Archiv für den Monat: März 2016

Mutti muss raus, oder: Wenn Mama nicht aus der WG des Sohnes ausziehen will….

entnommen openclipart.org

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Schon ein wenig länger hängt die PM zum OLG Hamm, Urt. v. 22.01.2016 – 11 U 67/15 – unter der Überschrift: „Mutti muss raus“ in meinem Blogordner. Jetzt bringe ich die Entscheidung dann endlich, sie ist allerdings auch schon in anderen Blogs gelaufen. Dabei greife ich – was ich ja sonst an sich selten tue – auf die PM des OLG zurück, das das Urt. keinen (eigenen) Sachverhalt enthält. Da heißt es:

„Der seinerzeit 26 Jahre alte Sohn der im Jahre 1948 geborenen Klägerin aus Hagen wohnte im Jahre 2012 in einer Studenten-WG in Dortmund. Während seines Urlaubs im August 2012 bat er die Klägerin auf die Wohnung aufzupassen und seine Haustiere, er hielt dort 2 kleine Katzen und ein Meerschweinchen, zu versorgen. Dies tat die Klägerin, indem sie sich während der Abwesenheit ihres Sohnes in der Wohnung aufhielt. Ein anderer Mitbewohner der WG, seinerzeit 29 Jahre alt, widersprach dem dauernden Aufenthalt der Klägerin in der Wohnung und forderte sie auf, diese zu verlassen. Da die Klägerin der Aufforderung nicht nachkam, verständigte der Mitbewohner die Polizei. Nachdem 2 Polizeibeamten vor Ort geklärt hatten, dass der Mitbewohner, nicht aber die Klägerin, in der Wohnung amtlich gemeldet war, forderten auch sie die Klägerin zum Verlassen der Wohnung auf. Dem kam die Klägerin nicht nach, sondern versuchte ihren zwischenzeitlich herbeigerufenen Ehemann, der ebenso wie sie kein Mitglied der WG war, Zutritt zur Wohnung zu verschaffen. Dies verhinderten die Polizeibeamten, indem sie die Klägerin an den Armen festhielten und – so die Klägerin – gegen die Wohnungstür drückten. Erst nach diesem Tumult verließ die Klägerin freiwillig die Wohnung. Die Klägerin hat den Polizeieinsatz für rechtswidrig gehalten und vom Land Nordrhein-Westfalen aufgrund einer vermeintlichen Amtspflichtverletzung ein Schmerzensgeld i.H.v. 1.200 Euro verlangt. Nach ihrem Vortrag hat sie bei dem Polizeieinsatz schmerzhafte Prellungen und Hämatome am Oberkörper und ihren Armen erlitten.

Das Schadensersatzverlangen der Klägerin ist erfolglos geblieben. Der Klägerin stehe, so der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm, aufgrund des Polizeieinsatzes kein Schadensersatzanspruch gegen das beklagte Land zu. Dabei könne zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden, dass sie die von ihr vorgetragenen Verletzungen durch den Polizeieinsatz erlitten habe. Die Verletzungen seien jedoch nicht Folge eines amtspflichtwidrigen Handelns der Polizeibeamten. Diese hätten vielmehr rechtmäßig gehandelt. Sie seien berechtigt gewesen, gegen die Klägerin einen Platzverweis auszusprechen und diesen sodann mit unmittelbarem Zwang durchzusetzen.

Von der Klägerin sei eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgegangen. Ihr dauerhafter Aufenthalt in der Wohnung habe das Hausrecht des Mitbewohners verletzt. Dieser sei berechtigt gewesen, die Klägerin aus der Wohnung zu verweisen. Der Sohn der Klägerin habe ihr zwar die Schlüssel überlassen und das Betreten der Wohnung gestatten dürfen, damit die Klägerin die Haustiere habe versorgen können. Er habe ihr aber keinen dauerhaften, sich über mehrere Tage hinziehenden Aufenthalt in den auch gemeinschaftlich zu nutzenden Räumen der Wohnung erlauben können. Eine studentische Wohngemeinschaft sei auf das Zusammenleben regelmäßig jüngerer Erwachsener in einer vergleichbaren Lebenssituation ausgerichtet. Neben Räumen, die ein einzelner allein nutze, verfüge sie über von allen Mitbewohnern gemeinsam zu nutzende Räume. Der dauerhafte Aufenthalt von Angehörigen einer anderen Generation in diesen Räumen sei ihr fremd. In einer Wohngemeinschaft suchten zudem ihre Mitglieder neue Mitbewohner aus. Das lasse es nicht zu, einen Mitbewohner durch seine Mutter, und sei es auch nur über einige Tage, auszutauschen.

Die hinzu gerufenen Polizeibeamten hätten das durch die Klägerin dauerhaft verletzte Hausrecht des Mitbewohners durchsetzen dürfen. In den Abendstunden des Polizeieinsatzes habe der Mitbewohner sein Hausrecht nicht selbst kurzfristig zivilrechtlich schützen können. Darüber hinaus habe das Verhalten der Klägerin den Tatbestand des Hausfriedensbruchs erfüllt, nachdem sie auch nach der Aufforderung des Mitbewohners zum Verlassen der Wohnung in derselben verblieben sei.

Nachdem die Klägerin nicht bereit gewesen sei, der rechtmäßigen Anordnung der Polizeibeamten zum Verlassen der Wohnung Folge zu leisten, sondern sichtlich bestrebt gewesen sei, die Verletzung des Hausrechts durch das Einlassen ihres Ehemanns in die Wohnung zu intensivieren, hätten die Polizeibeamten ihr gegenüber unmittelbaren Zwang zur Durchsetzung des zuvor ausgesprochenen Platzverweises anwenden dürfen. Dieser sei auch nicht mit unverhältnismäßigen Mitteln ausgeübt worden. Die Klägerin sei – dies habe ihre Anhörung durch den Senat ergeben – nicht durch gezieltes Einwirken der Beamten, sondern in dem Tumult verletzt worden, den sie infolge des Versuchs, die Wohnungstür für ihren Ehemann zu öffnen, selbst verursacht habe.“

Was der „Sohnemann“ wohl von Mamas Verhalten gehalten hat?

Sonntagswitz: Heute an Ostersonntag dann Häschenwitze

© Teamarbeit - Fotolia.com

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Heute ist Ostersonntag. Was liegt also näher, als an dem Tag wieder Häschenwitze zur bringen. Und das sind:

Häschen geht zum Bäcker: „Haddu ein soooooooo großes Brot?“
„Nein, solch große Brote haben wir leider nicht.“
Am nächsten Tag geht Häschen wieder zum Bäcker: „Haddu ein soooooooo großes Brot?“
„Nein, so ein großes Brot habe ich leider nicht.“
So geht das zwei Wochen lang. Schließlich wird es dem Bäcker zu dumm, und er backt extra für Häschen ein großes Brot. Am nächsten Tag geht Häschen wieder zum Bäcker. Der sagt: „Schau mal, heute habe ich ein soooooooo großes Brot für dich.“
Da sagt Häschen: „Kanddu mir bitte zwei Scheiben davon abschneiden?“


Häschen geht nochmal zum Bäcker.
Häschen: „Haddu Möhrentorte?“
Bäckerin: „Nein.“
Am nächsten Tag kommt Häschen wieder.
Häschen: „Haddu du Möhrentorte?“
Bäckerin: „Nein.“
Am Abend backt die Bäckerin Möhrentorte. Am nächsten Tag.
Häschen: „Haddu du Möhrentorte?“
Bäckerin „Ja.“
Häschen: „Igitt igitt!“    


Das Häschen kommt in die Bäckerei und fragt: „Haddu Bienenstich?“
„Ja“, sagt der Bäcker, „ich habe heute ganz frischen Bienenstich!“
Bedauert ihn das Häschen: „Armer Mann, muddu Salbe draufmachen!“


und den letzten dann „ohne Bäcker“ 🙂

Häschen kommt zum Elektriker: „Haddu Glühbirne?“
Der Elektriker bejaht.
„Muddu zum Doktor gehen, haddu Fieber!“


 

Wochenspiegel für die 12. KW, das war RA-Micro, Max Kruse, Terroristen und das Sexualstrafrecht

© Aleksandar Jocic - Fotolia.com

© Aleksandar Jocic – Fotolia.com

Zunächst heute am Ostersonntag allen Lesern/Leserinnen ein frohes Osterfest mit ein paar Tagen Ruhe vom Alltagsstress. Und dann die Frage: Uhren umgestellt? Ja, ab heute gilt nämlich wieder die Sommerzeit – also bitte die Uhr eine Stunde vorstellen.

Es gibt dann natürlich auch am Ostersonntag einen Wochenspiegel für die abgelaufene Woche. Aus der weise ich hin auf:

  1. Handyauswertung durch die Polizei: Wie Ermittlungsbehörden arbeiten,

  2. Max Kruse – Rufmord – ein Fall für die Staatsanwaltschaft!,

  3. OLG Naumburg: Ist das Schild „30“ am Ortseingang leicht zu über­se­hen, kann Fahrverbot ent­behr­lich sein,

  4. Sind Medien Komplizen der Terroristen?,

  5. Reform des Sexualstrafrechts,

  6. Im Bußgeldverfahren zwar keinen Pflichtverteidiger, dafür aber den Führerschein behalten,

  7. 11 Seiten Berufungsschrift – Faxbeginn 23:50 Uhr,

  8. Sachaufklärungshindernisse, beamtete und die abstrakte Fairness eines Würfels,

  9. Nervende Mails: Die drei besten Tipps gegen SPAM,

  10. und dann war da noch der mediale „Super-Gau“ für „RA-Micro“, mit denen der Kollege Hoenig aber nun gar nicht mehr zufrieden war, so dass er über seine Probleme – nicht nur seine – in seinem neuen Blog „Kanzleisoftware Berlin“ berichtet hat, aber jetzt ist wieder alles gut 🙂 : RA-Micro: Gut, daß wir drüber geredet haben,  dazu dann aber auch: Der Blog als Waffe – Boykott von Software.

Unvorhersehbarer „Blindflug“ eines 80-jährigen Pedelec-Fahrers ==> Alleinhaftung

entnommen wikimedia.org Urheber J. Hammerschmidt

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Urheber J. Hammerschmidt

Verursacht ein 80-jähriger Pedelec-Fahrer einen Zusammenstoß mit einem Pkw, weil er mit seinem Pedelec verkehrswidrig von einem Geh- und Radweg schräg auf die Fahrbahn fährt, um nach links abzubiegen, kann er für den Verkehrsunfall allein haften. Das ist das Fazit aus dem OLG Hamm, Urt. v. 09.02.2016 – 9 U 125/15, das nach einem entsprechenden Hinweisbeschluss des OLG vom 08.01.2016 ergangen ist und mit dem das OLG die erstinstanzliche Entscheidung des LG Essen bestätigt hat.

Zum Sachverhalt: Der zum Unfallzeitpunkt 80-jährige Kläger aus Haltern befuhr im Mai 2014 mit seinem Pedelec einen rechts von der Fahrbahn einer Straße durch eine durchgehende Linie abgetrennten Geh- und Radweg. An der Kreuzung mit einer von rechts einmündenden Straße beabsichtigte er nach links abzubiegen, um ein sich einer Häuserzufahrt anschließende, dem Verlauf eines Kanals folgende Zuwegung zu erreichen. Zu diesem Zweck fuhr er über die durchgezogene Linie in Richtung Fahrbahnmitte. Auf der Fahrbahn kam es zum Zusammenstoß mit dem Pkw der Beklagten. Der Pkw berührte mit der rechten Ecke des vorderen Stoßfängers das Hinterrad des Pedelec und brachte dieses zu Fall. Der Kläger stürzte und erlitt Prellungen sowie Frakturen im Bereich seines Beckens. Er hat 20.000 € und ca. 500 € materiellen Schadensersatz, u.a. für das beschädigte Pedelec, verlangt.

Das OLG ist von einem erheblichen Eigenverschulden des Klägers an dem Zustandekommen des Unfalls ausgegangen (§§ 7, 17 StVG, 254 BGB), welches eine Haftung der Beklagten – auch unter dem Gesichtspunkt der von ihrem Pkw ausgehenden Betriebsgefahr – ausschließt. Der Kläger habe die im Straßenverkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und gegen die sich aus den §§ 9, 10 StVO ergebenden Pflichten verstoßen. Er habe versucht, ohne die gebotene Rückschau gleichsam blindlinks von dem rechts neben der Fahrbahn verlaufenden Radweg über die gesamte Breite der Straße hinweg in die gegenüberliegende Zufahrt einzubiegen. Um sich verkehrsgerecht zu verhalten, hätte der Kläger nahc Auffassung des OLG bis zum Einmündungsbereich der von rechte einmündenden Straße fahren müssen. Dort hätte er die von ihm befahrene Straße im rechten Winkel überqueren müssen, sein Pedelec schiebend oder wie ein aus der Straße von rechts einmündenden Straße kommender Verkehrsteilnehmer fahrend. Bei dem ausgeführten Fahrmanöver habe der Kläger seine Absicht abzubiegen weder rechtzeitig angekündigt noch auf den hinter seinem Rücken herannahenden Verkehr geachtet. Die vom Kläger unvermittelt eingeleitete Schrägfahrt habe dazu geführt, dass das Pedelec auf der Straße in Sekundenbruchteilen ein breites, gefährliches Hindernis gebildet hat. Gegenüber diesem groben Fehlverhalten des Klägers trete die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs – ein Verschulden der Beklagten am Zusammenstoß ist nicht bewiesen – zurück.

Das OLG weist darauf hin, dass der Beklagten nicht vorgeworfen werden könne, sich nicht auf das erkennbar höhere Alter des Klägers eingestellt zu haben. Zwar habe sich ein Fahrzeugführer durch eine Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft so zu verhalten, dass einer Gefährdung von Kindern, Hilfsbedürftigen und älteren Menschen ausgeschlossen sei (§§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 2a StVO). Dabei erfordere allerdings nicht jeder im Blickfeld eines Kraftfahrers erscheinende Verkehrsteilnehmer aus diesem Personenkreis ein sofortiges Herabsetzen der eigenen Geschwindigkeit. Eine solche Reaktion sei erst dann geboten, wenn das Verhalten der Person oder die Situation, in der sie sich befinde, Auffälligkeiten zeige, die zu einer Gefährdung führen könnten (. Hiervon habe die Beklagte vor dem Unfall nicht ausgehen müssen. Bei ihrer Annäherung an den auf einem abgeteilten und ausreichend breiten Radweg fahrenden Kläger habe sie nicht allein aufgrund des höheren Alters des Klägers damit rechnen müssen, dass der Kläger die konkrete Verkehrssituation nicht gefahrlos habe beherrschen können.

Dieser Hinweis ist m.E. angesichts des massiven Fehlverhaltens des Klägers – in meinen Augen ein „Blidnflug“ – zutreffend. Befindet sich eine ältere Person in einer Lage, in der für sie nach der Lebenserfahrung aber keine Gefährdung zu erwarten ist, so braucht ein Kraftfahrer nicht allein schon wegen ihres höheren Alters ein Höchstmaß an Sorgfalt einzuhalten. Nicht jede im Blickfeld eines Kraftfahrers erscheinende Person der in § 3 Abs. 2 a StVO genannten Gruppen erfordert in jedem Fall eine sofortige Verlangsamung der Fahrgeschwindigkeit, ohne dass Gefahr für verkehrswidriges Verhalten voraussehbar ist – so das OLG.

Verstößt das Töten von männlichen Eintagsküken gegen das Tierschutzgesetz?

© rcx - Fotolia.com

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In Münster, aber auch in der überörtliche Presse, hat das Verfahren 2 KLs 7/15 Aufsehen erregt. In ihm ging es um die Frage, ob die bei Kükenbrütereien ggf. geübte Prxais, männlichen Küken am ersten Tag ihres Lebens zu vergasen oder lebend zu zerschreddern gegen das Tierschutzgesetz verstößt. Nach § 17 Nr. 1 TierSchG wird nämlich bestraft, wer ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet. Das LG Münster hat diese Frage im LG Münster, Beschl. v. 07.03.2016 – 2 KLs 7/15 – verneint und das Hauptverfahren über eine von der StA Münster erhobene Anklage nicht eröffnet. Angeklagt war der Betreiber einer Kükenbrüterei, der diese seit einigen Jahren betreibt.

Das LG geht zur Begründung seiner Entscheidung davon aus, dass § 17 Nr. 1 TierSchG nach gem. Art. 103 Abs. 2 GG gebotener verfassungsgemäßer Auslegung keine ausreichende Grundlage für eine Verurteilung darstellt, weil der Gesetzgeber bei Erlass der Vorschrift das Töten von männlichen Eintagsküken nicht unter Strafe habe stellen wollen. Das begründet sie mit der im Jahre 2012 erlassenen Tierschutzschlachtverordnung, die zulässige Tötungsformen für Eintagsküken regele, der Auswertung der Tierschutzberichte wechselnder Bundesregierungen und sonstiger Gesetzesmaterialien. Und:

„Eine Änderung der strafrechtlichen Beurteilung für einen über Jahrzehnte praktizierten Sachverhalt bedürfte aber nach dem Maßstab des Art. 103 Absatz 2 GG einer gesetzgeberischen Entscheidung, weil einerseits für den Angeschuldigten die strafrechtlichen Folgen nicht in dem Umfang, wie es Art. 103 Absatz 2 GG verlangt, vorhersehbar sind und sich andererseits vor dem Hintergrund, dass es sich bei § 17 TierSchG um einen wertungsoffenen, durch soziale Anschauungen und das kulturelle Selbstverständnis eines überwiegenden Teils der Bevölkerung geprägten Tatbestand außerhalb des Kernstrafrechts handelt, Schwierigkeiten bei der Bestimmtheit des Tatbestand ergeben, die durch eine konkretisierende höchst- oder auch nur obergerichtliche Rechtsprechung bisher nicht ausgeräumt sind.“

Und weiter:

Losgelöst von den Ausführungen zu Art. 103 Abs. 2 GG, die für alle Brütereien in Deutschland entsprechend gelten dürften, scheidet die Strafbarkeit vorliegend aber auch aus, weil die innerhalb des § 17 TierSchG vorzunehmende Abwägung das Vorliegen eines vernünftigen Grundes für die Tötung der Eintagsküken ergibt.

In die im Rahmen der Prüfung des § 17 Nr. 1 TierSchG einfachgesetzlich wie verfassungsrechtlich gebotene Abwägung ist der inzwischen verfassungsrechtlich abgesicherte Tierschutz mit der Maßgabe einzustellen, dass in der Tötung der männlichen Eintagsküken ein mehrfacher, nicht umkehrbarer und schwerwiegender Eingriff in den Tierschutz liegt.

Dem steht gegenüber die Berufsfreiheit des Angeschuldigten aus Art. 12 GG, dessen aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Absatz 3 GG) abzuleitender Vertrauensschutz, die Einheit der Rechtsordnung, der Umstand, dass es derzeit keine wirtschaftlich sinnvolle Alternative für die Tötung der Eintagsküken gibt und der Angeschuldigte auch während der Dauer des Betriebs seines Unternehmens stets versucht hat, sich an die ändernden Wertvorstellungen anzupassen – so z.B. vom Zerkleinern der Tagesküken zu deren als weniger verwerflich beurteilten Vergasung und von der Entsorgung der Tierkadaver zur Weiterverarbeitung als Futtermittel übergegangen ist.

Nimmt man den Umstand, dass der Angeschuldigte seine Geflügelzucht mit angeschlossener Brüterei seit wenigstens 2010 betreibt, zusammen mit den oben bereits angeführten Verlautbarungen aus Gesetzgebungsmaterialien und Tierschutzberichten und berücksichtigt weiter, dass es sich bei der Strafnorm aus dem Tierschutzgesetz nicht um einen Bestandteil des Kernstrafrechts handelt, gewinnt die Kammer die Überzeugung, dass der Angeschuldigte berechtigterweise darauf vertrauen durfte, dass sein Handeln – unbeschadet einer Untersagungsmöglichkeit durch die Fachaufsicht, die ihm aber gewisse Übergangsfristen zu gewähren hätte – jedenfalls nicht einer Strafbarkeit unterfällt.“

Sicherlich keine „leichte Kost“, aber irgendwann musste/wollte ich ihn bringen….