Archiv für den Monat: Februar 2017

Ich habe da mal eine Frage: Rückgewinnungshilfe, bekomme ich die Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG?

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In der vergangenen Woche erreichte mich die Anfrage einer Kollegin, die ich heute dann hier zur Diskussion stelle:

„Sehr geehrter Herr Kollege Burhoff,

es geht um eine Abrechnung in einem Beschwerdeverfahren bezüglich eines Arrestbeschlusses (Rückgewinnungshilfe) in einem laufenden Ermittlungsverfahren.
Der Bezirksrvisor vertritt die Meinung, dass ich eine Differenzberechnung vorzunhemen habe, die Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG sei nicht entstanden. Ich habe Festsetzung des Gegenstandswertes nach § 33 RVG beantragt, unter Hinweis auf Burhoff RVGReport 2016, 282 f.; LG Hildesheim, 25 Qs 16/06; OLG Stuttgart, 1 Ws 212/13.
Der Bezirksrevisor beruft sich auf: Gerold/Schmidt-Burhoff, RVG, 22. Aufl. VV Nr. 4142, Rn. 8.

Sind vorliegend die Gebühren tatsächlich nach der Differenzmethode zu bestimmen oder ist der Gegenstandswert festzusetzen, da Nr. 4142 VV RVG anzuwenden ist?“

Da mir das zu wenig Sachverhalt war, habe ich nachgefragt und die Kollegin hat ergänzt:

Sehr geehrter Herr Kollege Burhoff,

vorab vielen Dank für die prompte Antwort.

Zum Sachverhalt:

Gegen meine Mandantin lief ein Ermittlungsverfahren wegen Betruges. Innerhalb dieses Verfahrens erging ein Arrestbeschluss gem. §§ 111 b, 111 d, 111 e, StPO, 73, 73 a StGB zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe, der auch vollzogen wurde.

Gegen diesen Beschluss habe ich am 13.06.2016 Beschwerde eingelegt und diese nebst Belegen der Staatsanwaltschaft zur Kenntnisnahme übersandt.

Durch Beschluss des Amtsgerichts vom 28.06.2016 wurde der Arrestbeschluss aufgehoben. In der Begründung wurde angeführt, dass auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom 23.06.2016 das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde und der Arrestgrund des § 111 b Abs. 2 StPO damit entfallen sei.

Hierauf bat ich um Kostenentscheidung, da vor Einstellungsverfügung der StA meine Beschwerde eingegangen war, die ich nebst Nachweisen der StA zur Kenntnisnahme übersandt hatte, so dass davon auszugehen sei, dass meine Beschwerde begründet war.

Sodann erging in Ergänzung zum Beschluss vom 28.06.2016 mit Beschluss des AG vom 19.07.2016 eine Kostenentscheidung „… die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der Beschuldigten werden der Staatskasse auferlegt.“

In den Gründen dieses Beschlusses wurde ausgeführt, dass auf Antrag der Staatsanwaltschaft der angefochtene Arrestbeschluss wegen § 170 Abs. 2 STPO aufzuheben sei, da der Arrestgrund des § 111 b Abs. 2 StPO entfallen sei. Damit hatte die Beschwerde Erfolg, so dass es einer Kostenentscheidung über das Beschwerdeverfahren bedarf, was zuvor unterblieben und deshalb nachzuholen war.

Die Kostenentscheidung wurde auf § 467 Abs. 1 StPO gestützt.“

Na, wer wagt, gewinnt. Der von der Kollegin erwähnte OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.04.2014 – 1 Ws 212/13 – steht natürlich (auch) 🙂 auf meiner Homepage (und dazu dann: In der Entscheidung steckt (viel) Geld, oder: Verfahrensgebühr auch bei Rückgewinnungshilfe?).  Und Burhoff RVGReport 2016, 282 f. gibt es auch online.

Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs, oder: Wer A sagt, muss auch B ertragen.

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Und vor dem Wochenende und dem Gebührenrätsel habe ich dann noch eine gebührenrechtliche Entscheidung, die zeigt: Die Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs an den Rechtsanwalt/Verteidiger (§ 43 RVG) hat nicht nur Vorteile, sondern ggf. auch Nachteile. Dazu dann der LG Düsseldorf, Beschl. v. 13.01.2017 – 3 Qs 3/17.

Da war der Kostenerstattungsanspruch an den Verteidiger abgetreten worden. Das bedeutet, dass damit der Verteidiger Gläubiger der Erstattungsforderung gegen die Staatskasse ist. Legt dann der Verteidiger gegen den für ihn als Erstattungsgläubiger ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss Beschwerde ein, ist aber er und nicht etwa der Angeklagte im Fall der Zurückweisung der Beschwerde und Auferlegung der Kosten gem. § 29 Nr. 1 GKG Kostenschuldner der Gebühr nach Vorbem. 3.6, Nr. 1812 KV GKG.

Liegt m.E. auf der Hand. Wer A sagt, muss auch B ertragen 🙂 .

 

„Du musst mehr tun“, oder: Dienstrechtliche Ermahnung eines Richters als versuchte Nötigung durch die Präsidentin?

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So, der letzte Arbeitstag der Vorkarnevalswoche ist eingeläutet. Aber bevor es dann ggf. hoch her geht, muss noch ein wenig getan werden. Und dazu stelle ich den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.01.2017 – 2 Ws 336/16. Mit ihm wird ein weiteres Verfahren abgeschlossen, mit dem sich der RiOLG Thomas Schulte-Kellinghaus gegen eine Ermahnung „seiner“ Präsidentin gewendet hatte, die ihn 2012 dazu aufgefordert hatte, seine Erledigungszahlen zu verbessern. Da hatte es dienstrechtliche Verfahren gegeben und eben auch ein Strafverfahren gegen die Präsidentin. Das hatte der ermahnte Richter „eingeleitet“. Er warf seiner Dienstherrin versuchte Nötigung vor (sehr schön dargestellt alles hier bei LTO).

Die StA hatte die Einleitung eines Strafverfahrens abgelehnt. Dagegen dann der Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 172 StPO) des ermahnten Kollegen, den das OLG in dem o.a. Beschluss beschieden hat. Und – wie m.E. nicht anders zu erwarten: Der Antrag scheitert an der ([zu] hohen) Zulässigkeitshürde für diese Anträge. Dazu der Leitsatz des OLG – Rest gebe ich zum Selbststudium:

„Sieht ein Richter in einem – grundsätzlich zulässigen – Vorhalt und einer Ermahnung nach § 26 Abs. 2 DRiG eine versuchte Nötigung durch den Dienstvorgesetzten, umfasst die Darlegungsobliegenheit des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO auch die Mitteilung der in einem Widerspruchsbescheid enthaltenen Erwägungen des Dienstvorgesetzten sowie dessen Vorbringen in einem anschließenden gerichtlichen dienstrechtlichen Verfahren.“

Und das war es dann. Die dienstrechtlichen Verfahren sind allerdings noch nicht rechtskräftig.

Die Nacht der Nächte, oder: Partymachen ist nicht steuerlich begünstigt

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Und die dritte Entscheidung mit Karnevalsbezug ist das BFH, Urt. v. 30.11.2016 – V R 53/15, der mal wieder zeigt: Karneval ist eine ernste Sache und hat auch was mit Geld zu tun 🙂 . Das Urteil hat im Übrigen Bezug zu meinem vereinsrechtlichen Standbein (vgl. hier).

In dem Urteil ist es dem BFH gelungen, eine Sache zu entscheiden, die im Jahr 2009 ihren Ausgang genommen hat. Gestritten worden ist darüber, ob die vom Kläger, einem Karnevalsverein im Jahr 2009 aus einer Veranstaltung „Nacht der Nächte“ erzielten Einkünfte bzw. Umsätze körperschaftsteuerpflichtig sind sowie der Umsatzsteuer zum Regelsteuersatz unterliegen, und in diesem Zusammenhang insbesondere über die Frage, ob die genannte Veranstaltung dem Bereich eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs zuzuordnen oder aber im Bereich eines steuerbegünstigten Zweckbetriebs anzusiedeln ist. Bei dem Kläger handelt es sich um einen Karnevalsverein, der sich ausweislich seiner Satzung „der Erhaltung und Pflege heimatlichen Brauchtums, insbesondere der Förderung des Karnevals in seinem historischen Sinne“ widmet und „karnevalistische und gesellige Veranstaltungen zur Verfolgung dieser Ziele“ durchführt. Nach § 2 Nr. 1 Satz 2 der Satzung des Klägers wird der Vereinszweck insbesondere verwirklicht durch „die Teilnahme am traditionellen Festumzug (…), die Beschaffung und Verleihung von Karnevalsorden und die Organisation von Sitzungen und Bällen sowie anderen Veranstaltungen des heimatlichen Brauchtums“.

Bei der „Nacht der Nächte“ handelt es sich um eine durch den Kläger jährlich am Karnevalssamstag durchgeführte, von ihm selbst als „Kostümparty“ bezeichnete Veranstaltung mit im 2009 ca. 1 200 Gästen. Neben der „Nacht der Nächte“ veranstaltet der Kläger auch klassische Karnevalssitzungen mit Büttenreden, tänzerischen und musikalischen Darbietungen karnevalistischer Art, Präsentation des Elferrates usw., namentlich die regelmäßig ca. drei Wochen vor der „Nacht der Nächte“ stattfindende „Große Kostümsitzung“. Das FA behandelte die „Nacht der Nächte“ als eine dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnende Veranstaltung und unterwarf die daraus erzielten Einkünfte der Körperschaftsteuer und die Umsätze dem Regelsteuersatz. Der Verein hatte dagegen geklagt und beim FG recht bekommen. Der BFH sieht es nun anders und gibt – wie leider häufig – dem FA Recht und sagt – hier die Leitsätze:

„1. Ein von einem gemeinnützigen Karnevalsverein in der Karnevalswoche durchgeführtes Kostümfest ist kein für die Vereinszwecke „unentbehrlicher Hilfsbetrieb“ und deshalb kein Zweckbetrieb.
2. Ein Zweckbetrieb liegt nicht vor, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb nur einen finanziellen Beitrag zur gemeinnützigen Tätigkeit leistet und deshalb abstrakt gesehen eine Zweckerreichung auch ohne diesen Geschäftsbetrieb denkbar wäre.“

Mich überzeugt es nicht unbedingt. Aber, wenn man es in München so sieht….

8 bis 10 Kölsch?, oder: Offenbar noch kein „generell … problematisches Trinkverhalten ….“

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Die zweite „karnevalistische“ Entscheidung – na ja, zumindest eine, bei der die Suche mit dem Schlagwort „Karneval“ Erfolg hatte – ist der VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 02.09.2016 – 7 L 1951/16. Es geht (mal wieder, obwohl ich lange dazu keine Entscheidung vorgestellt habe) um die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 StVG. Dem Verfahren lag ein MPU-Gutachten zugrunde, um dessen Verwertbarkeit gestritten wurde. In dem Zusammenhang macht das VG dann folgende Ausführungen zum „Trinkverhalten“:

„Das Gutachten geht – entgegen der Auffassung des Antragstellers – weder von falschen Angaben zum Trinkverhalten des Antragstellers aus noch zieht es daraus falsche Schlüsse.

Das Gutachten geht nachvollziehbar von der Tatsache aus, der Antragsteller habe 8 bis 10 Kölsch am 8. Februar 2016 getrunken. Der Antragsteller muss sich an diesen in der Exploration im Rahmen der Begutachtung gemachten Angaben zu seinem Trinkverhalten seit der letzten Trunkenheitsfahrt, insbesondere an Karneval 2016, festhalten lassen. Die nunmehr erst im vorliegenden Verfahren bzw. Klageverfahren angegebene längere Trinkdauer derselben Menge Alkohol über den gesamten Karnevalszeitraum ist nicht glaubhaft. Sie steht im Widerspruch zu seiner Angabe, er sei „da auf Karneval“ letztmalig betrunken gewesen. Denn es spricht vieles dafür, dass der Antragsteller, wenn er eine Alkoholkonsummenge von 8 bis 10 Kölsch verteilt über mehrere Tage getrunken hätte, dadurch nicht – wie er aber erklärt hat – betrunken gewesen wäre. Anhaltspunkte dafür, dass die Mengenangaben des Antragstellers zu seinem Alkoholkonsum an Karneval sich auf das gesamte Wochenende beziehen, sind zudem aus der dokumentierten Exploration nicht ersichtlich. Seine Antwort auf die Frage, wann er letztmalig Alkohol getrunken habe, ist vielmehr eindeutig auf einen einzelnen Tag bezogen, soweit er angibt, „Karneval in Köln am 8. Februar 2016 da waren es 8 bis 10 Kölsch…“ (Bl. 9 des Gutachtens). Ob eine Trinkmenge von 8 bis 10 Kölsch generell auf ein problematisches Trinkverhalten schließen lässt oder ohne eine entsprechende Vorgeschichte mit alkoholbedingter Verkehrsauffälligkeit akzeptabel ist, namentlich wenn diese ausnahmsweise zu Anlässen wie Karneval konsumiert wird, bedarf hier keiner Bewertung.

Das Gutachten zieht aus dem Trinkverhalten des Antragstellers an Karneval 2016 keine unzulässigen Schlüsse auf den die Verhaltenssteuerung nachteilig beeinflussenden Berauschungsgrad. Die gutachterliche Beurteilung der Trinkmenge von 8 bis 10 Kölsch, die auf einen Berauschungsgrad schließen lasse, welcher eine gravierende, nachteilige Beeinflussung der rationalen Verhaltenssteuerung erwarten lasse (Bl. 13 des Gutachtens), ist nämlich in folgendem Kontext zu sehen: Im Kern ist für diese Schlussfolgerung des Gutachtens maßgeblich, dass der Antragsteller weder sein Alkoholkonsumverhalten grundlegend verändert hat noch eine ausreichende Einsicht in die Notwendigkeit einer solchen Veränderung erkennen lässt. Es fehlt eine angemessene Bewertung seines früheren – als deutlich normabweichend einzuschätzenden – Alkoholkonsums im Sinne einer Selbstreflexion und zudem eine als hinreichend zu bewertende Reduzierung der Trinkmenge gegenüber früher. Die eigene Beurteilung des Antragstellers, sein Trinkverhalten sei seit der letzten aktenkundigen Trunkenheitsfahrt „super eingeschränkt“ (Bl. 9 des Gutachtens) ist nicht realitätsnah. Jedenfalls im Fall des Antragstellers bietet aber vor dem Hintergrund seiner Vorgeschichte – wie das Gutachten nachvollziehbar feststellt (Bl. 13 des Gutachtens) – nur eine geplante Dauer und Art des Alkoholkonsums bei konsequenter Einhaltung fester Obergrenzen hinreichende Aussicht auf die Vermeidung erneuten exzessiven bzw. problematischen Alkoholkonsums. Der Antragsteller hat in der Vergangenheit nämlich gezeigt, dass er bereits bei BAK-Werten um ca. 1,3 Promille (erste aktenkundige Trunkenheitsfahrt am 16. Februar 2006) bzw. AAK-Werten um ca. 0,5 mg/l (zweite aktenkundige Trunkenheitsfahrt am 2. Dezember 2015) in seiner rationalen Verhaltenssteuerung derart nachhaltig beeinflusst ist, dass er in diesem Berauschungszustand mehrfach ein Kraftfahrzeug geführt hat.“

Das beruhigt mich, dass eine Menge von 8 bis 10 Kölsch – das soll ja so etwas Ähnliches wie Bier sein 🙂 – offenbar noch nicht „generell auf ein problematisches Trinkverhalten schließen lässt“. 🙂 . Die haben wahrscheinlich alle die, die um 11.11 Uhr angefangen haben zu feiern, schon drin 🙂