleichstehende Rechtsfolgen“ anzusehen war, Raum für die vom Amtsgericht vorgenommene Unterscheidung gewesen wäre, ist dies der unterschiedlosen Bezeichnung der Anordnungen gem. §§ 73 ff. StGB n. F. als „Einziehung“ nach der neuen gesetzlichen Regelung nun nicht mehr Fall.

Soweit sich die Bezirksrevisorin des Amtsgerichts für die Versagung des Ansatzes auf die Kommentierung in Gerold/Schmidt/Burhoff RVG 23. Aufl. Rdnrn. 7 und 8 zu Nr. 4142 VV-RVG stützen will, überzeugt dies schon angesichts des Umstands nicht, dass sich die Kommentierung (trotz des im Vorwort aufgenommenen Hinweises auf die Berücksichtigung u. a. des genannten Gesetzes vom 13. April 2017) in den fraglichen Passagen allein auf die alte, nach Verfall und Einziehung unterscheidende Gesetzeslage bezieht (vgl. übrigens Burhoff http://www.burhoff-rvgforum.de/t56f10-Einziehungsgebuehr-Nr-Rechtslage-seit.html: „Wie soll man eigentlich, wenn Redaktionsschluss der 10.7.2017 ist, danach liegende Gesetzesänderungen noch umfassend beachten?“). Die nach dem genannten Kommentar (a. a. O. Rdnr. 6 m. w. Nachw.) für die Anwendung der Nr. 4142 W-RVG entscheidende Voraussetzung, dass es sich um eine Maßnahme handeln muss, die dem Betroffenen den Gegenstand endgültig entziehen und es dadurch zu einem endgültigen Vermögensverlust kommen lassen will, ist demgegenüber hier gegeben.“

Die Entscheidung ist zutreffend. Das LG hat übrigens Recht. Der Kommentar ist an der Stelle nicht ganz eindeutig, bezieht sich aber nicht nur auf das alte Recht……..

Unzulässige Revision als Berufung, oder: Auslegung

Und als letzte Entscheidung aus dem Themenkreis „Rechtsmittel“ stelle ich den OLG Bamberg, beschl. v. 08.09.2017 – 2 OLG 6 Ss 99/17 – vor. Es geht um die Auslegung einer unzulässige Revision als Berufung. Das OLG meint dazu:

Bringt der Angeklagte gegen ein wahlweise mit der Berufung oder der Sprungrevision (§ 335 Abs. 1 StPO) anfechtbares amtsgerichtliches Urteil innerhalb der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO die Revisionsanträge oder deren Begründung überhaupt nicht oder nicht in der der nach § 345 Abs. 2 StPO genügenden Form an, ist das Rechtsmittel auch dann als Berufung zu behandeln, wenn es von dem Angeklagten ausdrücklich als Revision bezeichnet worden ist.W

Begründung:

Vorliegend hat der Angekl. das Urteil des AG vom 15.05.2017 innerhalb der Einlegungsfrist des § 314 StPO, § 341 StPO zunächst in unspezifizierter Weise angefochten, indem er zum Ausdruck gebracht hat, sich noch nicht auf ein Rechtsmittel festlegen zu wollen. Kann ein Urteil – wie hier – wahlweise mit Berufung oder Revision angefochten werden, so enthält die Erklärung des Angekl. innerhalb der Rechtsmittelfrist, dass er das Urteil anfechte und sich die Bestimmung des Rechtsmittels vorbehalte, eine statthafte allgemeine Anfechtung des Urteils (BGHSt 2, 63/70). Will der Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel als Revision verstanden wissen, so muss er innerhalb der Frist des § 345 I StPO sowie in der Form des § 341 I StPO gegenüber dem AG, welches das angefochtene Urteil erlassen hat, eine Erklärung abgeben, die eindeutig erkennen lässt, dass er das Rechtsmittel der Revision verfolgt. Wird keine Wahl vorgenommen oder ist die Erklärung nicht form- oder fristgerecht abgegeben, so wird das Rechtsmittel als Berufung durchgeführt. Da der mit der Annahme der Revision einhergehende Verzicht auf die weitergehenden Möglichkeiten der Berufung nur bei einer in dieser Hinsicht eindeutigen Erklärung angenommen werden kann, ist das Rechtsmittel auch bei unklarer Erklärung und insoweit verbleibenden Zweifeln als Berufung zu behandeln. Dabei lässt sich in der bloßen Bezeichnung des Rechtsmittels als Revision durch einen Rechtsunkundigen auch bei zunächst unbestimmter Einlegung nicht ohne Weiteres eine solche Entscheidung sehen (OLG Hamm StraFo 1997, 210 und OLG Hamm NJW 2003, 1469). Dies hat insbesondere zu gelten, wenn eine als Revision und Revisionsbegründung bezeichnete und als Präzisierung der zunächst unbestimmten Anfechtung gedachte Rechtsmittelschrift den Anforderungen an die Revisionsbegründung nicht gerecht wird, aber zugleich eindeutig einen Anfechtungswillen erkennen lässt (SK-Frisch StPO 5. Aufl. vor § 296 Rn. 245 unter Hinweis auf OLG Hamm, Beschl. v. 18.05.1999 – 4 Ss 284/99 = VRS 97, 181 = StraFo 1999, 382). Ob nach Maßgabe dieser Grundsätze dem teilweise unstrukturierten und schwer verständlichen Schreiben des Angekl. vom 01.06 2017 eine eindeutige Entscheidung für die Revision zu entnehmen ist, erscheint von daher bereits zweifelhaft. Der Senat kann die Frage letztlich dahin stehen lassen, denn auch nach der Rechtsprechung des BGH ist die Anfechtung unbeschadet eines innerhalb der Revisionsbegründungsfrist wirksam erklärten Übergangs zur Revision auch dann als Berufung zu behandeln, wenn innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§ 345 I StPO) die Revisionsanträge nicht oder nicht in der dem § 345 II StPO genügenden Form angebracht werden (BGH, Beschl. v. 12.12.1951 – 3 StR 691/51 = BGHSt 2, 63, 70); OLG Hamm a.a.O.; vgl. auch BayObLG JR 1971, 120; KG JR 1987, 217; kritisch Meyer-Goßner/Schmitt StPO 60. Aufl. § 335 Rn. 6; KK-Gericke StPO 7. Aufl. § 335 Rn. 6). Anderenfalls würde nämlich eine bereits wirksame Urteilsanfechtung lediglich durch den nachträglich erklärten Übergang zu einem formstrengeren Rechtsmittel infolge eines bloßen Formfehlers bei dessen Begründung hinfällig, ohne dass das anderweitig gewählte Rechtsmittel überhaupt einer inhaltlichen Überprüfung zugänglich, sondern durch das AG gem. § 346 I StPO als unzulässig zu verwerfen wäre. In einem solchen Fall soll es vielmehr im Sinne der Sicherung und Effektuierung des Wahlrechts bei demjenigen Rechtsmittel bleiben, welches die unbenannte Anfechtung des amtsgerichtlichen Urteils ihrem Wesen nach von Anfang an war (vgl. OLG Hamm a.a.O. unter Hinweis auf BGHSt 33, 183/188 f.)

 

„Vertraue nie deinem Verteidiger“, oder: Eigenes Verschulden

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Als zweite Entscheidung mit einer Rechtsmittelthematik weise ich auf den AG Bamberg, Beschl. v. 07.09.2017 – 23 OWi 2311 Js 9332/17 – hin, auf den ich bei Beck-online aufmerksam geworden bin. Es geht um die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung des Hauptverhandlungstermins im Bußgeldverfahren. Also eine Thematik aus § 74 OWiG. Der nicht von seiner Anwesenheitspflicht entbundene Betroffene war in der Hauptverhandlung nicht anwesend. Er hat auf die Auskunft seines Verteidigers, der Terminsverlegung beantragt hatt, vertraut. Der hatte dem Betroffenen gesagt, dass er nicht kommen müsse, der Termin werde wohl umgelegt.

„Der Wiedereinsetzungsantrag ist jedenfalls als unbegründet zu verwerfen, da die Abwesenheit des Betroffenen an der am 23.08.2017 durchgeführten Hauptverhandlung in keinem Fall als unverschuldet i.S.d. §§ 44 S. 1 StPO, 46 Abs. 1 OWiG anzusehen ist, selbst wenn das Vorbringen des Verteidigers als wahr unterstellt wird, dass er dem Betroffenen mit Blick auf den Terminabsetzungsantrag vom 17.08.2017 mitgeteilt habe, dass die Hauptverhandlung nicht stattfinden werde und er daher nicht zum Termin kommen brauche. Diese Einlassung zugrunde gelegt war der Betroffene nicht ohne Verschulden an der Teilnahme an der Hauptverhandlung vom 23.08.2017 gehindert (vgl. zum Erfordernis der unverschuldeten Verhinderung des Betroffenen an der Terminteilnahme Senge, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 4. Auflage 2014, § 74 Rn. 43 und 45 unter Hinweis auf die Gesetzesgründung, wonach § 74 Abs. 4 OWiG den Betroffenen in Fällen schützen soll, in denen er – obwohl von der Pflicht zur Teilnahme an der Hauptverhandlung nach § 73 Abs. 2 OWiG entbunden – „zur Hauptverhandlung kommen will, aber durch von ihm nicht zu vertretende Umstände daran gehindert wird, ohne dass er das Gericht rechtzeitig verständigen kann, etwa wenn er in einem Verkehrsstau auf der Autobahn steckenbleibt“ (BTDrucks. 13/8655 S. 13)).

Aufgrund der dem Betroffenen am 12.08.2017 zugestellten Ladung samt Belehrung über die Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung war der Beschwerdeführer ordnungsgemäß vom Termin vom 23.08.2017 in Kenntnis gesetzt und zunächst verpflichtet, zum Termin zu erscheinen. Die Bestimmung eines Hauptverhandlungstermins ebenso wie die Entscheidung über die Verlegung und Absetzung eines Termins obliegt allein dem Gericht (vgl. nur § 213 StPO). Ein anberaumter Termin kann nicht vom Verteidiger aufgehoben werden. Dies liegt auch für einen juristischen Laien auf der Hand, zumal, wenn dieser bereits eine Terminladung vom Gericht erhalten hat. Die Entscheidung über Anberaumung, Verlegung oder Durchführung eines Hauptverhandlungstermins liegt vielmehr unabhängig von etwaigen Ratschlägen oder Ansichten des Verteidigers allein in der Verantwortlichkeit des Gerichts. Solange ein Betroffener nicht positiv weiß, ob dem Verlegungsantrag seines Verteidigers entsprochen und ein anberaumter Termin aufgehoben wird, er aber gleichwohl nicht zum Termin erscheint, trifft ihn ein Mitverschulden an der Versäumnis der Hauptverhandlung. Dies schließt eine Wiedereinsetzung aus (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 07. März 1978 – 2 Ws 28/78, Rn. 10 ff., juris; LG Köln, Beschluss vom 10. August 1981 – 107 Qs Owi 761/81 -, MDR 1982, 73; LG Berlin, Beschluss vom 12. Mai 2011 – 506 Qs 55/11 -, Rn. 10 m.w.N., juris). Dies gilt um so mehr, als vorliegend dem Betroffenen bewusst war, dass der Antrag auf Terminabsetzung relativ kurzfristig nur wenige Tage vor der Hauptverhandlung gestellt worden war. Des Weiteren lag es erkennbar im Ermessen des Amtsgerichts, dem gegenständlichen – offenkundig nicht aussichtsreichen, weil pauschal und zusammenhangslos gehaltenen – Absetzungsantrag stattzugeben oder ihn abzulehnen. Der Betroffene war demnach in jedem Fall gehalten, sich bei dem Gericht über die beantragte Absetzung des Termins zu vergewissern (so ausdrücklich Kammergericht, Beschluss vom 20. Juli 1993 – 2 Ss 80/93, 3 Ws (B) 411/93 -, beck-online = NZV 1993, 453). Auf gegenteilige Auskünfte seines Verteidigers, wie etwa über den Verlegungsantrag werde rechtzeitig entschieden werden (Kammergericht a.a.O.), der Termin sei aufgehoben (LG Köln, Beschluss vom 10. August 1981 – 107 Qs Owi 761/81 -, MDR 1982, 73) oder der Hauptverhandlungstag werde sicher nicht bestehen bleiben (OLG Hamm, Beschluss vom 6. Oktober 1978 – 2 Ws 206/78 -, JMBl NW 1979, 20 f., Orientierungssatz in juris), darf er sich nicht verlassen (zusammenfassend LG Berlin, Beschluss vom 12. Mai 2011 – 506 Qs 55/11 -, Rn. 10 m.w.N., juris; zustimmend Krenberger, jurisPR-VerkR 3/2012 Anm. 6, juris).

Dementsprechend durfte vorliegend der Betroffene, der am 12.08.2017 ordnungsgemäß zum Termin vom 23.08.2017 geladen worden war, ohne positive Kenntnis von einer Absetzung des Termins durch das Gericht nicht – gleichsam auf „Zuruf“ seines Verteidigers – davon ausgehen, der Termin werde nicht stattfinden. Unbeschadet der am 22.08.2017 erfolgten (antragsgemäßen) Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen war der Betroffene mithin nicht ohne Verschulden daran gehindert, von seinem Recht, an der am 23.08.2017 durchgeführten Hauptverhandlung teilzunehmen, Gebrauch zu machen.“

Was lernen wir daraus? Traue nie deinem Verteidiger 🙂 .

Das Rechtsmittel in fremder Sprache, oder: (Un)Beachtlich?

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Der BGH, Beschl. v. 30.11.2017 – 5 Str 455/17 – befasst sich mit einer Frage, die in der Praxis immer wieder eine Rolle spielt. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde. Das LG hatte die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Dagegen das Rechtsmittel des Beschuldigten, das der am 04.07.2017 in russischer Sprache gefertigt hatte und das am 07.07.2017 beim LG einging. Eine richterlich angeordnete Übersetzung des Schreibens ging am 26.07.2017 beim LG ein. Aus der Übersetzung ergab sich die Forderung des Beschuldigten, die Sache an das „Oberste Gericht“ zu übergeben und die Unterbringung zu widerrufen. Der BGH hat das Rechtsmittel als unzulässig, weil verspätet, angesehen:

Das Schreiben des Beschuldigten, das als die Einlegung eines Rechtsmittels angesehen werden kann, ist erst mit dem Eingang der Übersetzung für das Verfahren beachtlich geworden, da gemäß § 184 GVG die Gerichtssprache deutsch ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2000 – 4 StR 110/00, NStZ 2000, 553). Die Wochenfrist des § 341 StPO ist damit nicht eingehalten.

Eine von Amts wegen zu gewährende Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Der Beschuldigte war nicht ohne Verschulden gehindert, die versäumte Frist einzuhalten. Der Beschuldigte wurde – unter Hinzuziehung eines Dolmetschers (vgl. BGH, Urteil vom 16. Septem-ber 1980 – 1 StR 468/80, GA 1981, 262, 263) – über die zulässigen Rechtsmittel und die dafür vorgeschriebenen Formen und Fristen belehrt. Ihm wurde auch eine schriftliche Rechtsmittelbe-lehrung ausgehändigt.

Ihm stand überdies ein Pflichtverteidiger, den er mit der fristgemäßen Einlegung der Revision hätte beauftragen können, zur Seite (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1984 – 4 StR 715/84, DAR 1985, 199).

Letztlich rechtfertigt auch der festgestellte psychische Zustand des Beschuldigten keine andere Entscheidung. Er ist nicht völlig desorientiert, seine ‚Einsichtsfähigkeit‘ ist nicht beeinträchtigt.“

Dem folgt der Senat und bemerkt ergänzend: Der Europäische Gerichtshof hat den Grundsatz eingeschränkt, dass schriftliche Eingaben in fremder Sprache unbeachtlich sind (EuGH, NJW 2016, 303, 304 f. Rn. 43 mit Anm. Böhm; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 184 GVG Rn. 2a). Danach kommt es für die Frage, ob ein fremdsprachig abgefasstes Schreiben von Amts wegen zu übersetzen und zu beachten ist, gemäß Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetscherleistungen und Übersetzun-gen in Strafverfahren (ABl. Nr. L 280, S. 1) darauf an, ob es sich um ein für das Verfahren wesentliches Dokument handelt. Diese Entscheidung betrifft indes nur den nichtverteidigten Beschuldigten (BGH, Beschluss vom 9. Februar 2017 – StB 2/17, NStZ 2017, 601, 602; vgl. zur besonderen Stellung nichtverteidigter Beschuldigter auch schon BVerfG [Kammer], NVwZ-RR 1996, 120, 121 mwN).

„Wir sind überlastet“, oder: Haftgrund „Überlastung“ gibt es nicht…..

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Und zum Schluss dann noch eine Haftentscheidung des BVerfG, nämlich den BVerfG, Beschl. v. 20.12.2017 – – 2 BvR 2552/17. Die Entscheidung behandelt zwei Themenkreise: Nämlich einmal den Beschleunigungsgrundsatz und dann die sog. „Begründungstiefe“ in Haftentscheidungen. Das BVerfG beanstandet eine Entscheidung des OLG Zweibrücken als nicht ausreichend begründet gemessen an den Maßstäben des BVerfG zur „kurzfristigen Überlastung“ und zur Begründung von Haftentscheidung: