Archiv für den Monat: März 2014

Kampfdackel?

entnommen wikimedia.org Urheber BUHR

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Bei LTO bin ich vor einigen Tagen auf den Bericht zum VG Gießen, Urt. v. 17.03.2014 – 8 K 1563/13.GI – gestoßen. Im Verfahren ging es um die KLage eines Dackelbesitzers gegen seine Veranlagung zur Hundesteuer für seinen Dackel. Der Dackel war als gefährlicher Hund charakterisiert worden, nachdem er einem Nachbarn ins Bein gebissen hatte. Deshalb sollte der Hundebesitzern nun 500 statt 50 € Steuern pro Jahr zahlen. So sieht es die entsprechende Satzung der Gemeinde Dautphetal vor.

Der Kläger hatte beim VG Gießen keinen Erfolg. Die Voraussetzungen dafür, dass der Dackel als gefährlich gelte könne, lagen nach Auffassung des VG vor. Auf den Volltext bin ich gespannt. Denn der Dackel soll den Nachbarn nur deshalb ins Bein gebissen haben, weil dieser zuvor Steine auf den Hund geworfen habe. Wie man mit der „Einlassung“ wohl umgegangen ist?

Wenn sich ein Erwachsener dazu entschließt, „ruhig auch mal was Verrücktes zu machen“

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Folgender Sachverhalt liegt dem OLG Naumburg, Urt. v. 22.11.2013 – 10 U 1/13 zugrunde:

„Die zum Unfallzeitpunkt 33-jährige Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz einschließlich Schmerzensgeldes wegen eines behaupteten Sturzes am 13. März 2011 und dessen behaupteter Folgen, weil die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht für den Kinderspielplatz in B. OT D. verletzt habe: Die Klägerin sei von einer sich unvermittelt nach hinten drehenden runden, metallischen Querstange zwischen zwei Holzbalken eines dort aufgebauten mehrseitigen Klettergerüsts rücklings aus einer Höhe von ca. 1,00 m auf den Rasenboden gefallen. Auf diese Metallstange habe sie sich gesetzt bzw. zu setzen versucht, weil sie davon ausgegangen sei, dass diese Stange starr zwischen den Pfosten befestigt sei.“

Das OLG sagt: Nein, es gibt keinen Schadensersatz. An die Verkehrssicherungspflicht bei Kinderspielplätzen sind zwar besonders hohe Anforderungen zu stellen. Das verbietet aber nicht bewegliche Teile, wie z.B. eine drehbare Querstange mit der Kinder in verschiedener Weise spielen können. Die Verkehrssicherungspflicht geht auch nicht soweit, dass Erwachsene vor jedem möglichen Schaden bei der Nutzung eines Klettergerüstes eines Spielplatzes geschützt werden müssten.

Und: Überwiegendes Mitverschulden der Klägerin.

„Wenn sich ein Erwachsener dazu entschließt, „ruhig auch mal was Verrücktes zu machen“ (so die eigene Einlassung der Klägerin), so ist das nicht nur aus Rechtsgründen völlig in Ordnung und nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund und im Umfang des Art. 2 Abs. 1 GG jedem gestattet. Es muss dann allerdings auf dem Klettergerüst eines Spielplatzes mit den dort vorherrschenden und oben ausgeführten Besonderheiten gerechnet und insbesondere auch mit einkalkuliert werden, dass ein Erwachsener sich grundsätzlich ängstlicher oder positiv formuliert: vorsichtiger bewegt als ein Kind, damit befangener, auch naturgemäß weniger beweglich ist, und in aller Regel auch weniger trainiert, weil es im Lauf des Erwachsenwerdens naturgemäß allgemein jedenfalls zu nicht unerheblichen Reduktionen körperlicher Aktivitäten in Beruf, Verkehr und Haushalt kommt, wobei die heutige sog. Digitalisierung noch das ihrige beiträgt. Dieser natürliche Schwund körperlicher Leistungsfähigkeit, auch wenn er hinausgeschoben werden mag, muss dann aber mit einbezogen werden, nutzt man als erwachsene Person Spielgeräte, die grundsätzlich für andere, weit jüngere Altersgruppen geschaffen sind. Für all dies typisch ist die weitere Einlassung der Klägerin, sie habe dann die Höhe der Stange bemerkt und wieder herunterspringen wollen, weil genau dies ein nicht kindlich unbesorgtes Verhalten darstellt, dass das Seine zum – behaupteten – Unfallgeschehen beigetragen hat. Die Klägerin muss sich somit jedenfalls mindestens als ergänzende Argumentation auch noch eine grobe Sorgfaltspflichtverletzung in eigenen Angelegenheiten vorhalten lassen, wie es das Landgericht in letzter Konsequenz weiterhin zutreffend ausgeführt hat.

Auszugehen ist immer von der Mittelgebühr – richtig macht man es in Koblenz

RVG KasseDer Kollege Dr. Fromm hat mir den von ihm als Nebenklägervertreter erstrittenen Beschluss des LG Koblenz übersandt, in dem sich dieses zur Bemessung der Rahmengebühren für den Nebenklägervertreter in einem Körperverletzungsverfahren positioniert. Es gibt die Mittelgebühr, zumindest ist die für das LG immer die Grundlage der Bemessung. Und dann wird nach Kriterien gesucht, die die Gebühr erhöhen oder erniedrigen. Der richtige Weg, den das LG da im LG Koblenz, Beschl. v. 20.02.2014 –  2 Qs 1/14 – gegangen ist:

Die Höhe der Rahmengebühr wird gemäß § 14 Abs. 1 RVG vom Rechtsanwalt unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach billigem Ermessen bestimmt. Zu den Umständen des Einzelfalls zählt das Gesetz Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers. Bei der Bestimmung der Gebührenhöhe ist zunächst von der Mittelgebühr auszugehen. In „Normalfällen“ entspricht die Bestimmung der Mittelgebühr billigem Ermessen. Der Rechtsanwalt darf aber nicht ohne Abwägung der einzelnen Bemessungskriterien generell die Mittelgebühr abrechnen. Nur soweit eines der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG von dem Durchschnitt abweicht, wird das Anlass für den Rechtsanwalt sein, von der Mittelgebühr nach oben oder nach unten abzuweichen (Winkler in Mayer 1 Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, § 14 Rn. 39 m.w.Nachw.; v. Seltmann in Beck’scher Online-Kommentar RVG, Edition 22, Stand 2012, § 14 Rn. 21). Die Mindestgebühr kommt nur bei ganz einfachen Sachen von geringem Umfang in Betracht, wenn zudem die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und die Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten unterdurchschnittlich sind (Winkler in Mayer / Kroiß, aa0). So liegt der Fall hier nicht.

Die Bedeutung der Angelegenheit war für den Nebenkläger, der durch die Körperverletzungshandlungen der Verurteilten schmerzhafte Prellungen, Schürfwunden und ein Auskugeln der rechten Schulter erlitt, sicherlich von zumindest durchschnittlicher, wenn nicht gar überdurchschnittlicher Bedeutung. Der Nebenkläger besaß als Geschädigter ein erhebliches persönliches und auch wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits.

Auch das Verfahren war mit einem Umfang von 167 Blatt bis zum Beginn der Hauptverhandlung und drei Verhandlungstagen mit umfangreicher Beweisaufnahme – unabhängig davon, dass der Vertreter des Nebenklägers hieran nicht teilnahm – nicht geringen Umfangs, sondern entsprach jedenfalls dem durchschnittlichen Normalfall…“

Rechtzeitig zu Karfreitag: Keine Musik in der Öffentlichkeit

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Am 18.04.2014 ist in diesem Jahr Karfreitag, ein sog. stiller Feiertag, an dem musikalische Darbietungen verboten sind. Die Frage ist nur: Überall oder sind Privatfeiern erlaubt? Wann ist eine Feier aber öffentlich?

Damit setzt sich der OLG  Bamberg, Beschl. v. 23.01.2014 – 2 Ss OWi 995/14 – auseinander, rechtzeitig vor dem diesjährigen Karfreitag, und führt dazu – für Bayern – aus:

„a) Nach Art. 7 Nr. 3c BayFTG begeht u.a. eine Ordnungswidrigkeit, wer entgegen Art. 3 II BayFTG „am Karfreitag […] in Räumen mit Schankbetrieb musikalische Darbietungen erbringt“. Zwar wird insoweit nicht auf eine Öffentlichkeit der musikalischen Veranstaltung abgestellt. Im Ansatzpunkt zutreffend ist auch die Auffassung, es komme nicht darauf an, ob tatsächlich ein Schankbetrieb stattgefunden habe. Denn das Musikdarbietungsverbot am Karfreitag gilt für Räume mit Schankbetrieb unabhängig davon, ob an diesem Tag Schankbetrieb stattfindet (Hickel/Wiedmann/Hetzel Gewerbe- und Gaststättenrecht 43.10 [Stand: Februar 2013] Ziff. I.3 zu Art. 3 BayFTG).

b) Allerdings kann das Verbot aus Art. 3 II 3 BayFTG nur für öffentliche Musikdarbietungen gelten. Art. 3 I, II 1 BayFTG schützt die sog. stillen Tage. Insoweit geht es um Tage mit einem besonders ernsten Hintergrund, an denen alle der Unterhaltung dienenden öffentlichen Veranstaltungen verboten sind, es sei denn, die Veranstaltung ist dem Charakter des stillen Tages angepasst und dient der Verdeutlichung seiner Zweckbestimmung (BayVerfGH NVwZ-RR 2008, 218). Auch wenn Art. 3 II 3 BayFTG in Räumen mit Schankbetrieb musikalische Darbietungen jeder Art verbietet, erschließt sich der Begriff der ‚musikalische Darbietung‘ nur aus der Zusammenschau mit Art. 3 II 1 BayFTG. Zweck des Art. 3 II 3 BayFTG ist es, an Karfreitagen in Räumen mit Schankbetrieb – über die für alle stillen Tage geltende Regelung des Art. 3 II 1 BayFTG hinaus – auch Musikaufführungen mit ernstem Charakter zu verbieten (BayVerfGH a.a.O.). Ebenso wie Art. 3 II 3 BayFTG nicht dazu zwingt, an christlichen Feiern teilzunehmen, zwingt er nicht dazu, den Tag ernst und feierlich zu begehen. Im privaten Bereich steht es jedem frei, das zu tun, was immer er möchte. Deshalb sind auch rein private Musikveranstaltungen nicht verboten, wenn sie nicht anderweitig (z.B. wegen unzulässigen Lärms) Dritte stören (BayVGH, Urteil vom 07.04.2009 – 10 BV 08.1494 [bei juris] = BeckRS 2009, 32968). Insoweit kann es nicht darauf ankommen, in welchen Räumen die musikalische Darbietung stattfindet. Entscheidend ist, dass es sich nicht um eine öffentliche Veranstaltung handelt.

2. Damit durfte das AG hier nicht offen lassen, ob die Veranstaltung vom 06.04.2012 eine rein private Geburtstagsfeier war oder nicht. Mangels Beweisaufnahme zur Frage der Öffentlichkeit ist der Senat nicht in der Lage, selbst in der Sache zu entscheiden. Insbesondere genügen die bisherigen Feststellungen nicht zur Beantwortung der Frage, ob am 06.04.2012 eine öffentliche Veranstaltung oder eine rein private Geburtstagsfeier stattgefunden hat.

a) Eine öffentliche Veranstaltung liegt vor, wenn …..“

Erst mal über die Klippe „Verfahrensrüge“ springen…

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In Rechtsprechung und Literatur ist ja seit einiger Zeit ein „Kampf entbrannt“, ob und wie § 329 Abs. 1 StPO mit dem EGMR konventionskonform auszulegen und deshalb ggf. ein  Verwerfungsurteil nch § 329 Abs. 1 StPO bei unentschuldigtem Ausbleiben des Angeklagten und Anwesenheit eines verteidigungsbereiten Verteidigers zulässig ist. Wir haben darüber ja auch schon ein paar Mal berichtet (vgl.z.B. Auch du mein Sohn Brutus/OLG Bremen: Was schert uns der EGMR – oder kein Abgesang auf die Berufungsverwerfung oder: OLG München: Was schert mich der EGMR – oder kein Abgesang auf die Berufungsverwerfung).

Nun hat sich das KG mit dem KG, Beschl. v. 07.02.2014 – (4) 161 Ss 5/14 (14/14) in der Diskussion auch noch einmal zu Wort gemeldet. Allerdings auf einem Nebenkriegsschauplatz, nämlich bei der Frage nach den Anforderungen an die Verfahrensrüge in diesen Fällen. Dazu führt das KG aus:

a) Die Verfahrensrügen sind schon nicht zulässig erhoben. Die von der Revision verlangte Abwesenheitsverhandlung erforderte – wollte man eine entsprechende konventionskonforme Auslegung des § 329 Abs. 1 StPO im Sinne der Rechtsprechung des EGMR überhaupt in Betracht ziehen – jedenfalls, dass der verteidigungs- und vertretungsbereite Verteidiger nicht nur erscheint, sondern auch mit einer schriftlichen Vertretungsvollmacht des Angeklagten ausgestattet ist und diese vorweist (vgl. OLG München, Beschluss vom 17. Januar 2013 – 4 StRR (A) 18/12 – [juris-Rn.13], insoweit in NStZ 2013, 358 nicht abgedruckt; OLG Düsseldorf StV 2013, 299, 301; OLG Hamm, Beschluss vom 14. Juni 2012 – III-1 RVs 41/12 – [juris-Rn.12]; OLG Celle NStZ 2013, 615, 616; Mosbacher NStZ 2013, 312, 314). Da (nur) in einem solchen Fall eine zulässige Vertretung im Sinne des § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO anzunehmen ist, hielte sich die von den Revisionen verlangte Gesetzesinterpretation noch „im Rahmen einer methodisch vertretbaren Auslegung“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dementsprechend sieht auch der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz über ein „Gesetz zur Stärkung des Rechts auf Vertretung durch einen Verteidiger in der Berufungshauptverhandlung“ (Bearbeitungsstand 19. Dezember 2013) vor, dass eine Verwerfung der Berufung des Angeklagten nicht mehr erfolgen darf, wenn statt des Angeklagten ein „vertretungsbereiter Verteidiger mit schriftlicher Vertretungsvollmacht“ in dem Termin zur Berufungshauptverhandlung erschienen ist.

Deshalb gehört zu einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Verfahrensbeschwerde der Vortrag, dass sich der verteidigungs- und vertretungsbereite Verteidiger auf eine solche, ihm in schriftlicher Form erteilte besondere Vollmacht des abwesenden Angeklagten berufen und diese dem Gericht nachgewiesen hat (vgl. OLG Celle aaO; s. auch OLG Hamburg, Beschluss vom 3. Dezember 2013 – 1 Ss 68/13 – [juris-Rn. 26]; KG, Beschluss vom 3. Januar 2012 – [2] 1 Ss 421/11 [58/11] –). Daran fehlt es hier. Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich vielmehr, dass die erschienenen Verteidiger gerade keine entsprechende Vollmacht vorgelegt oder eine Bevollmächtigung auch nur behauptet hätten. …“

Also: Die Klippe muss man schon überspringen, wenn die Verteidigung an der Stelle Erfolg haben soll..