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Geschwindigkeitsüberschreitung versus Verletzung Wartepflicht beim Linksabbiegen, oder: Haftungsabwägung

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Im Kessel Buntes dann heute nach längerer Zeit mal wieder etwas Zivilrechtliches vom KG,  und zwar das KG, Urt. v. 15.02.2019 – 22 U 122/17. Es geht u.a. um den Anscheinsbeweis beim Linksabbiegen. Der Kläger hatte in Berlin den „den Gosener Damm in südöstlicher Richtung [befahren] und bog nach links in die einmündende Meisenheimer Straße ab. Der Beklagte zu 1. befuhr den Gosener Damm in entgegengesetzter Richtung. Das Fahrzeug des Klägers, ein VW Passat Kombi, wurde hinten rechts von der Front des Fahrzeuges des Beklagten zu 1., einem VW Polo älteren Baujahrs, getroffen. An der Unfallstelle galt die innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. Die Parteien streiten u.a. hinsichtlich der Höhe der Überschreitung dieser Höchstgeschwindigkeit durch den Beklagten zu 1.“

Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen, wogegen sich der Kläger Berufung eingelegt hat. Anders als das LG kommt das KG zum Ergebnis, dass der Beklagte haftet, und zwar:

„Das Landgericht hat die Klage zu Unrecht bereits mangels Haftung der Beklagten abgewiesen, denn dem Kläger steht gegen den Beklagten zu 1. als Halter und Fahrzeugführer sowie den Beklagten zu 2. als Haftpflichtversicherer gemäß §§ 823 Abs. 1, 249 BGB; §§ 7, 17, 18 StVG; § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 4 VVG; § 421 BGB wegen des Verkehrsunfalls vom 27. Februar 2015 auf dem Gosener Damm dem Grunde nach der geltend gemachte Schadenersatzanspruch in Höhe von 2/3 zu.

1. Der Kläger macht zu Recht geltend, dass das Landgericht das Ergebnis der Beweisaufnahme hinsichtlich der von dem Beklagten zu 1. gefahrenen Geschwindigkeit offensichtlich unvollständig gewürdigt hat und deshalb zu einem falschen Ergebnis gelangt ist. Vielmehr hat der Beklagte zu 1. zweifelsfrei gegen § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO verstoßen, weil er mit (mindestens) 80 km/h gefahren ist, obwohl innerorts eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h einzuhalten gewesen wäre. Angesichts der Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung gegenüber der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um mindestens 30 km/h müssen sich die Beklagten ein grobes (Mit-) Verschulden des Beklagten zu 1. anrechnen lassen………….

2. Durch das Verschulden des Beklagten zu 1. wird allerdings das (Mit-) Verschulden des Klägers wegen der Verletzung der ihm nach § 9 Abs. 3 S. 2 StVO obliegenden Sorgfaltspflichten nicht beseitigt, denn der Kläger hat das Fahrzeug des Beklagten zu 1. rechtzeitig gesehen bzw. hätte es rechtzeitig sehen und hierauf angemessen reagieren können.

a) Zur Widerlegung des gegen ihn sprechenden Anscheins hat der Abbiegende die Einhaltung seiner Sorgfaltspflichten konkret darzulegen und zu beweisen. Ein allgemeiner Vortrag genügt nicht. Vielmehr muss u. a. plausibel sein, weshalb trotz Einhaltung der Sorgfaltspflichten das andere Fahrzeug nicht zu sehen gewesen sein sollte (Kuhnke, Darlegungs- und Beweislast bei Schadenersatzansprüchen aus Verkehrsunfällen, NZV 2018, 447, 451 [6.(1) (c)] m.w.Nw.).

b) Der Anscheinsbeweis der Verletzung der Wartepflicht wird durch die überhöhte Geschwindigkeit des Bevorrechtigten nicht erschüttert und schränkt auch den Vorrang des entgegenkommenden Verkehrs nicht ein (BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 – VI ZR 133/11NZV 2012, 217, 218 [8], BGH, Urteil vom 14.2.1984 – VI ZR 229/82NJW 1984, 1962, 1963 [II.1.b)]; Kuhnke, Darlegungs- und Beweislast bei Schadenersatzansprüchen aus Verkehrsunfällen, NZV 2018, 447, 452 [(2) zu Fn. 53]).

c) Es steht fest, dass der Beklagte zu 1. nicht weit entfernt gewesen sein kann, weshalb der Kläger nicht abbiegen durfte, selbst wenn er von gefahrenen 50 km/h ausgegangen wäre. Da der Wartepflichtige zu erkennen geben muss, seiner Wartepflicht zu genügen, und nur fahren darf, wenn er übersehen kann, dass der Vorfahrtberechtigte weder gefährdet noch wesentlich behindert wird (vgl. § 8 Abs. 2 S. 1 und S. 2 StVO als spezielle Ausformung des allgemeinen aus § 1 Abs. 2 StVO folgenden Grundsatzes), ist es nicht erlaubt, knapp vor dem Herannahen noch abzubiegen. Selbst wenn der Gegenverkehr objektiv betrachtet nicht abbremsen müsste, darf der Abstand nicht so knapp bemessen werden, dass im Hinblick auf ein denkbares verzögertes Anfahren oder erzwungenes Stehenbleiben, bspw. wegen zuvor übersehener Fußgänger oder Radfahrer, das Abbiegen unnötigerweise potenziell riskant und gefährdend ist, zumal selbst bloße Behinderungen oder Belästigungen auszuschließen sind (§ 1 Abs. 2 StVO). Es genügt also nicht, wenn das Fahrzeug im Gegenverkehr unverzögert knapp hinter der Heckstoßstange vorbeifahren könnte; vielmehr bedarf es eines deutlichen Abstandes, denn andernfalls würden verantwortungsbewusste, umsichtige Fahrer dennoch zu einem stärkeren Abbremsen genötigt. Im Übrigen war der Beklagte nicht 150 m entfernt, sondern muss deutlich näher gewesen sein, wie sich berechnen lässt und nach dem Gutachten des Sachverständigen Winninghoff (Gutachten, S. 12 Bildseite 19 B80 = 22 m R80 = 30 m, bei Tempo 80 km/h 22 m/s, d.h. sicherlich keine 100 m) ergibt. Über eine Strecke von unter 100 m bestand keinerlei Sichtbeeinträchtigung, und zwar auch (noch) nicht durch die Kurve.

3. Im Ergebnis der Abwägung der Mitverursachungs- und Mitverschuldensanteile sowie der Betriebsgefahren nach §§ 17 Abs. 1 und Abs. 2, 9 StVG, 254 BGB haben die Beklagten 2/3 des Schadens zu tragen. Zwar überwiegt das wegen der erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung grobe Verschulden des Beklagten zu 1. (vgl. auch BGH, Urteil vom 14.2.1984 – VI ZR 229/82NJW 1984, 1962, 1963 [III.]; Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 15. Aufl. (2017), Rn. 232), ist jedoch nicht so wesentlich prägend, dass eine Anrechnung des Mitverschuldens des Klägers ausscheiden müsste, zumal davon auszugehen ist, dass der Kläger nicht zügig abbog, obwohl er den Pkw des Beklagten zu 1. gesehen haben muss. Ein geringerer Haftungsanteil der Beklagten kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil dem Beklagten zu 1. bewusst gewesen sein muss, dass bei Dunkelheit zwar mit Rücksicht auf die Fahrzeugbeleuchtung eine bessere Erkennbarkeit gegeben war, jedoch das Schätzen der Entfernung erschwert wurde.“

Unvorhersehbarer „Blindflug“ eines 80-jährigen Pedelec-Fahrers ==> Alleinhaftung

entnommen wikimedia.org Urheber J. Hammerschmidt

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Verursacht ein 80-jähriger Pedelec-Fahrer einen Zusammenstoß mit einem Pkw, weil er mit seinem Pedelec verkehrswidrig von einem Geh- und Radweg schräg auf die Fahrbahn fährt, um nach links abzubiegen, kann er für den Verkehrsunfall allein haften. Das ist das Fazit aus dem OLG Hamm, Urt. v. 09.02.2016 – 9 U 125/15, das nach einem entsprechenden Hinweisbeschluss des OLG vom 08.01.2016 ergangen ist und mit dem das OLG die erstinstanzliche Entscheidung des LG Essen bestätigt hat.

Zum Sachverhalt: Der zum Unfallzeitpunkt 80-jährige Kläger aus Haltern befuhr im Mai 2014 mit seinem Pedelec einen rechts von der Fahrbahn einer Straße durch eine durchgehende Linie abgetrennten Geh- und Radweg. An der Kreuzung mit einer von rechts einmündenden Straße beabsichtigte er nach links abzubiegen, um ein sich einer Häuserzufahrt anschließende, dem Verlauf eines Kanals folgende Zuwegung zu erreichen. Zu diesem Zweck fuhr er über die durchgezogene Linie in Richtung Fahrbahnmitte. Auf der Fahrbahn kam es zum Zusammenstoß mit dem Pkw der Beklagten. Der Pkw berührte mit der rechten Ecke des vorderen Stoßfängers das Hinterrad des Pedelec und brachte dieses zu Fall. Der Kläger stürzte und erlitt Prellungen sowie Frakturen im Bereich seines Beckens. Er hat 20.000 € und ca. 500 € materiellen Schadensersatz, u.a. für das beschädigte Pedelec, verlangt.

Das OLG ist von einem erheblichen Eigenverschulden des Klägers an dem Zustandekommen des Unfalls ausgegangen (§§ 7, 17 StVG, 254 BGB), welches eine Haftung der Beklagten – auch unter dem Gesichtspunkt der von ihrem Pkw ausgehenden Betriebsgefahr – ausschließt. Der Kläger habe die im Straßenverkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und gegen die sich aus den §§ 9, 10 StVO ergebenden Pflichten verstoßen. Er habe versucht, ohne die gebotene Rückschau gleichsam blindlinks von dem rechts neben der Fahrbahn verlaufenden Radweg über die gesamte Breite der Straße hinweg in die gegenüberliegende Zufahrt einzubiegen. Um sich verkehrsgerecht zu verhalten, hätte der Kläger nahc Auffassung des OLG bis zum Einmündungsbereich der von rechte einmündenden Straße fahren müssen. Dort hätte er die von ihm befahrene Straße im rechten Winkel überqueren müssen, sein Pedelec schiebend oder wie ein aus der Straße von rechts einmündenden Straße kommender Verkehrsteilnehmer fahrend. Bei dem ausgeführten Fahrmanöver habe der Kläger seine Absicht abzubiegen weder rechtzeitig angekündigt noch auf den hinter seinem Rücken herannahenden Verkehr geachtet. Die vom Kläger unvermittelt eingeleitete Schrägfahrt habe dazu geführt, dass das Pedelec auf der Straße in Sekundenbruchteilen ein breites, gefährliches Hindernis gebildet hat. Gegenüber diesem groben Fehlverhalten des Klägers trete die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs – ein Verschulden der Beklagten am Zusammenstoß ist nicht bewiesen – zurück.

Das OLG weist darauf hin, dass der Beklagten nicht vorgeworfen werden könne, sich nicht auf das erkennbar höhere Alter des Klägers eingestellt zu haben. Zwar habe sich ein Fahrzeugführer durch eine Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft so zu verhalten, dass einer Gefährdung von Kindern, Hilfsbedürftigen und älteren Menschen ausgeschlossen sei (§§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 2a StVO). Dabei erfordere allerdings nicht jeder im Blickfeld eines Kraftfahrers erscheinende Verkehrsteilnehmer aus diesem Personenkreis ein sofortiges Herabsetzen der eigenen Geschwindigkeit. Eine solche Reaktion sei erst dann geboten, wenn das Verhalten der Person oder die Situation, in der sie sich befinde, Auffälligkeiten zeige, die zu einer Gefährdung führen könnten (. Hiervon habe die Beklagte vor dem Unfall nicht ausgehen müssen. Bei ihrer Annäherung an den auf einem abgeteilten und ausreichend breiten Radweg fahrenden Kläger habe sie nicht allein aufgrund des höheren Alters des Klägers damit rechnen müssen, dass der Kläger die konkrete Verkehrssituation nicht gefahrlos habe beherrschen können.

Dieser Hinweis ist m.E. angesichts des massiven Fehlverhaltens des Klägers – in meinen Augen ein „Blidnflug“ – zutreffend. Befindet sich eine ältere Person in einer Lage, in der für sie nach der Lebenserfahrung aber keine Gefährdung zu erwarten ist, so braucht ein Kraftfahrer nicht allein schon wegen ihres höheren Alters ein Höchstmaß an Sorgfalt einzuhalten. Nicht jede im Blickfeld eines Kraftfahrers erscheinende Person der in § 3 Abs. 2 a StVO genannten Gruppen erfordert in jedem Fall eine sofortige Verlangsamung der Fahrgeschwindigkeit, ohne dass Gefahr für verkehrswidriges Verhalten voraussehbar ist – so das OLG.

Abbiegen auf die Gegenfahrbahn – Wenden oder Linksabbiegen?, oder: Quasiauffahrunfall

© psdesign1 - Fotolia.com

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Mit einem in der Praxis m.E. nicht so ganz seltenen Fahrmanöver und einem darauf beruhenen Verkehrsunfall hatte sich das OLG Düsseldorf im OLG Düseldorf, Urt. v. 27.10.2015 – I-1 U 46/15 – zu befassen. Dem Unfallgeschehen war ein Fahrverhalten des Beklagten als Fahrer eines Pkw vorausgegangen, im Zuge dessen er sein Fahrzeug auf der L 239 in XXX „wenden“ wollte, um ein in seiner Fahrtrichtung linksseitig, also auf der  anderen Straßenseite gelegenes Gartengelände der Zeugin XXX aufzusuchen. Im Zusammenhang mit der Vorbereitung dieses Fahrmanövers durch Geschwindigkeitsreduzierung und Linkseinordnen ist dann der durch den Zeugen XXX gesteuerte Lastkraftwagen der Klägerin gegen das Heck des durch den Beklagten zum Wenden vorbereitete Pkw Daewoo geprallt. Die Parteien haben dann darum gestritten, ob es es sich beim dem Fahrmanöver des Beklagten um ein von diesem eingeleitetes Wendemanöver mit Haftung des Beklagten gehandelt hat oder um einen gewöhnlichen Auffahrunfall mit der Rechtsfolge einer vollen Haftung der Klägerin.

Das OLG hat sich für „Wenden“ entschieden:

1. Der Schutzbereich des § 9 Abs. 5 StVO, der die strengen Sorgfaltspflichten des wendenden Verkehrsteilnehmers zum Gegenstand hat, erfasst nicht nur die Verkehrsteilnehmer auf der Fahrspur für die Gegenrichtung, die im Zuge der beabsichtigten Richtungsänderung überquert werden soll. Da der Wendende den Verkehr aus beiden Richtungen vorher vorbeilassen muss, folgt daraus zwangsläufig, dass sich der vorgeschriebene Gefährdungsausschluss auch auf den nachfolgenden Verkehr bezieht. Die Einzelheiten des vorliegenden Falles verdeutlichen die Gefährlichkeit eines Wendemanövers, dass auf der freien Strecke einer zweispurigen Landstraße mit einer dort zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h eingeleitet werden soll: Der Pkw Daewoo, der sich zunächst mit dem nachfolgenden klägerischen Lkw im fließenden Verkehr befunden hatte, wurde durch die spontane Fahrtverzögerung mit der nachfolgenden Notwendigkeit des Abwartens des Gegenverkehrs für den aufrückenden Beklagten zu 2. zu einem plötzlichen Frontalhindernis, dem er nicht mehr rechtzeitig ausweichen konnte – wenn auch die Entstehung der Heckkollision mitursächlich auf die Nichteinhaltung des gebotenen Sicherheitsabstandes zurückzuführen war.

2. Das Wenden ist das Umdrehen des Fahrzeugs in die Gegenrichtung auf derselben Straße – und zwar gleichviel, wie und zu welchem Zweck (Hentschel/König/Dauer a.a.O., § 9 StVO, Rdnr. 50 mit Hinweis auf BGH NZV 2002, 376 und weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Entgegen dem Argumentationsansatz der Beklagten kann der einheitliche Wendevorgang nicht dergestalt in Einzelphasen aufgeteilt werden, dass die Vorbereitung der Richtungsänderung – so wie durch die Zeugin XXX und den Beklagten zu 2. mit der Fahrtverlangsamung entlang der Mittellinie bei gleichzeitiger Betätigung des linken Fahrtrichtungsanzeigers geschildert – rechtlich nur als Beginn eines Abbiegevorganges im Sinne des § 9 Abs. 1 StVO einzuordnen ist.

a) Denn das Gefahrenpotential des beabsichtigten Wendevorganges setzt bereits mit dessen Vorbereitung – im vorliegenden Fall mit einer deutlichen Reduzierung der Fahrtgeschwindigkeit auf einer Landstraße – ein. Richtig ist zwar, dass das Wenden sich aus zumindest einem Abbiegevorgang, möglicherweise sogar aus mehreren Abbiegevorgängen, zusammensetzt, für welche die Regeln des 9 Abs. 1 bis Abs. 4 StVO unmittelbar anwendbar sind (Burmann/Heß/Jahnke/Janker a.a.O., § 9 StVO, Rdnr. 58). Das bedeutet andererseits nicht, dass für jede Phase des Wendevorganges unterschiedliche Sorgfaltsanforderungen Berücksichtigung finden müssen – und zwar abhängig davon, ob etwa ein Wendevorgang erst durch eine entsprechende Einordnung gemäß § 9 Abs. 1 StVO vorbereitet wird oder ob weitergehend der Fahrer im Zuge der Durchführung der beabsichtigten Richtungsänderung bereits die abbiegetypische Schrägstellung eingenommen hat.

b) Es würde dem typischen Gefahrenpotential eines Wendevorganges nicht gerecht, wenn man, wie von den Beklagten postuliert, die Vorbereitung der Richtungsänderung allein im Hinblick auf die Einhaltung der Sorgfaltsanforderung des 9 Abs. 1 StVO würdigen würde, hingegen der in § 9 Abs. 5 StVO verlangte Ausschluss der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer erst für den Zeitpunkt maßgeblich sein soll, zu welchem der Fahrer die Schrägstellung quer zum bevorrechtigten fließenden Geradeausverkehr erreicht hat. Im Vergleich dazu ist etwa das Abbiegen als Ganzes zu sehen, es beginnt daher bereits mit der Rückschaupflicht, dem Blinken und Einordnen, nicht erst mit dem Bogenfahren (Hentschel/König/Dauer a.a.O., § 9 StVO, Rdnr. 16). Entsprechendes gilt für einen Wendevorgang, der bezüglich der Einhaltung der strengen Sorgfaltsanforderungen des § 9 Abs. 5 StVO ebenfalls als ganzheitlicher Vorgang gewürdigt werden muss…..“

Haftungsverteilung dann aber 50 : 50.

Nachtrag: Der vollständige Abruf der Entscheidung kann sich heute (09.01.2016) ggf. leider etwas schwieriger gestalten. Die Domain Burhoff.de ist derzeit immer wieder down. Der Support beim Provider Domainbox funktioniert am Wochenende nicht. Keine Angst: Der Umzug wird vorbereitet. ich werde kündigen.

Vorfahrt missachtet – Fahrradfahrer haftet voll

FahrradfahrerDas OLG Oldenburg meldet mit seiner PM v. 13.08.2014 die Verurteilung einer Fahrradfahrerin auf Schadensersatz für die Unfallfolgen aus einem Verkehrsunfall, der auf eine Missachtung der Vorfahrt eines Pkw beim Linksabbiegen zurückzuführen war (OLG Oldenburg, Urt. v. 13.08.2014 – 1 U 19/14. Die Fahrradfahrerin haftet in vollem Umfang. Dazu heißt es in der PM:

„Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg hat eine Fahrradfahrerin zur Zahlung von Schadensersatz und eines Schmerzensgeldes an einen Autofahrer verurteilt und damit eine Entscheidung des Landgerichts Oldenburg bestätigt.

Der Verkehrsunfall ereignete sich im Februar 2012 gegen 6 Uhr auf der Nadorster Straße in Oldenburg. Die Ampel an der Einmündung der Friesenstraße war zu dieser Zeit noch ausgeschaltet. Der Kläger befuhr mit seinem Pkw die Straße stadteinwärts. Die damals 20-jährige beklagte Fahrradfahrerin befuhr die gegenüberliegende Fahrbahnseite stadtauswärts. Vor dem Pkw des Klägers fuhr ein Bus, der zum Anhalten auf den rechten Busstreifen bog. Der Kläger fuhr sodann auf seiner Fahrspur an dem Bus links vorbei. Bei dem Versuch der Fahrradfahrerin mit ihrem Fahrrad links in die Friesenstraße abzubiegen, kam es zur Kollision mit dem PKW des Klägers. Dabei wurde die Fahrradfahrerin gegen die Windschutzscheibe des Pkw des Klägers geschleudert und erheblich verletzt. Der Autofahrer erlitt einen Schock als er mit ansehen musste, wie die Beklagte von seinem Fahrzeug erfasst und gegen Windschutzscheibe und Dachkante prallte.

Der Haftpflichtversicherer der Fahrradfahrerin übernahm 50 % des Schadens. Der Autofahrer verlangte mit seiner Klage die vollständige Übernahme des Schadens sowie die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 500 EUR. Demgegenüber verlangte die Fahrradfahrerin ihrerseits mit einer Widerklage die vollständige Erstattung ihres Schadens in Höhe von 5.000 EUR und ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 EUR. Das Landgericht gab der Klage weitgehend statt und wies die Widerklage ab. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Aus Sicht des Senats war die Fahrradfahrerin für den Unfall allein verantwortlich. Während sie unter Missachtung der Vorfahrt des Pkw links abgebogen war, konnte ein Verkehrsverstoß des Autofahrers nicht festgestellt werden. Weder war dieser zu schnell gefahren, noch hätte er den Abbiegevorgang der Fahrradfahrerin früher erkennen und so die Kollision vermeiden können. Es verblieb danach nur die allgemeine Betriebsgefahr des Pkw beim Kläger. Diese führt regelmäßig zu einem Haftungsanteil von 20 bis 25 %. Beruht der Unfall aber wie hier auf einem eindeutigen Verstoß gegen Vorfahrtregeln durch einen volljährigen Fahrradfahrer, so entfällt auch dieser Haftungsanteil für den Autofahrer.“